TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/9 L518 2215153-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.07.2021
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Entscheidungsdatum

09.07.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch


L518 2215153-1/16E

L518 2215154-1/17E

SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 07.06.2021 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerden von XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX , alle StA. ASERBAIDSCHAN, alle vertreten durch BBU GmbH, gegen die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, vom 25.01.2019, Zl. XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.06.2021 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

I.1. Die beschwerdeführenden Parteien (in weiterer Folge gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch kurz als „bP1“ bis „bP2“ bezeichnet), sind Staatsangehörige der Republik Aserbaidschan. Die bP reisten mit einem Touristenvisum, ausgestellt von der Österreichischen Botschaft in Baku am XXXX .2018 in das österreichische Bundesgebiet ein. Nach ihrer Weiterreise nach Schweden stellten sie dort einen Asylantrag. Am 14.01.2019 wurden sie von Schweden nach Österreich rücküberstellt und brachten am selben Tag bei der belangten Behörde (in weiterer Folge „bB“) Anträge auf internationalen Schutz ein.

Die weibliche bP1 ist die Mutter der männlichen bP2.

I.2.1. Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte die bP 1 im Wesentlichen Folgendes vor:

Ich bin von Aserbaidschan geflüchtet, weil ich und meine beiden Kinder von meinem Exmann immer wieder geschlagen wurden. Außerdem konnte ich nicht mit meinem behinderten Kind auf die Straße gehen. Die Leute in Baku haben Steine auf uns geworfen. Als ich schwanger war, wurde ich ebenfalls von meinem Exmann geschlagen. Deswegen ist mein Sohn XXXX , behindert zur Welt gekommen. Als ich mit meinem Sohn in Schweden war wurde ich ebenfalls von meinem Exmann mittels „Facebook“ bedroht.

„Ich habe hiermit alle meine Gründe und die dazugehörenden Ereignisse angegeben, warum ich mit meinem Sohn Aserbaidschan verlassen habe! Ich habe keine weiteren Gründe einer Asylantragstellung.“

Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte die bP 2 im Wesentlichen Folgendes vor:

Ich wurde von meinem Vater in Aserbaidschan mehrmals geschlagen. Außerdem konnte ich mich nicht frei auf der Straße in Aserbaidschan bewegen, weil ich von anderen Leute diskriminiert wurde. Die Leute haben Steine auf mich geworfen. Einmal wurde ich dabei auch verletzt und ich habe seither eine Narbe auf dem Kopf. Aus diesem Grund haben ich zusammen mit meiner Mutter XXXX , Aserbaidschan verlassen.

„Ich habe hiermit alle meine Gründe und die dazugehörenden Ereignisse angegeben, warum ich mit meiner Mutter Aserbaidschan verlassen habe! Ich habe keine weiteren Gründe einer Asylantragstellung.“

Sie hätte Angst vor ihrem Vater, dessen Bruder und den Leuten in Aserbaidschan. Sie hätte keine Medikamente mit und bräuchte Schmerzmittel. Zudem leide sie an Hepatits C.

I.2.2. Vor der belangten Behörde brachte die bP 1 zum Fluchtgrund im Wesentlichen Folgendes vor:

LA:      Steht Ihrerseits etwas gegen eine Einvernahme am heutigen Tag? Sind Sie heute in der Lage sich auf das Geschehen, welches zu Ihrer Ausreise führte, zu konzentrieren, und Angaben dazu zu machen? Fühlen Sie sich psychisch und physisch in der Lage, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten?

VP:      Ich kann keine Hinderungsgründe angeben, an mich gerichtete Fragen nicht vollständig zu beantworten, und kann mich darauf konzentrieren und erinnern. Ich fühle mich wohl.

LA:      Sind Sie gesund? Nehmen Sie Medikamente?

VP:      Ich nehme eine Tablette pro Tag wegen meinem hohen Blutdruck.

LA: Liegen Befangenheitsgründe oder sonstigen Einwände gegen die anwesenden Personen vor?

VP: Nein

LA: Haben Sie im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht und wurden Ihnen diese jeweils rückübersetzt und korrekt protokolliert?

VP:      Ja.

LA: Werden Sie in gegenständlichem Verfahren vertreten? Liegt diesbezüglich eine Vollmacht vor? In welchem Umfang?

VP:      Ich habe keinen Vertreter.

LA:      Wie lautet Ihr Name, Ihr Geburtsdatum und Geburtsort?

VP:      Ich heiße XXXX und bin am XXXX geboren.

LA:      Können Sie Personaldokumente vorlegen?

VP:      Ich habe alles abgegeben.

LA:      Wollen Sie irgendwelche weiteren Dokumente vorlegen?

VP:      Ja. Damals wo wir gewohnt haben gab es keinen Lift. Da mein Sohn behindert ist habe ich eine Beschwerde geschrieben an den für Menschenrechte zuständigen. Die haben gesagt, dass sie das nichts angeht, und ich solle bei einem Gericht klagen.

Anmerkung: VP legt ein Schriftstück des Ombudsmannes vor. Sowie weitere Schriftstücke. Diese werden in Kopie in den Akt aufgenommen.

LA:      Geht es in all den Dokumenten um das Problem mit dem Lift?

VP:      Ja.

Anmerkung: Der Dolmetscher wird angewiesen einen Überblick zu geben, um was es bei dem aktuellsten Schriftstück mit der Jahreszahl 2017 handelt. Dieser meint, dass in diesem steht, dass geraten wird, das Problem vor Gericht zu bringen.

LA:      Sie haben das Problem also nicht vor Gericht gebracht?

VP:      Ja, wenn die nichts machen können, dann hätte ich keine Chance gehabt.

LA:      Zählen Sie bitte Ihre Wohnorte auf, beginnend mit Ihrer Geburt, und von wann bis wann Sie dort gelebt haben.

VP:      Von meiner Geburt bis ich 27 Jahre alt war habe ich in XXXX gelebt. Dann habe ich geheiratet und bin nach Baku gegangen. Die letzte Adresse in Baku war XXXX . Nach der Trennung habe ich dort gewohnt. Davor habe ich an der Adresse XXXX von 1998 bis 2016 mit meinem Ex-Ehemann gelebt.

