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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
FrG 1993 §19;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte
Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über die Beschwerde der O in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 21. August 1996, Zl. SD 625/96, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 21. August 1996 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine russische Staatsangehörige, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.
Die Beschwerdeführerin, die sich seit Februar 1992 im Bundesgebiet befinde, sei am 31. Jänner 1995 vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Vergehens der Nötigung sowie des Verbrechens des gewerbsmäßigen Menschenhandels zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, davon 16 Monate bedingt auf drei Jahre Probezeit, verurteilt worden. Dem Einwand der Beschwerdeführerin, sie sei zu Unrecht verurteilt worden, stehe die Rechtskraft des Urteiles entgegen. Demnach liege der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG vor. Das dieser Verurteilung zugrunde liegende strafbare Verhalten der Beschwerdeführerin sowie die dadurch bewirkte Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit rechtfertigten jedenfalls (auch) die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme.
Aufgrund des relativ langen inländischen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin und im Hinblick auf ihre familiäre Bindung (Ehegatte) sei von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in ihr Privat- und Familienleben auszugehen. Dessen ungeachtet sei die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes aufgrund des Dringend-geboten-seins dieser Maßnahme zu bejahen (§ 19 FrG). Es liege wohl auf der Hand, daß an der Verhinderung von Menschenhandel ein besonders großes öffentliches Interesse bestehe, stelle doch gerade diese Tathandlung eine ausgesprochen zynische Mißachtung der Menschenwürde dar. Hinzu komme, daß die Beschwerdeführerin gewerbsmäßig, d.h. in der Absicht gehandelt habe, sich durch die wiederkehrende Begehung der Straftat eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei daher zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen durch die Beschwerdeführerin, zum Schutz der öffentlichen Sicherheit, aber auch zum Schutz der Rechte und Freiheiten Dritter als dringend geboten zu erachten. Die vom Gericht (zum Großteil) ausgesprochene bedingte Strafnachsicht ändere daran nichts. Denn abgesehen davon, daß dieser Umstand keinesfalls - wie die Berufung offenbar meine - Garantie für künftiges Wohlverhalten der Beschwerdeführerin sein könne, habe die Behörde die Frage der Erforderlichkeit des Aufenthaltsverbotes eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes zu beurteilen, somit ohne an die Erwägungen gebunden zu sein, die das Gericht veranlaßt hätten, die Strafe teilweise bedingt nachzusehen.
Ebenso schlage die gemäß § 20 Abs. 1 leg. cit. vorzunehmende Interessenabwägung zu Ungunsten der Beschwerdeführerin aus, zumal sich diese aufgrund des etwa viereinhalbjährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet nicht auf einen hohen Grad ihrer Integration berufen könne. Darüber hinaus erfahre ihre Integration eine nicht unbeträchtliche Minderung aufgrund der Beeinträchtigung der dafür wesentlichen sozialen Komponente durch die von ihr begangenen schwerwiegenden Straftaten. Mit Rücksicht auf die erhebliche Gefährdung öffentlicher Interessen durch die Straftaten der Beschwerdeführerin müßten ihre privaten und familiären Interessen in den Hintergrund rücken. Die belangte Behörde gelange jedenfalls zur Auffassung, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin und ihres Gatten keinesfalls schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme. Sohin erweise sich das Aufenthaltsverbot auch im Grunde des § 20 Abs. 1 leg. cit. als zulässig.
Was die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes betreffe, so erscheine die von der Erstbehörde vorgenommene Befristung auch nach Ansicht der belangten Behörde gerechtfertigt. In Anbetracht des aufgezeigten Fehlverhaltens der Beschwerdeführerin könne eine Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraumes erwartet werden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. In der Beschwerde bleibt die - auf der unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellung (rechtskräftige Verurteilung der Beschwerdeführerin wegen des Vergehens der Nötigung und des Verbrechens des gewerbsmäßigen Menschenhandels zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, davon 16 Monate bedingt) beruhende - Rechtsansicht der belangten Behörde, daß vorliegend der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht sei und überdies im Hinblick auf die besagten Straftaten die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, unbekämpft.
2.1. Unter dem im Grunde des nach § 19 FrG zu beurteilenden Gesichtspunkt der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes vertritt die Beschwerdeführerin die Meinung, daß mit dieser Maßnahme ein schwerwiegender Eingriff in ihr Privat- und Familienleben (Trennung von ihrem Ehegatten) verbunden wäre und sie bei Abwägung mit den maßgeblichen öffentlichen Interessen nicht als notwendig zu erkennen sei.
