TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/15 L518 2237618-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.07.2021
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Entscheidungsdatum

15.07.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch


L518 2237618-1/12E

L518 2213018-1/12E

SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 07.06.2021 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerden von XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX , alle StA. ASERBAIDSCHAN, alle vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx und durch die BBU GmbH, gegen die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, vom 02.11.2020, Zl. XXXX , und vom 13.12.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.06.2021 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

I.1. Die beschwerdeführenden Parteien (in weiterer Folge gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch kurz als „bP1“ bis „bP2“ bezeichnet), sind Staatsangehörige der Republik Aserbaidschan. Die bP 1 ist Vater der volljährigen bP2.

Sie brachten nach rechtswidriger Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich am bei der belangten Behörde (in weiterer Folge „bB“) Anträge auf internationalen Schutz ein. Die bP 2 brachte den Antrag nach Einreise am 19.10.2018 und die bP 1 am 20.01.2020 ein.

I.2.1. Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte die bP 2 am 19.10.2018 im Wesentlichen Folgendes vor:

Sie sei legal mit einem Reisepass, den sie in weiter Folge verloren hätte, wo wisse sie nicht, aus Aserbaidschan ausgereist. Sie sei über UNGARN, wo sie erkennungsdienstlich behandelt worden sei, gereist.

Ihren Herkunftsstaat hätte sie verlassen, weil der Feind des Großvaters dem Vater damit gedroht hätte, sie umzubringen. Der Vater hätte nie wirklich darüber reden wollen und hätte die Geschichte der bP nie erzählt. Sie denke, dass dieser Mann sehr wichtig sei, weil der Vater sie sehr schnell aus ASERBAIDSCHAN weggebracht hätte. Im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat würde sie befürchten, dass dieser Mann seine Drohung erfüllen würde. Befragt danach, ob es konkrete Hinweise gibt, dass sie im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat mit Sanktionen zur rechnen hätte, gab sie zunächst an, es gebe keine konkreten Hinweise dafür. Dann wiederum führte sie an, dass sie mit Sanktionen in ASERBAIDSCHAN zu rechnen hätte. Man hätte gesagt, dass es für sie, falls sie in ÖSTERREICH Asyl beantragen sollten, im Falle einer Rückkehr nach ASERBAIDSCHAN dort nicht gut für sie ausschauen würde. In ÖSTERREICH würden sich keinerlei Familienangehörige aufhalten. Sie hätte auch weder Beschwerden noch Krankheiten.

I.2.2. Vor der belangten Behörde brachte die bP 2 am 28.11.2018 zum Fluchtgrund im Wesentlichen Folgendes vor:

F: Welche ist Ihre Muttersprache und welche Sprachen sprechen Sie sonst noch?

A: Meine Muttersprache ist Azeri. Ansonsten spreche ich auch Russisch, Türkisch und zu 50 Prozent Englisch. Ich bin damit einverstanden, dass die Einvernahme in der Sprache Russisch, welche ich ausreichend beherrsche, durchgeführt wird.

F: Verstehen Sie den anwesenden Dolmetscher?

A: Ja, einwandfrei.

F: Liegen Befangenheitsgründe oder sonstige Einwände gegen die anwesenden Personen vor?

A: Nein.

Es wird Ihnen zur Kenntnis gebracht, dass…

…oder über einen bevollmächtigten Vertreter Informationen einzuholen.

F: Haben Sie das verstanden?

A: Ja.

F: Werden Sie im Asylverfahren durch einen Rechtsanwalt oder durch eine andere Person oder eine Organisation vertreten?

A: Nein.

F: Fühlen Sie sich psychisch und physisch in der Lage, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten?

A: Ja.

F: Leiden Sie an irgendwelchen schwerwiegenden Krankheiten?

A: Nein. Ich bin gesund. Das einzige was ich nehme, ist eine Hautsalbe wegen meiner trockenen Haut.

F: Sind Sie damit einverstanden, dass ho. Behörde Einsicht in bereits vorliegende und künftig erhobene ärztliche Befunde nehmen kann, sowie dass die Sie behandelnden Ärzte, als auch behördlich bestellte ärztliche Gutachter wechselseitig Informationen zu den Ihre Person betreffenden erhobenen ärztlichen Befunde austauschen können? Sind Sie weiters mit der Weitergabe Ihrer medizinischen Daten an die Sicherheitsbehörde, die Mitgliedsstaaten und die für die Grundversorgung zuständigen Stellen einverstanden? Sie werden darauf hingewiesen, dass ein Widerruf Ihrer Zustimmung jederzeit möglich ist.

A: Ja, ich bin einverstanden.

Anmerkung: Es wird das Formular Einverständniserklärung Krankenakte ausgefüllt und als Beilage zur Einvernahme genommen.

Aufforderung: Sie werden aufgefordert, sämtliche sich in Ihrem Besitz befindlichen bzw. die sich in Zukunft in Ihrem Besitz befindlichen med. Unterlagen selbstständig und ohne weiterer Aufforderung der ho. Behörde in Vorlage zu bringen.

A: Ja, ich werde das machen.

Feststellung: Sie wurden bereits im Zuge der Erstbefragung zu Ihren persönlichen Daten befragt.

F: Entsprechen diese Angaben den Tatsachen oder haben Sie etwas zu berichtigen?

A: Die Angaben stimmen bis auf die Reihenfolge meines Vor- bzw. Nachnamens. In der Erstbefragung wurden mein Vor- und Nachnamen vertauscht. Richtig ist, dass ich mit Nachnamen XXXX und mit Vornamen XXXX heiße. Ich bin am XXXX in Baku geboren, bin Staatsangehöriger von ASERBAIDSCHAN, bin ledig und habe keine Kinder. Wie gesagt, bis auf die Reihenfolge meines Vor- und Nachnamens stimmen die Angaben.