LA:      Das Problem mit dem Lift hat an welcher Adresse bestanden?

VP:       XXXX .

LA:      Sonst waren Sie nirgendwo aufhältig?

VP:      Ja

LA:      Wo Sie zuletzt wohnhaft waren, handelte es sich dabei um ein Haus oder eine Wohnung?

VP:      Eine Eigentumswohnung meines Vaters, im fünften Stock.

LA:      Mit wem haben Sie dort gewohnt?

VP:      Ich mit meinen beiden Söhnen und meinem Vater. Dieser ist dann verstorben und ich war nur mit meinen beiden Söhnen dort wohnhaft.

LA:      Wer wohnt derzeit in der Wohnung?

VP:      Der zweite Sohn.

LA:      Welche Familienmitglieder haben Sie noch im Heimatland?

VP:      Neben meinem Sohn noch zwei Schwestern.

LA:      Wo wohnen die Schwestern?

VP:      In XXXX (phonetisch), in der Nähe von XXXX .

LA:      Haben Sie Kontakt zur Familie?

VP:      Ja, mit dem Sohn und den Schwestern telefonisch.

LA:      Wie geht es diesen?

VP:      Gut.

LA:      Haben Sie Verwandte in Österreich?

VP:      Nein

LA:      Sind Sie verheiratet? Haben Sie Kinder?

VP:      Ich bin geschieden und habe zwei Kinder.

LA:      Nennen Sie bitte Namen und Geburtsdaten Ihres Ex-Mannes.

VP:       XXXX (Anmerkung: die letzten zwei Worte bedeuten Sohn von XXXX )

LA:      Von wann bis wann waren Sie verheiratet?

VP:      Von 1991 bis 2016

LA:      Warum haben Sie sich scheiden lassen?

VP:      Ich wollte mich schon seit 1994 scheiden lassen, aber es war nicht möglich. Er hat mich schlecht behandelt und oft geschlagen Sie wollten mich als Geisel. Ich habe Angst gehabt. Er hat auch eine Pistole gehabt. Der Bruder meines Ex-Mannes bedroht mich.

LA:      Wo ist Ihr Ex-Mann aufhältig?

VP:      In Moskau und Baku.

LA:      Was macht er in Moskau?

VP:      Geschäfte. Er verkauft Obst und Gemüse.

LA:      Wo ist der Bruder Ihres Ex-Mann aufhältig?

VP:      Er macht gar nichts, er ist Spieler, ist sehr schlecht. Ich habe ihn blockiert, dann hat er über den Sohn Kontakt aufgenommen, dann habe ich ihn wieder blockiert, und er hat über die Tante Kontakt aufgenommen. Er will, dass ich meine Wohnung verkaufe, und das Geld ihm gebe. Als ich mit meinem Ex-Mann zusammen war hat mein Ex-Mann die Wohnung verkauft und der Bruder hat das Geld verspielt. Mein Mann hat mich geklagt. Er wollte, dass er die Wohnung auch meines Vaters besitzt. Wir waren beim Gericht, aber ich habe das Verfahren gewonnen. Danach wollten sie mich erpressen.

LA:      Welcher Volks- und Glaubensgruppe gehören Sie an?

VP:      Ich bin Aserbaidschanerin und Moslem.

LA:      Wie bestritten Sie Ihren Lebensunterhalt in Aserbaidschan?

VP:      Ich habe drei Jahre gearbeitet als Ärztin. Danach habe ich auch als Beamtin gearbeitet, aber ich konnte nicht Vollzeit arbeiten, weil ich mit meinem kranken Sohn beschäftigt war. Vor der Ausreise habe ich Teilzeit gearbeitet, und mein anderer Sohn hat mich unterstützt. Mein behinderter Sohn hat auch Pension bekommen. Geldprobleme haben wir nicht gehabt.

LA:      Ihr Sohn im Heimatland arbeitet noch?

VP:      Ja, er hat auch Geschäfte in Moskau, ein Rosengeschäft.

LA:      Wann haben Sie den Entschluss gefasst, Aserbaidschan zu verlassen?

VP:      Im August 2018.

LA:      Wann konkret haben Sie Aserbaidschan verlassen?

VP:      Am XXXX .2018.

LA:      Waren Sie da zum ersten Mal im Ausland?

VP:      Ich war schon im Ausland davor. Ich war öfter in Russland und einmal in Deutschland. Ich habe dort keinen Asylantrag gestellt, ich bin zum Arzt mit meinem Sohn gegangen.

LA:     Würden Sie nun bitte alle Ihre Gründe für die Asylantragstellung hier in Österreich ausführlich darlegen? Versuchen Sie Ihre Gründe nach Möglichkeit so detailliert darzulegen, dass diese für eine unbeteiligte Person auch zu verstehen sind. Was ist alles passiert? Warum konnten oder wollten Sie nicht mehr in der Heimat bleiben? Was haben Sie alles erlebt? Wie hat alles begonnen? Wie hat sich alles entwickelt?

VP:      Der Hauptgrund ist mein Sohn. Mein Ex-Mann und mein Schwager haben mich zwar bedroht, aber ich habe keine Angst vor ihnen oder dem Tod. Aber der Hauptgrund ist mein Sohn. Ich habe Angst um ihn. Mein Sohn ist vom fünften Stock runtergestürzt. Mein Sohn wird schikaniert. Wenn wir in ein Geschäft gehen kommt die Security und sagt, dass er krumm ist und nicht in das Geschäft darf. Kinder schimpfen ihn, dass er krumm ist. Er hat sich die Haare länger wachsen lassen, damit man seinen Rücken weniger sieht. Hier wird er nicht schikaniert. Der Grund ist der Sohn. Er ist krank. Von Geburt an ist es so gewesen, und es wird schlimmer. Ich hätte das Land in diesem Alter nicht verlassen, wäre da nicht mein Sohn. Ich habe keine Angst vor dem Tod.

LA:      Wie genau fanden die Bedrohungen durch Ihren Ex-Mann und dessen Bruder statt?

