Entscheidungsdatum
20.05.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
L512 2242439-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der islamischen Republik Pakistan, vertreten durch BBU, Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost, vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG iVm § 68 Abs. 1 AVG 1991, §§ 57, 10 Abs. 1 Z 3, § 13 Absatz 2 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 FPG 2005, § 55 Abs. 1a, § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z6 FPG 2005 als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VII des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Dauer des Einreiseverbotes gemäß
§ 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 6 FPG 2005 auf 2 Jahre herabgesetzt wird.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als „BF“ bezeichnet), ein Staatsangehöriger der islamischen Republik Pakistan, (in weiterer Folge „Pakistan“ genannt), stellte nach illegaler Einreise am 13.01.2017 einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz.
Der BF wurde zu seinem Antrag auf internationalen Schutz erstbefragt und am 24.01.2017 von einem Organwalter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (kurz: BFA) niederschriftlich einvernommen.
Als Begründung für das Verlassen des Herkunftsstaates brachte der BF vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 14.01.2017 vor, dass seine Familie hoch verschuldet sei. Aus diesem Grund sei er ausgereist, nämlich um Geld zu verdienen. Bei einer Rückkehr in seine Heimat habe er Angst vor der Armut.
Als Begründung für das Verlassen des Herkunftsstaates brachte der BF im Verfahren vor dem BAA im Wesentlichen vor, er habe drei Schwestern. Alle drei seien verheiratet. Für deren Hochzeit hätten sie sehr viel Geld aufgenommen. Der Bruder des BF sei in XXXX . Er habe dort gearbeitet, damit sie die Kredite zurückzahlen können. Er sei von seinem Arbeitgeber um sein Geld betrogen worden. Die Familie des BF habe einen Kredit aufgenommen, damit der BF ins Ausland gehen kann, um Arbeit zu suchen. Das sei der einzige Grund.
Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des BFA vom XXXX , Zl. XXXX , gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung des BF nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß § 18 Absatz 1 Ziffer 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV).
Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen des BF als glaubhaft. Rechtlich wurde unter anderem gefolgert, dass der Sachvortrag des BF nicht asylrelevant sei und kein Rückkehrhindernis darstelle.
Der Bescheid vom XXXX , Zl. XXXX , wurde dem BF zusammen mit Verfahrensanordnungen gemäß § 52 Abs 1 und Abs 2 BFA-VG sowie einer Information über die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise am XXXX persönlich ausgehändigt und somit rechtswirksam zugestellt.
Der BF hat gegen den Bescheid vom XXXX , Zl. XXXX , keine Beschwerde erhoben. Der Bescheid erwuchs am 14.02.2017 in Rechtskraft.
I.2. Der BF stellte am 12.11.2020 einen (zweiten) gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte der BF am 12.11.2020 im Wesentlichen Folgendes zum Fluchtgrund vor:
Nach seinem negativen Asylbescheid in Österreich sei er schlepperunterstützt mit gefälschten Dokumenten nach Griechenland – ca. XXXX . Von dort aus sei er schlepperunterstützt in die Türkei, den Iran und dann letztendlich nach Pakistan zurückgereist. In Pakistan habe er sich bis ca. XXXX aufgehalten. Er sei dann erneut aus Pakistan ausgereist. Er sei dann nach Österreich gereist.
Zu seinen Fluchtgründen erklärte der BF: Er habe neue Fluchtgründe, die er vorbringen möchte. Er habe in Pakistan eine Moschee besucht, in welcher er in weiterer Folge, von einer Gruppe dort angesprochen wurde, dass er bei anderen Leute den Glauben stärken solle. Er habe anfangs Geld dafür bekommen und habe aus Gier ihren Anweisungen Folge geleistet. Er habe erst später erfahren, dass es sich bei diesen Leuten um Anhänger der Taliban handelte. Er werde von diesen Leuten bedroht. Er habe diese Tätigkeit ein Jahr lang ausgeübt und erst danach die Wahrheit erfahren. Diese wollten auch, dass er einen Anschlag in Pakistan verübe und unschuldige Menschen umbringe. Er habe das abgelehnt, obwohl sie ihm sehr viel Geld dafür anboten. Er habe alle seine Fluchtgründe vorgebracht.
Dem BF wurden am 23.11.2021 Länderfeststellungen zu Pakistan zur Abgabe einer Stellungnahme sowie Verfahrensanordnungen gemäß § 29 Abs 3 bzw. § 15a AsylG und § 52a Abs 2 BFA-VG ausgefolgt.
Im Rahmen der Einvernahme vor dem BFA am 14.12.2020 gab der BF in Anwesenheit einer Rechtsberaterin an, er sei derzeit in keiner ärztlichen Behandlung und nehme keine Medikamente. Er habe die Rechtsberatung in Anspruch genommen.
Er habe im Zuge der Erstbefragung im gegenständlichen Verfahren die Wahrheit gesagt. Er habe auch bei seiner ersten Asylantragstellung die Wahrheit gesagt. Diese Fluchtgründe seien nicht mehr aufrecht. Die Lage habe sich normalisiert. Deswegen sei er nach Pakistan zurückgekehrt. Das finanzielle Problem habe der BF nicht mehr.
Er habe nunmehr neue Fluchtgründe. Als er nach Pakistan zurückgekehrt sei, sei er von einer islamischen Gruppe angesprochen worden. Ein Jahr lang wären sie normal zu ihm gewesen und hätten ihm Geld gegeben und hätten gesagt, wohin er gehen solle, um den Islam zu verbreiten. Aus Gier habe er das gemacht. Im Islam würde es drei Strömungen geben, Sunniten, Schiiten und noch etwas. Er kenne sich nicht so gut aus, da er nicht gebildet sei. Es seien 1-2 Anschläge verübt worden. Der BF habe langsam mitbekommen, dass das diese Gruppe verursacht habe. Er habe mitbekommen, dass es sich um eine terroristische Gemeinschaft handelt. Später hätten sie zu ihm gesagt, dass Schiiten keine richtigen Muslime seien – Ungläubige, die getötet werden sollen. Sie hätten auch zum BF gesagt, dass er Anschläge verüben solle. Er habe dies sofort abgelehnt. Sie hätten dem BF weiterhin Geld gegeben. Nach ca. 3 Monaten hätten sie aufgehört, dem BF zu sagen, dass er Anschläge verüben solle. Den BF sei gesagt worden, dass er an Muharram, das ist eine einmonatige Tradition, in der sich Schiiten selbst geißeln, einen Bombenanschlag verüben sollte. Die große Gruppe habe dem BF Geld gegeben, damit er die kleinen Gruppen auslösche. Das sei deren Praktik. Zuerst befreundet man sich, dann gibt man ihnen Geld, dann sagt man ihnen, dass sie Anschläge verüben sollen.
Am 11.02.2021 wurden dem BF Länderfeststellungen zu Pakistan ausgefolgt. Am 25.02.2021 langte eine Stellungnahme dazu ein.
Mit 06.04.2021 wurde seitens des Landesgerichtes XXXX mitgeteilt, dass der BF wegen § 107 Abs 1, § 15, § 87 Asb 1 StGB am XXXX in Untersuchungshaft genommen wurde.
