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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §49 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 96/08/0017 96/08/0018 96/08/0019Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerden des Dr. V in W, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen vier auf Grund von Beschlüssen des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigte Bescheide der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarkservice Wien vom 28. Dezember 1995, jeweils mit Zl. Abt. 12/7022/7100B, betreffend Verlust der Notstandshilfe gemäß § 49 Abs. 2 AlVG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 22. Juni 1995 sprach das Arbeitsmarktservice Wien unter Hinweis auf § 49 AlVG aus, daß der Beschwerdeführer für die Zeit vom 25. April bis 15. Mai 1995 keine Notstandshilfe erhalte.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung, wobei er im wesentlichen vorbrachte, die Kontrollmeldung für den 25. April 1995 deshalb nicht eingehalten zu haben, da die entsprechende Vorschreibung seiner Ansicht nach gesetzwidrig sei. Die Kontrollmeldung müsse vom Sinn und Zweck des § 49 Abs. 1 AlVG als Instrument der Arbeitsvermittlung verstanden werden, weshalb für ihre Vorschreibung die Situation am Arbeitsmarkt maßgebend sei. Seien - wie beim Beschwerdeführer - alle nur denkbaren Bewerbungsmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt ausgeschöpft worden und gebe es daher auf dem Arbeitsmarkt keine weitere Bewerbungsmöglichkeiten mehr, so verstoße jede weitere Vorschreibung einer Kontrollmeldung gegen die genannte Bestimmung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes. Er stehe im
52. Lebensjahr, sei seit 1991 arbeitslos und habe sich seither bei allen nur erdenklichen Arbeitgebern (Rechtsanwälten, Steuerberatern, Banken, Versicherungen, öffentlichen Stellen, usw.) um eine Stelle beworben, jedoch wegen seines zu hohen Alters nur Absagen erhalten. Er habe also bereits alle Bewerbungsmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt ausgeschöpft, sodaß es keine potentiellen Arbeitgeber mehr gebe, bei denen er sich um eine Stelle bewerben könnte. Das wisse auch das Arbeitsmarktservice für Akademiker und Führungskräfte, denn es sei auch nicht in der Lage, ihm als über 50-jährigen eine Stelle zu vermitteln.
Mit drei weiteren Bescheiden (vom 14. Juli 1995, 11. August 1995 und 30. Oktober 1995) sprach das Arbeitsmarktservice Wien ferner aus, daß der Beschwerdeführer für den jeweils angeführten Zeitraum (30. Mai bis 3. Juli 1995, 28. bis 31. Juli 1995 sowie 26. September bis 9. Oktober 1995) gemäß § 49 AlVG wegen Nichteinhaltung von Kontrollmeldungen keine Notstandshilfe erhalte.
Der Beschwerdeführer erhob auch dagegen jeweils Berufung, wobei er in einem ergänzenden Schriftsatz vom 20. Oktober 1995 als Grund für die Nichteinhaltung der Kontrolltermine neben seinem hohen Alter auch Krankheit geltend machte: Laut amtsärztlichem Gutachten vom 7. September 1995 sei er nämlich nur mehr zu "leichten Tätigkeiten ohne Streß und Aufregung" fähig. Da es am Arbeitsmarkt dafür geeignete offene Stellen nicht gebe, sei er überhaupt nicht mehr vermittelbar. So sei ihm jüngst die Stelle eines "Telefonisten ohne Altersbegrenzung mit Nachtdiensten" vermittelt worden, für welche er von der betreffenden Firma jedoch nicht einmal einen Vorstellungstermin erhalten habe, weil er infolge seiner Krankheit den Telefonstreß (dauerndes Geklingel und Geläute) nicht aushalte und vor allem in der Nacht Schlaf und Ruhe brauche und daher für Nachtdienste schlechthin ungeeignet sei. Die ihm vorgeschriebenen Kontrollmeldungen als Instrumente der Arbeitsvermittlung seien daher für ihn völlig sinn- und zwecklos. Die Versäumung einer solchen Kontrollmeldung sei daher ohne Belang und Auswirkung. Kontrollmeldungen dürften nicht dazu mißbraucht werden, einen nicht mehr vermittelbaren Arbeitslosen an seinem Lebensabend zu schikanieren und zu terrorisieren.