F: Wie lautet Ihre letzte Wohnadresse in Ihrem Herkunftsstaat und wie lange haben Sie sich dort aufgehalten?

A: In der Stadt XXXX . Ich weiß nicht mehr wie die Straße geheißen hat. In der Nähe war eine Musikschule. Ich kann mich auch nicht an die Hausnummer erinnern. Ich lebte ca. 10 oder 12 Jahre an dieser Adresse bis zu dem Zeitpunkt meiner Ausreise.

Anmerkung: In der Erstbefragung gab Antragsteller an, dass die letzte Wohnadresse im Herkunftsstaat wie folgt lautete: Neben der Musikschule in XXXX , Straße unbekannt

Anmerkung: Es wird das Personaldatenblatt ausgefüllt und als Beilage zur Einvernahme genommen.

F: Welche Familienangehörigen von Ihnen halten sich in Ihrem Herkunftsstaat oder einem anderen Drittstatt auf?

A: Mein Vater XXXX – genaues Geburtsdatum unbekannt. Er ist Staatsangehöriger von ASERBAIDSCHAN. Meine Mutter XXXX – genaues Geburtsdatum unbekannt. Sie ist Staatsangehörige von ASERBAIDSCHAN. Meine Schwester XXXX Jahre alt – genaues Geburtsdatum unbekannt. Sie ist Staatsangehörige von ASERBAIDSCHAN. Meine Großmutter mütterlicherseits XXXX Jahre alt – genaues Geburtsdatum unbekannt. Sie ist Staatsangehörige von ASERBAIDSCHAN. Ich habe auch einen Halbbruder, der lebt in Russland. Sein Vorname
ist XXXX – seinen Nachname kenne ich nicht. Er ist ca. 32 bis 33 Jahre alt – genaues Geburtsdatum unbekannt. Seine Staatsangehörigkeit kenne ich nicht. Er lebt schon sehr lange in Russland.

Anmerkung: In der Erstbefragung gab Antragsteller folgende Familienangehörige an:

Vater: XXXX , lebt in Aserbaidschan

Mutter: XXXX , 60 Jahre alt, lebt in Aserbaidschan

Halbbruder: XXXX (Familienname unbekannt), wohnt in Russland, ca. 33 Jahre alt

Halbschwester: XXXX , ca. 39-40 Jahre alt, lebt in Aserbaidschan

F: Welche Familienangehörigen haben an dieser von Ihnen im Herkunftsstaat vorhin genannten Wohnadresse gewohnt?

A: Nur meine Eltern.

F: Wo hält sich Ihre Schwester auf?

A: In Baku.

F: Kennen Sie die genaue Wohnadresse?

A: Nein. Sie ist vor kurzem umgezogen.

F: Wo hält sich Ihre Großmutter mütterlicherseits?

A: Sie wohnt in XXXX , nicht weit von meinen Eltern entfernt.

F: Kennen Sie die genaue Wohnadresse?

A: Nein.

F: Was machen Ihre Eltern beruflich?

A: Meine Eltern sind derzeit arbeitslos.

F: Was haben sie vor der Arbeitslosigkeit beruflich gemacht?

A: Mein Vater hat lange Zeit als Kurierfahrer gearbeitet. Meine Mutter war immer Hausfrau.

F: Sind Ihre Schwester und Ihre Großmutter mütterlicherseits berufstätig?

A: Meine Schwester arbeitet in Baku in einem Friseursalon. Meine Großmutter ist nicht berufstätig.

F: Haben außer den von Ihnen genannten Personen noch andere Personen in dem gemeinsamen Haushalt gewohnt?

A: In diesem Haus wohnte unter uns noch die Familie meines Onkels. In unserem gemeinsamen Haushalt lebten aber nur ich und meine Eltern.

F: Wo halten sich Ihre genannten Familienangehörigen jetzt genau auf?

A: Ja, meine Eltern, meine Schwester und meine Großmutter halten sich in Aserbaidschan auf.

F: Halten sich abgesehen von den soeben von Ihnen genannten Familienangehörigen noch andere Verwandte von Ihnen im Herkunftsstaat oder einem Drittstaat auf?

A: Nein, ansonsten habe ich keine Verwandten.

F: Halten Sie mit Ihren genannten Familienangehörigen und Verwandten Kontakt?

A: Nur mit meinen Eltern.

F: Auf welche Weise halten Sie Kontakt zu Ihren Eltern?

A: Über Whats-App und über Videoanrufe.

F: Wann hatten Sie das letzte Mal Kontakt zu Ihren Eltern?

A: Das war vor zwei Tagen.

F: In welcher Regelmäßigkeit stehen Sie in Kontakt mit Ihren Eltern?

A: Wir stehen fast täglich in Kontakt. Außer es gibt Probleme mit dem Internet.

F: Schildern Sie Ihren Lebenslauf mit den wesentlichen Stationen und den wesentlichen Details von Ihrer Geburt bis heute?

A: Nach meiner Geburt, da war ich nicht einmal ein Jahr alt, zog ich mit meinen Eltern nach Russland. Russisch war die erste Sprache, die ich gesprochen habe. Als ich sechs oder sieben Jahre alt war kehrte ich mit meinen Eltern nach Aserbaidschan zurück. Die ersten fünf Klassen habe ich die Schule in XXXX besucht, nebenbei habe ich Sport betrieben. Ich bin ein Ringer. Danach besuchte ich eine sportliche Berufsschule in Baku bis zur achten Klasse. Dann musste ich mit Arbeit beginnen. Ich kehrte nach XXXX zurück und arbeitete als Frisör in einem Friseurladen. Danach traf ich die Entscheidung hierher zu kommen.

