Entscheidungsdatum
15.06.2021Norm
AsylG 2005 §10Spruch
L518 2204834-1/11E
SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 13.04.2021 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. GEORGIEN, vertreten durch die BBU, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, vom 02.08.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.04.2021 zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
I.1. Die beschwerdeführende Partei (in weiterer Folge kurz als „bP“ bezeichnet), ist Staatsangehörige der Republik Georgien und brachte nach Einreise am XXXX .2016 in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich mit einem deutschen Schengenvisum C bei der belangten Behörde (in weiterer Folge „bB“) am 17.02.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz ein.
I.2.1. Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte die bP im Wesentlichen Folgendes vor:
„Mein Ex-Mann hat mich bedroht. Er nahm mir das gemeinsame Kind weg. Ich lebe seit 9 Jahren getrennt von meinem Ex-Mann. Mein Ex-Mann ist Polizist. Vor kurzem willigte er der Scheidung zu, mit der Bedingung, dass ich Georgien verlasse oder er bringt mich um.
Ich wurde mit 13 Jahren von meinem Ex-Mann entführt und er heiratete mich, als ich 15 Jahre alt war.“
Im Falle der Rückkehr befürchte sie, dass der Ex Mann sie umbringt. Er habe die bP auch kurz vor der Ausreise in einen Keller gesperrt und damit bedroht, sie umzubringen, wenn sie nicht das Land verlässt.
Sie habe den Entschluss zur Ausreise im Dezember 2015 gefasst und wollte nach Österreich, da hier ein Onkel lebe. Wo sich ihr Reisedokument befinde wisse sie nicht. Die Reise habe der Vater organisiert und bezahlt. Sie sei schlepperunterstützt, illegal auf dem Landweg ausgereist
I.2.2. Eine VIS-Abfrage ergab, dass die bP über ein von XXXX gültiges Visum, ausgestellt durch die Vertretungsbehörde Deutschlands in Tiflis/Georgien, verfügte.
Im Rahmen einer Einvernahme vor der bB am 24.02.2017 wurde der bP vorgehalten, dass sie 4 Monate für die bB nicht greifbar war. Hierzu gab die bP an, dass sie beim Onkel gewesen sei und dies der bB nicht mitgeteilt habe. Der Onkel habe ihr nun mitgeteilt, dass er ihr nicht mehr helfen könne.
Ein Verfahren nach der Dublin Verordnung wurde eingeleitet. Der Bescheid der bB gemäß § 5 AsylG wurde vom BVwG behoben und wurde das Verfahren zugelassen.
I.2.3. Vor der belangten Behörde brachte die bP zum Fluchtgrund am 19.07.2018 im Wesentlichen Folgendes vor:
F.: Sind Sie geistig und körperlich in der Lage heute die Einvernahme durchzuführen?
A.: Ja.
F: Wie ist die Verständigung mit dem hier anwesenden Dolmetscher?
A: Gut.
F: Werden Sie im gegenständlichen Verfahren vertreten?
A: Nein.
F: Liegen Befangenheitsgründe oder sonstigen Einwände gegen eine der anwesenden Personen vor?
A: Nein.
F: Sind Sie gesund?
A: Ja.
F: Können Sie Beweismittel, bzw. Dokumente wie z.B. den Reisepass, einen Führerschein oder sonstiges vorlegen?
A:. Ja.
…
F: Stimmen die Angaben, die Sie in der Erstbefragung des gegenständlichen Asylverfahrens gemacht haben?
A: Ja, außer bezüglich der Reiseroute habe ich falsche Angaben gemacht. Mein Onkel hat mir gesagt, dass ich diese Reiseroute erzähle. In Wirklichkeit bin ich mit dem Flugzeug legal von Georgien nach Griechenland geflogen und von dort weitergereist nach Österreich. Ich bin mit einem deutschen Visum ausgereist. Mein Onkel XXXX der seit 16 Jahren in Wien wohnt, hat mir meinen Reisepass abgenommen und diesen zerrissen. Ich habe drei Monate bei ihm gelebt, aber dann hat er mich rausgeworfen.
F: Wie heißen Sie, wann und wo sind Sie geboren?
A: Ich heiße XXXX und bin am XXXX , Georgien geboren.
F: Wo waren Sie zuletzt wohnhaft im Herkunftsstaat?
A: Ich habe in der XXXX gewohnt.
F: Haben Sie auch an einem anderen Ort im Herkunftsstaat gelebt?
A: Aufgewachsen bin ich in XXXX , wo auch meine Eltern leben. Die letzten neun Jahre vor meiner Ausreise habe ich in XXXX gewohnt.
F: Machen Sie Angaben zu Ihren Familienangehörigen in Ihrem Herkunftsstaat.
…
F: Haben Sie Kontakt mit Ihre Familien?
A: Ja.
F: Wie gestaltet Ihre Familie ihren Alltag?
A: Mein Bruder ist Fußballspieler. Meine Mutter arbeitet als Sanitäterin in einem Krankenhaus und mein Vater ist selbstständig als Lieferant.
F: Wie ist das Verhältnis zu Ihrer Familie?
A: Sehr gut.
F: Haben Sie bislang eine Ehe geschlossen?
A: Ja ich habe standesamtlich geheiratet. Wir sind seit 2015 geschieden, leben aber bereits seit 10 Jahren getrennt.
F: Wie heißt der Ex-Mann?
A: XXXX , Georgien
F: Haben Sie Kinder? Falls ja, wann und wo sind Ihre Kinder geboren, wie sind die vollständigen Namen und Geburtsdaten Ihrer Kinder?
A: Ja, ich habe eine Tochter namens XXXX , Georgien. Sie lebt bei meinem Ex-Ehegatten.
F: Haben Sie in Ihrem Heimatland derzeit noch sonstige Angehörige, wenn ja, geben Sie eine Erklärung dazu ab, in welchem Verwandtschaftsgrad Sie zu diesen Personen stehen?
A: Ich habe viele Onkel und Tanten, sowie viele Cousins und Cousinen.
F: Haben Sie (derzeit) Kontakt zu Ihren Angehörigen?
A: Ja mit meinen georgischen Onkel und Tanten habe ich Kontakt.
F: Haben Sie noch Freunde oder Bekannte in der Heimat?
A: Ja sehr viele.
F: Haben Sie Kontakt zu Ihren Freunden und Bekannten?
A: Ja.
F: Haben Sie Verwandte bzw. Familienangehörige in Österreich?
A: Ja, meinen Onkel, aber ich habe seit 2 Jahren und 2 Monaten keinen Kontakt zu ihm.
F: Welcher Volksgruppe gehören Sie an?
A: Ich bin Georgierin.
F: Welche Religion haben Sie?
A: Ich bin Christin, orthodox.
F: Welche Sprachen sprechen Sie?
A: Meine Muttersprache ist Georgisch. Ich spreche auch noch ein wenig Deutsch.
F: Machen Sie Angaben zu Ihrer schulischen und beruflichen Ausbildung.
A: Ich habe elf Jahre die Schule besucht und mit Matura abgeschlossen. Danach habe ich vier Jahre auf der Universität Wirtschaft studiert.
F: Machen Sie Angaben zu ihrem beruflichen Werdegang!
A: 2007 bis 2011 habe ich als Generaldirektorin und als Hauptbuchhalterin gearbeitet.
2011 habe ich dann neun Monate lang in einem anderen Restaurant als Hauptbuchhalterin gearbeitet. Von 2012 bis zu meiner Ausreise habe ich in einem Spital als Hauptversicherungsspezialistin gearbeitet.
