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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
ASVG §4 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der A GmbH in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 2. April 1993, Zl. 120.922/4-7/93, betreffend Versicherungspflicht (mitbeteiligte Parteien: 1. A; 2. Wiener Gebietskrankenkasse, Wienerbergstraße 15-19, 1101 Wien;
3. Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Roßauer Lände 3, 1092 Wien; 4. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Adalbert-Stifter-Straße 65, 1200 Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Vorlageaufwand in der Höhe von S 565,-- und der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse Schriftsatzaufwand in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Geschäftsführer der beschwerdeführenden Gesellschaft K. gab bezüglich der Anmeldung des Erstmitbeteiligten vor der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse am 4. März 1991 niederschriftlich an, daß die Gesellschaft ihre wirtschaftliche Tätigkeit mit 1. März 1991 aufgenommen habe. Vor diesem Zeitpunkt habe der Erstmitbeteiligte bei den Umbauarbeiten des Lokales mitgeholfen. Die durchschnittliche Arbeitszeit habe wöchentlich zehn Stunden betragen. Seit dem 1. März 1991 sei der Erstmitbeteiligte im Lokal als Schankhelfer mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden beschäftigt. Die Einhaltung der Arbeitszeit sowie der Arbeitsleistung werde von ihm überwacht.
Anläßlich einer Überprüfung der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse im Lokal der beschwerdeführenden Gesellschaft am 5. April 1991 gab der Erstmitbeteiligte an, für diese seit etwa April 1990 tätig zu sein. Er arbeite als Kellner von 11.00 Uhr bis 23.00 Uhr an sieben Tagen der Woche. Er erhalte pro Tag einen Betrag in Höhe von S 200,-- sowie Trinkgeld von S 100,--. Er habe eine Arbeitserlaubnis bis Oktober 1991. Seine Instruktionen bekomme er vom Geschäftsführer K., der ihn auch kontrolliere. Da er bis jetzt allerdings keine Krankenscheine erhalten habe, ersuche er die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse um Überprüfung.
Anläßlich einer Vorsprache bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse am 26. April 1991 gab der Erstmitbeteiligte ferner an, bei der beschwerdeführenden Gesellschaft vom 5. März 1990 bis 19. April 1991 als Hilfskraft im Gastgewerbe tätig gewesen zu sein. Seine Arbeitszeit habe von Montag bis Sonntag von 11.00 Uhr bis 23.00 Uhr gedauert. Als Entgelt habe er S 6.000,-- netto erhalten. Da er nicht zur Sozialversicherung gemeldet worden sei, ersuche er um Überprüfung seiner Versicherungszeit.
Mit Bescheid vom 17. April 1992 sprach die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse aus, daß der Erstmitbeteiligte aufgrund seiner Beschäftigung als Hilfskraft bei der beschwerdeführenden Gesellschaft auch in der Zeit vom 5. März bis 19. November 1990 und vom 7. März bis 19. April 1991 gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG der Voll- (Kranken-, Unfall-, Pensions-) und Arbeitslosenversicherungspflicht unterliege. Nach der Begründung sei der Erstmitbeteiligte in der Zeit vom 20. November 1990 bis 6. März 1991 als Barhelfer bzw. Aushilfskraft zur Sozialversicherung gemeldet worden. Dem gegenüber habe der Erstmitbeteiligte anläßlich einer Vorsprache bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse am 26. April 1991 angegegeben, bei der beschwerdeführenden Gesellschaft vom 5. März 1990 bis 19. April 1991 als gewerbliche Hilfskraft im Gastgewerbe tätig gewesen zu sein. Außerdem sei der Erstmitbeteiligte am 5. April 1991 von einem Erhebungsorgan der Kasse im Lokal der beschwerdeführenden Gesellschaft bei der Arbeit angetroffen worden. Der Geschäftsführer der beschwerdeführenden Gesellschaft habe nachweislich zugestellten Aufforderungen zur Auskunftserteilung keine Folge geleistet. Es sei daher davon auszugehen, daß der Erstmitbeteiligte bei der beschwerdeführenden Gesellschaft nicht nur in der Zeit vom 20. November 1990 bis 6. März 1991, sondern auch in der Zeit vom 5. März bis 19. November 1990 und vom 7. März bis 19. April 1991 der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht unterlegen sei.