F: Wie lange haben Sie in dem Friseurladen gearbeitet?

A: Ich habe dort fast zwei Jahre gearbeitet.

F: Ihre Angaben sind teils sehr allgemein. Schildern Sie Ihre Lebensumstände betreffend Alltag und soziales Umfeld?

A: Als ich die sportliche Berufsschule in Baku besucht habe, hatte ich ein paar Freunde. In XXXX hatte ich gar keine Freunde.

F: Haben Sie - abgesehen von Ihrer Asylantragstellung in Österreich - oder Ihre Familienangehörigen bereits jemals irgendwo einen Antrag auf int. Schutz gestellt?

A: Nein. Bis auf hier in Österreich habe ich noch nie irgendwo einen Asylantrag gestellt. Meine Familienangehörigen haben noch nie irgendwo einen Asylantrag gestellt.

F: Haben Sie in Österreich, im Bereich der Europäischen Union, in Norwegen, Island, Liechtenstein oder der Schweiz, Verwandte, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung besteht?

A: Nein.

F: Gibt es noch andere Personen hier in Österreich von denen Sie abhängig wären oder zu denen ein besonders enges Verhältnis besteht?

A: Ich bin mit einer Familie hier in der Betreuungsstelle befreundet. Ich habe diese Familie vor kurzem hier in der Betreuungsstelle kennengelernt. Ansonsten habe ich zu niemandem hier in irgendeiner Weise Kontakt.

F: Besitzen Sie Dokumente, die Ihre Identität bestätigen?

A: Nein.

F: Haben Sie jemals einen Reisepass besessen oder beantragt?

A: Ja, ich hatte einen. Ich habe den Reisepass auf dem Reiseweg verloren. Der Reisepass wurde vor ca. drei Jahren von der Ausstellungsbehörde in Baku ausgestellt.

F: Haben Sie jemals ein Visum für ein EU-Land beantragt?

A: Nein.

Anmerkung: Kurz nach der Antwort „Nein“ sagt Antragsteller wie folgt: Kleiner Moment bitte. Vor vielen Jahren wollten ich und meine Mutter ihre Freundin in Litauen besuchen. Wir haben auch die Anträge für Visa ausgefüllt. Es ist jedoch nie zu dieser Reise gekommen.

F: Warum kam es nicht zu dieser Reise?

A: Wir haben eine Voraussetzung für die Visa nicht erfüllen können. Unser Verdienst war zu gering.

F: Verfügen Sie noch über andere Dokumente oder Bescheinigungsmittel?

A: Nein.

Feststellung: Sie wurden bereits im Zuge der Erstbefragung zu Ihrem Reiseweg befragt. Entsprechen diese Angaben den Tatsachen oder haben Sie etwas zu berichtigen?

A: Die Angaben stimmen. Meinen Reiseweg habe ich sehr detailliert und genau beschrieben.

F: Schildern Sie kurz Ihren Reiseweg mit den wesentlichen Stationen vom Zeitpunkt des Verlassen Ihres Herkunftsstaates bis zum Zeitpunkt Ihrer Asylantragstellung in Österreich?

A: Ich bin mit dem Flugzeug von Baku nach Budapest geflogen. In Budapest kaufte ich ein Busticket nach Salzburg und bin nach Salzburg gefahren. Das ist schon alles.

F: Sie haben vorhin bestätigt, dass Ihre im Zuge der Erstbefragung gemachten Angaben zu Ihrem Reiseweg den Tatsachen entsprechen. In der Erstbefragung und auch jetzt haben Sie angegeben in UNGARN gewesen zu sein? Stimmen diese Angaben?

A: Ja.

F: Wie lange waren Sie in UNGARN?

A: Nur einige Stunden.

F: Woher wussten Sie, dass Sie UNGARN sind?

A: Das Ticket war für Ungarn ausgestellt. Es war klar, dass ich in Ungarn bin.

F: Wurden Sie bei der Einreise und im Zuge Ihres Aufenthaltes in UNGARN von den Behörden kontrolliert?

A: Ja. Soweit ich mich erinnere, wurde ich nach der Landung kontrolliert. Ich habe meinen Pass vorweisen müssen.

F: Haben Sie in UNGARN einen Asylantrag gestellt?

A: Nein.

F: Warum nicht?

A: Meine Priorität war Österreich.

F: Als Sie nach Österreich eingereist sind, hatten Sie da Barmittel?

A: Ja. Ich hatte ca. 130 Euro mit.

F: Wie viel Barmittel hatten Sie, als Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen hatten?

A: Da hatte ich ca. 180 bis 200 Euro.

F: Ich stelle Ihnen im Folgenden mehrere Fragen. Beantworten Sie diese Fragen nach Möglichkeit nur mit Ja oder Nein. Sie werden anschließend noch ausreichend Zeit haben, sich ausführlich zu Ihren Fluchtgründen zu äußern. Haben Sie das verstanden?

A: Ja.

F: Sind Sie in Österreich, in Ihrem Herkunftsstaat oder in einem anderen Staat vorbestraft?

A: Nein.

F: Hatten Sie in Ihrem Herkunftsstaat je Probleme mit der Polizei, dem Militär oder den staatlichen Organen?

A: Nein.