VP:      Sie haben es auf Facebook geschrieben, und dort in Aserbaidschan haben sie auch angerufen. Sie schrieben, dass ich von einer schlimmen Familie komme, Gott mich bestrafen werde. Sie schrieben, dass sie mit Gottes Hilfe Rosen auf mein Grab legen werden. Sie sagten auch mein Blut ist unrein, da ich ein behindertes Kind zur Welt brachte. Er hat das oft geschrieben, ich habe ihn blockiert. Dann hat er versucht das zu umgehen und erneut geschrieben. Ich weiß nicht, ob er weiß dass ich hier bin oder nicht.

LA:      Wem gehört die Wohnung derzeit?

VP:      Mir und meinem Sohn. Ich habe sie von meinem Vater bekommen.

LA:      Hat Ihr Sohn Probleme mit Ihrem Ex-Mann?

VP:      Nein.

LA:      Wann wurden Sie zuletzt bedroht?

VP:      Gestern hat er mich versucht zu kontaktieren, aber ich habe nicht abgehoben.

LA:      Sind Sie zur Polizei gegangen in Aserbaidschan aufgrund der Drohungen?

VP:      Ja, er hat eine Anzeige gemacht und behauptet, dass ich Iranerin bin und versucht so meine Wohnung zu bekommen. Ich habe zur Polizei gesagt, dass er lügt, mein Vater kommt zwar aus dem Iran, aber er war schon lange in Aserbaidschan, und ich habe gewonnen.

LA:      Haben Sie eine Anzeige bei der Polizei wegen der Drohungen eingebracht?

VP:      Ich habe das der Polizei auch gesagt, aber die Polizei hat mir nicht geholfen.

LA:      Haben Sie das erwähnt oder haben Sie eine Anzeige erstattet?

VP:      Ich wollte nicht so oft zur Polizei und zum Gericht, ich wollte Ruhe haben. Ich lebe nur für meinen Sohn. Ich habe nur einmal eine Anzeige erstattet.

LA:      Was ist bei dieser Anzeige passiert?

VP:      Die Polizei hat die Anzeige aufgenommen, aber es ist nicht vor Gericht gegangen. Ich war schon müde. Es schaut bei uns nicht so gut aus, wenn eine Frau zur Polizei geht. Die Scheidung war auch nicht so einfach. Er wollte nicht, aber eine Frau war Richterin und sie hat das gemacht.

LA:      Wie ist der Verfahrensstand der Anzeige?

VP:      Vor Gericht habe ich gewonnen, aber die Anzeige bei der Polizei ist nicht vor Gericht gegangen.

LA:      Wann wäre das gewesen, dass Sie die Anzeige erstattet haben?

VP:      Es war in den letzten zwei Jahren mehrmals, dass ich zur Polizei musste.

LA:      Wann haben Sie Anzeige erstattet?

VP:      Vor einem Jahr zirka. Ich habe keine Zeit gehabt, eine Anzeige zu machen, da ich sehr oft mit meinem Sohn beschäftigt war.

LA:      Wann war das letzte Mal, als Ihr Ex-Mann Sie geschlagen hätte?

VP:      Im Jahr 2016, dann habe ich mich scheiden lassen, und ihn auch nicht in die Wohnungen gelassen. Ich habe zu ihnen gesagt, wenn sie zu mir kommen rufe ich die Polizei.

LA:      Wann haben Sie ihn Ex-Mann oder den Ex-Schwager zuletzt gesehen?

VP:      Im Juli 2018. Mein Mann hat mich in Ruhe gelassen, aber der Bruder nicht.

LA:      Wie kam es, dass Sie zuletzt im Juli 2018, den Ex-Schwager gesehen haben?

VP:      Er sagte ich werde dich an deiner schwächsten Stelle treffen. Ich habe ihn dort getroffen wo ich wohne auf der Straße. Aber ich habe keine Angst vor dem Tod. Ich habe nur Sorge um meinen Sohn.

LA:      Was sind die konkreten Sorgen Ihren Sohn betreffend?

VP:      Er wurde immer schikaniert. Er hat drei Mal versucht sich umzubringen. Jeder hat ihn schikaniert, auch Nachbarn.

LA:      Wie ist er schikaniert worden?

VP:      Es gibt einen Film, „Quasimodo“, so hat man ihn genannt. Es gibt auch einen anderen Film „Carliknos“, so und „Gosbel“ haben sie ihn auch genannt, das heißt eben dass er krumm ist.

VP:      Sie haben verhindert, dass ich mit meinem Sohn in ein Geschäft gehe. Nirgends konnte ich hingehen. Ich wollte, dass er eine Programmiersprache lernt, aber kein Kurs hat ihn genommen. Hier fühlt er sich wohl. Ich fühle mich auch wohl. Ich gehe jeden Tag mit ihm spazieren und niemand sagt ein Wort oder schaut schief.

LA:      Wie oft ist es passiert, dass Sie nicht in das Geschäft konnten?

VP:      Immer, oft, jedes Mal. Und jedes Mal bin ich weinend nach Hause gegangen.

LA:      War das jedes Mal dasselbe Geschäft?

VP:      Es waren mehrere Geschäfte, und auch eben der Kurs. Wenn man krank ist in Aserbaidschan ist es schwer. Es gibt auch nur ganz einfache Rollstühle. Ich habe dann einen bestellt.

LA:     Hätten Sie damals die Möglichkeit gehabt, sich im Heimatland wo anders hinzubegeben, um sich den angegebenen Übergriffen/Problemen/Schwierigkeiten zu entziehen? bzw. haben Sie das schon erwogen / versucht – z.B. in ein anderes Gebiet bzw. bestünde diese Möglichkeit jetzt?

VP:     In Aserbaidschan ist es überall gleich. Ich habe nicht gesehen, dass sie gegenüber kranken Menschen Respekt haben. Wenn man krank ist muss an zu Hause bleiben denken sie. Bei den Paralympics habe ich viele Behinderte gesehen, die überallhin reisen dürfen. Bei uns ist das nicht möglich.

LA:      Konkret, unter welcher Krankheit leidet er?

VP:      Kifoskolios in der letzten, der vierten Stufe und an Paraparese. Er kann die Füße wenig bewegen.

LA:      Wurde Ihr Sohn in Aserbaidschan behandelt?