2.2. Dazu ist die Beschwerde zunächst darauf hinzuweisen, daß die belangte Behörde angesichts der aufrechten Ehe der Beschwerdeführerin mit einem österreichischen Staatsbürger ohnehin einen relevanten Eingriff durch die Verhängung des Aufenthaltsverbotes i.S. des § 19 FrG angenommen hat. Dieser zutreffenden Beurteilung hat sie indes die Auffassung folgen lassen, daß das Aufenthaltsverbot ungeachtet der besagten familiären Bindung dringend geboten und daher nach der vorgenannten Bestimmung zulässig sei. Auch dieser Ansicht kann die Berechtigung nicht abgesprochen werden. An der Bekämpfung des Menschenhandels (§ 217 StGB), einer besonderen Art grenzüberschreitender Kriminalität, besteht ein großes öffentliches Interesse. Dieses Interesse wurde im vorliegenden Fall durch die Beschwerdeführerin in erheblichem Maß beeinträchtigt; dies vor allem im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführerin eine gewerbsmäßige Tatbegehung zur Last liegt, sie also mit der Absicht gehandelt hat, sich durch die wiederkehrende Begehung des in Rede stehenden Ausbeutungsdeliktes eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Die darin gelegene Neigung zu chronischer Kriminalität (vgl. dazu Leukauf-Steininger, Kommentar zum Strafgesetzbuch3, § 70 Rz 1) läßt die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes über die Beschwerdeführerin zur Verhinderung von strafbaren Handlungen (Art. 8 Abs. 2 MRK) auch unter Bedachtnahme auf ihren ca. viereinhalbjährigen Aufenthalt in Österreich und ihre Ehe als dringend geboten erscheinen.
3.1. Die Beschwerde hält den angefochtenen Bescheid außerdem wegen unrichtiger Abwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG für rechtswidrig. Nach Meinung der Beschwerdeführerin hätte die Interessenabwägung aufgrund der Dauer ihres Aufenthaltes in Österreich, der damit verbundenen Integration, ihrer Ehe und schließlich ihrer Beschäftigung seit 1. April 1995 zu ihren Gunsten ausgehen müssen. Hiebei wären die Erwägungen des Strafgerichtes zur Gewährung der bedingten Strafnachsicht als maßgeblich heranzuziehen gewesen.
3.2. Auch dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt zum Ausdruck gebracht hat, obliegt es der Fremdenbehörde, die Frage der Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes - frei von einer Bindung an die Erwägungen, die das Gericht veranlaßten, die Strafe (zum Teil) bedingt nachzusehen - zu beurteilen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 29. September 1994, Zl. 94/18/0600). So wenig demnach von einer Maßgeblichkeit der vom Gericht in dieser Hinsicht im Fall der Beschwerdeführerin angestellten Überlegungen die Rede sein kann, so wenig vermögen die in der Beschwerde ins Treffen geführten persönlichen Interessen ein Überwiegen der Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin und ihres Gatten gegenüber den nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme darzutun. Vielmehr kommt dem oben II. 2.2. dargestellten maßgeblichen öffentlichen Interesse solches Gewicht zu, daß die geltend gemachten gegenläufigen privaten und familiären Interessen jedenfalls geringer zu veranschlagen sind, zumal die für eine Integration wesentliche soziale Komponente - von der belangten Behörde richtig gesehen - durch die von der Beschwerdeführerin begangenen Straftaten nicht unwesentlich beeinträchtigt wird; daran vermag auch die Berufstätigkeit der Beschwerdeführerin seit 1. April 1995 nichts zu ändern (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 29. Februar 1996, Zl. 95/18/1423).
4. Was schließlich die von der Beschwerdeführerin bekämpfte Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes mit zehn Jahren anlangt, so ist festzuhalten, daß ein Aufenthaltsverbot - unter Bedachtnahme auf § 21 Abs. 1 FrG - für jenen Zeitraum, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, und auf unbestimmte Zeit (unbefristet) zu erlassen ist, wenn ein Wegfall des Grundes nicht vorhergesehen werden kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. November 1995, Zl. 95/18/1173, mwN). Wenn die belangte Behörde vorliegend die Auffassung vertreten hat, daß im Hinblick auf das besagte Fehlverhalten der Beschwerdeführerin ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraumes erwartet werden könne, so kann diese Beurteilung in Anbetracht der Schwere der der Beschwerdeführerin zur Last liegenden Straftaten nicht als rechtswidrig erkannt werden. Im übrigen hat es die Beschwerde unterlassen darzutun, was die belangte Behörde hätte veranlassen müssen anzunehmen, daß die für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umstände vorhersehbarerweise vor Ablauf der festgesetzten Gültigkeitsdauer wegfallen würden.
5. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Beschwerdeinhalt erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
6. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996180459.X00Im RIS seit
11.07.2001