F: Hatten Sie wegen Ihrer Religion in Ihrem Herkunftsstaat je Probleme?

A: Nein.

F: Hatten Sie in Ihrem Herkunftsstaat wegen Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit je Probleme?

A: Nein.

F: Waren Sie jemals politisch tätig?

A: Nein.

F: Hatten Sie in Ihrem Herkunftsstaat aufgrund Verfolgung durch Dritte je Probleme?

A: Ja, deshalb bin ich hier.

F: Warum haben Sie nicht in einem anderen Teil Ihres Herkunftsstaates Schutz vor Verfolgung gesucht?

A: Aserbaidschan ist ein sehr kleines Land. Man würde dort überall gefunden werden.

F: Was würde mit Ihnen passieren, wenn Sie jetzt in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten?

A: Nach Angaben meines Vaters, ist mein Leben dort in Gefahr.

F: Würden Sie nunmehr die Gründe für das Verlassen Ihres Herkunftsstaates ausführlich darlegen. Versuchen Sie, Ihre Gründe nach Möglichkeit so detailliert zu schildern, dass diese für eine unbeteiligte Person auch nachvollziehbar erscheinen. Bemühen Sie sich, verständlich zu machen, wie es dazu gekommen ist, dass Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben. Was ist alles passiert? Was haben Sie alles erlebt, gesehen, gedacht, befürchtet usw.? Wann hat alles begonnen? Wie hat sich alles entwickelt bis zum Zeitpunkt, wo Sie dann aus dem Herkunftsstaat ausgereist sind? Sie haben für die Beantwortung dieser Frage jedenfalls ausreichend Zeit zur Verfügung!

A: Das Ganze hat vor ca. ein- bis eineinhalb Jahren angefangen. Als ich zum Beispiel spazieren gehen wollte, machte sich mein Vater große Sorgen. Er wollte nicht, dass ich rausgehe. Mein Vater ist ein sehr geduldiger Mensch. Er hat auch nichts erzählt. Er wirkte sehr nervös. Nur von meiner Mutter konnte ich etwas erfahren. Sie hat mir erzählt, dass mein Großvater, also der Vater meines Vaters, vor vielen Jahren mit irgendwelchen Leuten Streit hatte. Erst jetzt tauchten diese Leute auf und haben meinem Vater gedroht. Sie drohten nicht nur ihm sondern auch seiner Familie – also auch mir. Sein Vater sagte zu mir, es sei zu gefährlich hier zu bleiben. Ich musste meine Sachen packen und reiste dann aus. Ich versuchte meinen Vater zur Rede zu stellen, um zu erfahren, was passiert ist. Er hat mir keine Antwort gegeben. Das ist alles.

F: Wollen Sie noch weitere Angaben machen oder Ihr bisheriges Vorbringen ergänzen bzw. gibt es noch weitere Gründe für Ihre Antragsstellung?

A: Das, was ich gerade erzählt habe, ist der einzige Grund meiner Ausreise.

F: Gibt es noch irgendwelche weiteren Gründe aus welchen Sie Ihre Heimat verlassen haben? Irgendwelche Vorfälle, Beweggründe oder Motive, welche Sie bisher noch nicht angesprochen haben?

A: Nein. Nur was ich bereits gesagt habe.

F: Haben Sie nun sämtliche Gründe, die Sie veranlasst haben, gegenständlichen Antrag auf int. Schutz zu stellen, vollständig geschildert?

A: Ja. Ich habe alle Gründe vollständig geschildert.

Anmerkung: Die bisherige Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt. Nach erfolgter Rückübersetzung:

F: Haben Sie den Dolmetscher während der bisherigen Befragung einwandfrei verstanden?

A: Ja, einwandfrei.

F: Hat Ihnen der Dolmetscher alles rückübersetzt?

A: Ja.

F: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen gegen die bisherige Niederschrift selbst, wurde alles richtig und vollständig protokolliert?

A: Es passt alles.

Anmerkung: Die Einvernahme wird um 10.25 Uhr unterbrochen. Fortsetzung der Einvernahme um 10.35 Uhr.

F: Die von Ihnen bisher getätigten Angaben verstehe ich soweit schon ganz gut. Mir fehlen zum wirklichen Verständnis aber noch eine Reihe von Details, weshalb ich Ihnen nun noch eine ganze Reihe von Fragen zu Details, zeitlichen Abläufen und Hintergründen stellen möchte. Wir gehen Ihre bisherigen Angaben der Reihe nach durch und ich werde Sie nach Details bzw. Erklärungen zum besseren Verständnis befragen.

Haben Sie das verstanden und sind Sie dazu bereit meine Nachfragen zu beantworten?

A: Ja, ich bin bereit dazu.

F: Sie haben vorhin gesagt, dass Ihre Großmutter mütterlicherseits noch lebt. Wann sind Ihre Großeltern väterlicherseits gestorben?

A: Ich habe mich vorhin vertan. Die Großmutter mütterlicherseits lebt nicht mehr.

F: Nochmals – welche Großeltern (jeweils Großmutter und Großvater) leben noch und welche sind bereits gestorben?

A: Alle meine Großeltern - meine zwei Großväter und meine Großmutter mütterlicherseits - sind verstorben. Es lebt nur noch meine Großmutter väterlicherseits.

F: Wer ist die von Ihnen vorhin genannte Großmutter namens XXXX Jahre alt – genaues Geburtsdatum unbekannt, Staatsangehörige von ASERBAIDSCHAN.

A: Ja, das ist die Mutter meines Vaters. Sie ist meine Großmutter väterlicherseits.