VP:      Ja, ich habe ihn zum Arzt gebracht, aber sie haben nicht helfen können. Ich habe ihn auch nach Deutschland gebracht. Es ist ein bisschen besser geworden, vorher hat er die Beine gar nicht gespürt. Er hat auch Physiotherapie erhalten. Danach ist es ein bisschen besser geworden.

LA:      Nimmt er Medikamente?

VP:      Nein, sowohl in Österreich als auch in Aserbaidschan nicht, aber morgen gehen wir zum Orthopäden. Er hat jetzt auch Hepatitis C. In Aserbaidschan hat er sich infiziert.

LA:      Woher wissen Sie das?

VP:      Ich bin Ärztin ich weiß das.

LA:      Das heißt Sie haben Symptome erkannt?

VP:      In Aserbaidschan haben sie gesagt nein, in Moskau haben sie gesagt ja. Ich war dort 22 Jahre im Krankenhaus.

LA:      Haben Sie irgendwelche Befunde?

VP:      Ja, die habe ich hier beim Arzt abgegeben.

LA:      Seit wann weiß Ihr Sohn, dass er Hepatitis C hat?

VP:      Er war 8-10 Jahre alt.

LA:      Wie wurde er behandelt?

VP:      Gar nicht, auch nicht in Moskau.

LA:      In Deutschland wurde er auch nicht behandelt?

VP:      Nein, wir sind wegen der Orthopädie nach Deutschland. Es war eine andere Abteilung.

LA:      Wird er in Österreich wegen Hepatitis C behandelt?

VP:      Nein, bis jetzt noch nicht, aber sie haben gesagt er wird behandelt.

LA:      Waren Sie schon bei einem Arzt in Österreich?

VP:      Ja, hier im Lager und einmal hat ihn die Rettung abgeholt und das Blut im Krankenhaus Baden kontrolliert. Wir haben dem Arzt das Papier gegeben, dass er Hepatitis C hat.

LA:     Was würden Sie im Falle einer Rückkehr in Ihren Heimatstaat befürchten? Was würde Sie dort erwarten?

VP:      Mein Sohn wird sich sein Leben nehmen, ich habe keine Angst.

LA:      Waren Sie in Haft oder sonst inhaftiert im Heimatland?

VP:      Nein

LA:      Hatten sie, abgesehen von den bereits geschilderten Problemen, sonstige Probleme in ihrem Heimatland?

VP:      Nein

LA:      Haben Sie Probleme mit staatlichen Einrichtungen oder Behörden in Ihrem Heimatland?

VP:      Nein, mit der Polizei war ich in Kontakt wegen den Anzeigen. Und wegen dem Lift haben sie nicht geholfen.

LA:      Haben Sie in Österreich strafbare Handlungen begangen, wurden Sie diesbezüglich angezeigt oder verurteilt?

VP:      Nein

LA:      Gehen Sie in Österreich einer Beschäftigung nach?

VP:      Nein

LA:      Wovon leben Sie?

VP:      Von Bundesbetreuung.

LA:      Haben Sie Verwandte oder sonstige private Kontakte in Österreich?

VP:      Nein.

LA:      Sind sie Mitglied in einem Verein, einer religiösen Verbindung od. sonstigen Gruppierung?

VP:      Nein.

LA:      Wollen Sie Länderfeststellungen zur aktuellen Lage in Aserbaidschan?

VP:      Nein.

LA:      Ich beende jetzt die Befragung. Hatten Sie Gelegenheit alles vorzubringen, was Ihnen wichtig erscheint oder wollen Sie noch etwas hinzufügen?

VP:      Ich habe alles gesagt. Ich mache mir Sorgen um meinen Sohn, um mich habe ich keine Angst.

LA:      Haben Sie den Dolmetscher einwandfrei verstanden?

VP:      Ja.

LA:      Es wird Ihnen nunmehr die Niederschrift rückübersetzt und Sie haben danach die Möglichkeit noch etwas richtig zu stellen oder hinzuzufügen.

Anmerkung: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt.

LA:      Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen vorzubringen?

VP:      Auf Seite 6 soll es heißen „ich werde dich umbringen und auf dein Grab Rosen legen“. Auf Seite 8 möchte ich anmerken, dass ihn Kinder mit Steinen beworfen haben, und er auch Wunden auf dem Kopf hat. Auch haben Kinder seinen Rollstuhl mit Glassplittern beschädigt. Ich möchte sagen, dass er Hepatitis C bei der Geburt schon bekommen hat, ich habe es erst erfahren, als er 8 oder 10 Jahre alt war.

Vor der belangten Behörde brachte die bP 2 zum Fluchtgrund im Wesentlichen Folgendes vor:

LA:      Steht Ihrerseits etwas gegen eine Einvernahme am heutigen Tag? Sind Sie heute in der Lage sich auf das Geschehen, welches zu Ihrer Ausreise führte, zu konzentrieren, und Angaben dazu zu machen? Fühlen Sie sich psychisch und physisch in der Lage, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten?

VP:      Ich kann keine Hinderungsgründe angeben, an mich gerichtete Fragen nicht vollständig zu beantworten, und kann mich darauf konzentrieren und erinnern. Ich fühle mich wohl.

LA:      Wie ist Ihr Gesundheitszustand? Nehmen Sie Medikamente?

VP:      Ich bekomme nur Schmerzmittel, leider helfen sie nicht. Das habe ich dort bekommen, und in Schweden ebenso. Ich war in Schweden im Krankenhaus.

LA:      Liegen Befangenheitsgründe oder sonstigen Einwände gegen die anwesenden Personen vor?

VP:      Nein

LA: Haben Sie im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht und wurden Ihnen diese jeweils rückübersetzt und korrekt protokolliert?

VP:      Ja.

LA: Werden Sie in gegenständlichem Verfahren vertreten? Liegt diesbezüglich eine Vollmacht vor? In welchem Umfang?

VP:      Ich habe keinen Vertreter.

LA:      Wie lautet Ihr Name, Ihr Geburtsdatum und Geburtsort?

VP:      Ich heiße XXXX und bin am XXXX in Baku geboren.

LA:      Können Sie Personaldokumente vorlegen?

VP:      Ich habe den Pass abgegeben.