F: Wie haben Sie bislang Ihren Lebensunterhalt finanziert?
A: Selbst.
F: Bis zu welchem Zeitpunkt haben Sie gearbeitet?
A: Bis zu meiner Ausreise.
F: Sie wurden bereits zu Ihrem Fluchtweg befragt, waren die gemachten Angaben wahrheitsgemäß?
A: Nein, ich habe falsche Angaben gemacht und bin mit einem deutschen Visum nach Griechenland geflogen. Danach bin ich weiter nach Österreich geflogen. Meinen Reisepass hat mein Onkel in Österreich zerrissen.
F: Wer hat die Reise finanziert?
A: Ich habe alle selbst finanziert.
F: Wann haben Sie definitiv die Heimat verlassen und wann sind Sie in Österreich eingereist?
A: Ich habe Georgien am XXXX .2016 legal verlassen und bin am XXXX .2016 in Österreich eingereist.
F: Haben Sie in einem anderen Land schon einmal einen Asylantrag gestellt?
A: Nein.
F: Wieso sind Sie mit einem deutschen Visum nach Österreich gereist? A: Es gab damals keine österreichische Botschaft in Georgien. Es gibt erst seit September eine Botschaft in Georgien, weshalb ich beschlossen habe mit einem deutschen Visum auszureisen.
F: Waren Sie seither nochmals in Ihrem Heimatland?
A: Nein.
F: Schildern Sie die Gründe, warum sie Ihr Heimatland verlassen und einen Asylantrag gestellt haben, von sich aus vollständig und wahrheitsgemäß.
Sie werden darauf hingewiesen, dass falsche Angaben die Glaubwürdigkeit Ihres Vorbringens beeinträchtigen können.
A: Grund meiner Ausreise war mein Ex-Mann. Ich hatte weder finanzielle noch andere Probleme. Mein einziges Problem war mein Ex-Ehemann, weil er mich geschlagen hat. (AW zeigt Narben) Fünf oder sechs Mal habe ich mich von ihm getrennt, aber dann habe ich mich wieder mit ihm versöhnt. Der Horror hat kein Ende genommen. Mein Ex-Ehemann ist Polizist, der Hauptstadt. Ich habe dauernd versucht, all die Jahre die Scheidung zu erreichen, aber er hat es mir nicht gewährt. 2015 habe ich geschafft mich offiziell zu scheiden. Getrennt habe ich mich von ihm aber schon ca. vor 10 Jahren. Seitdem wir getrennt sind, hat unsere Tochter immer bei mir gewohnt, aber im Jahr 2014 hat er mir das Kind weggenommen. Er hat dafür seine Position bei der Polizei verwendet. Als er der Scheidung zugestimmt hat, hat er gesagt, dass er mich entweder umbringen wird oder ich das Land verlasse. Ich hatte so Angst darum habe ich das Land verlassen. Er hat mich immer gefunden.
F: Haben sie sämtliche Gründe, die Sie veranlasst haben, Ihr Heimatland zu verlassen, vollständig geschildert?
A: Ja.
F: Wurden Sie persönlich verfolgt oder bedroht?
A: Ja von meinem Ex-Ehemann. Ich habe mehrere Male Anzeige bei der Polizei erstattet aber das hat alles nichts gebracht.
F: Können Sie eine Anzeige vorlegen? A: Nein. Ich habe doch keine Anzeige erstattet, aber ich habe mit einem Anwalt geredet, der mir gesagt hat, dass es keinen Sinn macht zur Polizei zu gehen.
F: Hat Ihr Ex-Ehemann der Scheidung eingewilligt? A: Ja erst nachdem er mich bedroht hat.
F: Wieso sollte Ihr Ex-Ehegatte Sie auf einmal nach der Scheidung im Jahr 2015 bedrohen, wenn Sie bereits seit 10 Jahren getrennt leben? A: Obwohl wir getrennt waren, durfte ich nie andere Männer treffen oder flirten. Ich konnte nie ausgehen, er hat mich bedroht. Ich war sein Eigentum.
Vorhalt: Es ist nicht nachvollziehbar, dass Ihr Ex-Ehegatte der Scheidung zu stimmen sollte und Ihnen dann drohen würde, das Land zu verlassen, zumal Sie bereits 10 Jahre getrennt gelebt haben und es sich bei Ihnen um eine selbsterhaltungsfähige unabhängige Frau handelt. Bitte erklären Sie das! A: Er ist eifersüchtig und damit hat er gemeint, dass ich entweder ihm gehöre oder gar niemanden. Wenn ich das Land verlasse hat er keine Probleme damit.
F: Wie war es Ihrem Ex-Ehegatten möglich die alleinige Obsorge zu beantragen, zumal Sie das Kind die gesamte Zeit bei sich wohnen hatten? A: Ich weiß nicht ob er es beantragt hat.
Wiederholung der Frage! A: Das war nicht offiziell er hat einfach das Kind weggenommen. In Georgien ist es anders.
Er ist einfach gekommen und hat gesagt, dass er jetzt die Tochter mitnehmen wird.
F: Haben Sie sich hilfesuchend an staatliche Stellen gewendet?
A: Ich durfte die Tochter ein Monat nicht sehen, danach durfte ich sie wieder besuchen. Ich bin nicht zur Polizei gegangen, weil er selbst Polizeichef ist.
F: Stehen Sie mit dem Ex-Ehemann in Kontakt? A: Nein.
F: Stehen Sie mit Ihrer Tochter im Kontakt?
A: Ja, über Facebook. Mein Ex-Ehegatte hat keine Probleme dass ich mit ihr Kontakt habe.
Vorhalt: Im Juni 2017 wurde eine behördenübergreifende Kommission für Gleichstellung, Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt in Georgien eingerichtet. Was sagen Sie dazu? A: Darüber habe ich gehört, aber ich war schon 2016 in Österreich. Es gibt sehr viele Todesfälle wo die Frauen von Ihren Ehemännern umgebracht werden.
Vorhalt: Georgien ist ein sicherer Herkunftsstaat. Das Land ist schutzwürdig und schutzwillig. Was sagen Sie dazu? A: Das stimmt nicht. Georgien ist kein sicheres Land und wird nie ein sicheres Land sein.
F: Sind Sie in Ihrer Heimat vorbestraft?
A: Nein.
F: Sind Sie in einem anderen Land vorbestraft?
A: Nein.
F: Werden Sie in der Heimat von der Polizei, einer Staatsanwaltschaft, einem Gericht oder einer sonstigen Behörde gesucht?
A: Nein.
F: Waren Sie in Ihrer Heimat jemals Mitglied einer politischen Gruppierung oder Partei?
A: Nein.
F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer politischen Gesinnung, oder Ihrer Religion verfolgt?
A: Nein.
F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit verfolgt?
A: Nein.
F: Was befürchten Sie im Falle Ihrer Rückkehr nach Georgien? A: Ich habe Angst vor meinen Ex-Ehemann. Ich halte diesen Stress nicht mehr aus ich war gezwungen das Land zu verlassen. Hier kann ich in Ruhe leben.
F: Sind Sie seit Ihrer Einreise nach Österreich einer legalen Beschäftigung nachgegangen?
A: Nein, ich darf nicht arbeiten.
F: Von welchen finanziellen Mitteln leben Sie hier in Österreich?
A: Ich bin in der Grundversorgung.