F: Warum haben Sie im Zuge der bisherigen Rückübersetzung nicht korrigiert, dass es sich bei der Person XXXX um Ihre Großmutter väterlicherseits handelt und nicht um Ihre Großmutter mütterlicherseits?

A: Es ist mir nicht aufgefallen. Ich hoffe, dass wird mir nicht als Lüge ausgelegt.

F: Nochmals – bis auf Ihre Großmutter väterlicherseits XXXX leben keine Großeltern mehr von Ihnen?

A: Ja, das stimmt.

F: Wann ist Ihr Großvater väterlicherseits gestorben?

A: Mein Vater ist jetzt 49 Jahre alt. Als er aus der Armee zurückkam, da war ca. 20 oder 21 Jahre alt. Schon damals ist mein Großvater väterlicherseits verstorben.

F: Das heißt, Ihr Großvater väterlicherseits ist jetzt schon seit knapp 30 Jahren tot?

A: Ja, das stimmt.

F: Seit wann wurde Ihr Großvater väterlicherseits bedroht?

A: Davon weiß ich so gut wie nichts. Es ist schon eine sehr alte Geschichte. Mein Vater hat mir nichts erzählt. Ich weiß gar nicht, um was es dabei gegangen ist. Mein Großvater war reich. Vielleicht hängt das damit irgendwie zusammen.

F: Wer sind die Personen, von denen Ihr Großvater bedroht wurde?

A: Ich habe keine Ahnung, wer diese Personen sind.

F: Wer sind die Personen, von denen Sie bedroht werden?

A: Mir persönlich hat niemand gedroht. Ich weiß nur, dass meinem Vater gedroht wurde.

F: Wann und auf welche Weise wurde Ihrem Vater gedroht?

A: Meine Mutter hat mir erzählt, dass mein Vater öfters angerufen wurde. Sie hat auch erzählt, dass er von jemandem auf der Straße angetroffen wurde.

F: Hat es im Zuge der Bedrohungen irgendwelche Forderungen seitens der Verfolger gegeben?

A: Soweit mir bekannt ist hat es keine Forderungen gegeben.

F: Wurden Sie selbst jemals von den Verfolgern persönlich bedroht?

A: Nein.

F: Hat sich Ihr Vater oder haben Sie sich aufgrund der Bedrohung jemals an die Sicherheitskräfte gewandt?

A: Ich glaube, mein Vater hat sich an die Behörden gewandt. Soweit ich weiß, wurde er nicht ernstgenommen.

F: Wann war das und wie hat die Polizei das begründet?

A: Ich kann es nicht genau sagen, wann das war. Davon habe ich ebenfalls von meiner Mutter erfahren. Ich weiß auch nicht, was die Polizei zu meinem Vater gesagt.

F: Haben Sie sich selbst einmal wegen der Bedrohung an die Sicherheitskräfte gewandt?

A: Nein.

F: Sie haben vorhin angegeben, dass Ihr Großvater väterlicherseits seit knapp 30 Jahren tot ist. Wieso kommen die Verfolger erst jetzt wieder?

A: Davon weiß ich leider nichts. Da frage ich mich selbst warum.

F: Sie haben vorhin gesagt, dass sich Ihre Eltern, Ihre Schwester und Ihre Großmutter väterlicherseits im Herkunftsstaat aufhalten. Haben diese Personen irgendwelche Probleme oder werden sie bedroht?

A: Von meiner Schwester wissen diese Personen nichts, aber sie haben einmal schon meine Oma bei ihr zuhause aufgesucht.

F: Sie haben vorhin gesagt, Sie würden nicht wissen, wer die Verfolger sind. Woher wissen Sie dann, dass die Verfolger wiederum nicht wissen, dass Sie eine Schwester haben?

A: Meine Schwester lebt in Baku und wurde bis jetzt von niemandem bedroht. Deshalb vermute ich, dass die Verfolger nichts von ihr wissen. Außerdem ist sie nicht meine Schwester, sondern meine Halbschwester. Wir haben verschiedene Väter.

F: Sie erwähnen jetzt zum ersten Mal, nachdem Sie bereits mehrmals zu Ihren Verwandten befragt wurden und auch die entsprechenden Angaben bestätigt haben, dass Ihre Schwester genaugenommen Ihre Halbschwester ist. Was sagen Sie dazu?

A: Sie ist für mich wie eine Schwester.

F: Warum werden gerade Sie bedroht von den Verfolgern?

A: Ich habe keine Ahnung. Vielleicht weil ich der einzige Sohn meines Vaters bin.

F: Wann war das, als Ihre Großmutter väterlicherseits bei ihr zuhaue bedroht wurde?

A: Ich weiß das Datum nicht. Ich weiß nicht, wann das war.

F: Sie haben vorhin angegeben, dass Sie sich aufgrund der Bedrohung nicht an die Sicherheitskräfte gewandt haben. Warum nicht?

A: Ich dachte mir, wenn mein Vater schon bei der Polizei war und nicht ernstgenommen wurde, was würde es dann bringen, dass ich mich an die Polizei wende. Das würde auch nichts bringen.

F: Warum hat Ihnen Ihr Vater nie selbst etwas über die Verfolger und die Bedrohung erzählt?

A: Das weiß ich nicht. Ich fragte ihn mehrmals, aber er gab mir niemals eine Antwort.

F: Sie haben vorhin angegeben, dass Sie selbst persönlich noch nie bedroht worden sind und auch nicht wissen, wer die Verfolger sind bzw. welche Personen das sind und sich auch nie an die Sicherheitskräfte gewandt haben. Ist das so korrekt?

A: Ja, das stimmt.