LA:      Wollen Sie irgendwelche weiteren Dokumente vorlegen?

VP:      Nein

LA:      Zählen Sie bitte Ihre Wohnorte auf, beginnend mit Ihrer Geburt, und von wann bis wann Sie dort gelebt haben.

VP:      Immer in Baku. Ich bin dort geboren und aufgewachsen. Die letzte Adresse in Baku war XXXX . Davor habe ich an der Adresse XXXX gewohnt.

LA:      Wem gehört die Unterkunft, wo Sie zuletzt wohnhaft waren?

VP:      Meiner Mutter

LA:      Haben Sie Kontakt zur Familie im Heimatland?

VP:      Ich nur mit dem Bruder, sonst mit niemandem, meine Mutter hat auch Kontakt mit ihren Schwestern. Meinem Bruder geht es normal.

LA:      Haben Sie weitere Verwandte in Aserbaidschan, von denen Sie wissen wo diese wohnen?

VP:       Außer Bruder und zwei Tanten mit deren Familien weiß ich jetzt niemanden.

LA:      Sind Sie verheiratet? Haben Sie Kinder?

VP:      Ich bin ledig.

LA:      Welcher Volks- und Glaubensgruppe gehören Sie an?

VP:      Aserbaidschaner und Muslim.

LA:      Wie bestritten Sie Ihren Lebensunterhalt in Aserbaidschan?

VP:      Mein Bruder unterstützt mich. Meine Mutter hat auch gearbeitet einige Zeit.

LA:      Welche Schuldbildung haben Sie?

VP:      Nur bis zur sechsten Klasse bin ich in die Schule gegangen. Einige Zeit sind die Lehrer nach Hause gekommen. Schulabschluss habe ich. Ich würde gerne weiterlernen.

LA:      Warum können Sie nicht weiterlernen?

VP:      Ich konnte nicht auf die Straße gehen. Man hat mir verboten, den Lift zu benützen. Nach mir wurden auch Steine geworfen. Deshalb habe ich mir die Haare wachsen lassen, um den Rücken zu bedecken. Es hat immer wieder Situationen gegeben seit der Kindheit. Verschiedene furchtbare Erfahrungen. Auch von den Lehrerinnen.

LA:      Haben Sie staatliche Unterstützung erhalten?

VP:      Ja, vom Staat.

LA:      Wann haben Sie den Entschluss gefasst, Aserbaidschan zu verlassen?

VP:      Am 01.08.2018. Am XXXX .2018 waren wir hier. Zuerst sind wir nach Schweden und dann hierher. Wir sind hierher befördert worden, für uns ist es egal wo wir sind, wir können jedoch die Sprache nicht.

LA:     Würden Sie nun bitte alle Ihre Gründe für die Asylantragstellung hier in Österreich ausführlich darlegen? Versuchen Sie Ihre Gründe nach Möglichkeit so detailliert darzulegen, dass diese für eine unbeteiligte Person auch zu verstehen sind. Was ist alles passiert? Warum konnten oder wollten Sie nicht mehr in der Heimat bleiben? Was haben Sie alles erlebt? Wie hat alles begonnen? Wie hat sich alles entwickelt?

VP:      Die Diskriminierung und wie die Leute mit mir umgegangen sind. Ich meine damit Beschimpfungen und Erniedrigungen. Ich wurde geschlagen. Seit meiner Kindheit habe ich gelitten. Ich wurde als Zwerg beschimpft, viele furchtbare Sachen. Ich hatte genug und konnte es nicht mehr aushalten. Wie gesagt wurde ich auch mit Steinen beworfen.

LA:      Wann war das, wie Sie mit Steinen beworfen wurden?

VP:      Als ich sechzehn Jahre alt war.

LA:      Wer hat Sie geschlagen?

VP:      Unbekannte Leute auf der Straße. Ständig hat mich jemand ausgelacht, beschimpft oder geschubst. In der Schule, die Mitschüler, überall.

LA:      Wann sind Sie zuletzt geschlagen worden?

VP:      Am 01.08.2018. Das war der letzte Tropfen. Manchmal wurdne wir auch in ein Geschäft nicht reingelassen.

LA:      Wie sah Ihr Tagesablauf in Aserbaidschan aus?

VP:      Ich war zu Hause und war am Computer. Ich habe auch eine Katze. Ein zwei Mal im Monat habe ich mich getraut, das Haus zu verlassen. Mein Bruder und seine Freude haben mir dabei geholfen. Mein Bruder leidet natürlich auch darunter.

LA:      Sind Sie zur Polizei gegangen?

VP:      Das hat keinen Sinn. Meine Mutter hat dorthin geschrieben, aber niemand hat geholfen. Bei der Polizei haben sie gesagt, dass das unsere Probleme sind. Wir können ja auch niemanden konkreten anzeigen, das waren immer irgendwelche Leute.

LA:     Hätten Sie damals die Möglichkeit gehabt, sich im Heimatland wo anders hinzubegeben, um sich den angegebenen Übergriffen/Problemen/Schwierigkeiten zu entziehen? bzw. haben Sie das schon erwogen / versucht – z.B. in ein anderes Gebiet bzw. bestünde diese Möglichkeit jetzt?

VP:     Die Leute sind dort alle gleich. Bei unserer alten Adresse war es gleich. Ich dürfte nicht einmal den Aufzug verwenden.

LA:      Was war das Problem mit dem Aufzug?

VP:      In dem Haus wo wir wohnen wollen sie nicht, dass ich mit dem Aufzug fahre. Sie haben einen Chipcode gemacht, und uns hat man keinen gegeben.

LA:      Es gibt einen Aufzug, aber Sie dürfen damit nicht fahren?

VP:      Ja.

LA:      Konkret, unter welchen Krankheiten leiden Sie?

VP:      Hauptsächlich an einer sehr schweren Form von Skoreliose, die Beine sind paralysiert und ich leide an Hepatitis C. Ich wurde mit Hepatitis C angesteckt während der Bluttransfusion als ich geboren wurde.

LA:      Seit wann wissen Sie, dass Sie Hepatitis C haben?

VP:      Ungefähr mit 8 Jahren habe ich es in Moskau erfahren. Vielleicht wusste es meine Mutter schon vorher.