I.3. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des BFA vom XXXX , Zl. XXXX , wurde der Antrag des BF hinsichtlich des Status des Asylberechtigten gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I). Der Antrag des BF hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigen wurde gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt II). Das BFA erteilte dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III). Es wurde gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV). Das BFA stellte fest, dass gemäß § 52 Abs 9 FPG die Abschiebung des BF nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V). Das BFA sprach zudem aus, dass gemäß § 55 Abs 1a keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI). Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 2 Ziffer 6 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII). Es wurde zudem festgehalten, dass der BF gemäß § 13 Absatz 2 Ziffer 3 AsylG das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem XXXX verloren hat (Spruchpunkt VIII.)
Begründend führte das BFA unter anderem aus, die Identität des BF stehe nicht fest. Der BF habe keine Gründe vorgebracht, die eine neue Beurteilung des Sachverhaltes notwendig machen würden. Das nunmehrige Vorbringen hinsichtlich Verfolgungshandlungen sei unglaubwürdig. Bezüglich jener Gründe, die der BF im Erstverfahren vorgebracht habe, seien diese Gründe bereits im Vorverfahren einer Prüfung unterzogen worden. Der BF habe zudem angeführt, dass diese Gründe nicht mehr existieren würden. Zudem bestehe keine besondere Integrationsverfestigung des BF in Österreich.
I.4. Der Beschwerdeführer bzw. seine gewillkürte Vertretung erhoben fristgerecht in vollem Umfang wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften bei deren Einhaltung ein für den BF günstigerer Bescheid erzielt worden wäre, Beschwerde gegen den Bescheid des BFA.
I.5. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer stellte seit seiner erstmaligen Einreise nach Österreich bzw. seiner ersten Asylantragstellung am 13.01.2017 insgesamt zwei Anträge auf internationalen Schutz.
Der erste Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des BFA vom XXXX , Zl. XXXX , negativ entschieden. Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 wurde dieser hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten abgewiesen. Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan nicht zugesprochen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung des BF nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß § 18 Absatz 1 Ziffer 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV).
Begründend wurde zusammengefasst dargelegt, dass der Sachvortrag des BF glaubhaft sei, jedoch ergebe sich aus dem Vorbringen des BF keine Asylrelevanz. Dieser Bescheid erwuchs am 14.02.2012 in Rechtskraft.
Am 12.11.2020 stellte der BF seinen zweiten, gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Im gegenständlichen Fall ergab sich weder eine maßgebliche, entscheidungsrelevante Änderung in Bezug auf die dem BF betreffende asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Herkunftsstaat noch in sonstigen in der Person des BF gelegenen Umstände.
Ebenso ergab sich keine sonstige aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation des BF.
Eine relevante Änderung der Rechtslage konnte ebenfalls nicht festgestellt werden.
Beim BF handelt es sich um einen männlichen, pakistanischen Staatsbürger, welcher aus dem Distrikt XXXX , Provinz Punjab, stammt, Angehöriger der Volksgruppe der Jat ist, die Sprachen Urdu und Punjabi spricht und über keine Schulausbildung verfügt. Der BF hat zuletzt als XXXX gearbeitet. Der BF ist ledig und Angehöriger des moslemisch-sunnitischen Glaubens. Der BF ist gesund.
Der BF ist ein arbeitsfähiger Mann, mit bestehenden familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer – wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage.
Familienangehörige des BF leben nach wie vor im Herkunftsstaat des BF. Der BF hat mit seinem Bruder ab und zu Kontakt.
Die Identität des BF steht nicht fest.
Der BF ist unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich eingereist und hält sich zumindest seit Jänner 2017 durchgehend in Österreich auf. Der BF hat keine Verwandten in Österreich. Der BF befindet sich nicht in einer Lebensgemeinschaft. Der BF ist kein Mitglied in einem Verein oder einer Organisation. Der BF ist strafrechtlich unbescholten.
Seit dem XXXX befindet sich der BF wegen § 107 (1) StGB, § 15 StGB, § 87 (1) StGB in Untersuchungshaft.
Zur Lage im Herkunftsstaat:
Covid-19
Letzte Änderung: 29.01.2021
Die epidemiologische Situation in Pakistan ist weiterhin angespannt. In Pakistan wurden bisher mehr als 457.288 Infektionen mit dem Covid-19-Virus sowie mehr als 9.330 Todesfälle bestätigt (Stand 21.12.2020; Einwohnerzahl: 220 Millionen). Nach Angaben des National Command and Operation Center (NCOC) stieg die Zahl der durch das Coronavirus verursachten Todesfälle zum ersten Mal seit fünf Monaten um mehr als 100 innerhalb eines Tages. Die Positiv-Rate aller durchgeführten Testungen liegt in verschiedenen pakistanischen Großstädten bei etwa 7 bis 8%, während sie in der Millionenmetropole Karatschi etwa 19% beträgt. Landesweit wird weiterhin auf „Smart Lockdowns“ gesetzt, wobei zuletzt in Bezirken Peshawars und Karatschis Ausgangssperren verhängt wurden. Die Landesregierungen von Sindh und Khyber Pakhtunkhwa haben zudem angeordnet, alle religiösen Seminare („Madrassas“) wegen der Covid-19-Pandemie zu schließen. Laut Angaben des Sonderassistenten des pakistanischen Premierministers werde geplant, dass der Impfstoff – sofern verfügbar – der pakistanischen Bevölkerung kostenlos zur Verfügung gestellt werde. Wie gering die Impfbereitschaft der Pakistanis zeigt der Umgang mit der Polio-Impfung für Kinder im Land (ÖB 21.12.2020). Gleichzeitig geraten Krankenhäuser angesichts gestiegener Corona-Neuinfektionen landesweit an ihre Kapazitätsgrenzen. Mindestens sieben Patienten starben laut Medienberichten in der Nacht zum 6. Dezember 2020 in einem öffentlichen Krankenhaus in der nordwestlichen Stadt Peshawar (Khyber Pakhtunkhwa), weil der Sauerstoffnachschub ausging (BAMF 7.12.2020).
Als Folge des COVID-19-Schocks verschlechterte sich die wirtschaftliche Aktivität deutlich, wobei das Wirtschaftswachstum 2020 wird vorläufig auf -0,4% geschätzt. Um die zweite Welle abzumildern, wurden Lockdownmaßnahmen wieder eingeführt. Hinsichtlich anstehender Impfungen hat die Regierung bei der COVAX-Organisation der UN um Unterstützung angesucht. Diese wird die Impfung von vorrangig zu impfenden Gruppen - etwa 20% der Bevölkerung - abdecken. Die Regierung führt außerdem Gespräche mit mehreren Impfstoffherstellern und mit Gebern (Weltbank und Asiatische Entwicklungsbank) über die Beschaffung zusätzlicher Impfstoffe, die mit einem Budget von 250 Millionen US-Dollar finanziert werden sollen. Der Start der Impfkampagne wird für das zweite Quartal des Jahres 2021 erwartet (IMF 8.1.2021).
