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L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauO NÖ 1976 §56 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des F in S, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 10. September 1993, Zl. R/1-V-93031/OO, betreffend Kanalanschlußverpflichtung (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde S, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde beraumte für den 11. September 1992 eine Verhandlung an Ort und Stelle an, um zu ermitteln ob für die Liegenschaft des Beschwerdeführers in L, Parzelle Nr. 164/1, gemäß § 56 Abs. 2 NÖ Bauordnung (LGBl. 8200-6; im folgenden: BO) die Anschlußpflicht an den öffentlichen Kanal bestehe.
Bei dieser Verhandlung brachte der Beschwerdeführer vor, die Länge des Anschlusses würde 120 m betragen und auf einer Länge von 80 m in einer Tiefe von 4,5 m bis 5,5 m zu liegen kommen. Laut Kostenvoranschlag einer Firma F.B. würde dies ohne Extrakosten rund S 430.000,-- ausmachen. Ein Pumpbetrieb wäre auf jedenfall billiger und es sei nicht einzusehen, wieso verlangt werden könne, daß ein teureres Verfahren zur Abwasserbeseitigung als unbedingt notwendig ausgeführt werden müsse, nur damit der Beschwerdeführer anschlußpflichtig werde. Die Bauordnung werde insofern unrichtig ausgelegt, als sie auf die Größe seiner Parzelle überhaupt nicht eingehe. Laut dem seinem Kostenvoranschlag beigelegten Längsschnitt betrage das Gefälle 1,38 %; ein Gefälle von 2 %, wie ihm von der anbietenden Firma empfohlen worden sei, sei aufgrund der Lage des Hauptanschlußkanales nicht mehr möglich. Er befürchte auch einen Rückstau in sein Haus bei Ausfall der Pumpe im Hebewerk, da seine Liegenschaft unmittelbar neben dem Hebewerk situiert sei, sodaß die ganzen Abwässer aus dem Einzugsgebiet bei einer Störung ins Haus gelangen könnten. Aufwendungen von über 500.000,-- Schilling nur für die Errichtung ohne Folgekosten seien für eine Einzelperson sicher nicht zumutbar. Seine Landwirtschaft habe genügend Grundflächen, um die Abwässer "im kleinen Kreislauf" ordnungsgemäß zu entsorgen. Die Aussage des Bausachverständigen, der Kanalanschluß sei praktisch und technisch durchführbar, werde von ihm angezweifelt, weil keine Pläne vorgelegt und keine Nivellierungen vorgenommen worden seien und auch der zuständige Projektant R. bei der Begehung nicht anwesend gewesen sei.
Mit Bescheid vom 29. September 1992 trug der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde gemäß § 17 des NÖ Kanalgesetzes 1977 und § 56 BO dem Beschwerdeführer für das Grundstück Nr. 164/1, KG L, den Anschluß an den in der Straße neu gelegten Schmutzwasserkanal auf. Die Anschlußleitung sei nicht länger als 50 m und die Ableitung des Schmutzwassers in den öffentlichen Kanal sei ohne Pumpvorgang möglich, weshalb Anschlußzwang gegeben sei.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Es sei nicht festgestellt worden, wie weit das Gebäude des Beschwerdeführers vom Kanal entfernt sei und ob die Abwässer überhaupt im freien Gefälle in den Straßenkanal abflössen. Das Haus des Beschwerdeführers stehe auf dem Grundstück Nr. 1/1, KG L, welches ein Ausmaß von 688 m2 aufweise. Dieses Grundstück werde vom landwirtschaftlich genützten Grundstück Nr. 164/1, welches 17.356 m2 groß sei, umgeben. Der Kanalanschluß für die verfahrensgegenständliche Grundfläche liege unmittelbar vor dem großen Pumpwerk in L. Um bei einem eventuellen Defekt einen Rückstau der Abwässer ins Haus mit Sicherheit hintanzuhalten, habe der Beschwerdeführer nur die Möglichkeit, die im Haus anfallenden Abwässer ebenfalls abzupumpen, weil ein durch nicht funktionierende Rückstauklappen hervorgerufener Rückstau ins Haus schwerwiegende Folgen hätte.