LA:      Haben Sie dazu Unterlagen?

VP:      Meine Mutter hat eine Diagnose aus Deutschland, hat sie diese nicht vorgelegt?

LA:      Wurden Sie in Aserbaidschan behandelt?

VP:      Nein, ich konnte nicht auf die Straße gehen, wer würde mich behandeln.

LA:      Sie sind sechs Jahre in die Schule gegangen.

VP:      Es wurde versucht mich zu operieren, aber nur in Deutschland, Moskau oder St. Petersburg wurde ich behandelt. Zur Schule bin ich in Baku gegangen.

LA:      Welche Medikamente haben Sie in Aserbaidschan bekommen?

VP:      Keine.

LA:      Haben Sie Medikamente in einem anderen Staat bekommen?

VP:      Die Schmerzmittel in Schweden.

LA:      Warum ist Hepatitis C weder in Russland noch Schweden behandelt worden?

VP:      Sie haben gesagt, dass sie mich in Schweden nicht behandeln dürften, da sie nicht zuständig wären. In Moskau haben sie mir gesagt, dass es mir nicht wirklich schaden, es nicht wirklich lebensbedrohlich ist und keine wirkliche Bedrohung davon ausgeht.

LA:      Waren Sie schon bei einem österreichischen Arzt?

VP:      Noch nicht, ich bin einmal im Krankenhaus gelandet, sonst nichts. Ich bekomme keine Behandlung. Morgen gehen wir zum Orthopäden.

LA:      Sind Sie damit einverstanden, dass ho. Behörde Einsicht in bereits vorliegende und künftig erhobene ärztliche Befunde nehmen kann, sowie dass die Sie behandelnden Ärzte, als auch behördlich bestellte ärztliche Gutachter, wechselseitig Informationen zu den Ihre Person betreffenden erhobenen ärztlichen Befunde austauschen können? Sind Sie weiters mit der Weitergabe Ihrer medizinischen Daten an die Sicherheitsbehörde und die für die Grundversorgung zuständigen Stellen einverstanden? Sie können Ihre Zustimmung danach jederzeit widerrufen.

VP:      Ja, natürlich.

LA:     Was würden Sie im Falle einer Rückkehr in Ihren Heimatstaat befürchten? Was würde Sie dort erwarten?

VP:      Ich würde lieber hier sterben, als zurückzukehren. Ich hatte in meinem Leben drei Suizidversuche gehabt.

LA:      Wann war der letzte?

VP:      Mit 18 Jahren.

LA:      Waren Sie in Haft oder sonst inhaftiert im Heimatland?

VP:      Nein

LA:      Hatten Sie, abgesehen von den bereits geschilderten Problemen, sonstige Probleme in ihrem Heimatland?

VP:      Nein, ich halte die Erniedrigungen nicht mehr aus.

LA:      Haben Sie Probleme mit staatlichen Einrichtungen oder Behörden in Ihrem Heimatland?

VP:      Nein

LA:      Haben Sie in Österreich strafbare Handlungen begangen, wurden Sie diesbezüglich angezeigt oder verurteilt?

VP:      Nein

LA:      Gehen Sie in Österreich einer Beschäftigung nach?

VP:      Nein

LA:      Wovon leben Sie?

VP:      Von Bundesbetreuung.

LA:      Haben Sie Verwandte oder sonstige private Kontakte in Österreich?

VP:      Nein.

LA:      Sind Sie Mitglied in einem Verein, einer religiösen Verbindung od. sonstigen Gruppierung?

VP:      Nein.

LA:      Wollen Sie Länderfeststellungen zur aktuellen Lage in Aserbaidschan?

VP:      Nein.

LA:      Ich beende jetzt die Befragung. Hatten Sie Gelegenheit alles vorzubringen, was Ihnen wichtig erscheint oder wollen Sie noch etwas hinzufügen?

VP:      Ich will nichts hinzufügen.

LA:      Haben Sie den Dolmetscher einwandfrei verstanden?

VP:      Ja.

LA:      Es wird Ihnen nunmehr die Niederschrift rückübersetzt und Sie haben danach die Möglichkeit noch etwas richtig zu stellen oder hinzuzufügen.

Anmerkung: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt.

LA:      Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen vorzubringen?

VP:      Nein

I.2.3. Vorgelegt vor dem BFA wurde von den bP:

?        aserbaidschanische Reisepässe der bP 1 und 2

?        Vier Schriftstücke aus den Jahren 2014 - 2017 in Zusammenhang mit dem Problem, dass die bP einen Aufzug ihres Wohnhauses nicht nutzen konnten.

I.2.4. Im Aktenvermerk vom 22.01.2019 hielt die bB fest, dass nach Rückfrage in der Ärztestation die Auskunft erteilt worden ist, dass die Original Dokumente (medizinische Unterlagen) den bP zurückgegeben wurden und von der bP 1 mitgeteilt worden sei, dass die Hepatitis C bei der bP 2 nicht mehr vorliegen würde.

I.3. Die Anträge der bP auf internationalen Schutz wurden folglich mit im Spruch genannten Bescheiden der bB gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Aserbaidschan nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Aserbaidschan gemäß § 46 FPG zulässig sei.

Eine Frist zur freiwilligen Ausreise wurde mit 14 Tagen gewährt.

In Bezug auf sämtliche bP wurde ein im Spruch inhaltlich gleichlautender Bescheid erlassen, weshalb sich aus dem Titel des Familienverfahrens gem. § 34 AsylG ebenfalls kein anderslautender Bescheid ergab.