Am 24. März 2020 wurde von der Bundesregierung ein Hilfspaket im Wert von 1,2 Billionen PKR (ca. 6,2 Milliarden Euro) angekündigt, das inzwischen fast vollständig umgesetzt wurde. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören u.a. die Abschaffung der Importzölle auf medizinische Notfallausrüstung (kürzlich bis Dezember 2020 verlängert); Bargeldtransfers an 6,2 Millionen Tagelöhner (75 Mrd. PKR); Bargeldtransfers an mehr als 12 Millionen einkommensschwache Familien (150 Mrd. PKR); Unterstützung für KMUs und den Agrarsektor (100 Mrd. PKR) in Form von Aufschub der Stromrechnung, Bankkrediten sowie Subventionen und Steueranreizen. Das Konjunkturpaket sah außerdem Mittel für eine beschleunigte Beschaffung von Weizen (280 Mrd. PKR), finanzielle Unterstützung für Versorgungsunternehmen (50 Mrd. PKR), eine Senkung der regulierten Kraftstoffpreise (mit einem geschätzten Nutzen für die Endverbraucher in Höhe von 70 Mrd. PKR), Unterstützung für die Gesundheits- und Lebensmittelversorgung (15 Mrd. PKR), Erleichterungen bei der Bezahlung von Stromrechnungen (110 Mrd. PKR), einen Notfallfonds (100 Mrd. PKR) und eine Überweisung an die National Disaster Management Authority (NDMA) für den Kauf von COVID-19-bezogener Ausrüstung (25 Mrd. PKR) vor. Der nicht ausgeführte Teil des Hilfspakets wird auf das Jahr 2021 übertragen. Darüber hinaus enthält das Budget für das Jahr 2021 weitere Erhöhungen der Gesundheits- und Sozialausgaben, Zollsenkungen auf Lebensmittel, eine Zuweisung für das "COVID-19 Responsive and Other Natural Calamities Control Program" (70 Mrd. PKR), ein Wohnungsbaupaket zur Subventionierung von Hypotheken (30 Mrd. PKR) sowie die Bereitstellung von Steueranreizen für den Bausektor (Einzelhandels- und Zementunternehmen), die im Rahmen der zweiten Welle bis Ende Dezember 2021 verlängert wurden (IMF 8.1.2021).
Quellen:
? BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (7.12.2020): Briefing Notes, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041897/briefingnotes-kw50-2020.pdf, Zugriff 28.12.2020
? IMF – International Monetary Fund (8.1.2021): Policy Responses to COVID-19, Pakistan, https://www.imf.org/en/Topics/imf-and-covid19/Policy-Responses-to-COVID-19#P, Zugriff 28.1.2021
? ÖB – Österreichische Botschaft Bangkok [Österreich] (21.12.2020): Asylländerbericht Pakistan, per E-Mail
Politische Lage
Letzte Änderung: 29.01.2021
Pakistan ist ein Bundesstaat mit den vier Provinzen Punjab, Sindh, Belutschistan und Khyber-Pakhtunkhwa sowie dem Hauptstadtterritorium Islamabad (AA 25.9.2020). Die vormaligen FATA (Federally Administered Tribal Areas / Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) sind nach einer Verfassungsänderung im Mai 2018 offiziell in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliedert worden (ET 25.5.2018). Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete Gilgit-Baltistan und Azad Jammu & Kashmir auf der pakistanisch verwalteten Seite Kaschmirs (AA 25.9.2020).
Pakistan ist gemäß seiner Verfassung eine parlamentarische Demokratie. Seit der Unabhängigkeit wurde die demokratische Entwicklung jedoch mehrfach von längeren Phasen der Militärherrschaft unterbrochen. Zuletzt kehrte Pakistan 2008 zur Demokratie zurück. Bei den Parlamentswahlen am 25.7.2018 gewann die bisherige Oppositionspartei Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI). Seit August 2018 führt PTI-Chef Imran Khan als Premierminister eine Koalitionsregierung an (AA 29.9.2020; vgl. USDOS 11.3.2020). Die Wahlbeobachtermission der EU beurteilte den Wahlverlauf am Wahltag als transparent und gut durchgeführt. Allerdings waren Journalisten und Medien von starken Einschränkungen und Beschneidungen der Meinungsfreiheit betroffen, was zu einem außerordentlichen Maß an Selbstzensur geführt hat. Auch wurde im Vorfeld der Wahl systematisch versucht, die frühere Regierungspartei durch Fälle von Korruption, Missachtung des Gerichts und Anschuldigungen gegen ihre Führer und Kandidaten zu untergraben (EUEOM 27.7.2018). Unabhängige Beobachter berichten von technischen Verbesserungen beim Wahlablauf, jedoch war die Vorwahlzeit geprägt von Einflussnahmen durch Militär und Nachrichtendienste (USDOS 11.3.2020; vgl. HRW 28.7.2018). Zudem wurde die Wahl überschattet von einer Reihe gewalttätiger Zwischenfälle in verschiedenen Provinzen; von Strafverfahren, die gegen Mitglieder der Regierungspartei eingeleitet worden waren; und vom Vorwurf des Premierministers, das Militär habe sich eingemischt (EASO 10.2019).
Das pakistanische Parlament besteht gemäß der Verfassung von 1973 aus zwei Kammern. Die Nationalversammlung hat insgesamt 342 Mitglieder, wobei 60 Sitze für Frauen und 10 für Nicht-Muslime reservierte sind. Die Sitze in der Nationalversammlung werden den einzelnen Provinzen auf der Grundlage der Bevölkerungszahl zugewiesen, die in der letzten vorhergehenden Volkszählung offiziell veröffentlicht wurde (NAP o.D).
Das pakistanische Militär ist ein wichtiger Akteur in der pakistanischen Politik, insbesondere in den Bereichen innere Sicherheit, Außenpolitik und Wirtschaft. In den ersten Monaten des Jahres 2019 haben die wirtschaftlichen Probleme des Landes (höhere Steuern und steigende Inflation) die Regierung unter Druck gesetzt. Anfang 2018 entstand in Pakistan die Paschtunische Tahafuz-(Schutz-)Bewegung (PTM), eine Bürgerrechtsbewegung, die sich für die Rechte der paschtunischen Minderheit des Landes einsetzt (EASO 10.2019).
Die im September gegründete PDM (Demokratische Bewegung Pakistan) plant landesweite Proteste gegen die Regierung unter Premierminister Imran Khan. Elf Parteien unterschiedlicher politischer Strömungen haben sich dem Bündnis angeschlossen. Die Politiker fordern unter anderem eine Neuwahl und Khans Rücktritt (ORF 25.10.2020).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (25.9.2020): Pakistan: Politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/politisches-portraet/205010, Zugriff 15.10.2020
? AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf, Zugriff 15.10.2020
? EASO – European Asylum Support Office (10.2019): Pakistan Security Situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019113/2019_EASO_Pakistan_Security_Situation_Report.pdf, Zugriff 16.10.2020
? EUEOM – European Union Election Observation Mission Islamic Republic of Pakistan (27.7.2018): Preliminary Statement - Positive changes to the legal framework were overshadowed by restrictions on freedom of expression and unequal campaign opportunities, https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/eu_eom_pakistan_2018_-_preliminary_statement_on_25_july_elections.pdf, Zugriff 15.10.2020
? ET – The Express Tribune (25.5.2018): Senate passes FATA-KP merger bill with 71-5 vote, https://tribune.com.pk/story/1718734/1-ppp-pti-set-throw-weight-behind-k-p-fata-merger-bill-senate/, Zugriff 15.10.2020
? HRW – Human Rights Watch (28.7.2018): Controversial Election in Pakistan, https://www.hrw.org/news/2018/07/28/controversial-election-pakistan, Zugriff 15.10.2020
? NAP – National Assembly of Pakistan [Pakistan] (o.D): About the National Assembly, http://www.na.gov.pk/en/composition.php, Zugriff 15.10.2020
? ORF (25.10.2020): Zehntausende versammeln sich in Pakistan gegen Regierung, https://orf.at/stories/3186671/, Zugriff 27.10.2020
? USDOS – US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026342.html, Zugriff 15.10.2020
Sicherheitslage
Letzte Änderung: 29.01.2021
Die Sicherheitslage in Pakistan ist landesweit unterschiedlich und wird von verschiedenen Faktoren wie politischer Gewalt, Gewalt von Aufständischen, ethnischen Konflikten und konfessioneller Gewalt beeinflusst. Die Sicherheitslage im Inneren wird auch von Auseinandersetzungen mit den Nachbarländern Indien und Afghanistan beeinflusst, die gelegentlich gewalttätig werden (EASO 10.2020).