Mit den vier angefochtenen Bescheiden wurde den Berufungen keine Folge gegeben. Nach den im wesentlichen gleichlautenden Begründungen sei eine der primären Aufgaben des Arbeitsmarktservice, Arbeitslose wieder in Beschäftigung zu bringen. Um den Zustand der Arbeitslosigkeit zu beenden, scheine ein persönlicher Kontakt mit dem Arbeitslosen (u.a. zwecks Erfolgskontrolle allfälliger vorangegangener Vermittlungsversuche, Abklärung allfällig vorhandener Vermittlungshindernisse bzw. Defizite, Planung von Maßnahmen allfälliger Nach- oder Umschulung bzw. Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt und nicht zuletzt: Ausfolgung neuer Vermittlungsvorschläge) unerläßlich. Wenn der Beschwerdeführer meine, eine Vorschreibung solcher Kontrollmeldetermine wäre durch die Situation auf dem Arbeitsmarkt nicht bedingt, so verkenne er die Sach- und Rechtslage: Selbst wenn es so wäre, daß in seinem Fall - sei es auf Grund seines Alters oder auf Grund der lange andauernden Arbeitslosigkeit - eine Arbeitsaufnahme in seinem ursprünglichen Beruf schwierig erscheine, so bestehe doch die Möglichkeit (allenfalls nach vorausgehender Schulung) Vermittlungsversuche in anderen Berufssparten zu unternehmen. Gerade in Wien mit dem größten Arbeitsmarkt Österreichs erscheine es durchaus vorstellbar, auch für den Beschwerdeführer eine zumutbare Beschäftigung zu finden. Damit aber die Bemühungen des Arbeitsmarktservice auch für Personen mit den vom Beschwerdeführer selbst angegebenen Vermittlungshindernissen zu einem Erfolg führten, erscheine gerade ein besonders enger Kontakt zwischen Arbeitssuchenden und Arbeitsmarktservice unerläßlich. Es sei daher letztlich davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer die vorgeschriebene Kontrollmeldung nicht eingehalten habe, ohne sich dafür mit einem triftigen Grund zu entschuldigen.
Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Dabei wird - wie bereits in den Berufungen - im wesentlichen die Auffassung vertreten, daß die mangelnde Vermittelbarkeit des Beschwerdeführers als triftiger Grund im Sinne des § 49 Abs. 2 AlVG anzusehen sei, die Einhaltung von Kontrollmeldungen gänzlich nachzusehen. Die belangte Behörde habe sich auch nicht mit dem von ihm erwähnten amtsärztlichen Gutachten vom 7. September 1995 auseinandergesetzt. Ferner seien dem Beschwerdeführer für den
3. und 25. April 1995 Kontrollmeldungen vorgeschrieben worden. Nach § 49 Abs. 1 AlVG sei dies jedoch nur zulässig, wenn es die Situation auf dem Arbeitsmarkt erfordere oder der begründete Verdacht bestehe, daß das Arbeitslosengeld bzw. die Notstandshilfe nicht gebühre. Eine entsprechende Begründung enthalte der diesbezüglich angefochtene Bescheid jedoch nicht.
Die belangte Behörde hat von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen und dem Verwaltungsgerichtshof mitgeteilt, daß die bezughabenden Verwaltungsakten dem Verfassungsgerichtshof zu den dort anhängigen Beschwerdeverfahren vorgelegt worden seien.
Die Verwaltungsakten wurden dem Verwaltungsgerichtshof auf dessen Ersuchen vom Verfassungsgerichtshof zur Einsichtnahme übermittelt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
§ 49 AlVG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 314/1994 lautet auszugsweise:
"§ 49.(1) Zur Sicherung des Anspruches auf den Bezug von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe hat sich der Arbeitslose monatlich mindestens einmal bei der nach seinem Wohnort zuständigen regionalen Geschäftsstelle unter Vorweisung der Meldekarte persönlich zu melden. Je nach der Situation auf dem Arbeitsmarkt kann die regionale Geschäftsstelle die Einhaltung von Kontrollmeldungen gänzlich nachsehen, die Zahl der einzuhaltenden Kontrollmeldungen herabsetzen oder öftere Kontrollmeldungen vorschreiben. Die regionale Geschäftsstelle kann auch öftere Kontrollmeldungen vorschreiben, wenn der begründete Verdacht besteht, daß das Arbeitslosengeld bzw. die Notstandshilfe nicht gebührt. ...