F: Sind Sie gegenüber jemandem unterhaltspflichtig?
A: Nein.
F: Was ist heute für ein Datum und welcher Wochentag ist heute? (Frage auf Deutsch)
A: AW antwortet auf Georgisch ich verstehe die Frage nicht genau.
Heute ist 19 Juli 2018. Heute ist Donnerstag.
F: Was machen Sie in der Freizeit? (Frage auf Deutsch)
A: Ich war meine Freundin. Ich war mit meiner Freundin, wir waren auf den Spielplatz und Tennis.
F: Haben Sie in Österreich eine Schule, Kurse oder sonstige Ausbildungen absolviert?
A: Ich habe einen Deutschkurs A1 besucht und ich will den A2 Kurs besuchen.
F: Sind Sie in einem Verein oder in einer Organisation als Mitglied tätig?
A: Nein.
F: Führen Sie in Österreich ein Familienleben? A: Nein.
F: Wie stellen Sie sich in Österreich ein Leben ohne Ihre Familie vor? A: Ich bin ganz alleine, aber inzwischen habe ich viele österreichische Freunde.
F: Wie kommunizieren Sie mit den österreichischen Freunden? A: Immer auf Deutsch. Ich gebe mein bestes alles zu verstehen.
F: Wie sieht Ihr Alltag in Österreich aus?
A: Ich schaue Sehenswürdigkeiten an. Ich kann mir finanziell nicht viel leisten, hätte ich mehr Geld würde ich studieren oder Kurse besuchen. Ich muss auch die Wohnungsmiete zahlen, darum kann ich nicht viel unternehmen, aber meine österreichischen Freunde unterstützen mich mit Lebensmittel und Kleidung. Die Wochenenden verbringe ich meistens mit meinen Freunden.
F: Habe Sie auch georgische Freunde in Österreich? A: Ich kenne georgische Personen aber ich habe keinen Kontakt zu ihnen.
F: Die Befragung wird hiermit beendet. Wollen Sie zu Ihrem Asylverfahren sonst noch etwas vorbringen, was Ihnen von Bedeutung erscheint?
A: Ich kann arbeiten, wenn ich eine Aufenthaltsbewilligung habe. Ich kann auch von mehreren österreichischen Familien Empfehlungsschreiben vorlegen.
F: Hatten Sie die Gelegenheit alles zu sagen, was Sie wollten?
A: Ja, das hatte ich.
Anmerkung: Ihnen wird nun die Möglichkeit eingeräumt, in die Länderfeststellungen des BFA zu Georgien Einsicht und Stellung zu nehmen. Die Feststellungsunterlagen werden Ihnen gegebenenfalls vom Dolmetscher vorgelesen! Möchten Sie das?
A: Nein, das benötige ich nicht.
F: Haben Sie die Dolmetscherin einwandfrei verstanden?
A: Ja, sehr gut.
Vorgelegt vor dem BFA wurde von der bP teilweise im Original:
? Georgische Geburtsurkunde
? Georgischer Personalausweis
? Georgischer Führerschein
? Georgischer Universitätsabschluss in Original
? Abschluss für Computerkurs
? Kursbesuchsbestätigung A1
? Georgische Scheidungsurkunde ausgestellt am XXXX 2015
? -Geburtsurkunde der Tochter
? Handgeschriebene Bestätigung für Scheidung und Ehe von georgischen Nachbarn
I.3. Der Antrag der bP auf internationalen Schutz wurde folglich mit im Spruch genannten Bescheid der bB gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Georgien gemäß § 46 FPG zulässig sei. Eine Frist zur freiwilligen Ausreise wurde mit 14 Tagen gewährt.
I.3.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die bB das Vorbringen der bP in Bezug auf die Existenz einer aktuellen Gefahr einer Verfolgung als nicht glaubhaft und führte hierzu Folgendes aus (Wiedergabe aus dem angefochtenen Bescheid) :
- betreffend die Feststellungen der Gründe für das Verlassen des Herkunftslandes:
Die Feststellungen zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftslandes ergaben sich aus Ihrer schriftlichen Einvernahme vor dem BFA vom 19.07.2018. Sie gaben glaubhaft an, Georgien wegen familiärerer Streitigkeiten verlassen zu haben. Sie haben keine konkrete und individuelle Bedrohung vorgebracht.
Bei Ihrer Erstbefragung vom 17.02.2016 bei der LPD Wien führten Sie zusammenfassend an, dass Ihr Ex-Ehegatte Ihnen das gemeinsame Kind weggenommen hat. Sie würden bereits seit 9 Jahren getrennt leben. Im Jahr 2015 willigte er der Scheidung zu, unter der Bedingung, dass Sie das Land verlassen müssten.
In Bezug auf Ihre Fluchtgründe konnten Sie keine individuelle und konkrete Bedrohungssituation, der Sie ausgesetzt gewesen wären, schildern. Sie schilderten lediglich familiäre Streitigkeiten mit Ihrem Ex-Ehegatten.
Bei der niederschriftlichen Einvernahme vom 19.07.2018 gaben Sie an, Georgien wegen der Probleme mit Ihrem Ex-Ehegatten verlassen zu haben. Ihr einziges Problem war, dass Sie Ihr Ex-Ehegatte geschlagen hat. Sie haben nie versucht, sich an staatliche Behörden zu wenden. Auch haben Sie es nicht in Erwägung gezogen, sich von Ihrem Ex-Ehegatten scheiden zu lassen, sondern sind fünf oder sechs Mal zu ihm zurückgekehrt. Besonders hervor hoben Sie, dass Ihr Ex-Ehegatte bei der Polizei tätig ist. Sie haben laut eigenen Angaben lange Zeit gebraucht, um sich scheiden lassen zu können. Die Scheidung fand im Jahr 2015 statt, davor haben Sie sich aber bereits 10 Jahre getrennt gelebt.
Weiteres schilderten Sie, dass Ihr Ex-Ehegatte Ihnen im Jahr 2014 einfach die gemeinsame Tochter weggenommen hätte. Das Ganze wäre nicht offiziell gewesen, er hätte einfach gesagt, dass er nun das Kind zu sich nehmen wird. Sie haben daraufhin keine Anstalten gemacht, dies zu verhindern. Sie wären allgemein der Meinung, dass es Ihnen nicht nützen würde zur Polizei zu gehen, da Ihr Ex-Ehegatte ein Polizeibeamter ist.
Sie schilderten, dass Sie nach Ihrer Trennung nicht die Möglichkeit gehabt hätten, andere Männer zu treffen und zu flirten. Das hätte Sie sehr gestört, weshalb Sie froh sind nun in Österreich zu sein. Umso verwunderlicher ist, dass Ihr Ex-Ehegatte Sie aufgefordert haben sollte, das Land zu verlassen, zumal Sie bereits vor der Scheidung 10 Jahre getrennt gelebt haben. Viel mehr macht es für die ho. Behörde den Eindruck, dass Sie aus freien Stücken das Land verlassen haben, um in Österreich ein besseres Leben führen zu können. Tatsächliche Probleme oder Verfolgungen schilderten Sie nicht. Alleine die Tatsache, dass Ihr Ex-Ehegatte bei der Polizei tätig ist, rechtfertigt keine Verfolgung.
