TE Vwgh Erkenntnis 2021/10/14 Ra 2021/04/0130

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Veröffentlicht am 14.10.2021
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
50/01 Gewerbeordnung

Norm

GewO 1994 §13 Abs1
GewO 1994 §87 Abs1 Z1
VwGG §42 Abs2 Z1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie Hofrätin Mag. Hainz-Sator und Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revision des S M in W, vertreten durch die Dr. Riess Rechtsanwälte GmbH in 1080 Wien, Zeltgasse 3/12, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 23. April 2021, Zl. VGW-105/020/1802/2021/E-15, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber den Aufwand in Höhe von € 1.346,40 binnen vierzehn Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        1. Aus dem Akteninhalt ergibt sich folgender unstrittiger Sachverhalt:

2        Der Revisionswerber ist Inhaber der Gewerbeberechtigung „Gastgewerbe in der Betriebsart Herberge“ an einem Standort in Wien.

3        Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 12. Mai 2016, GZ. 054 KV134/2015t, wurde der Revisionswerber für schuldig erkannt, er habe am 26. November 2012 in Wien im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten R.M. als Geschäftsführer der M&R GmbH, mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, Verfügungsberechtigte der X Versicherungs AG durch Täuschung über den Umstand, dass ein bestimmt bezeichnetes Unternehmen im Auftrag der M&R GmbH Bauleistungen in einer Wohnung erbracht habe sowie unter Verwendung falscher Beweismittel, nämlich einer falschen Rechnung über € 19.960,-- und falscher Stundenaufzeichnungen, zu einer Handlung, nämlich zur Bezahlung des Rechnungsbetrages, verleitet, was die X Versicherungs AG in dem genannten € 5.000,-- übersteigenden Betrag am Vermögen schädigte. Er habe dadurch die §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 5. Fall verletzt und wurde über ihn eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten, bedingt für eine Probezeit von drei Jahren, verhängt. Ferner wurde der Revisionswerber in den Jahren 2004 und 2005 jeweils strafrechtlich wegen Körperverletzungsdelikten zu bedingten Freiheitsstrafen verurteilt.

4        Mit Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom 29. Juni 2016 wurde der Revisionswerber wegen der Beschäftigung am 9. Dezember 2015 zweier ausländischer Staatsbürgerinnen als Putzkräfte in dem von ihm betriebenen Appartementhaus nach dem AuslBG bestraft, weil für diese keine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung vorgelegen sei. Mit einem weiteren Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom 14. März 2016 wurde der Revisionswerber für schuldig erkannt, für zwei im Gastgewerbebetrieb beschäftigte Arbeitnehmer, die fristgerechte Anmeldung beim Krankenversicherungsträger unterlassen zu haben. Mit einem weiteren Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom 10. Jänner 2017 wurde der Revisionswerber für schuldig erkannt, in einem Gastgewerbebetrieb als handelsrechtlicher Geschäftsführer gegen das Tabak- und Nichtraucherschutzgesetz verstoßen zu haben, weil die Tür zwischen Nichtraucherraum und Raucherraum ständig geöffnet gewesen sei.

5        2. Mit Bescheid vom 16. Jänner 2020 entzog die belangte Behörde dem Revisionswerber die Berechtigung zur Ausübung des Gewerbes „Gastgewerbe in der Betriebsart Herberge“ am Standort 1 Wien und begründete dies im Wesentlichen mit der Verurteilung des Landesgerichtes für Strafsachen vom 12. Mai 2016 wegen Betrugs.

6        Die belangte Behörde stützte sich auf § 87 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit § 13 Abs. 1 Gewerbeordnung 1994.

7        3. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Entziehungsbescheid ab und erklärte die Revision für unzulässig.