Pakistan dient weiterhin als sicherer Hafen für bestimmte regional ausgerichtete terroristische Gruppen. Es erlaubt Gruppen, die gegen Afghanistan gerichtet sind, einschließlich der afghanischen Taliban und der mit ihnen verbundenen HQN [Anm.: the Haqqani Network], sowie Gruppen, die gegen Indien gerichtet sind, einschließlich LeT [Anm.: Lashkar-e Taiba] und der mit ihr verbundenen Frontorganisationen und JeM [Anm.: Jaish-e Muhammad], von seinem Territorium aus zu operieren (USDOS 24.6.2020). Andererseits führen Armee und Polizei auch weiterhin Kampagnen gegen militante und terroristische Gruppen durch (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 29.9.2020). Die Operation Radd-ul-Fasaad des Militärs, die 2017 begonnen wurde, wurde das ganze Jahr 2019 über fortgesetzt. Radd-ul-Fasaad ist eine landesweite Antiterrorismuskampagne mit dem Ziel, die Errungenschaften der Operation Zarb-e-Azb (2014-2017) zu konsolidieren, mit der ausländische und einheimische Terroristen in den ehemaligen FATA bekämpft wurden. Die Sicherheitsbehörden schwächen terroristische Gruppen auch, indem sie mutmaßliche Terroristen und Bandenmitglieder festnehmen, welche den Militanten angeblich logistische Unterstützung leisten (USDOS 11.3.2020).
Terroristische Gewalt und Menschenrechtsverletzungen durch (nicht)-staatliche Akteure tragen zu Menschenrechtsproblemen bei. Angriffe von militanten und terroristischen Gruppen, darunter die pakistanischen Taliban (TTP; Tehrik-e-Taliban Pakistan), Lashkar-e-Jhangvi und die Provinz Chorasan im islamischen Staat (ISIS-K), richten sich gegen Zivilisten, Journalisten, Gemeindeführer, Sicherheitskräfte, Vollzugsbeamte und Schulen. Hunderte von Menschen wurden 2019 durch Sprengsätze, Selbstmordattentate und andere Formen der Gewalt getötet oder verletzt. Angriffe der genannten Gruppen richten sich häufig gegen religiöse Minderheiten (USDOS 11.3.2020).
Tatsächlich ist seit 2009 ein allmählicher Rückgang der Terroranschläge und der Zahl der Opfer zu verzeichnen. Kontinuierliche Einsatz- und Überwachungskampagnen der Sicherheitskräfte gegen militante Gruppen und polizeiliche Antiterrorabteilungen sowie einige Antiextremismusmaßnahmen im Rahmen des Nationalen Aktionsplans, haben dazu beigetragen, diesen rückläufigen Trend ab 2013 aufrechtzuerhalten (USDOS 24.6.2020). Auch 2019 war das Maß an Gewalt geringer, als in den vergangenen Jahren. Dies steht mit einem allgemeinen Rückgang der terroristischen Aktivitäten in Zusammenhang (USDOS 11.3.2020). Die Zahl sicherheitsrelevanter Zwischenfälle ist also weiter rückläufig, bei gleichzeitiger Stagnation in einigen Landesteilen. Laut dem Think Tank Pakistan Institute for Peace Studies (PIPS) gab es im Jahr 2019 insgesamt 229 Terroranschläge in Pakistan (13% weniger verglichen mit 2018), bei denen 357 Personen ums Leben gekommen sind (40% weniger als 2018). Größte Unruheherde bleiben die ehemaligen Stammesgebiete (besonders Nordwaziristan) und Belutschistan. Die aktivsten gegen den pakistanischen Staat gerichteten Terrorgruppen sind die TTP sowie belutschische Separatisten (AA 29.9.2020; vgl. USDOS 24.6.2020). Beide verübten in den vergangenen Monaten eine Serie von tödlichen Anschlägen auf Sicherheitskräfte (AA 29.9.2020). Auch ISIS-K ist aktiv. Separatistische militante Gruppen führen Terroranschläge gegen verschiedene Ziele in den Provinzen Belutschistan und Sindh durch (USDOS 24.6.2020). Gewisse Teile von Belutschistan und dem pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet sind weiter nicht gänzlich unter staatlicher Kontrolle. Dies begünstigt neben dem Terrorismus auch den Schmuggel sowie Menschen- und Drogenhandel (AA 29.9.2020).
Insgesamt dokumentierte PIPS im Jahr 2019 433 Vorfälle von Gewalt. Die Gesamtzahl der Gewaltvorfälle führte zu 588 Todesopfer und 1.030 Verletzte. Mehr als die Hälfte der Gewaltvorfälle (229 Vorfälle) wurden laut PIPS als terroristische Angriffe bezeichnet. Im Vergleich zu 2018 ist die Zahl der gewalttätigen Vorfälle um etwa 15 % zurückgegangen (EASO 10.2020).
Es besteht jedoch weiterhin landesweit – auch in den Großstädten Islamabad, Rawalpindi, Lahore, Karachi – eine Gefahr für terroristische Anschläge seitens der TTP sowie religiös motivierter oder separatistischer Gruppen, insbesondere durch Sprengstoffanschläge und Selbstmordattentate. Die Terroranschläge richten sich vor allem gegen Streitkräfte, Sicherheitsdienste, Polizei, Märkte, Einrichtungen der Infrastruktur sowie gegen religiöse Stätten (Moscheen, Schreine, Kirchen) (AA 27.10.2020; vgl. USDOS 11.3.2020).
Die Regierung betreibt fünf De-Radikalisierungslager, wo religiöse Erziehung, Berufsausbildung, Beratung und Therapie angeboten wird. Eine pakistanische NGO verwaltet das auf Jugendliche ausgerichtete Sabaoon Rehabilitation Center im Swat-Tal, das sie in Zusammenarbeit mit dem pakistanischen Militär gegründet hatte (USDOS 24.6.2020).