Dem ist auch anzumerken, dass familiäre Streitigkeiten mit Ihrem Ex-Ehegatten nicht zur Asylgewährung führen können. So ist seitens der ho. Behörde unverständlich, weshalb Sie sich
erst nach zehn Jahre Trennung von Ihrem Ex-Ehegatten geschieden haben. Auch ist nicht klar, weshalb Ihr Ex-Ehegatte nach zehn Jahren Trennung noch immer eifersüchtig sein sollte, aber trotzdem verlangen sollte, dass Sie das Land verlassen.
Sie wurden darüber in Kenntnis gesetzt, dass im Juni 2017 eine behördenübergreifende Kommission für Gleichstellung, Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt in Georgien eingerichtet wurde. Sie gaben an, dass Sie darüber bereits gehört haben, aber schon seit 2016 in Österreich sind, weshalb Sie von dieser Organisation keinen Gebrauch machen könnten.
Bei einer Rückkehr würden Sie befürchten, dass Sie keine Ruhe vor Ihrem Ex-Ehegatten hätten und Stress ausgesetzt wären. In Österreich ist es laut Ihren Angaben möglich ein ruhiges Leben zu führen.
Bedrohungen seitens Ihres Ehegatten machten Sie nicht für sich geltend, sondern schilderten lediglich oberflächliche private Probleme. Unklar erscheint, weshalb Sie ausgerechnet nach der Scheidung im Jahr 2015 ausreisen sollten. Für die ho. Behörde machte es den Eindruck, dass Sie das Motiv hatten in Österreich ein neues Leben aufzubauen.
Bezüglich Ihrer gemeinsamen Tochter gaben Sie an, dass diese bis 2014 bei Ihnen gelebt hat. Danach hat Sie Ihr Ex-Ehegatte Ihnen einfach weggenommen. Sie machten keine Anstalten, dagegen etwas zu unternehmen. Hätten Sie gegen den Wohnsitzwechsel tatsächlich Einwände gehabt, hätten Sie als Mutter versucht von staatlicher Seite Hilfe herbeizuziehen. Sie hatten während Ihrem Aufenthalt in Georgien weiterhin Kontakt zu dem Kind und auch nach Ihrer Einreise in Österreich kontaktieren Sie Ihre Tochter regelmäßig. Auch Ihr Ex-Ehegatte hat keine Einwände gegen den aufrechten Kontakt.
Die allgemeine wirtschaftliche Lage Ihres Herkunftsstaates, die hohe Arbeitslosigkeit und private Probleme mit Ihrem Ex-Ehegatten, begründet kein Recht auf Asyl. Sie gaben in Ihrer Einvernahme an, niemals persönlich auf Basis der Konventionsgründe in Georgien verfolgt worden zu sein.
Weitere zu prüfende, asylrelevante Zwischenfälle, Verfolgungshandlungen oder Fluchtgründe, außer die bereits erwähnten, führten Sie nicht an. Auch im amtswegig geführten Verfahren sind keinerlei derartige Hinweise aufgekommen. Festgestellt werden kann, dass Sie Georgien aus wirtschaftlichen Gründen verlassen haben. Georgien ist ein sicherer Herkunftsstaat und wird es Ihnen möglich sein in Zukunft mit der Unterstützung Ihrer Familienangehörigen in Georgien zu leben.
? betreffend die Feststellung Ihrer Situation im Falle der Rückkehr:
Es konnten keinerlei Anhaltspunkte dahingehend gefunden werden, dass Sie im Falle einer Rückkehr nach Georgien einer Verfolgungsgefährdung i. S. d. Art. 3 EMRK ausgesetzt wären.
Entsprechend dem Akteninhalt und Ihrer Angaben sind Sie arbeitsfähig und auch arbeitswillig.
Es ist Ihnen zuzumuten sich mit Hilfe der eigenen Arbeitsleistung und der familiären Unterstützung zukünftig den Lebensunterhalt zu sichern.
Sie haben in Georgien elf Jahre lang die Schule besucht und mit Matura abgeschlossen. Danach haben Sie vier Jahre auf der Universität studiert. Sie waren immer eine selbsterhaltungsfähige Frau und haben bis zu Ihrer Ausreise gearbeitet. Von 2007 bis 2011 haben Sie als Generaldirektorin und als Hauptbuchhalterin gearbeitet. Von 2012 bis zu Ihrer Ausreise haben Sie in einem Spital als Hauptversicherungsspezialistin gearbeitet. Sie verfügen über eine umfangreiche Ausbildung, weshalb es Ihnen leicht fallen sollte in Zukunft einer Erwerbstätigkeit in Georgien nachzugehen.
Ihre Tochter, Eltern, Geschwister, viele Onkel und Tanten, sowie Cousins und Cousinen sind nach wie vor in Georgien wohnhaft. Sie stehen im guten Kontakt mit Ihrer Familie und haben ein sehr gutes Verhältnis. Sie haben auch sehr viele Freunde und Bekannte in der Heimat mit denen Sie ebenfalls im Kontakt stehen.
Bei einer Rückkehr in Ihre Heimat können Sie wieder Ihren Obsorgepflichten gegenüber Ihrer Tochter nachkommen. Auch ist es Ihnen möglich, dass Kind in Zukunft wieder bei sich wohnen zu haben. Sie können sich an staatliche Einrichtungen wenden. Derzeit haben Sie über Facebook Kontakt zu Ihrem Kind. Ihr Ex-Ehegatte hat keine Einwände.
Es ist Ihnen jedenfalls zuzumuten erneut Unterkunft in Georgien zu nehmen.
? betreffend zu Ihrem Privat- und Familienleben:
Sie haben sich am XXXX von Ihrem Ex-Ehegatten Herrn XXXX , whft XXXX , Georgien scheiden lassen. Zuvor haben Sie bereits 10 Jahre getrennt gelebt. Die gemeinsame Tochter war bis 2014 bei Ihnen wohnhaft, bis Ihr Ex-Ehegatte Ihnen inoffiziell die Tochter weggenommen hat. Sie haben niemals versucht mittels staatlicher Hilfe die Tochter wieder zurückzuholen. Ihre gesamten Familienangehörigen sind in Georgien aufhältig. Sie haben in Österreich einen Onkel, mit dem Sie seit zwei Jahren keinen Kontakt mehr haben.
Sie sind kein Mitglied eines Vereins oder einer Organisation und gehen in Österreich keiner ehrenamtlichen Tätigkeit nach. Sie haben in Österreich seit Ihres zwei jährigen Aufenthalt einen Deutschkurs A1 absolviert, haben aber vor in Zukunft einen Deutschkurs A2 zu besuchen. Sie würden in Österreich über viele österreichische Freunde verfügen, mit denen Sie in Deutsch kommunizieren würden. Für die ho. Behörde machte es jedenfalls nicht den Eindruck, dass Sie über ausreichend Deutschkenntnisse verfügen um eine einfache Kommunikation in deutscher Sprache zu führen. In Ihrer Freizeit begleiten Sie Ihre Freunde auf den Spielplatz oder gehen Tennis spielen. Auf die Frage wie Sie sich Ihr Leben in Österreich vorstellen würden, entgegneten Sie, dass Sie ganz alleine wären, aber nun viele österreichische Freunde hätten. Sie konnten keine verfestigende Integration für sich glaubhaft machen.