F: Ihnen wird nun mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, Ihren Antrag auf int. Schutz gemäß §§ 3, 8 Asylgesetz abzuweisen und eine Rückkehrentscheidung zu erlassen. Wollen Sie konkrete Gründe nennen, die dem entgegenstehen?

A: Machen Sie, was Sie für richtig halten. Alles was ich weiß, habe ich Ihnen erzählt. Die Entscheidung bleibt auf Ihrem Gewissen hängen.

F: Möchten Sie, dass Ihnen die aktuellen Länderfeststellungen zu ASERBAIDSCHAN ausgefolgt werden, um dazu Stellung beziehen zu können?

A: Ich möchte die Länderfeststellungen haben.

Anmerkung: Ihnen werden die Länderfeststellungen zu ASERBAIDSCHAN ausgefolgt, sowie der maßgebliche Inhalt kurz erläutert und werden Sie auf die Möglichkeit zur umfassenden Stellungnahme in der zweiten Einvernahme (Parteiengehör) vor dem BFA hingewiesen. Mit Ihrer Unterschrift der niederschriftlichen Einvernahme bestätigen Sie auch, dass Sie die Länderfeststellungen erhalten haben.

F: Wollen Sie noch etwas angeben, was Ihnen besonders wichtig erscheint?

A: Ich möchte nur zur Länderinformation sagen, dass, was da drinnen steht, steht nur auf dem Papier. Die Wirklichkeit sieht aber anders aus.

F: Wurde Ihnen ausreichend Zeit eingeräumt, Ihre Angaben vollständig und so ausführlich wie Sie es wollten zu machen?

A: Ja.

Anmerkung: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt. Nach erfolgter Rückübersetzung:

F: Haben Sie den Dolmetscher während der gesamten Befragung einwandfrei verstanden?

A: Ja, einwandfrei

F: Hat Ihnen der Dolmetscher alles rückübersetzt?

A: Ja.

F: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen gegen die Niederschrift selbst, wurde alles richtig und vollständig protokolliert?

A: Es passt alles.

I.2.3. Am 10.12.2018 brachte die bP 2 wiederum vor der bB einvernommen vor:

F: Verstehen Sie den anwesenden Dolmetscher?

A: Ja, einwandfrei.

F: Liegen Befangenheitsgründe oder sonstigen Einwände gegen die anwesenden Personen vor?

A: Nein.

F: Werden Sie im Asylverfahren durch einen Rechtsanwalt oder durch eine andere Person oder eine Organisation vertreten?

A: Nein.

F: Fühlen Sie sich psychisch und physisch in der Lage, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten?

A: Ja. Ich habe zwar Zahnschmerzen, aber ich kann der Einvernahme ohne Probleme folgen.

Anmerkung:

Der ASt. erklärt auf konkrete Nachfrage hin, dass ihm die allgemeinen Informationen bereits zur Kenntnis gebracht wurden.

Anmerkung:

Dem ASt. wird die vor der EASt-West am 28.11.2018 gemachte Niederschrift, welche seine Unterschrift trägt, vorgelegt.

F: Sind die von Ihnen im Rahmen der ersten Einvernahme gemachten Angaben richtig und halten Sie diese aufrecht?

A: Ich habe alles richtig gesagt und halte die Angaben aufrecht. Ich möchte aber etwas hinzufügen. Ich habe eine Geschichte von meinem Vater erfahren und das möchte ich Ihnen erzählen.

F: Möchten Sie bezüglich der oa. Einvernahme Korrekturen oder Ergänzungen vorbringen?

A: Ja, es ist richtig. Ich möchte Ihnen die Geschichte erzählen, warum ich hier hergekommen bin. Meine Personalien sowie die Namen von meinen Verwandten habe ich richtig angegeben. Es ist die Geschichte, die schon sehr lange her ist und mit meinem Fluchtgrund zu tun hat. Sie werden sehr lange schreiben müssen.

F: Verstehe ich Sie richtig: Die von Ihnen im Rahmen der ersten Einvernahme gemachten Angaben sind richtig und Sie halten diese aufrecht. Sie möchten aber dazu Ergänzungen anfügen. Ist das korrekt?

A: Ja, das stimmt.

F: Was möchten Sie ergänzen?