Der Berufung schloß er den Kostenvoranschlag der Firma F.B., lautend auf geschätzte S 430.608,--, an; darin wird allerdings auf eine Abrechung nach tatsächlichem Ausmaß nach Durchführung der Arbeiten verwiesen. Dem Kostenvoranschlag liegt ein Längenschnittplan bei, aus dem sich ergibt, daß der Kanal vom bestehenden Schacht (beim Haus des Beschwerdeführers) bis zur Grundgrenze eine Länge von 118 m in Anspruch nehmen müßte, wobei hinsichtlich der letzten 59 m zur Grundgrenze ein Abstich von 5,31 m erforderlich wäre. Der Längenschnitt weist ein "Ist-Gefälle" von 1,38 % aus. Aufgrund des gewählten Maßstabes läßt sich aus diesem Plan entnehmen, daß der Hauptkanal auf der Straße von der Grundgrenze rund 10 m entfernt ist.
Mit Bescheid vom 7. Dezember 1992 gab der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde dieser Berufung keine Folge. Es stehe fest, daß die Anschlußleitung weniger als 10 m lang sei; selbst dann, wenn demnach ein Pumpvorgang zur Ableitung der Abwässer in den öffentlichen Kanal erforderlich wäre, lägen die Voraussetzungen zur Anschlußbefreiung gemäß § 56 BO nicht vor.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der dagegen erhobenen Vorstellung keine Folge. Der Beschwerdeführer habe den vom Gesetz ihm eingeräumten Ausnahmetatbestand, daß sein Kanalanschluß nur mittels Pumpvorgang möglich wäre, nicht geltend gemacht, sondern lediglich die hohen Kosten eines Kanalanschlusses ohne Pumpvorgang ins Treffen geführt. Aus dem von ihm beigelegten Kostenvoranschlag der Firma F.B. gehe hervor, daß ein Kanalanschluß im freien Gefälle prinzipiell möglich sei. Die vom ihm geltend gemachten Kosten könnten lediglich dazu führen, daß die im § 17 Abs. 3 NÖ Kanalgesetz genannten Fristen über Antrag verlängert würden; weitere Ausnahmen von der Kanalanschlußpflicht seien vom Gesetz her nicht vorgesehen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, ursprünglich an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde. Der Verfassungsgerichtshof lehnte - nach Durchführung eines Vorverfahrens - die Behandlung dieser Beschwerde mit Beschluß vom 1. März 1994 ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Behandlung ab. In diesem Beschluß führte er u.a. aus:
"Soweit die Beschwerde insofern verfassungsrechtliche Fragen berührt, als die Verfassungswidrigkeit von § 56 Abs. 2 NÖ BauO 1976, LBGl. 8200-10, behauptet wird, läßt das Beschwerdevorbringen vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Zulässigkeit einer Durchschnittsbetrachtung (zB VfSlg. 3595/1959, 5318/1966, 8457/1978 sowie insb. VfSlg. 10357/1985, wonach keine Verpflichtung des Gesetzgebers besteht, jeder örtlichen Gegebenheit Rechnung zu tragen), selbst wenn dabei Härtefälle entstehen (zB VfSlg. 3568/1959, 9908/1983, 10276/1984), die behauptete Rechtsverletzung wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als so wenig wahrscheinlich erkennen, daß die Beschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat."
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Abs. 1 und 2 des § 56 BO lauten:
"§ 56
Abwässerbeseitigung
(1) Für jedes Gebäude ist Vorsorge zur Beseitigung der Abwässer (Niederschlags- und Schmutzwässer) zu treffen.
(2) In Gemeinden mit öffentlichen Kanälen zur Beseitigung der Abwässer sind die Abwässer unter Einhaltung der geltenden Rechtsvorschriften durch flüssigkeitsdichte, entsprechend bemessene und in frostfreier Tiefe verlegte Rohrleitungen in diese Kanäle abzuleiten, wenn jeweils
1.
die Anschlußleitung (§ 17 Abs. 2 des NÖ Kanalgesetzes 1977, LGBl. 8230-2) nicht länger als 50 m und
2.
die Ableitung in den öffentlichen Kanal ohne Pumpvorgang möglich ist.
Fehlen solche öffentlichen Kanäle, sind die Abwässer in Senkgruben zu leiten oder gemäß anderen gesetzlichen Vorschriften in unschädlicher Weise zu beseitigen. Die Jauche aus Stallgebäuden ist durch flüssigkeitsdichte Rohre in Jauchegruben zu leiten."