I.3.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Georgien traf die belangte Behörde ausführliche und schlüssige Feststellungen. Aus diesen geht hervor, dass in Georgien von einer unbedenklichen Sicherheitslage auszugehen und der georgische Staat gewillt und befähigt ist, auf seinem von der georgischen Zentralregierung kontrollierten Territorium befindliche Menschen vor Repressalien Dritter wirksam zu schützen. Ebenso ist in Bezug auf die Lage der Menschenrechte davon auszugehen, dass sich hieraus in Bezug auf die bP ein im Wesentlichen unbedenkliches Bild ergibt. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass in der Republik Georgien die Grundversorgung der Bevölkerung gesichert ist, im Falle der Bedürftigkeit die Übernahme der Behandlungskosten durch den Staat auf Antrag möglich ist, eine soziale Absicherung auf niedrigem Niveau besteht, die medizinische Grundversorgung flächendeckend gewährleistet ist, Rückkehrer mit keinen Repressalien zu rechnen haben und in die Gesellschaft integriert werden. Ebenso besteht ein staatliches Rückkehrprogramm, welches ua. materielle Unterstützung für bedürftige Rückkehrer, darunter auch die Zurverfügungstellung einer Unterkunft nach der Ankunft in Georgien bietet.
I.3.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar, weshalb Rückehrentscheidung und Abschiebung in Bezug auf Georgien zulässig sind.
I.4. Gegen den im Spruch genannten Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.
Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass die bP über Jahre hinweg von ihrem Ex-Mann geschlagen und psychisch unter Druck gesetzt worden wäre. Auch in Zeiten der Trennung habe er sie bedroht und habe nur in die Scheidung eingewilligt, wenn sie ausreist. Die Länderfeststellungen seien unzulänglich und würden sich nicht mit der Situation von alleinstehenden Frauen und häuslicher Gewalt in Georgien auseinandersetzen. Zum Meldewesen in Georgien wurden Ausführungen getroffen und wurde aus diversen Berichten zu häuslicher Gewalt zitiert. Es liege eine geschlechtsspezifische Verfolgung vor und könne die bP weder bei ihren Eltern noch sonst wo sicher unterkommen, da der Ex-Gatte erfahren könnte, wo sie sich aufhält.
Der bP sei damit Asyl, in eventu subsidiärer Schutz bzw. eine Aufenthaltsberechtigung nach § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG zu gewähren gewesen. Die bP sei Opfer von Gewalt, eine einstweilige Verfügung hätte erlassen werden können. Schließlich sei die Interessensabwägung iSd Art. 8 EMRK nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden.
I.5. Für den 13.04.2021 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.
Gemeinsam mit der Ladung wurden Feststellungen zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat zugestellt. Ebenso wurde – in Ergänzung bzw. Wiederholung zu den bereits bei der belangten Behörde stattgefundenen Belehrungen - ua. hinsichtlich der Obliegenheit zur Mitwirkung im Verfahren manuduziert und wurden die bP aufgefordert, Bescheinigungsmittel vorzulegen.
Vorgelegt in der Verhandlung wurde von der bP:
? Deutschkursbesuchsbestätigungen A1 und A2
? Einstellungszusage der Firma Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung sowie der Benchmark Immobilien GmbH
? Diverse Empfehlungsschreiben
? Reisepass
Folgende Erkenntnisquellen wurden erörtert:
? LIB der Staatendokumentation Georgien vom 10.3.2021,
? Bericht des AA über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien vom 17.11.2020
Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung wurde das Erkenntnis des BVwG vom selben Tag mündlich verkündet.
Die Beschwerde wurde als unbegründet abgewiesen. Die Revision wurde gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.
Die bP wurde iSd § 29 Abs. 2 a VwGVG über das Recht, binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift eine Ausfertigung gemäß § 29 Abs. 4 zu verlangen bzw. darüber, dass ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision beim Verwaltungsgerichtshof und der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof darstellt, belehrt.
Nach Verkündung des Erkenntnisses wurde der bP sowie deren rechtsfreundlicher Vertretung eine Ausfertigung der Niederschrift ausgefolgt.
Mit Schreiben vom 16.04.2021 wurde die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses begehrt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
II.1.1. Die beschwerdeführende Partei
II.1.1.1. Bei der bP handelt es sich um einen im Herkunftsstaat der Mehrheits- und Titularethnie angehörige Georgierin, welcher aus einem überwiegend von Georgiern bewohnten Gebiet stammt und sich zum Mehrheitsglauben des Christentums bekennt.
Sie ist in XXXX aufgewachsen und hat die letzten Jahre vor ihrer Ausreise in XXXX gelebt.
In Georgien hat sie für 11 Jahre die Schule besucht und mit Matura abgeschlossen. Danach hat sie 4 Jahre auf der Universität studiert. Sie war als Buchhalterin von 2007 – 2011 in gehobener Position in einer Versicherung tätig. 2011 hat sie neun Monate in einem Restaurant als Buchhalterin und Direktorin gearbeitet und von 2012 bis zur Ausreise in einem Spital.
Die bP ist ein junger, gesunder, arbeitsfähiger Mensch mit bestehenden familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer –wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich- gesicherten Existenzgrundlage. Es ist ihr zumutbar, im Falle der Rückkehr den Lebensunterhalt durch eigene Arbeit und bei Bedarf mit familiärer Unterstützung zu sichern.
Familienangehörige leben nach wie vor in Georgien. Seit Dezember 2015 ist die bP geschieden. Die gemeinsame Tochter XXXX lebt beim Ex-Ehegatten und studiert. Darüber hinaus leben die Eltern, Geschwister, diverse Onkel und Tanten und Cousins in Georgien. Die bP hat regelmäßigen Kontakt mit ihren Familienangehörigen, auch mit der Tochter. Die Verwandten gehen Beschäftigungen nach, der Vater führt ein kleines Transportunternehmen, die Mutter arbeitet im Krankenhaus. Die Schwester arbeitete in einem Waisenhaus und besitzen die Eltern der bP noch ihr Haus im Heimatdorf. Auch zu Freundinnen in Georgien hat sie noch regelmäßig Kontakt.
II.1.1.2. Die bP hat in Österreich nur einen Onkel, mit welchem sie seit Jahren keinen Kontakt mehr hat und lebt auch sonst mit keiner nahe stehenden Person zusammen. Sie teilt sich mit einer Bekannten die Miete für eine Wohnung. Sie möchte offensichtlich ihr künftiges Leben in Österreich gestalten und hält sich seit 5 Jahren und 3 Monaten im Bundesgebiet auf. Sie reiste rechtswidrig in das Bundesgebiet ein. Sie lebt von der Grundversorgung und hat bislang keinerlei Ansuchen beim AMS gestellt oder sonst versucht, einer Beschäftigung nachzugehen. Sie ist strafrechtlich unbescholten. Sie ist kein Mitglied in einem Verein oder einer Organisation. Es liegen 2 Einstellungszusagen vor. Sie hat den A1 und A2 Deutschkurs besucht, die A1 Prüfung abgelegt und verfügt über ein soziales Netzwerk an Freunden in Österreich. Besondere Deutschkenntnisse kamen nicht hervor.
Die Identität der bP steht fest. Sie reiste mit einem deutschen Schengen Visum C in Österreich ein.
Bei der volljährigen bP handelt es sich um einen mobilen, jungen, gesunden, arbeitsfähigen Menschen. Einerseits stammt die bP aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und andererseits gehört die bP keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. So war es der bP auch vor dem Verlassen ihres Herkunftsstaates möglich, dort ihr Leben zu meistern.
II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Georgien
Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es sich bei Georgien um einen sicheren Herkunftsstaat gem. § 19 BFA-VG handelt.
Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat werden folgende Feststellungen getroffen:
Bericht des auswärtigen Amts über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien
(Stand: November 2020)
…
1.8. Geschlechtsspezifische Verfolgung
Gesetzlich sind Frauen den Männern gleichgestellt und genießen auch im öffentlichen Leben die gleichen Rechte, die sie aber aufgrund gesellschaftlicher Traditionen und Konventionen, ungeachtet gleich hohen Bildungsstandes, nicht immer ausüben können. Georgien liegt bei dem Gender Inequality Index von UNDP 2019 auf Platz 70 von 188 Ländern (Anmerkung: 2020 noch nicht veröffentlicht). Beim vom World Economic Forum herausgegebenen Global Gender Gap Index 2020 liegt Georgien auf Platz 74 von 153 Ländern, eine Verbesserung von 25 Plätzen gegenüber dem letzten Bericht 2018 (Platz 99 von 149 Ländern). Besonders in politischen Funktionen sind Frauen stark unterrepräsentiert. Die Regierung bemüht sich jedoch mit mehreren Aktionsplänen aktiv um die Förderung der gesellschaftlichen Gleichstellung von Frauen.
Gewalt gegen Frauen ist weiterhin ein ernstes Problem und zählt derzeit zu den wichtigsten Menschenrechtsthemen der Regierung. Fälle häuslicher Gewalt werden von der Gesellschaft und den Behörden meist als interne Familienangelegenheit betrachtet. Die Bereitschaft, dagegen Maßnahmen zu ergreifen, nimmt jedoch weiterhin zu. Die EuR-Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul- Konvention) von 2011 ist am 01. September 2017 für Georgien in Kraft getreten und wurde mit über 20 Gesetzesänderungen im Frühjahr 2018 gesetzlich umgesetzt.
Schutz vor häuslicher Gewalt kann in Frauenhäusern oder Einrichtungen für Mütter und Kinder geboten werden.
Länderinformation der Staatendokumentation, Version 3. Generiert am 10.03.2021
Länderspezifische Anmerkungen
Letzte Änderung: 01.12.2020
Sofern nicht anders angegeben, schließen die Themenbereiche zu Georgien die Situation in den separatistischen Landesteilen Abchasien und Südossetien nicht ein.
COVID-19
Letzte Änderung: 01.12.2020
Georgien hat die Verbreitung von COVID-19 im Frühling 2020 durch strenge Maßnahmen weitgehend eingedämmt. Nachdem im Sommer 2020 die strengen Regeln aufgehoben, die Einreisebestimmungen an den Grenzen gelockert und Inlandstourismus beworben wurde, kam es ab Ende August 2020 zu einem exponentiellen Anstieg der positiven Tests. Bis Mitte September 2020 stieg die Zahl der täglichen positiven Testergebnisse von niedrigen zweistelligen Zahlen auf etwa 150 (Eurasianet 18.9.2020) und um Mitte Oktober auf ungefähr 1000 (Jam
16.10.2020) . Gegen Ende November 2020 lag die tägliche Zahl positiver Tests um die 4.000 und die der Verstorbenen an oder mit SARS-CoV-2 bei 35-50 Personen (Agenda 26.11.2020; vgl. WOM 30.11.2020). COVID-19-Infektionen kommen in allen Regionen des Landes vor; und es kommt landesweit zu unkontrollierter Übertragung von COVID-19 (USEMB 30.11.2020a).
Tagesaktuelle Zahlen zu bestätigten Infektionen, Genesungen, Todesfällen und Hospitalisierungen werden von der Regierung auf der Webseite https://stopcov.ge/en/ veröffentlicht (Stop- CoV.ge o.D.).
Aufgrund der steigenden Zahlen wurden mit Wirkung vom 28.11.2020 unter anderem folgende Beschränkungen landesweit, vorerst bis 31.1.2021, in Kraft gesetzt: Während der nächtlichen Ausgangssperre zwischen 21 und 5 Uhr sind öffentliche und private Verkehrsbewegungen, einschließlich zu Fuß gehen, sowie der Aufenthalt im öffentlichen Raum nicht gestattet. Der öffentliche Überlandverkehr einschließlich Bahn, Bus und Kleinbus ist ganztägig eingestellt. Reisen in Kleinfahrzeugen (einschließlich Taxis) sind - außerhalb der nächtlichen Ausgangssperre - zulässig. Es herrscht eine Tragepflicht von Gesichtsmasken im Freien sowie in allen geschlossenen öffentlichen Räumen. Personen über 70 Jahren wird empfohlen, zu Hause zu bleiben (USEMB 30.11.2020b; vgl. Agenda 26.11.2020).
Für die Großstädte Tiflis, Batumi, Kutaissi, Rustawi, Poti, Sugdidi und Telawi sowie die Wintersportorte Bakuriani, Gudauri, Goderdzi und Mestia gelten zusätzlich u.A. folgende Einschränkungen: Der innerstädtische öffentliche Verkehr ist vollständig eingestellt. Geschäfte sind geschlossen, mit Ausnahme von Lebensmittelgeschäften, Apotheken, Hygieneprodukten und Kiosken für Printmedien. Agrarmärkte, Schönheitssalons, Friseurläden und Zentren für ästhetische Medizin sind weiterhin in Betrieb. Kindergärten sind geschlossen, Schulen und Universitäten bieten ausschließlich Fernlehre an (USEMB 30.11.2020b; vgl. Agenda 26.11.2020).
Für die Periode Neujahr-Weihnachten (24.12.2020 bis 15.1.2021) werden einzelne Beschränkungen gelockert (USEMB 30.11.2020b; vgl. Agenda 26.11.2020).
Die Einschränkungen von Linienflügen nach Georgien wurden mit 1.11.2020 gelockert, seither sind auch wieder Linienflüge nach Tiflis ex Wien erlaubt (GCAA21.10.2020). Diese Flüge werden Stand Ende November 2020 ein Mal wöchentlich von Georgian Airways durchgeführt (F24 30.11.2020; vgl. VIE 30.11.2020)
Bei der Einreise aus dem Ausland müssen sich georgische Staatsangehörige sowie ihre Familienangehörigen für 8 Tage in Selbstisolation begeben, wenn sie an der Grenzübertrittsstelle einen negativen PCR-Test nicht älter als 72 Stunden vorweisen können. Sollte ein solcher Test nicht vorgewiesen werden, wird eine obligatorische Quarantäne verhängt (MoF o.D.; vgl. StopCoV.ge o.D.) und die Person wird in eine Quarantänezone verbracht (StopCoV.ge o.D.). In den Wintersportorten Bakuriani, Gudauri, Goderdzi und Mestia werden Hotels ausschließlich als Quarantäne- oder COVID-Unterkünfte betrieben (USEMB 30.11.2020b; vgl. Agenda
26.11.2020) .
Trotz der Zugangsbeschränkungen unterstützt die Georgische Regierung die separatistische Region Abchasien bei der Bekämpfung von COVID-19 materiell und fachlich. Auch die Behandlung von abchasischen COVID-19-Patienten in Kern-Georgien wurde ermöglicht (CW 27.11.2020; vgl. Jam 16.10.2020). Internationale Hilfe in Südossetien ist auf das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) beschränkt. Die georgische Zentralregierung hat Zchinwali ebenfalls humanitäre Hilfe angeboten, aber der Vorschlag wurde nicht weiterverfolgt (CW 27.11.2020). Dennoch werden auch COVID-Patienten aus Südossetien in Georgien behandelt, wenn auch in geringerem Ausmaße als aus Abchasien (Jam 16.10.2020)..