I.3.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die bB das Vorbringen der bP in Bezug auf die Existenz einer aktuellen Gefahr einer Verfolgung als nicht glaubhaft und führte hierzu Folgendes aus (Wiedergabe aus dem angefochtenen Bescheid in Bezug auf bP 2) :

-        Betreffend die Feststellungen zu den Gründen für das Verlassen Ihres Herkunftsstaats:

Im Laufe Ihres Asylverfahrens gaben Sie an, Ihre Heimat wegen der Diskriminierung aufgrund Ihrer Behinderung verlassen zu haben. Sie hätten „viele furchtbare Sachen“ erlebt. Als Beispiele nannten Sie, dass Sie beschimpft und erniedrigt wurden – man hätte Sie beispielsweise als Zwerg bezeichnet – sowie dass Sie den Lift in Ihrem Wohnhaus nicht benutzen hätten dürfen, und dass vor etwa fünf Jahren Kinder Steine nach Ihnen geworfen hätten, und Sie dabei am Kopf verletzt hätten. Zuletzt wären Sie am 01.08.2018 von einer unbekannten Person geschlagen worden. Sie brachten nicht vor, staatlich diskriminiert worden zu sein, Sie bekamen vielmehr aufgrund Ihrer Behinderung Sozialhilfe durch den Staat.

Es ist festzuhalten, dass Diskriminierung nicht die Intensität von Verfolgung besitzt, die eine Asylgewährung rechtfertigen würde. In den Länderfeststellungen ist zu lesen: „In den Bereichen Religionsfreiheit, Frauenrechte und Inklusion von Menschen mit Behinderung zeigt Aserbaidschan allerdings Interesse und Engagement. Die Verfassung enthält in den Art. 24 bis 71 einen umfassenden Menschenrechtskatalog. Jeder Bürger des Landes, der sich durch einen Akt staatlicher Gewalt in diesen Grundrechten verletzt sieht, kann im Wege einer Individualbeschwerde den Rechtsweg zum Verfassungsgericht beschreiten (AA 22.3.2017).“ Auch hinsichtlich der staatlichen Unterstützung werden Menschen mit Behinderung gesondert erwähnt und unterstützt: „Zu den kostenlosen medizinischen Leistungen gehören: Rollstühle, Impfungen, häusliche Krankenpflege (Personen mit einer Behinderung der Gruppe I), Zahnersatz und Medizin (Personen mit Behinderungen der Gruppen I und II und Personen mit langer Erwerbstätigkeit), Prothesen, Brillen und Hörgeräte (Personen mit Behinderung und Personen mit langer Erwerbsgeschichte) sowie allgemeine zahnärztliche Versorgung (Kinder bis 16 Jahre und schutzbedürftige Gruppen, einschließlich Personen mit Behinderung). Die Transportkosten für Menschen mit Behinderung und die genehmigte medizinische Behandlung im Ausland können übernommen werden. Die abgedeckten Leistungen umfassen allgemeine und fachärztliche Versorgung, Krankenhausaufenthalt, zusätzliche Ernährung, Labordienstleistungen, Transport und die vollen Kosten für Geräte und Medikamente. Auch Rehabilitation und Berufsausbildung werden abgedeckt. Die medizinischen Leistungen für Angehörige sind die gleichen wie für die Versicherten.“

Eine staatliche Diskriminierung oder Verfolgung ist somit nicht festzustellen. Was Ihr Vorbringen der privaten Diskriminierung betrifft ist zu sagen, dass Sie angaben, dass der Vorfall bei dem Kinder Sie mit Steinen bewarfen, und den Sie und Ihre Mutter als Beispiel brachten, bereits fünf Jahre zurückliegt. Zudem ist zu sagen, dass für diesen und auch den aktuelleren Vorfall im August, bei dem Sie geschlagen worden wären, in Aserbaidschan ein Straftatbestand der Körperverletzung existiert. Es wäre Ihnen möglich gewesen, zur Polizei zu gehen und eine Anzeige zu erstatten, was Sie jedoch nach eigenen Angaben nicht taten, da dies keinen Sinn hätte. Es ist dazu zu sagen, dass wenn Sie vermutet hätten, dass die Polizei Ihre Anzeige nicht verfolgt, Sie sich an den Ombudsmann wenden hätten können. Ihre Mutter weiß auch von der Existenz dieser Einrichtung, da diese einen Brief an den Ombudsmann aus dem Jahr 2014 vorlegte, in dem es darum geht, dass Sie den Aufzug in Ihrem Wohnhaus nicht benützen dürften. Sie hätten somit, wenn Sie die Anzeige bei der Polizei eingebracht hätten, was Sie nicht gemacht haben, und diese nicht bearbeitet worden wäre, eine Beschwerde bei der Ombudsperson einbringen können, welche laut Länderinformationen zwar von Menschenrechts-NGOs für die mangelnde Unabhängigkeit und Effektivität in Fällen, die als politisch motiviert angesehen werden, kritisiert wird, was jedoch in Ihrem Fall nicht zutrifft.

Hinsichtlich des Vorbringens, dass Sie aufgrund Ihrer Behinderung von der Nutzung des Fahrstuhles ausgeschlossen wären, ist zu sagen, dass die Behörde in dem von Ihrer Mutter vorgelegten Schriftstück explizit erwähnt, dass Sie oder Ihre Mutter sich an ein Gericht wenden können. Diese gab jedoch an, dies nicht getan zu haben. Dazu ist zu sagen, dass Ihrer Mutter laut deren Angaben bereits in einem anderen Verfahren vor Gericht Recht gegeben wurde, es wäre somit möglich gewesen, dass Sie oder Ihre Mutter sich in dieser Hinsicht an ein Gericht wenden.

Es ist somit festzustellen, dass Sie womöglich privater Diskriminierung ausgesetzt sind, diese jedoch nicht den Grad der Intensität ausmacht, der die Gewährung von Asyl rechtfertigen würde. Zudem steht es Ihnen oder Ihrer Mutter offen, sich an die zuständigen Behörden im Heimatland zu wenden, dies vor allem vor dem Hintergrund, dass den Länderfeststellungen zu entnehmen ist, dass Aserbaidschan hinsichtlich der Inklusion von Menschen mit Behinderung Interesse und Engagement zeigt, und Bürger die sich in Grundrechten verletzt sehen, sich an Gerichte wenden können.

Hinsichtlich Ihrer Erkrankungen ist zu sagen, dass Sie angaben, an Skoliose, Lähmungen in den Beinen sowie Hepatitis C zu leiden. Hinsichtlich der Skoliose sowie der Lähmungen ist zu sagen, dass es sich hierbei nicht um lebensgefährliche Erkrankungen handelt. Rollstühle werden zudem laut Länderinformationen zur Verfügung gestellt, jedoch gab Ihre Mutter an, dass dieser von geringerer Qualität gewesen wäre und sie deshalb einen hochwertigeren bestellt hätte.