Die Abs. 1 bis 3 des § 17 des NÖ Kanalgesetzes 1977, LGBl. 8230-0 in der Fassung des Landesgesetzes LGBl. 8230-2 (im folgenden: KanalG), lautet:
"§ 17
Hauskanäle, Anschlußleitungen
(1) Die Eigentümer von Liegenschaften oder Bauwerken oder Bauwerber, die zum Anschluß an die öffentliche Kanalanlage verpflichtet sind, haben Gebäude gemäß § 3 Abs. 2 erster Satz mit der öffentlichen Kanalanlage in Verbindung zu bringen. Der Hauskanal mitsamt dem Anschluß an die Anschlußleitung (Absatz 2) ist auf Kosten des Liegenschaftseigentümers (Bauwerbers) nach den näheren Bestimmungen der NÖ Bauordnung und den Anordnungen in der baubehördlichen Bewilligung und innerhalb der in demselben vorgeschriebenen Frist herzustellen. Die Liegenschaftseigentümer der im Zeitpunkt des Eintrittes der Anschlußverpflichtung bereits bestehenden Gebäude sind verpflichtet, die Aborte und sonstigen Abwasseranlagen einschließlich der Regenwasserableitungen auf ihre Kosten nötigenfalls derart umzubauen, daß ein Anschluß an die Hausentwässerungsanlage (Hauskanal) möglich ist. Bei Neubauten ist im vorhinein auf die Anschlußmöglichkeit Bedacht zu nehmen.
(2) Der Hauskanal umfaßt die Hausleitung bis zur Grenze der anschlußpflichtigen Liegenschaft, im Falle des § 18 Abs. 1 jedoch bis zur Einmündung in den öffentlichen Grund. Die Anschlußleitung umfaßt das Verbindungsstück zwischen dem Hauskanal und dem Straßenrohrstrang.
(3) Bei Neulegung eines Hauptkanales der Gemeinde hat der Bürgermeister (Magistrat) den Liegenschaftseigentümern, für die dadurch eine Anschlußpflicht eintritt, rechtzeitig durch Bescheid den Anschluß aufzutragen. Die Liegenschaftseigentümer sind nach Rechtskraft des Bescheides verpflichtet, binnen 4 Wochen um die baubehördliche Bewilligung anzusuchen und unverweilt für den rechtzeitigen Anschluß der Hauskanäle Vorsorge zu treffen. Mit der Bauführung muß spätestens zwei Wochen nach Zustellung der baubehördlichen Bewilligung begonnen und diese längstens drei Monate nach Baubeginn beendet sein. Diese Fristen können in Einzelfällen vom Bürgermeister (Magistrat) auf begründetes schriftliches Ansuchen verlängert werden."
Eine der Voraussetzungen des Anschlußzwanges, wenn eine öffentliche Kanalanlage besteht, ist, daß die Anschlußleitung nicht länger als 50 m ist. Diese Anschlußleitung endet beim Straßenrohrstrang; sie beginnt gemäß § 17 Abs. 2 KanalG "an der Grenze der anschlußpflichtigen Liegenschaft". Versteht man den Begriff Liegenschaft, so wie in der Grundbuchspraxis, als Grundbuchskörper, d.h. daß darunter auch mehrere Grundstücke zu verstehen sind, die denselben Eigentümer haben (wie hier das Gebäude-Grundstück 1/1 und das landwirtschaftlich genützte Grundstück 164/1), so würde dies bedeuten, daß die Anschlußleitung erst an der Grenze all dieser Grundstücke zum Straßengrund beginnt; dieses Ergebnis steht vordergründig auch im Einklang mit dem Verweis auf die Überwindung fremder Grundstücke im § 17 Abs. 2 KanalG: Kommt eine solche Beanspruchung gemäß § 18 Abs. 1 KanalG in Betracht, dann beginnt die Anschlußleitung - auch - bei der Einmündung in den öffentlichen Grund, also in die Straße mit dem Kanalstrang.
