Entscheidungsdatum
29.06.2021Norm
AsylG 2005 §55Spruch
L518 1425626-3/40E
L518 1431603-3/17E
L518 2153397-1/17E
GEKÜRZTE AUSFERTIGUNG DES AM 21.06.2021 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dr. STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerden von XXXX , geb. XXXX , StA. ASERBAIDSCHAN, die minderjährigen Beschwerdeführer XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX , alle StA. ASERBAIDSCHAN alias Russischen Föderation, vertreten durch XXXX , alle vertreten durch RAe HOFBAUER & WAGNER KG, gegen die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, vom 01.04.2017, Zl. XXXX , Zl. XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.06.2021, zu Recht:
A)
Insoweit wider den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde, wird den Beschwerden Folge gegeben, die Bescheide behoben und festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist und dem BF aus Gründen des Art. 8 EMRK gem. § 55 Asylgesetz 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" erteilt.
Im Übrigen wird der nachfolgende Spruchpunkt ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Der maßgebliche Sachverhalt steht aufgrund des Ergebnisses der Beschwerdeverhandlung fest und deckt sich im Wesentlichen mit den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid.
Zu A)
Insoweit im Rahmen der öffentlich mündlichen Beschwerdeverhandlung die Beschwerden zu den Spruchpunkten I. und II. zurückgezogen wurden, war festzustellen, dass die Bescheide insoweit in Rechtskraft erwuchsen.
Da im Hinblick auf die oben dargelegten Abwägungen zum Entscheidungszeitpunkt das Interesse des BF an der Aufrechterhaltung des Privat- und/oder Familienlebens in Österreich im konkreten Fall die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen überwiegt und die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen nicht nur vorübergehenden Eingriff in das Recht auf Privat- und/oder Familienleben darstellen würde, war der Beschwerde diesbezüglich stattzugeben und gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.
Da die beschwerdeführende Partei Nachweise über die Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 5 IntG nicht vorgelegt hat (Teilnahme an einem Werte- und Orientierungskurs, allgemein anerkannter Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse zumindest auf dem A2-Sprachniveau), war der beschwerdeführenden Partei daher gleichzeitig der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung“ gemäß § 55 AsylG für die Dauer von 12 Monaten zu erteilen.
Es liegen sohin die Voraussetzungen des § 55 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018 in Verbindung mit § 9 Abs. 4 IntG, in der Fassung BGBl. I Nr. 86/2017, in Verbindung mit § 11 Abs. 2 IntG nicht vor, und ist dem BF somit gemäß § 55 Abs. 1 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.
Dem vom BehV vorgebrachten Beweisantrag war nicht zu entsprechen, zumal es sich um einen Erkundungsbeweis handelt.
Ein tauglicher Beweisantrag liegt nach der Rsp des VwGH nur dann vor, wenn darin sowohl das Beweisthema wie auch das Beweismittel genannt sind und wenn das Beweisthema sachverhaltserhelbich ist (VwGH 24.01.1996, 94/13/0125); Thienel Verwaltungsverfahrensrecht, 3. Auflage, S 174)
Aus sachlicher Sicht setzt ein Beweisantrag voraus, dass er „prozessual ordnungsgemäß“ gestellt wird, denn nur dann ist er als solcher beachtlich. Entscheidend für einen Beweisantrag ist vor allem die Angabe des Beweismittels und des Beweisthema, also der Punkt und Tatsachen, die durch das angegebene Beweismittel geklärt werden sollen. Erheblich ist ein Beweisantrag jedoch in der Folge nur dann, wenn Beweisthema eine Tatsachen ist, deren Klärung, wenn diese schon nicht selbst erheblich (sachverhaltserheblich) ist, zumindest mittelbar beitragen kann Klarheit über eine erhebliche (sachverhaltserhebliche) Tatsache zu gewinnen (Hinweis, Stoll, BAO-Handbuch, 1891). Beweise bei einem nur unbestimmten Vorbringen müssen nicht aufgenommen werden (Hinweis E 20.1.1988, 87/13/0022, 0023).
Erkundungsbeweise sind Beweise, die nicht konkrete Behauptungen sondern lediglich unbestimmte Vermutungen zum Gegenstand haben. Sie dienen also nicht dazu, ein konkretes Vorbringen der Partei zu untermauern, sondern sollen es erst ermöglichen, dieses zu erstatten. Nach der Rsp des Verwaltungsgerichtshofes sind Erkundungsbeweise im Verwaltungsverfahren unzulässig. Daher ist die Behörde einerseits nicht gem. §§ 37 iVm 39 Abs 2 AVG zur Durchführung eines solchen Beweises (zur Entsprechung eines dahingehenden Antrages) verpflichtet, sodass deren Unterlassung keinen Verfahrensmangel bedeutet. (Hengstschläger – Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Manz Kommentar, Rz 16 zu § 46 mwN).
Die P1 und der RV brachten glaubwürdig vor, dass die P1 mit dem in Österreich zum Aufenthalt berechtigten türkischstämmigen Opak Atakan verheiratet ist. Wenn der BehV nunmehr an der Legitimation der Ehe zweifelt, so war festzustellen, dass hierbei ein konkretes Vorbringen nicht vorliegt, sondern vielmehr eine unbestimmte Vermutung, welche durch keinerlei Bescheinigungsmittel noch sonstigem substantiiertem Vorbringen untermauert wäre.
Zu B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiter ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Gemäß § 29 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, kann das Erkenntnis in gekürzter Form ausgefertigt werden, wenn von den Parteien auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof verzichtet oder nicht binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift gemäß Abs. 2a eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 von mindestens einem der hiezu Berechtigten beantragt wird. Die gekürzte Ausfertigung hat den Spruch sowie einen Hinweis auf den Verzicht oder darauf, dass eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 nicht beantragt wurde, zu enthalten.
Diese gekürzte Ausfertigung des nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 21.6.2021 verkündeten Erkenntnisses ergeht gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG, da auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 VwGVG durch die hierzu Berechtigten verzichtet wurde.
Schlagworte
Aufenthaltsberechtigung Familienverfahren gekürzte Ausfertigung Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässigEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:L518.1431603.3.01Im RIS seit
29.11.2021Zuletzt aktualisiert am
29.11.2021