Anzahl der Anschläge von 1.1.2020-31.7.2020 (EASO 10.2020)
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (9.12.2020): Pakistan: Reise- und Sicherheitshinweise (Stand 21.12.2020), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/pakistansicherheit/204974#content_1, Zugriff 21.12.2020
? AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf, Zugriff 21.12.2020
? EASO – European Asylum Support Office (10.2020): Pakistan Security Situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2040057/10_2020_EASO_COI_Report_Pakistan_Security_situation.pdf, Zugriff 21.12.2020
? USDOS – US Department of State [USA] (24.6.2020): Country Report on Terrorism 2019 - Chapter 1 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2032437.html, Zugriff 21.12.2020
? USDOS – US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Pakistan, https://www.state.gov/reports/2019-country-reports-on-human-rights-practices/pakistan/, Zugriff 21.12.2020
Relevante Terrorgruppen
Letzte Änderung: 29.01.2021
Die pakistanische Regierung setzt die Umsetzung des Antiterrorism Act von 1997, des National Counterterterrorism Authority (NACTA) Act, des Investigation for Fair Trial Act von 2014 und der Änderungen des Antiterrorism Act (ATA) von 2014 fort, die allen Strafverfolgungsbehörden, Staatsanwälten und Gerichten erweiterte Befugnisse in Terrorismusfällen einräumen. Militärische, paramilitärische und zivile Sicherheitskräfte führten in ganz Pakistan CT-Operationen gegen staatsfeindliche Kämpfer durch. Das pakistanische Recht erlaubt präventive Inhaftierung, lässt die Todesstrafe für terroristische Straftaten zu und ermächtigt spezielle Anti-Terrorismus-Gerichte, über Terrorismusfälle zu verhandeln (USDOS 24.6.2020).
Tehrik-e Taliban Pakistan (TTP): Die TTP (auch pakistanische Taliban genannt) wurde 2007 von Baitullah Mehsud gegründet, der 2009 durch einen US-Drohnenangriff getötet wurde. Die ursprünglichen Ziele der Organisation waren die Umsetzung der Scharia und die Vertreibung der Koalitionstruppen aus Afghanistan. Die TTP ist eine Dachorganisation, die aus 13 verschiedenen pakistanischen Taliban-Fraktionen gebildet wird - ungefähr die Hälfte aller pakistanischen Taliban-Fraktionen. Die TTP besteht aus ca. 3.000 bis 5.000 aktiven Kämpfern in Afghanistan. Während die TTP auf der anderen Seite der Grenze im Osten Afghanistans Zufluchtsorte unterhält, hat sie Schläferzellen und Sympathisanten in Pakistan zurückgelassen. Afghanistan ist die Operationsbasis, aber die Gruppe führt im Allgemeinen keine Angriffe in Afghanistan durch. Die TTP konzentriert sich auf den Kampf gegen die pakistanische Regierung (EASO 10.2020).
Jamaat-ul Ahrar (JuA): Jamaatul Ahrar (JuA) ist eine Fraktion der TTP, operiert aber mit einer gewissen Eigenständigkeit aus der Provinz Nangarhar in Afghanistan heraus. Ziele der Gruppe sind Mitglieder der Sicherheitskräfte, Regierungsgebäude, Politiker, Minderheiten und Rechtsanwälte. Im August 2020 schloss sich JuA wieder der TTP an. Das Pakistan Institute for Peace Studies dokumentierte, dass die JuA im Jahr 2019 an einem Terroranschlag beteiligt war, verglichen mit 15 im Jahr 2018 (EASO 10.2020).
Islamic State Khorasan Province (ISKP): Die ersten Berichte über den ISKP (auch ISIS, ISIL, IS oder Daesh genannt) in Pakistan gehen auf Anfang 2015 zurück. Der ISKP sah eine weltweite Expansion des Kalifats vor und bezeichnete die Region Afghanistan, Pakistan, Iran und die zentralasiatischen Republiken als Wilayat Khorasan (ISKP - Islamischer Staat Provinz Khorasan). Im Mai 2019 kündigte der islamische Staat die Gründung des "Wilayat Pakistan" (Islamischer Staat - Provinz Pakistan, ISPP) an, nachdem er mehrere Angriffe in der Provinz Belutschistan für sich beansprucht hatte. Der ISKP hatte es geschafft, seinen Einfluss zu vergrößern, indem er taktische Bündnisse mit ähnlichen lokalen militanten Gruppen eingegangen war. Einem Bericht vom Januar 2020 zufolge ist der ISKP hauptsächlich in der Provinz Belutschistan präsent. Laut dem jährlichen Sicherheitslagebericht von PIPS 2019 haben die Sicherheitsbehörden mehrere Operationen in Belutschistan gegen den ISKP durchgeführt. PIPS dokumentierte im Jahr 2019 einen Terroranschlag des ISKP, im Vergleich zu fünf im Jahr 2018. Der ISKP ist für einige der tödlichsten Anschläge in Pakistan in den vergangenen zwei Jahren verantwortlich, darunter ein Anschlag auf eine Wahlkundgebung in Mastung, bei dem im Juli 2018 mehr als 130 Menschen getötet und 300 verletzt wurden (EASO 10.2020).
Lashkar-e Jhangvi (LeJ): Lashkar-e-Jhangvi (LeJ) ist eine Deobandi-Terroristengruppe. Die Gewalt von LeJ richtet sich größtenteils gegen Schiiten; die Organisation vertritt auch radikale Standpunkte gegenüber Christen, Ahmadis und sufistischen Muslimen. Laut PIPS war LeJ im Jahr 2019 für acht terroristische Angriffe in Pakistan verantwortlich, verglichen mit sieben solcher Angriffe im Jahr 2018. Fünf dieser Angriffe fanden in Karachi und drei in Belutschistan statt. In seinem jährlichen Sicherheitsbericht für 2019 erwähnte PIPS, dass mehrere Berichte darauf hindeuten, dass sich LeJ wieder auf Karachi konzentriert (EASO 10.2020).
Nationale Bewegungen in Beluchistan: Der PIPS-Jahresbericht 2019 zur Sicherheitslage gab an, dass etwa sieben belutschische nationalistische Bewegungen in Belutschistan aktiv sind. Die operativen Fähigkeiten dieser Gruppen unterscheiden sich. Die Balochistan Liberation Army (BLA) ist eine bewaffnete nationalistische Bewegung der Belutschen. Ihr Ziel ist ein unabhängiges Belutschistan, frei von pakistanischer und iranischer Herrschaft. Wegen ihrer gewalttätigen Methoden, wie z.B. Bombenanschläge, wurde sie im April 2006 in Pakistan verboten. PIPS gab an, dass die BLA im Jahr 2019 27 terroristische Angriffe in Belutschistan durchführte, was eine leichte Steigerung im Vergleich zu 2018 darstellt, als sie 25 Angriffe durchführte. Im Juli 2019 wurde die Gruppe vom US-Außenministerium als terroristische Vereinigung eingestuft. Die Baloch Liberation Front (BLF) ist vor allem im so genannten Makran-Gürtel (Küstenregion von Beluchistan, Anm.) aktiv. Im Jahr 2010 wurde die Gruppe verboten. Laut PIPS hat sich die Führung der BLF in die Nachbarländer verlagert, was sich negativ auf ihre operativen Fähigkeiten auswirkt. Im Jahr 2019 übernahm die BLF die Verantwortung für 11 Terroranschläge im Vergleich zu 22 im Jahr 2018. Weitere belutschische Gruppen sind die Baloch Republican Army (BRA), die United Baloch Army (UBA) und die Baloch Raji Ajoi Sangar (BRAS) (EASO 10.2020).