Eine solche Betrachtung läßt aber zunächst die Frage offen, warum der Gesetzgeber überhaupt den Beginn der Anschlußleitung unterschiedlich definiert hat: Ist kein Fremdgrund zu überwinden, beginnt sie "an der Grenze der anschlußpflichtigen Liegenschaft", also an der Grenze zum Straßengrund; ist Fremdgrund zu überwinden, beginnt sie an der Grenze zum öffentlichen Grund. Da gemäß § 18 Abs. 1 KanalG Fremdgrund
unter den dortigen Voraussetzungen grundsätzlich überwunden werden kann, hätte es eigentlich genügt, Anschlußleitungen immer an der Einmündung in den öffentlichen Grund beginnen zu lassen.
Daraus folgt aber, daß mit der Errichtung eines Kanales sämtliche (höherliegende, sodaß kein Pumpvorgang erforderlich ist) Grundstücke in der Gemeinde anschlußpflichtig werden und zwar unabhängig davon, wie weit sie von der Kanal-Straße getrennt sind und ob es zwischen ihrem Gebäude-Grundstück und der Kanal-Straße eine Vielzahl von Eigentümern gibt.
Dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. November 1979, Slg. Nr. 9980/A, lag, wie sich aus der dortigen Wiedergabe des Beschwerde- und Bescheidinhaltes ergibt, ein gut vergleichbarer Sachverhalt zugrunde:
"Der Kanal liege auf der gemeindeeigenen Parzelle B/2, an die ummittelbar die Parzellen C/7 und D/3 anschlössen. Es handle sich bei diesen beiden Parzellen um rechteckige Liegenschaften, deren Längenerstreckung ca. 130 m betrage. Diese beiden Parzellen seien jedoch nicht bebaut. Auf diesen Parzellen befänden sich sohin keine konsenspflichtigen Bauwerke, die eine Anschlußpflicht begründen könnten. Erst nördlich dieser unbebauten Liegenschaften schlössen weitere Liegenschaften der Beschwerdeführer an, und zwar zunächst das Grundstück E (Wohnhaus). Diese Liegenschaft, auf der sich ein baubewilligungspflichtiges Bauwerk, nämlich ein Wohnhaus befände, sei sohin vom Mischwasserkanal der Gemeinde mehr als 130 m entfernt. Für die Liegenschaft der Parzelle E sei daher keine Anschlußpflicht gegeben.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Vorstellung der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen. Als Anschlußleitung sei nur das Verbindungsstück zwischen dem Mischwasserhauptkanal und der Grenze der Liegenschaft der Beschwerdeführer zu werten. Daß die Anschlußleitung nicht länger als 50 m sei, sei den Ausführungen der Beschwerdeführer zu entnehmen, wonach der neuverlegte Mischwasserhauptkanal unmittelbar an der Grenze zweier zu ihrer Liegenschaft gehörigen Grundstücke verlaufe."
Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Erkenntnis eine Beschränkung des nahezu unbegrenzten Kreises der zum Anschluß Verpflichteten,- wenn man den obigen Erwägungen zum § 17 Abs. 2 folgt - wie folgt begründet:
Anhand verschiedener Beispiele wurde zunächst dargelegt, daß der Begriff "Liegenschaft" in der österreichischen Rechtsordnung sowohl im Sinne von "Grundbuchskörper" als auch für "Grundstücke" verwendet wird; der Wortlaut des § 14 Abs. 1 der früheren Fassung des Kanalgesetzes (LGBl. Nr. 6/1954) legte die Auslegung nahe, daß der NÖ Landesgesetzgeber dem Wort Liegenschaft keine andere Bedeutung als dem Wort Grundstück beimaß. Unter Hinweis auf das Erkenntnis Slg. 10046(A)/1914 wurde ausgeführt, eine Kanalanschlußverpflichtung sei sinnvoll hinsichtlich jener Grundflächen, die durch die Verkehrsflächen AUFGESCHLOSSEN werden, in denen der Kanal verlegt wurde. Nach dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung komme es auf die Aufschließung der Grundflächen an, weshalb nach einer am Sinn und Zweck der Regelung orientierten Auslegung die Ansicht der Aufsichtsbehörde (welche dazwischenliegende unbebaute Grundstücke im Sinne des § 17 Abs. 2 KanalG unberücksichtigt ließ) als rechtsirrig qualifiziert wurde.