Die beschwerdeführende Gesellschaft erhob Einspruch. Danach stünden die Angaben des Erstmitbeteiligten im direkten Widerspruch zu den Angaben des Geschäftsführers K., der als Beschäftigungszeitraum lediglich den Zeitraum vom 20. November 1990 bis 6. März 1991 bestätige. Diese Darstellung werde auch durch die in der Gesellschaft aufliegenden schriftlichen Unterlagen bekräftigt. Als zusätzliches Beweismittel werde die Einvernahme von A.K. angeboten. Im übrigen habe der Erstmitbeteiligte in einer schriftlichen Erklärung vom 23. Mai 1992 angegeben, daß er anderslautende Behauptungen irrtümlich und nur aufgrund von Sprachschwierigkeiten gemacht habe. Alle anderen Angaben betreffend Arbeitszeiten bei der beschwerdeführenden Gesellschaft entsprächen nicht den Tatsachen und würden zurückgezogen.
Dem Einspruch war das erwähnte, maschinschriftlich verfaßte Schreiben des Erstmitbeteiligten angeschlossen.
Mit Bescheid vom 9. Juli 1992 gab der Landeshauptmann von Wien dem Einspruch keine Folge und bestätigte den Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse. Zum Vorbringen im Einspruch wurde im wesentlichen die Auffassung vertreten, daß in sozialversicherungsrechtlichen Belangen, insbesondere in Angelegenheiten der Versicherungspflicht, die tatsächlichen Verhältnisse maßgeblich seien. Der Landeshauptmann schenke den Angaben des Erstmitbeteiligten in den Niederschriften vor der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse mehr Glauben, da sie unbeeinflußt gemacht worden seien und daher eher geeignet seien, die tatsächlichen Verhältnisse wiederzugeben. Für die Richtigkeit der ursprünglich gemachten Angaben des Erstmitbeteiligten, er habe auch noch nach dem 6. März 1991 bei der beschwerdeführenden Gesellschaft gearbeitet, spreche auch die Tatsache, daß er am 5. April 1991 anläßlich einer Erhebung der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse im Lokal der beschwerdeführenden Partei bei der Arbeit angetroffen worden sei.
Die beschwerdeführende Partei erhob Berufung. Sie rügte im wesentlichen, daß weder die im Einspruch genannten Zeugen noch der Erstmitbeteiligte gehört worden seien. Dieser wäre schon deswegen zu vernehmen gewesen, um den Grund für die Richtigstellung seiner ursprünglichen Angaben festzustellen. Er sei auch zu befragen, warum er sich am 5. April 1991 in den Räumlichkeiten der beschwerdeführenden Gesellschaft aufgehalten habe.
Die belangte Behörde führte daraufhin am 20. Jänner 1993 eine mündliche Verhandlung durch, bei der sowohl der Erstmitbeteiligte als auch der Geschäftsführer der beschwerdeführenden Gesellschaft K. sowie ein Vertreter der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vernommen wurden. Der Erstmitbeteiligte gab dabei im wesentlichen an, nur von November 1990 bis März 1991 bei der beschwerdeführenden Gesellschaft gearbeitet zu haben. Er habe bei Umbauarbeiten auf der Baustelle aufgepaßt und mitgeholfen. An den Tag der Betriebsprüfung (5. April 1991) könne er sich nicht mehr erinnern. Auf den Vorhalt, daß die Unterschrift auf seinem Schreiben vom 23. Mai 1992 weder den vor der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse noch den vor der belangten Behörde geleisteten Unterschriften gleiche, gab der Erstmitbeteiligte an, seine Unterschrift habe sich im Laufe der Zeit geändert. Er habe zur Zeit der Niederschriften auch noch Sprachschwierigkeiten gehabt. Er sei im Februar und März 1990 gesundheitlich beeinträchtigt gewesen. Sein Dienstverhältnis habe er deshalb beendet, da er nicht bloß als Kellner arbeiten wolle.