8        In seiner Begründung führte das Verwaltungsgericht ausgehend von dem oben festgestellten unstrittigen Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht fallbezogen aus, dem Revisionswerber sei zuzugestehen, dass der Zeitpunkt der Tatbegehung betreffend die letzte strafgerichtliche Verurteilung bereits länger als sieben Jahre zurückliege. Die belangte Behörde habe jedoch zu Recht darauf verwiesen, dass es sich bei dieser Straftat um keine Ersttat handle, sondern dass der Revisionswerber bereits sieben bzw. acht Jahre vor dieser Straftat wegen zweier Vergehen gegen Leib und Leben rechtskräftig strafrechtlich verurteilt worden sei. Diese Taten würden zeigen, dass alleine der Umstand einer strafgerichtlichen Verurteilung den Revisionswerber offenkundig nicht zu einer endgültigen Einsicht und Abkehr von strafgesetzlich sanktionierten Verhalten veranlasse. Auch habe bei der Beurteilung des Persönlichkeitsbildes durchaus Berücksichtigung zu finden, dass der Revisionswerber auch nach seinen gerichtlich sanktionierten Straftaten als Gewerbetreibender verwaltungsstrafrechtlich auffällig geworden sei. Insbesondere die Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes gelte als schwerwiegende Verwaltungsübertretung. Das Ausmaß der für die ausschlussbegründende Straftat verhängte gerichtliche Strafe überschreite die gemäß § 13 Abs. 1 Gewerbeordnung 1994 relevante Strafdrohung um mehr als 130 Prozent. Zudem habe sich der Revisionswerber im strafgerichtlichen Verfahren weder einsichtig noch reumütig gezeigt und sei im Zuge des mehrere Jahre dauernden Verfahrens nicht von seiner leugnenden Verantwortung abgewichen. Das der verfahrensrelevanten Verurteilung immanente Verhalten, durch Täuschung eines Dritten diesen zwecks eigener Bereicherung am Vermögen zu schädigen und sich dabei falscher Beweismittel zu bedienen, sei bei Ausübung des fallbezogen zur Rede stehenden Gewerbes jedenfalls denkbar und im Lichte der Gesamtbeurteilung des Revisionswerbers keinesfalls ausgeschlossen. Die Beschwerde sei somit abzuweisen.

9        4. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision.

5. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

10       Die Revision ist zulässig und berechtigt.

11       5.1. Gemäß § 13 Abs. 1 Gewerbeordnung 1994 ist von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wer von einem Gericht zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen verurteilt worden ist, wenn die Verurteilung weder getilgt ist noch der Beschränkung der Auskunft aus dem Strafregister unterliegt.

12       Nach § 87 Abs. 1 Z 1 Gewerbeordnung 1994 ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde zu entziehen, wenn auf den Gewerbeinhaber die Ausschlussgründe des § 13 Abs. 1 zutreffen und nach Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder ähnlichen Straftat der Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist.

13       5.2. Die Revision bestreitet nicht, dass der Gewerbeausschlussgrund des § 13 Abs. 1 Gewerbeordnung 1994 vorliege, bringt jedoch vor, das Verwaltungsgericht habe die weitere Tatbestandsvoraussetzung des § 87 Abs. 1 Z 1 Gewerbeordnung 1994, nämlich die Befürchtung der Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes, unrichtig beurteilt, indem es darauf abgestellt habe, dass keine Gewähr für die Annahme, der Revisionswerber würde sich in Zukunft rechtskonform verhalten, vorliege. Die vom Verwaltungsgericht ins Treffen geführten Vorverurteilungen würden angesichts des Alters von 65 Jahren im Zusammenhang mit dem nunmehr knapp neunjährigen Wohlverhalten die Annahme nicht rechtfertigen, der Revisionswerber würde einschlägig rückfällig werden.

14       Die Revision verweist - bereits zur Begründung der Zulässigkeit - auf den Umstand, dass die für die Entziehung der Gewerbeberechtigung Anlass gebende Straftat zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung bereits nahezu zehn Jahre zurücklag. Dies und der weitere Umstand, dass die Freiheitsstrafe von sieben Monaten bedingt für eine Probezeit verhängt wurde, erfordere fallbezogen eine besonders gründliche Würdigung der vom Verwaltungsgericht ins Treffen geführten weiteren verwaltungsstrafrechtlichen Erkenntnisse, die nach Ansicht des Verwaltungsgerichts trotz des langen Zeitraums des Wohlverhaltens die Entziehung der Gewerbeberechtigung rechtfertigen würden.

15       In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Verwaltungsgericht zwar das Vorliegen dreier Verwaltungsstraferkenntnisse anführte, im Zusammenhang mit diesen jedoch weder im Detail feststellte, zu welcher Strafe der Beschuldigte jeweils verurteilt worden sei, noch das inkriminierte Verhalten in den Feststellungen näher beleuchtete, so dass in rechtlicher Hinsicht nicht beurteilt werden kann, inwiefern diese weiteren Strafdelikte die Entziehung der Gewerbeberechtigung rechtfertigen könnten. Die bloße Existenz der fallbezogen verwirklichten Verwaltungsstraftaten ist jedoch ohne nähere Feststellung zu den jeweiligen Umständen dieser Delikte nicht ausreichend, um die vom Verwaltungsgericht fallbezogen erstellte Prognose zu rechtfertigen.

16       Da das Verwaltungsgericht diese Feststellungen unterlassen hat, hat es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhalts (sekundäre Feststellungsmängel) belastet.

17       Das angefochtene Erkenntnis war aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 aufzuheben.

18       Der Ausspruch betreffend den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung.

Wien, am 14. Oktober 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021040130.L00

Im RIS seit

30.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

30.11.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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