Quellen:
• Agenda.ge (26.11.2020): Georgian gov’t introduces further coronavirus restrictions until Jan. 31, https://agenda.ge/en/news/2020/3722 , Zugriff 30.11.2020
• CW - Caucasus Watch (27.11.2020): Council of Europe reports on Abkhazia and Tskhinvali, https: //caucasuswatch.de/news/3289.html , Zugriff 30.11.2020
• Eurasianet (18.9.2020): Georgia experiences its first wave of COVID-19, https://eurasianet.org/g eorgia-experiences-its-first-wave-of-covid-19, Zugriff 30.11.2020
• F24 - Flightradar24 (30.11.2020): TBS/UGTB Tbilisi International Airport, Georgia - Routes Tbilisi, https://www.flightradar24.com/data/airports/tbs/routes , Zugriff 30.11.2020
• GCAA- Georgian Civil Aviation Agency (21.10.2020): News and Statements - 21 Oct.’20 | Information for Passengers, http://www.gcaa.ge/eng/news.php?id=6285 , Zugriff 30.11.2020
• Jam News (16.10.2020): Georgia: coronavirus patients from the other side of territorial conflict, https://jam-news.net/coronavirus-georgia-treatment-abkhazia-south-ossetia/, Zugriff 30.11.2020
• MoF - Ministry of Foreign Affairs of Georgia (o.D.): Regulations for Crossing the Georgian Border in connection with the COVID-19 pandemic, https://mfa.gov.ge/MainNav/CoVID-19-sakitkhebi/saz gvris-kvetis-regulaciebi.aspx?fbclid=IwAR0PQsqZ2jc22Etm9gyMDFzetGwWktKodcpXUVW4Op 1HEZImKTEXi4SyUbU&lang=en-US%20%20 , Zugriff 30.11.2020
• StopCoV.ge (o.D.): Prevention of Coronavirus Spread in Georgia, https://stopcov.ge/en/, Zugriff 30.11.2020
• USEMB - U.S. Embassy in Georgia (30.11.2020a): COVID-19 Information for Georgia (November 30), https://ge.usembassy.gov/covid-19-information-on-georgia/, Zugriff 30.11.2020
• USEMB - U.S. Embassy in Georgia (30.11.2020b): Measures to control the spread of COVID-19 in Georgia, https://ge.usembassy.gov/u-s-citizen-services/measures-to-control-the-spread-of-covi d-19-in-georgia/, Zugriff 30.11.2020
• VIE - Flughafen Wien-Schwechat / Vienna International Airport (30.11.2020): Routes - Vienna International Airport (VIE), http://tracker.flightview.com/customersetup/viennaairport/routemapper/ , Zugriff 30.11.2020
WOM - Worldometer (30.11.2020): Coronavirus - Georgia, https://www.worldometers.info/corona virus/country/georgia/, Zugriff 30.11.2020
Politische Lage
Letzte Änderung: 01.12.2020
In Georgien finden regelmäßig kompetitive Wahlen statt. Nachdem der Demokratisierungsprozess in den Jahren 2012-13 an Dynamik gewonnen hatte, kam es in den letzten Jahren zu einer Stagnation der Fortschritte. Oligarchen haben übergroßen Einfluss auf Politik und politische Entscheidungen und die Rechtsstaatlichkeit wird nach wie vor durch politische Interessen behindert. Das politische Leben in Georgien ist lebendig. Neue politische Parteien können in der Regel ohne Behinderungen gegründet werden und zu den Wahlen antreten. Allerdings war die politische Landschaft von der Dominanz abwechselnd einer Partei geprägt, was die Entwicklung und Stabilität konkurrierender Gruppen gehemmt hat (FH 10.3.2020).
Georgien hat eine doppelte Exekutive, wobei der Premierminister als Regierungschef und der Präsident als Staatsoberhaupt fungiert. Der Präsident wurde bis 2018 durch Direktwahl für maximal zwei Amtszeiten von je fünf Jahren gewählt. Aufgrund einer Verfassungsänderung wird der Präsident in Zukunft indirekt für sechs Jahre von einem Gremium, bestehend aus nationalen, regionalen und lokalen Gesetzgebern, gewählt werden. Der Präsident ernennt formal den Premierminister, der vom Parlament nominiert wird (FH 10.3.2020).
Die ehemalige Außenministerin Salome Zurabishvili wurde am 28.11.2018 zur Präsidentin des Landes gewählt. Offiziell als unabhängige Kandidatin, jedoch unterstützt von der Regierungspartei „Georgischer Traum", setzte sie sich in der Stichwahl mit fast 60% gegen ihren Konkurrenten Grigol Vashadze durch, welcher insbesondere von der oppositionellen Vereinigten Nationalen Bewegung von Ex-Präsident Saakashvili unterstützt wurde (FAZ 29.11.2018; vgl. CW 29.11.2018). Die OSZE beurteilte den Wahlgang als kompetitiv und gut administriert, wobei der Wahlkampf von einer scharfen Rhetorik und Demonstrationen begleitet war. Hauptkritikpunkte waren allerdings die einseitige Verwendung staatlicher Verwaltungsressourcen sowie die Berichterstattung des öffentlichen Rundfunks zugunsten von Zurabishvili (OSCE/ODIHR 29.11.2018). Am 1.12.2018 demonstrierten rund 25.000 Menschen in Tiflis und warfen der von der Regierungspartei unterstützten neuen Präsidentin Zurabishvili Wahlbetrug vor und forderten vorgezogene Parlamentswahlen (Standard 2.12.2018).
Das Parlament Georgiens hat 150 Sitze, wovon 120 über Parteienlisten und 30 über Direktmandate in Wahlkreisen vergeben werden. Bei den Wahlen 2016 wurden noch 72 Direktmandate vergeben (KP 26.11.2020). Die Änderungen zu einem reinen Verhältniswahlrecht wurden vom Parlament für die nächsten, planmäßig 2024 stattfindenden Wahlen, beschlossen (KP 23.11.2019; vgl. RFE/RL 28.11.2019).
Die Wahlhürde für die Verhältniswahl ist auf 1% der Stimmen festgelegt. Es besteht ein Begrenzungsmechanismus, der vorsieht, dass keine einzelne Partei, die weniger als 40% der abgegebenen Stimmen erhält, die Mehrheit der Sitze im Parlament erhalten darf. Im Falle einer vorgezogenen Neuwahl zwischen 2020 und 2024 wird diese nach demselben Wahlsystem wie im Jahr 2020 durchgeführt. Alle nachfolgenden Wahlen werden jedoch auf der Grundlage des vollständig proportionalen Wahlsystems durchgeführt, wie es für die Parlamentswahlen 2024 vorgesehen ist (civil 8.3.2020; vgl. KP 11.4.2020).
Bei den trotz COVID-Panedmie am 31.10.2020 durchgeführten Parlamentswahlen erzielte die bisherige Regierungspartei Georgischer Traum 48% der Stimmen und mit 91 Sitzen erneut eine satte Mehrheit von 60% der Mandate (KP 26.11.2020; vgl. EN 2.11.2020). Das größte Oppositionsbündnis, die Vereinigte Nationale Bewegung, erhielt 26,9% der Stimmen zugeschrieben (EN 2.11.2020). Insgesamt haben neun Parteien den Sprung ins Parlament geschafft (KP
26.11.2020) ; vgl. Jam 26.11.2020.