Hinsichtlich Ihrer Vermeintlichen Erkrankung an Hepatitis C ist vorweg zu sagen, dass Hepatitis C laut einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation sowohl in staatlichen als auch in privaten Krankenhäusern behandelt werden kann. Offiziell sind Untersuchungen und Behandlungen in staatlichen Krankenhäusern kostenlos, aber inoffiziell müssen die Patienten an das medizinische Personal Gebühren entrichten. Da Ihre Mutter angab, dass es Ihrer Familie nicht an Geld mangelte, wäre eine Behandlung im Heimatland zumutbar.

Es ist jedoch zu sagen, dass nicht festgestellt werden kann, dass Sie an Hepatitis C leiden. Zwar gaben Sie und Ihre Mutter dies im Rahmen der Einvernahme an, jedoch konnten sowohl sie als auch Ihre Mutter keine Befunde vorlegen. Ihre Mutter gab an, dass aserbaidschanische Dokumente bei der Ärztestation in Traiskirchen abgegeben worden wären und sie diese daher nicht vorlegen könnte. Nach Rücksprache mit der dortigen Ärztin versicherte diese, dass die Originaldokumente an Ihre Mutter zurückgegeben worden sind. Zudem gab die Ärztin an, dass sie sich an die Familie erinnern konnte, da sie während eines Notfalles die Familie aus dem Raum zu gehen bat, da der Sohn Hepatitis C hätte, worauf Ihre Mutter angab, dass diese Erkrankung nicht mehr vorliegen würde. Sie hätten laut den Angaben Ihrer Mutter gegenüber der Ärztin früher Hepatitis C gehabt, jedoch derzeit nicht mehr. Dass Ihre Krankheit derzeit nicht mehr vorliegt oder zumindest keine Behandlung bedarf bekräftigt auch der Umstand, dass Sie von September 2018 bis Jänner 2019 in Schweden im Asylverfahren waren. In Schweden hätten Sie Schmerzmittel bekommen, eine Hepatitis-C-Behandlung hätten Sie jedoch nicht bekommen. Auch aus den Überstellungsunterlagen der schwedischen Behörden konnte kein Hinweis auf Ihre Erkrankung an Hepatitis C erkannt werden. Es werden Ihre medizinischen Probleme auf Englisch beschrieben, jedoch Hepatitis C nicht erwähnt: “The applicant has medical issues, he is in pain and has trouble with his spine (scoliosis). He uses a wheelchair.” Ihre Erklärung in der Einvernahme, dass Sie in Schweden nicht behandelt werden dürften, da Schweden nicht zuständig wäre ist nicht glaubhaft. In Schweden hätten laut dem Länderinformationsblatt zu Schweden Asylwerber das Recht auf medizinische Nothilfe, sowie unaufschiebbare medizinische und zahnmedizinische Versorgung. Dass eine Hepatitis-C-Therapie abgelehnt worden wäre und zudem nichts an die österreichischen Behörden weitergegeben worden wäre ist nicht glaubhaft, zumal es sich bei Hepatitis C um eine bereits im Verdachtsfall anzeigepflichtige Krankheit in Österreich handelt.

Es sei jedoch noch einmal erwähnt, dass selbst im Falle einer tatsächlichen Erkrankung an Hepatitis C diese laut einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation sowohl in staatlichen als auch in privaten Krankenhäusern behandelt werden kann und eine Behandlung im Heimatland für Sie zumutbar ist.

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Schweden (letzte Gesamtaktualisierung am 16.02.2018):

Medizinische Versorgung

Asylwerber haben das Recht auf medizinische Nothilfe, sowie unaufschiebbare medizinische und zahnmedizinische Versorgung (Migrationsverket 14.12.2017). Weiters schreibt das Gesetz über die medizinische Versorgung von Ausländern ohne Aufenthaltsberechtigung vor, dass das schwedische Gesundheitssystem für alle Personen, unabhängig von deren Aufenthaltstitel, eine medizinische Versorgung in folgenden Fällen zur Verfügung zu stellen hat: unaufschiebbare Behandlung, Gesundheitsfürsorge für Mütter, Abtreibung und Nachbehandlung, Verhütungsberatung, Verschreibung von Medikamenten in den aufgezählten Fällen und ärztliche Untersuchung (Migrationsverket 5.1.2018).

Alle Asylwerber erhalten auch die Möglichkeit einer Gesundenuntersuchung. Wer nicht Schwedisch spricht, hat das Recht auf einen Übersetzer. Für bestimmte medizinische Leistungen und Rezepte ist je nach Art eine gewisse Gebühr zu bezahlen (Migrationsverket 14.12.2017; vgl. AIDA 3.2017). Diese Gebühren werden für Personen über 18 Jahren staatlich subventioniert. Wenn innerhalb von sechs Monaten Medikamentenkosten von 400 SEK überschritten werden, besteht die Möglichkeit eine Kostenrückerstattung für den überschreitenden Betrag zu beantragen. Kinder unter 18 Jahren sind in der medizinischen Versorgung mit schwedischen Staatsbürgern gleichgestellt (5.1.2018).

Quellen:

AIDA – Asylum Information Database (3.2017): Country Report: Sweden, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_se_2016update.pdf, Zugriff 16.2.2018

Migrationsverket (14.12.2017): Health care for asylum seekers, https://www.migrationsverket.se/English/Private-individuals/Protection-and-asylum-in-Sweden/While-you-are-waiting-for-a-decision/Health-care.html, Zugriff 16.2.2018

Migrationsverket (3.1.2018): Anfragebeantwortung, per E-Mail

MedCOI – Medical Country of Origin Information (14.12.2016): Auskunft MedCOI, per E-Mail

Es konnte somit nicht festgestellt werden, dass Sie Verfolgungshandlungen ausgesetzt waren bzw. solche für die Zukunft zu befürchten haben.

-        Betreffend die Feststellungen zu Ihrer Situation im Fall Ihrer Rückkehr:

Die Feststellungen zu Ihrer Situation im Falle Ihrer Rückkehr erschlie

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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