Quellen:
? EASO – European Asylum Support Office (10.2020): Pakistan Security Situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2040057/10_2020_EASO_COI_Report_Pakistan_Security_situation.pdf, Zugriff 16.12.2020
? PIPS – Pak Institute for Peace Studies (7.1.2019): Pakistan Security Report 2018, https://pakpips.com/app/reports/396, Zugriff 8.1.2019
? USDOS – US Department of State [USA] (24.6.2020): Country Report on Terrorism 2019 - Chapter 1 – Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2032437.html, Zugriff 19.10.2020
Punjab und Islamabad
Letzte Änderung: 29.01.2021
Die Bevölkerung der Provinz Punjab beträgt laut Zensus 2017 110 Millionen. In der Provinzhauptstadt Lahore leben 11,1 Millionen Einwohner (PBS 2017d; vgl. EASO 10.2020). Die Bevölkerung des Hauptstadtterritoriums beträgt laut Zensus 2017 ca. zwei Millionen Menschen (PBS 2017d).
Beim einzigen 2019 aus Islamabad gemeldeten Terroranschlag wurden zwei Polizisten getötet und ein weiterer bei einem Angriff auf eine Sicherheitsposten verletzt (PIPS 2020).
Im südlichen Punjab sind militante Netzwerke und Extremisten präsent, Lashkar-e Taiba (LeT) und JeM haben dort ihre Hauptquartiere und unterhalten religiösen Einrichtungen. Die Abteilung für Terrorismusbekämpfung im Punjab (CTD) hat 2019 und im ersten Halbjahr 2020 ihre Operationen gegen Militante fortgesetzt. Es kam dabei zu Festnahmen und zur Tötung von (mutmaßlichen) Kämpfern der TTP, HuA, LeJ und ISKP. Vom 1. Jänner bis 31. Juli 2020 zählte PIPS neun Vorfälle im Punjab, fünf davon wurden als Terroranschläge erfasst (EASO 10.2020; vgl. PIPS 2020).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (9.12.2020): Pakistan: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), Stand (22.12.2020), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/pakistansicherheit/204974#content_1, Zugriff 22.12.2020
? EASO – European Asylum Support Office (10.2020): Pakistan Security Situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2040057/10_2020_EASO_COI_Report_Pakistan_Security_situation.pdf, Zugriff 22.12.2020
? PBS – Pakistan Bureau of Statistics [Pakistan] (2017d): Province wise Provisional Results of Census – 2017, http://www.pbs.gov.pk/sites/default/files/PAKISTAN%20TEHSIL%20WISE%20FOR%20WEB%20CENSUS_2017.pdf, Zugriff 22.12.2020
? PIPS – Pak Institute for Peace Studies (2020): Pakistan Security Report 2019, https://www.pakpips.com/web/wp-content/uploads/2020/03/sr2019full.pdf, Zugriff 22.12.2020
Sicherheitsbehörden
Letzte Änderung: 29.01.2021
Die Sicherheitsbehörden Pakistans bestehen aus der Polizei, die dem Innenministerium untersteht, Geheimdiensten (AA 29.9.2020), dem Heer, das dem Verteidigungsministerium untersteht (MoD o.D.) sowie militärischen Hilfstruppen, die dem Innenministerium unterstehen (EASO 10.2020).
Die polizeilichen Zuständigkeiten sind zwischen nationalen und regionalen Behörden aufgeteilt. Die Bundespolizei (Federal Investigation Agency, FIA) ist zuständig für die Bereiche Einwanderung, organisierte Kriminalität, Interpol und verfügt über eine Abteilung zur Terrorismusbekämpfung (Counter Terrorism Wing – CTWI). Pakistan verfügt über einen Auslands-/Inlandsnachrichtendienst (Directorate for Inter-Service Intelligence, ISI), einen Inlandsnachrichtendienst (Intelligence Bureau, IB) sowie einen militärischen Nachrichtendienst (Military Intelligence, MI). Das IB ist für Diplomatenschutz, Abwehr terroristischer Bedrohungen im Inland sowie Ermittlungen bei Kapitalverbrechen zuständig. Der ISI wird vom Militär dominiert. Seine Aufgabe, die nationalen Interessen Pakistans zu schützen, ermöglicht ihm ein Tätigwerden in den unterschiedlichsten Bereichen. De jure untersteht der ISI dem Verteidigungsministerium, de facto jedoch dem jeweiligen Armeechef (Chief of Army Staff). Eine effektive zivile Kontrolle über die militärischen Geheimdienste gibt es nicht (AA 29.9.2020).
Frontier Corps (FC) und Rangers sind paramilitärische Hilfstruppen, die dem Innenministerium unterstehen. FC sind in Khyber Pakhtunkwa und Belutschistan und die Rangers in Punjab und Sindh stationiert. Sie unterstützen die örtlichen Strafverfolgungsbehörden u.a. bei der Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung sowie bei der Grenzsicherung (EASO 10.2020).
Unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung begehen Armee und Sicherheitskräfte v.a. in den Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa regelmäßig menschenrechtsrelevante Verletzungen. Ein nach wie vor ungelöstes, tabuisiertes Problem sind in diesem Zusammenhang die sog. enforced disappearances, das „Verschwindenlassen“ von unliebsamen, v.a. armeekritischen Personen (AA 29.9.2020).
Die Effizienz der Arbeit der Polizeikräfte variiert von Bezirk zu Bezirk und reicht von gut bis ineffizient (USDOS 11.3.2020). In der Öffentlichkeit genießt die vor allem in den unteren Rängen schlecht ausgebildete, gering bezahlte und oft unzureichend ausgestattete Polizei kein hohes Ansehen. So sind u.a. die Fähigkeiten und der Wille der Polizei im Bereich der Ermittlung und Beweiserhebung gering. Staatsanwaltschaft und Polizei gelingt es häufig nicht, belastende Beweise in gerichtsverwertbarer Form vorzulegen (AA 29.9.2020). Zum geringen Ansehen der Polizei tragen Korruptionsanfälligkeit, unrechtmäßige Übergriffe und Verhaftungen sowie Misshandlungen von in Polizeigewahrsam Genommenen ebenso bei (AA 29.9.2020; vgl. HRCP 4.2020).
Mangelnde Bestrafung von Übergriffen, begangen von Angehörigen der Sicherheitskräfte, trägt zu einem Klima der Straflosigkeit bei. Interne Ermittlungen und Strafen können bei Übergriffen bzw. Misshandlungen vom Generalinspektor, den Bezirkspolizeioffizieren, den District Nazims, Provinzinnenministern oder Provinzministerpräsidenten, dem Innenminister, dem Premierminister und den Gerichten angeordnet werden. Die Exekutive und Polizeibeamte sind ebenfalls dazu befugt, in solchen Fällen eine strafrechtliche Verfolgung zu empfehlen, die gerichtlich angeordnet werden muss. Das Gerichtssystem bleibt das einzige Mittel, um Missbrauch durch Sicherheitskräfte zu untersuchen (USDOS 11.3.2020).
Nach der Integration der FATA in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa im Mai 2018 wurde die Provinzpolizei auch in den ehem. FATA tätig, jedoch muss erst neues Personal aufgenommen und ausgebildet werden, um die ehem. FATA komplett abzudecken (USDOS 11.3.2020).