A: Das ist eine alte Geschichte. Das hat mit meinem Großvater zu tun. Der Feind meines Großvaters. Ich habe vor kurzem mit meinem Vater telefoniert und habe ihn gebeten, mir diese Geschichte zu erzählen. Mein Großvater väterlicherseits war vor vielen Jahren stellvertretender Direktor einer Tabakfabrik in XXXX . Zu einer Feier hat sich der Vorstand der Fabrik versammelt. Einige von ihnen haben ihre Freunde eingeladen. Unter diesen Freunden war auch ein Mann namens XXXX . Er war ungefähr so alt wie mein Großvater. Dieser XXXX erzählte, dass er eine Restaurantkette in St. Petersburg besitzt. Es reichte ihm aber nicht. Er wollte nämlich noch eine Tabakfabrik in St. Petersburg eröffnen. Mein Großvater und dieser Said haben sich geeinigt. Etwas später wurde eine Tabaklieferung in Höhe von 10.000 bis 15.000 Manat (Anm.: Landeswährung) nach St. Petersburg geliefert. Dieses Geschäft lief gut. Dann hat sich ein Vorfall ereignet. Mein Großvater wollte mit seinem Freund eine Hotelkette in ganz Aserbaidschan eröffnen. Mein Großvater und sein Freund haben diesen XXXX eingeladen und sie haben sich in Baku getroffen. Mein Großvater hat XXXX gefragt, ob er ihm das Geld für die Hotelkette geben kann. Es waren 900.000 Manat. Dieser XXXX hat die Geldsumme zur Verfügung gestellt. Etwas später stellte sich heraus, dass der Freund meines Großvaters dieses Geld im Casino verspielt hat. Als dieser XXXX davon erfahren hat, dass das Geld weg ist, setzte er meinem Großvater und dem Freund, der das Geld verspielt hat, eine Frist um das Geld zurückzuzahlen. Sie konnten aber diese Summe nicht rechtzeitig zurückzahlen und haben dann Drohungen bekommen. Sie haben aber diese Drohung nicht ernstgenommen. Sie haben sich gar nicht an die Polizei gewandt. Etwas später wurde der Sohn vom Vorsitzenden der Tabakfabrik tot unter einer Brücke aufgefunden. Die Polizei sagte, es sei ein Selbstmord gewesen. Kurze Zeit später wurde der Sohn des Freundes - der Freund, der das Geld verspielt hat - meines Großvaters tot in seinem Büro aufgefunden. Er wurde erhängt. Er hatte Körperverletzungen. Die Polizei hat diese Sache schnell eingestellt. Das war 1990. Zu diesem Zeitpunkt diente mein Vater in der Armee in Deutschland. In dieser Zeit ist auch mein Großvater verstorben. Er ist in seinem Büro, angeblich wegen Herzproblemen, gestorben. Dann kehrte mein Vater aus der Armee zurück. Zu diesem Zeitpunkt reiste bereits ein Onkel von mir nach Russland aus. Das ist der Bruder meines Vaters. Als mein Vater aus der Armee zurückkehrte sagte ihm meine Großmutter, er solle ebenfalls nach Russland fahren. Das hat mein Vater dann auch gemacht. Etwas später reiste der andere Onkel mit meiner Großmutter auch nach Russland aus – also die gesamte Familie. Mein Vater lebte vier oder fünf Jahre lang in Russland. Meiner Großmutter ging es damals nicht gut. Sie dachte, sie würde sterben. Sie wollte deshalb nach Aserbaidschan zurückkehren. Deshalb reiste sie mit meinem Vater in die Heimat zurück. Dann lernte mein Vater meine Mutter kennen. Dann kam ich zur Welt. Wie ich bereits erzählte, ich war nicht einmal ein Jahr alt, da reisten wir nach Russland aus. Als ich sechs oder sieben Jahre alt war, kehrten wir nach Aserbaidschan zurück und konnten dort ohne Probleme bis zuletzt leben. Ich glaube, das war alles. Ich habe auch schon erzählt, dass mein Vater sich an die Polizei gewandt hat. Er bekam aber keine Hilfe. Wie ich bereits erzählt habe, wurde meine Großmutter von Unbekannten aufgesucht und meinem Vater wurde auf der Straße gedroht. Mir persönlich wurde nicht gedroht. Mein Vater hat es für richtig erachtet, mich ins Ausland zu schicken. Beim letzten Telefonat sagte mein Vater, dass er sich Sorgen um mich und um meine Mutter macht. Er hat vor, auch ins Ausland zu fahren. Er will entweder nach Georgien, Ukraine oder Russland.

Anmerkung: Während Antragsteller die Angaben vorbringt, blickt er fast durchgehend auf die von ihm mitgebrachte Ladung zu dieser Einvernahme.

F: Diese von Ihnen soeben gemachten Angaben haben Sie von Ihrem Vater erfahren. Wann hat Ihr Vater Ihnen das mitgeteilt?

A: Das war vor zwei oder drei Tagen, als ich ihn angerufen habe.

F: Warum hat Ihnen Ihr Vater jetzt plötzlich diese Geschichte erzählt. In der ersten Einvernahme haben Sie angegeben, dass Ihr Vater Ihnen nie erzählt hätte, warum Sie sich eigentlich in Gefahr befinden. Was sagen Sie dazu?

A: Der Rechtsberater hat mir empfohlen, die Geschichte hier zu erzählen. Deshalb habe ich meinen Vater angerufen und darauf bestanden, dass er mir erzählt, was vorgefallen ist.

F: In der ersten Einvernahme haben Sie angegeben, Sie hätten Ihren Vater mehrmals gefragt, warum Sie konkret in Gefahr seien und er hätte Ihnen nie erzählt warum, da er sehr verschlossen wäre. Nochmals - warum hat Ihnen Ihr Vater jetzt auf einmal die ganze Geschichte so ausführlich erzählt?

A: Weil ich meinem Vater gesagt habe, es besteht die Gefahr, dass mein Antrag hier einfach abgelehnt wird. Ich sagte auch, dass ich dann nach der Ablehnung nach Aserbaidschan geschickt werden kann.

F: Sie haben vorhin sehr ausführlich geschildert, was Ihnen Ihr Vater vor ein paar Tagen telefonisch mitgeteilt hat. Sie sind jedoch nie persönlich bedroht worden. Ist das korrekt?

A: Ja, das ist korrekt. Ich persönlich wurde nie von jemandem aufgesucht und bedroht.

V: Sie haben in der Einvernahme vom 28.11.2018 mehrmals danach befragt, ob Sie sämtliche Gründe für Ihre Asylantragstellung genannt haben, angegeben, dass Sie alle Ihre Gründe genannt haben und keine weitere Gründe haben. Bis auf die von Ihnen in dieser Einvernahme geschilderten Ergänzungen, die Ihnen Ihr Vater vor ein paar Tagen telefonisch mitgeteilt hat, haben Sie auch keine neuen Gründe. Ist das korrekt?