Auch im vorliegenden Fall ist das Gebäude-Grundstück 1/1 vom Straßen-Grundstück durch eine weitere Parzelle (164/1) getrennt, weshalb unter Bedachtnahme auf die überzeugenden Darlegungen im Vorerkenntnis, daß es ja auf die Aufschließung ankommen soll, ein Anschlußzwang dann nicht gegeben ist, wenn die Hausleitung an der Grundstücksgrenze der Parzelle 1/1 endet und somit die Anschlußleitung auch die viel größere Parzelle 164/1 überwinden muß.
Der Verwaltungsgerichtshof verkennt nicht, daß damit ein scheinbarer Wertungswiderspruch, der sich aus dem Verweis im § 17 Abs. 2 KanalG auf die Überwindung von Fremdgrundstücken (§ 18 Abs. 1 KanalG) ergibt, nicht gelöst ist: Schon kraft Größenschlusses kann es nicht sein, daß das dazwischen liegende eigene Grundstück die Anschlußpflicht nicht, das dazwischen liegende fremde Grundstück die Anschlußpflicht aber sehr wohl auslöst.
Ausgehend vom dargelegten Sinn und Zweck der Anschlußpflicht läßt sich § 17 Abs. 2 Kanalgesetz diesbezüglich teleologisch dahingehend reduzieren, daß die dortige Definition der Schnittstelle zwischen Hausleitung und Anschlußleitung nur insoweit Gültigkeit hat, als diese Begriffe an andere Stelle (als § 56 Abs. 2 BO) vorkommen. Wird etwa - durchaus freiwillig, also ohne daß es einer bescheidmäßigen Verpflichtung gemäß § 17 Abs. 3 KanalG bedürfte - ein Kanalanschluß durch einen Bauwerber unter Inanspruchnahme fremder Grundstücke bewirkt, so wird insbesondere die Kostentragungsregelung des § 17 Abs. 1 KanalG heranzuziehen sein und der Bauwerber selbstverständlich die Kosten bis zur Einmündung in den öffentlichen Grund tragen müssen. Die Definition im § 17 Abs. 2 Kanalgesetz ist weiters für die Abgrenzung der Rechtsbeziehungen, die sich aus den Absätzen 4 und 5 des § 17 KanalG ergeben, hilfreich.
Hauer hat schon in der ersten Auflage seiner "Bauordnung für Niederösterreich" (Eisenstadt 1981) in der Anmerkung 2 zu § 56 BO (LGBl. 8200-1) aufgezeigt, daß die Anschlußverpflichtung unklar und unbefriedigend gelöst sei, wobei er ausdrücklich auf das zitierte hg. Erkenntnis Slg. Nr. 9980/A verwies. Die neue Fassung im nunmehrigen Abs. 2 des § 56 BO hat keine Klärung herbeigeführt, zumal § 17 Abs. 2 KanalG durch die KanalG-Novelle LBGl. 8230-2, die Anlaß der Änderung des § 56 BO war, nichts geändert hat. Es besteht daher für den Verwaltungsgerichtshof kein Anlaß, von den im Erkenntnis Slg. Nr. 9980/A wiedergegebenen Grundsätzen abzugehen.
Im vorliegenden Fall ist daher zu klären, ob die Grenze des Gebäude-Grundstückes 1/1 weiter als 50 m vom Straßenrohrstrang entfernt ist. Da die belangte Behörde die diesbezüglichen Feststellungsmängel der Baubehörden nicht wahrgenommen hat, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Zur vorgetragenn Verfahrensrüge im Hinblick auf die weitere Voraussetzung des § 56 Abs. 2 Z. 2 BO sei nur darauf hingewiesen, daß der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren die Behauptung aufgestellt hat, das durch den Kostenvoranschlag ausgewiesene Projekt lasse nur ein Gefälle von 1,39 % zu, während ein Gefälle von 2 % erforderlich wäre. Diesbezüglich wurden keinerlei Tatsachenfeststellungen getroffen.
Der angefochtene Bescheid war somit wegen der aufgezeigten Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr.416/1994; in den Pauschalsätzen ist die Abgeltung für Umsatzsteuer bereits enthalten und waren die Barauslagen nur im tatsächlich erforderlichen Umfang zu ersetzen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1994050098.X00Im RIS seit
11.07.2001