Insgesamt sind die Polizeikapazitäten in Pakistan begrenzt, was auf fehlende Ressourcen, schlechte Ausbildung, unzureichende und veraltete Ausrüstung und konkurrierenden Druck von Vorgesetzten, politischen Akteuren, Sicherheitskräften und der Justiz zurückzuführen ist. In der öffentlichen Wahrnehmung ist ein hohes Maß an Korruption bei der Polizei weit verbreitet [siehe Kapitel Korruption], insgesamt ist das Ansehen der Polizei in der Öffentlichkeit gering. Inländische und internationale Beobachter sehen das Militär als eine der fähigsten Organisationen in Pakistan. Es verfügt über erhebliche Macht und dominiert die Außen- und Sicherheitspolitik. Militärangehörige werden gut bezahlt, und eine Karriere beim Militär ist hoch angesehen, nicht nur wegen der Vorteile, sondern auch wegen des hohen gesellschaftlichen Ansehens und der Verbindungen, die Militärangehörige genießen (DAFT 20.2.2019).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf, Zugriff 16.12.2020
? DAFT – Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (20.2.2019): Country Information Report Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokumentensuche/?asalt=8b1bb51cc9&country%5B%5D=pak&countryOperator=should&srcId%5B%5D=12005&srcIdOperator=should&useSynonyms=Y&sort_by=origPublicationDate&sort_order=desc, Zugriff 16.12.2020
? EASO – European Asylum Support Office (10.2020): Pakistan Security Situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2040057/10_2020_EASO_COI_Report_Pakistan_Security_situation.pdf, Zugriff 16.12.2020
? MoD – Ministry of Defense [Pakistan] (o.D.): Ministry Overview, http://www.mod.gov.pk/, Zugriff 16.12.2020
? HRCP – Human Rights Commission of Pakistan (4.2020): State of Human Rights in 2019, http://hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/04/REPORT_State-of-Human-Rights-in-2019-20190503.pdf, 18.12.2020
? USDOS – US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Reports on Human Rights Practices 2019 – Pakistan, https://www.ecoi.net/en/document/2026342.html, Zugriff 16.12.2020
Korruption
Letzte Änderung: 29.01.2021
Korruption bleibt in allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung, der Justiz und bei den Sicherheitsorganen weit verbreitet (AA 29.9.2020; vgl. USDOS 11.3.2020). Von der international tätigen Compliance-Plattform GAN wird das Risiko, mit Korruption konfrontiert zu werden, für folgende Bereiche als hoch eingestuft: Justizsystem, Polizei, öffentlicher Dienst, Steuer-, Grund- und Zollverwaltung sowie öffentliche Beschaffung (GAN 10.2020). Das Gesetz sieht zwar strafrechtliche Sanktionen für Korruption von Amtsträgern vor, aber die Regierung setzt das Gesetz im Allgemeinen nicht wirksam um (USDOS 11.3.20200; vgl. GAN 10.2020). Korruption ist in Politik und Regierung allgegenwärtig, und verschiedene Politiker und Inhaber öffentlicher Ämter sind mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert, darunter Bestechung, Erpressung, Nepotismus, Klientelismus und Veruntreuung. Auch innerhalb des Justizsystems ist Korruption verbreitet. Es gibt Berichte, wonach Gerichtsbedienstete Zahlungen zur Erleichterung von Verwaltungsverfahren verlangen. Die unteren Instanzen des Justizsystems sind korrupt, ineffizient und dem Druck von höherrangigen Richtern sowie prominenten, wohlhabenden, religiösen und politischen Persönlichkeiten ausgesetzt (USDOS 11.3.2020). Auch die Polizei ist sehr korruptionsanfällig (AA 29.9.2020; vgl. GAN 10.2020) - innerhalb der unteren Ebenen der Polizei ist Korruption üblich. Einige Polizisten erheben Gebühren für die Registrierung echter Anzeigen und nehmen Bestechungsgelder für die Registrierung falscher Anzeigen an. Auch Bestechungsgelder zur Vermeidung von Anklagen (USDOS 11.3.2020) sowie Korruption im Zivilstandswesen sind weit verbreitet (AA 29.9.2020).
Die neue Regierung unter Imran Khan hat zwar weitreichende Reformen in der Korruptionsbekämpfung versprochen. Dennoch nimmt Pakistan im Corruption Perceptions Index von Transparency International 2019 Platz 120 von 180 Ländern ein (TI 1.2020) – im Jahr zuvor war es Platz 117 gewesen (TI 1.2019). Das National Accountability Bureau (NAB) dient als höchste Antikorruptionsbehörde mit dem Auftrag, Korruption durch Sensibilisierung, Prävention und Durchsetzung zu beseitigen. Das NAB und andere Ermittlungsbehörden, darunter das Federal Board of Revenue, die State Bank of Pakistan, die Antinarcotics Force und die Federal Investigation Agency, führen Untersuchungen zu Korruption, Steuerhinterziehung und Geldwäsche durch (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf, Zugriff 19.10.2020
? GAN – GAN Integrity Inc. (10.2020): Pakistan Corruption Report, https://www.business-anti-corruption.com/country-profiles/pakistan, Zugriff 14.12.2020
? TI – Transparency International (1.2020): Corruption Perceptions Index 2019, https://images.transparencycdn.org/images/2019_CPI_Report_EN_200331_141425.pdf, Zugriff 19.10.2020
? TI – Transparency International (1.2019): Corruption Perceptions Index 2018, https://images.transparencycdn.org/images/CPI_2018_Executive_Summary_EN.pdf, Zugriff 19.10.2020
? USDOS – US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Pakistan, https://www.ecoi.net/en/document/2026342.html, Zugriff 19.10.2020
NGOs und Menschenrechtsaktivisten
Letzte Änderung: 29.01.2021
Einerseits sieht die pakistanische Verfassung die Vereinigungsfreiheit vorbehaltlich bestimmter gesetzlicher Einschränkungen vor (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 29.9.2020). Zivilgesellschaftliche Menschenrechtsorganisationen können sich in Pakistan betätigen (AA 29.9.2020). In den meisten Teilen Pakistans werden Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit in einem angemessenen Maße gewahrt (BS 29.4.2020). Die NGO Human Rights Commission of Pakistan (HRCP) befasst sich mit der Aufklärung und Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen jeder Art. In allen Landesteilen gibt es Provinzbüros und freiwillige Helfer, die Menschenrechtsverletzungen anzeigen oder ihnen angezeigte Fälle aufnehmen, Fakten sammeln und gegebenenfalls die Fälle der Justiz zuführen. Neben der HRCP beschäftigt sich eine Vielzahl weiterer Organisationen und engagierter Einzelpersonen mit verschiedenen Aspekten des Schutzes der Menschenrechte (AA 29.10.2020).
Andererseits setzt die aktuelle Regierung das im Jahr 2015 begonnene harte Vorgehen gegen in- und ausländische NGOs fort (FH 4.3.2020). Internationalen NGOs, welche gegen die strategischen, sicherheitspolitischen, wirtschaftlichen oder sonstigen Interessen Pakistans arbeiten, kann die Genehmigung entzogen werden (BS 29.4.2020). Die Geheimdienste überwachen und kontrollieren diese Organisationen. Bedrohungen und Einschränkungen erfolgen, wenn ihre Arbeit die staatlichen Sicherheitsorgane berührt (AA 29.9.2020). Es gibt glaubwürdige Berichte über Einschüchterung, Belästigung und Überwachung verschiedener NGOs durch Regierungsbehörden. Zudem nutzt die Regierung den Registrierungsprozess für NGOs, um die Arbeitsweise internationaler Menschenrechtsgruppen zu behindern (HRW 14.1.2020). Bis Jänner 2019 waren nur 74 von 141 internationalen NGOs, die seit 2015 einen Registrierungsantrag gestellt hatten, zugelassen worden (FH 4.3.2020). Diese Verzögerung von Genehmigungsanträgen (NOC / No-Objection Certificate) sowie finanzielle Tragbarkeit und operative Unsicherheit schränken die Aktivitäten internationaler NGOs erheblich ein. Auch inländische NGOs werden, trotz Vorliegen aller Genehmigungen, staatlicherseits schikaniert (USDOS 11.3.2020).