Der Geschäftsführer K. bestätigte im wesentlichen, daß der Erstmitbeteiligte lediglich in der Zeit von November 1990 bis 6. März 1991 bei der beschwerdeführenden Gesellschaft gearbeitet habe. Er sei als Hilfskraft auf der Baustelle tätig gewesen und habe auch Reinigungsarbeiten verrichtet.
Dem gegenüber erklärte der Vertreter der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse, daß der Erstmitbeteiligte am 5. April 1991 im Lokal der beschwerdeführenden Gesellschaft Gäste bedient habe. Die Verständigung mit dem Erstmitbeteiligten habe gut funktioniert.
Eine Ausfertigung der Verhandlungsschrift wurde auch der beschwerdeführenden Gesellschaft im Rahmen des Parteiengehörs übermittelt. Eine Stellungnahme in der dafür vorgesehenen Frist erfolgte nicht.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und der Bescheid des Landeshauptmannes bestätigt. Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensgeschehens und der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen vertrat auch die belangte Behörde im wesentlichen die Auffassung, daß ihr die vor der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse unbeeinflußt gemachten Angaben des Erstmitbeteiligten über seinen Beschäftigungszeitraum bei der beschwerdeführenden Gesellschaft am glaubwürdigsten erschienen. Da auch die vor der belangten Behörde geleistete Unterschrift des Erstmitbeteiligten den vor der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse geleisteten Unterschriften - und nicht der Unterschrift auf der Erklärung vom 23. Mai 1992 - gleiche, sei wahrscheinlich, daß dieses Schreiben nicht vom Erstmitbeteiligten stamme. Seine Begründung, daß sich seine Unterschrift im Laufe der Zeit geändert habe, erscheine nicht glaubwürdig. Aufgrund der Aussagen des Vertreters der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse gehe die belangte Behörde auch davon aus, daß der Erstmitbeteiligte nach dem 6. März 1991 bei der beschwerdeführenden Gesellschaft gearbeitet habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen. Von den mitbeteiligten Parteien hat lediglich die Gebietskrankenkasse eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bringt die beschwerdeführende Gesellschaft im wesentlichen vor, daß die belangte Behörde weder die Eivernahme der beantragten Zeugen noch die Einvernahme des Erstmitbeteiligten veranlaßt habe. Die Einvernahme wäre deshalb notwendig gewesen, um festzustellen, ob die Richtigkeit der ursprünglichen Angaben des Erstmitbeteiligten gegeben sei bzw. warum er sich am 5. April 1991 in den Räumlichkeiten der Gesellschaft aufgehalten habe. Dadurch, daß die belangte Behörde die Feststellungen der Unterbehörden ohne ein entsprechendes Beweisverfahren übernommen habe, liege ein wesentlicher Verfahrensmangel.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun.
Die belangte Behörde hat am 20. Jänner 1993 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, bei der sowohl der Erstmitbeteiligte als auch der Geschäftsführer der beschwerdeführenden Gesellschaft vernommen worden sind. Die gegenteilige Behauptung in der Beschwerde erweist sich somit als aktenwidrig. Richtig ist, daß die im Einspruch der beschwerdeführenden Gesellschaft beantragte Einvernahme des A.K. von der belangten Behörde nicht veranlaßt worden ist.
Dieser Verfahrensmangel könnte allerdings nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, wenn er wesentlich wäre, wobei die Wesentlichkeit des Verfahrensmangels nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von der Beschwerde darzutun ist (vgl. z.B. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, auf Seite 590, wiedergegebene Rechtsprechung). Inwiefern A.K., ein Gesellschafter der beschwerdeführenden Gesellschaft, der nach der Aktenlage bei der I in W angestellt ist, nähere Angaben zur Beschäftigungsdauer des Erstmitbeteiligten machen könnte, wurde weder in der Beschwerde noch im Verwaltungsverfahren im Rahmen des Parteiengehörs dargelegt.
Im übrigen hat die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides schlüssig dargelegt, weshalb sie den ursprünglichen Angaben des Erstmitbeteiligten über die Dauer seiner Beschäftigung bei der beschwerdeführenden Gesellschaft und nicht seinen späteren Erklärungen gefolgt ist.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1993080139.X00Im RIS seit
20.11.2000