Die unterlegene Opposition prangerte erhebliche Wahlmanipulationen an und mobilisierte ihre Anhänger auf der Straße. Die Sicherheitskräfte setzten Schlagstöcke und Wasserwerfer ein (KP 26.11.2020; vgl. EN 2.11.2020). Gemäß OSZE waren die Parlamentswahlen kompetitiv und insgesamt wurden die Grundfreiheiten respektiert. Dennoch haben weit verbreitete Vorwürfe von der Ausübung von Druck auf die Wähler und der unklaren Abgrenzung zwischen der Regierungspartei und dem Staat das Vertrauen der Öffentlichkeit in einige Aspekte des Wahlvorganges unterminiert. Der grundlegend überarbeitete Rechtsrahmen bot eine solide Grundlage für die Abhaltung demokratischer Wahlen und die technischen Aspekte der Wahlen wurden trotz der Herausforderungen durch die COVID-19-Pandemie effizient gehandhabt. Jedoch hat sich die Dominanz der Regierungspartei in den Wahlkommissionen negativ auf die Wahrnehmung ihrer Unparteilichkeit und Unabhängigkeit ausgewirkt, insbesondere auf den unteren Ebenen (OSCE/ODIHR 1.11.2020).
In Folge rief die Opposition zum Boykott der Stichwahl am 21.11.2020 in 17 Direktwahlkreisen auf, wodurch sich alle Kandidaten des Georgischen Traums sich bei einer Wahlbeteiligung von 26% durchsetzen konnten (KP 26.11.2020); vgl. Eurasianet 27.11.2020). Die Oppositionsparteien planen aus Protest, ihre Parlamentssitze nicht zu besetzen (KP 26.11.2020; vgl. Eurasianet 27.11.2020, Jam 26.11.2020).
Laut Gesetz muss die Zentrale Wahlkommission bis spätestens 19. Dezember 2020 das endgültige Wahlergebnisse bekannt geben und das neue Parlament muss spätestens zehn Tage nach der offiziellen Bekanntgabe der Wahlergebnisse zusammentreten. Die 90 Abgeordneten der Regierungspartei sind ausreichend, damit das Parlament seine Arbeit aufnehmen kann - um Gesetze zu verabschieden, die Abgeordneten auf die Parlamentsausschüsse zu verteilen und eine Regierung zu ernennen. Das Parlament wird jedoch nicht in der Lage sein, die Verfassung zu ändern oder die Präsidentin abzusetzen (Jam 26.11.2020).
Stand Ende November 2020 ist es weder durch die Intervention von US-Botschafter Kelly Degnan noch durch andere internationale Moderatoren gelungen, die politische Krise in Georgien zu lösen und die Opposition davon zu überzeugen, den Parlamentsboykott aufzugeben. Im Extremfall könnte die politische Krise nur durch vorgezogene Neuwahlen im Frühling 2021 gelöst werden (Jam 26.11.2020).
Quellen:
• civil.ge (8.3.2020): Georgian Dream, Opposition Reach Consensus over Electoral Reform, https: //civil.ge/archives/341385 , Zugriff 9.3.2020
• CW - Caucasus Watch (29.11.2018): Surabischwili gewinnt Wahl: Georgien bekommt erstmals eine Präsidentin, http://caucasuswatch.de/news/1190.html, Zugriff 12.8.2019
• DW - Deutsche Welle (24.6.2019): Proteste in Tiflis trotz Zugeständnissen, https://www.dw.com/d e/proteste-in-tiflis-trotz-zugest%C3%A4ndnissen/a-49339505 , Zugriff 13.8.2019
• EN - Euronews (2.11.2020): Georgia’s ruling party wins parliamentary vote, opposition calls for protests, https://www.euronews.com/2020/10/31/georgia-s-ruling-party-claims-victory-in-parliam entary-vote , Zugriff 30.11.2020
• Eurasianet (27.11.2020): Georgian politics still deadlocked after runoff polls, https://eurasianet.org /georgian-politics-still-deadlocked-after-runoff-polls , Zugriff 30.11.2020
• FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (29.11.2018): Georgien bekommt eine Präsidentin, https: //www.faz.net/aktuell/salome-surabischwili-wird-neue-praesidentin-in-georgien-15915289.html , Zugriff 12.8.2019
• FH - Freedom House (10.3.2020): Freedom in the World 2020 - Georgia, https://freedomhouse.o rg/country/georgia/freedom-world/2020 , Zugriff 11.3.2020
• Jam News (26.11.2020): Georgia: can a single-party parliament function?, https://jam-news.net/g eorgia-can-a-single-party-parliament-work-function/, Zugriff 30.11.2020
• KP - Kaukasische Post (11.4.2020): Neues Wahlrecht mit Virus infiziert?, in: Kaukasische Post Ausgabe März 2020, Seiten 1,2.
• KP - Kaukasische Post (23.11.2019): Vorhängeschlösser und Wasserwerfer ersetzen den politischen Diskurs, http://www.kaukasische-post.com/?p=3078 , Zugriff 17.1.2020
• KP - Kaukasische Post (26.11.2020): Alle Wahlen wieder, in: Kaukasische Post Ausgabe Oktober/November 2020. Seiten 1,2.
• OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights, European Parliament, OSCE Parliamentary Assembly, Parliamentary Assembly of the Council of Europe (1.11.2020): International Election Observation Mission Georgia - Parliamentary Elections, 31 October 2020 - Statement of Preliminary Findings and Conclusions, https://www.osce.org/files/f/documents/a/d/469005.pdf, Zugriff 30.11.2020
• OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights, European Parliament, OSCE Parliamentary Assembly, Parliamentary Assembly of the Council of Europe (29.11.2018): International Election Observation Mission, Georgia- Presidential Election, Second Round, 28 November 2018 - Statement of Preliminary Findings and Conclusions, Preliminary Conclusions, https://www.osce.org/odihr/elections/georgia/40464 2?download=true , Zugriff 12.8.2019
• RFE/RL- Radion Free Europe/Radion Liberty (28.11.2019): Georgian Police Cordon Off Parliament Building To Prevent Opposition Rally, https://www.rferl.org/a/georgian-police-cordon-off-parliamen t-building-to-prevent-opposition-rally/30297334.html , Zugriff 2.12.2019
• Standard, der (2.12.2018): 25.000 Georgier wegen angeblichen Wahlbetrugs auf den Straßen - derstandard.at/2000092965067/25-000-Georgier-wegen-angeblichen-Wahlbetrugs-auf-den- Strassen,
https://derstandard.at/2000092965067/25-000-Georgier-wegen-angeblichen-Wahlbetrugs-auf-d en-Strassen?ref=rec , Zugriff 12.8.2019
Sicherheitslage
Letzte Änderung: 02.09.2020
Die Lage kann in den meisten Landesteilen als stabil bezeichnet werden. Die Konflikte um die beiden separatistischen georgischen Regionen Abchasien und Südossetien sind indes ungelöst und verursachen Spannungen. (EDA 23.3.202013.8.2019; vgl. BMEIA 13.5.2020). Die Kriminalität ist gering (MSZ 25.5.2020; vgl. EDA 23.3.2020).
Die EU unterstützt durch die Arbeit des EU-Sonderbeauftragten für den Südkaukasus und die EU- Beobachtermission (EUMM) aktiv die Bemühungen um Konfliktlösung. 2009 wurde der Incident Prevention and Response Mechanism (IPRM) geschaffen, der Risiko- und Sicherheitsfragen der