(2) Ein Arbeitsloser, der trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine Kontrollmeldung unterläßt, ohne sich mit triftigen Gründen zu entschuldigen, erhält vom Tage der versäumten Kontrollmeldung an bis zur Geltendmachung des Fortbezuges kein Arbeitslosengeld bzw. keine Notstandshilfe.
..."
Dem § 49 Abs. 1 AlVG kann nicht entnommen werden, daß die (die gesetzliche Verpflichtung nach § 49 Abs. 1 erster Satz AlVG konkretisierende) Vorschreibung einer einmaligen Kontrollmeldung pro Monat nur dann zulässig ist, wenn dies die Situation auf dem Arbeitsmarkt bedingt, wie der Beschwerdeführer vorbringt. Danach besteht auch keine Verpflichtung der Behörde, die Einhaltung von Kontrollmeldungen gänzlich nachzusehen oder die Zahl der einzuhaltenden Kontrollmeldungen herabzusetzen. Die Vorschreibung einer Kontrollmeldung pro Monat entspricht jedenfalls dem ersten Satz des § 49 Abs. 1 leg. cit. (vgl. das den Beschwerdeführer betreffende Erkenntnis vom 5. Dezember 1995, Zlen. 95/08/0191, 0192).
Dem Beschwerdeführer wurde nach Lage der Verwaltungsakten eine Kontrollmeldung für den 4. April 1995 (und nicht wie in der Beschwerde behauptet, für den 3. April 1995) vorgeschrieben. Diese Kontrollmeldung hat der Beschwerdeführer nicht eingehalten und seinen Fortbezug auf Notstandshilfe erst wieder am 18. April 1995 geltend gemacht. Wenn die Behörde daher für den Monat April 1995 die die gesetzliche Verpflichtung nach § 49 Abs. 1 erster Satz AlVG konkretisierende Vorschreibung einer einmaligen Kontrollmeldung pro Monat (nunmehr für den 25. April) wiederholte, so kann darin kein Verstoß gegen § 49 Abs. 1 AlVG erblickt werden. Die belangte Behörde hat in den angefochtenen Bescheiden auch ausführlich und schlüssig begründet, weshalb ein ständiger (monatlicher) persönlicher Kontakt mit dem Beschwerdeführer zweckmäßig erscheint.
Daß dem Beschwerdeführer nicht gefolgt werden kann, wenn er auf Grund seines Alters eine Vermittlungstätigkeit grundsätzlich ausschließt, wurde bereits in dem oben genannten Erkenntnis vom 5. September 1995 zum Ausdruck gebracht. Da sein Anspruch auf den Bezug von Arbeitslosengeld erschöpft ist, und bei ihm - nach seinem eigenen Vorbringen - keine Aussicht besteht, daß er in absehbarer Zeit in seinem Beruf eine Beschäftigung findet, erscheint auch eine Beschäftigung zumutbar, die eine künftige Verwendung in seinem Beruf wesentlich erschweren könnte (vgl. § 9 Abs. 2 AlVG). Daß eine solche Möglichkeit am Arbeitsmarkt in Wien gegeben sein könnte, erscheint weder unschlüssig noch widerspricht dies jeglicher Lebenserfahrung.
In dem Umstand, daß die belangte Behörde auf das vom Beschwerdeführer erwähnte amtsärztliche Gutachten vom 7. September 1995 nicht weiter eingegangen ist, liegt kein vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifender Verfahrensmangel. Aus diesem Gutachten, das in den dem Verwaltungsgerichtshof übermittelten Verwaltungsakten nicht enthalten ist, ergibt sich nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers nämlich nur, daß er zu "leichten Tätigkeiten ohne Streß und Aufregung" fähig ist. Daß dem Beschwerdeführer jegliche Arbeitsfähigkeit mangelt, was im übrigen den Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe nach sich zöge (vgl. § 7 AlVG), bringt der Beschwerdeführer nicht vor.
Die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen liegen somit nicht vor. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Für die dem Verwaltungsgerichtshof vom Verfassungsgerichtshof zur Verfügung gestellten Verwaltungsakten war der belangten Behörde ein gesonderter Vorlageaufwand nicht zuzusprechen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996080016.X00Im RIS seit
18.10.2001