Zudem ist sowohl für Menschenrechts- als auch für Hilfsorganisationen die Arbeit nicht nur in den ehemaligen Stammesgebieten (FATA) sondern auch in Belutschistan nur sehr eingeschränkt möglich. Mehrere Entführungen und Ermordungen von Aktivisten in den vergangenen Jahren haben dazu geführt, dass die meisten Organisationen ihre Arbeit in diesen Landesteilen eingestellt haben (AA 29.9.2020).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.9.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038580/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Pakistan_%28Stand_Juni_2020%29%2C_29.09.2020.pdf, Zugriff 14.12.2020
? BS – Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report - Pakistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029416/country_report_2020_PAK.pdf, Zugriff 14.12.2020
? FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2030906.html, Zugriff 14.12.2020
? HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Pakistan, https://www.ecoi.net/en/document/2022680.html, Zugriff 14.12.2020
? USDOS – US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Pakistan, https://www.ecoi.net/en/document/2026342.html, Zugriff 19.9.2020
Ombudsmann
Letzte Änderung: 29.01.2021
Das Amt einer Föderalen Ombudsmann (Wafaqi Mohtasib) wurde 1983 geschaffen (Gov Pak 1983/2002). Der Ombudsmann führt unabhängige Ermittlungen zu Beschwerden über Fehlleistungen der Bundesverwaltung („maladministration“) durch. Die Einschaltung des Ombudsmannes ist kostenlos und steht jedem Menschen offen. Der Ombudsmann behandelt jedoch keine Beschwerden, die laufende Gerichtsverfahren, ausländische Angelegenheiten oder Verteidigungsangelegenheiten betreffen. Es gibt unabhängige Ombudsmänner für Steuer-, Versicherungs- und Bankangelegenheiten, sowie bei Belästigung von Frauen am Arbeitsplatz (FOP o.D.).
Weiters gibt es Ombudsmänner, die von den Provinzen eingesetzt werden und die für Beschwerden gegen die Provinzverwaltungsbehörden zuständig sind (OM PJ o.D.; vgl. OM KP o.D.; OM SD o.D.). Es gibt einen Ombudsmann für Gefängnisinsassen mit einem zentralen Büro in Islamabad, sowie mit Büros in jeder Provinz. Das Sekretariat des föderalen Ombudsmannes für den Schutz vor Belästigung ist durch einen Gesetzesbeschluss des Parlaments im März 2010 eingerichtet worden. Das Gesetz verlangt die Einrichtung von zuständigen Ombudsmännern in jeder Provinz. Sindh, Gilgit-Balitstan, Punjab, Khyber Pakhtunkhwa und auch Belutschistan haben diese eingerichtet (USDOS 11.3.2020; vgl. Dawn 3.1.2019; TN 12.2.2020). Alle Regierungsstellen und privaten Büros sind verpflichtet, den Verhaltenskodex des föderalen Ombudsmannes bezüglich des Schutzes vor Belästigung an einem prominenten Ort in der Organisation und am Arbeitsplatz auszuhängen. Das Nichteinhalten dieser Bestimmung ist strafbar (TN 12.2.2020).
Quellen:
? Dawn – (3.1.2019): KP gets first anti-harassment ombudsperson, https://www.dawn.com/news/1455134, Zugriff 14.12.2020,
? FOP – Federal Ombudsman of Pakistan [Pakistan] (o.D.): What We Do, http://www.mohtasib.gov.pk/# , Zugriff 14.12.2020, S 4ff
? Gov Pak – Government of Pakistan [Pakistan] (1983/2002): Establishment of the Office of Wafaqi Mohtasib (Ombudsman) Order, 1983, (Amended and updated vide Ordinance No. LXXII of 2002), www.theioi.org/downloads/68p6k/presidential-order-1983.pdf, Zugriff 14.12.2020,
? OM KP – Provincial Ombudsman Khyber Pakhtunkhwa [Pakistan] (o.D.): Welcome to Ombudsman Office Peshawar, Khyber Pakhtunkhwa, https://www.ombudsmankp.gov.pk/, Zugriff 14.12.2020
? OM PJ – Office of the Ombudsman Punjab [Pakistan] (o.D.): Ombudsman’s Message, http://www.ombudsmanpunjab.gov.pk/, Zugriff 14.12.2020
? OM SD – Provincial Ombudsman (Mohtasib) Sindh [Pakistan] (o.D.): Message from the Mohtasib-e-Aala Sindh (Ombudsman Sindh), http://www.mohtasibsindh.gov.pk/, Zugriff 14.12.2020
? TN – The News (12.2.2020): Parliament should have been united on issues of women: Kashmala, https://www.thenews.com.pk/print/612803-parliament-should-have-been-united-on-issues-of-women-kashmala, Zugriff 14.12.2020
? USDOS – US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Pakistan, https://www.ecoi.net/en/document/2026342.html, Zugriff 14.12.2020
Allgemeine Menschenrechtslage
Letzte Änderung: 29.01.2021
Generell ist der Schutz der Menschenrechte in der pakistanischen Verfassung verankert und die pakistanische Regierung bekennt sich zu den Menschenrechten. Darunter fallen Grundrechte, Schutz der körperlichen Unversehrtheit und Selbstbestimmung, Schutz vor willkürlicher Verhaftung, des persönlichen Ansehens sowie das Recht auf Freiheit und Eigentum, Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz, Verbot willkürlicher Verhaftungen und Tötungen ohne gesetzliche Grundlage (AA 29.9.2020).
Die Regierung von Premierminister Imran Khan hat jedoch seit dem Amtsantritt im Juli 2018 die Beschränkungen für Medien, die politische Opposition und NGOs sowie das harte Vorgehen gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung verschärft (HRW 14.1.2020; vgl. AI 30.1.2020). Das Militär verschärfte seine Kontrolle über die Wirtschaft, die Außenpolitik und die nationale Sicherheit und mehrere Mitglieder der politischen Opposition wurden wegen angeblich politisch motivierter Anschuldigungen inhaftiert (AI 30.1.2020).
Folter im Gewahrsam der Sicherheitskräfte und in Gefängnissen gilt als weit verbreitet [siehe Kapitel Folter und unmenschliche Behandlung], bei 27 verschiedenen Straftatbeständen kann die Todesstrafe verhängt werden [siehe Kapitel Todesstrafe]. Verschwindenlassen zählt zu den drängendsten und eklatantesten Menschenrechtsverletzungen in Pakistan – auch weil der Staat (v. a. Militär/Nachrichtendienste, insb. ISI) oftmals als Täter auftritt und seiner Schutzverantwortung nicht gerecht wird. Extralegale Tötungen kommen vor allem in Form von polizeilichen Auseinandersetzungen vor, d. h. bei Zusammenstößen zwischen mutmaßlichen Straftätern, Militanten oder Terroristen und der Polizei oder paramilitärischen Sicherheitskräften, die mit dem Tod des mutmaßlich Straffälligen enden. Willkürliche Festnahmen kommen insbesondere aufgrund der weit verbreit