A: Ja, das ist korrekt. Nur das, was mir mein Vater mitgeteilt hat. Wenn Sie für diese Geschichte Beweismittel brauchen, dann hat mein Vater gesagt, er kann zum Stadtarchiv gehen und Unterlagen besorgen, die bestätigen, dass mein Großvater tatsächlich im Vorstand einer Tabakfabrik beschäftigt war.

F: Möchten Sie eine Stellungnahme zur beabsichtigten Vorgangsweise des BFA (Anm. Abweisung des Antrages auf int. Schutz; Abweisung des Antrages auf subsidiären Schutz; Rückkehrentscheidung aus dem österr. Bundesgebiet nach ASERBAIDSCHAN) abgeben?

A: Wie ich bereits erwähnt habe, haben meine Eltern vor Aserbaidschan zu verlassen. Falls ich nach Aserbaidschan zurückgeschickt werde, bleibe ich dort ganz alleine. Mein Vater hat mir Österreich empfohlen. Er ist der Meinung, dass Österreich eines der besten Länder ist, wo die Menschenrechte gewahrt werden. Ich hoffe, dass das, was mein Vater gesagt hat und dass das, was mein Vater gesagt hat, stimmt und ich hoffe auf Ihre Ehrlichkeit und Ihr Gewissen.

F: Möchten Sie zu den Ihnen im Zuge der Einvernahme vom 28.11.2018 ausgefolgten aktuellen Länderfeststellungen zu ASERBAIDSCHAN eine Stellungnahme abgeben?

A: Nein.

F: Wollen Sie noch etwas angeben, was Ihnen besonders wichtig erscheint?

A: Nein.

F: Wurde Ihnen ausreichend Zeit eingeräumt, Ihre Angaben vollständig und so ausführlich wie Sie es wollten zu machen?

A: Ja, vollkommen.

Frage an Rechtsberatung: Ist für die Rechtsberatung noch etwas offen?

A: Nein.

Anmerkung: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt. Nach erfolgter Rückübersetzung:

F: Haben Sie den Dolmetscher während der gesamten Befragung einwandfrei verstanden?

A: Ja, einwandfrei.

F: Hat Ihnen der Dolmetscher alles rückübersetzt?

A: Ja, alles passt.

F: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen gegen die Niederschrift selbst, bzw. wurde alles richtig und vollständig protokolliert?

A: Es passt alles.

I.2.4. Nachdem der Antrag der bP 2 von der bB abgewiesen worden ist, reiste die bP 1 ein und brachte vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 20.01.2020 im Wesentlichen Folgendes vor:

Während der Zugfahrt von Wien nach St. Pölten sind mein aserbaidschanischer Reisepass und Personalausweis verloren gegangen.

F: Sie haben ein aufrechtes und gültiges Schengen-Visum C von Ungarn beantragt ist das korrekt? Warum sind sie nach Österreich weitergereist?

A: Mein Ziel war immer Österreich, aber ein Schengen-Visum von Österreich ist schwieriger zu bekommen als ein ungarisches.

11. Warum haben Sie ihr Land verlassen (Fluchtgrund): (Die Befragung ist durch den Antragsteller in eigenen Worten abschließend zu beantworten, ohne zu hinterfragen [Wer, Wann, Was, Wo, Wie, Wieso]) Mein Vater war ein großer Geschäftsmann und wurde von anderen sowjetischen Geschäftsmännern bedroht. Ich glaube sie haben ihn umgebracht, aber ich kann es nicht beweise. Angeblich ist er an Herzversagen verstorben. Nach seinem Tode wurde ich von einem anderen angeblichen Geschäftsmann mit dem Namen „ XXXX “ bedroht. Er sagte mir, dass mein Vater ihm und weiteren Geschäftsmänner hohe Geldsummen schulde. Ich sollte ihnen ca. 800 000- 900 000 russische Rubel bezahlen. Jetzt ist es sicher um die halbe Million Euro, die sie von mir wollen. Sie schickten immer wieder Kontaktmänner und forderten das Geld ein, aber immer mit stärkeren Bedrohungen. Ich habe ihnen schon ca. 25.000,- Euro bezahlt. Ich habe kein Geld mehr und habe Angst, dass ich von diesen Leuten umgebracht werde. Deshalb habe ich schon vor ca. 1 Jahr meinen Sohn weggeschickt und jetzt habe auch ich mich entschlossen aus Aserbaidschan zu fliehen.

F: Warum haben sie ihre Ehefrau nicht mitgenommen?

A: Ich hatte nicht so viel Geld weil es sehr teuer ist.

Das sind alle meine Flucht-und Asylgründe. Weitere Gründe habe ich keine.

I.2.5. Die bP 1 brachte vor der belangten Behörde am 16.07.2020 zum Fluchtgrund im Wesentlichen Folgendes vor:

„(…)

VP: Meine Muttersprache ist zwar Aseri, aber wie die Erfahrung meiner ersten Einvernahme gezeigt hat, verstehe ich Dolmetscher besser bei Verwendung der russischen Sprache. Ich ersuche daher, in Russisch einvernommen zu werden.

(Anm.: Der anwesende Dolmetscher ist beim BFA für Aseri, Russisch und Türkisch zugelassen, dem Ersuchen der Verfahrenspartei kann daher entsprochen werden)

LA: Verstehen Sie den Dolmetscher?

VP: Ja.

LA: Wenn Sie eine Pause machen möchten, dann sagen Sie das bitte – wir können jederzeit eine machen, das ist kein Problem!

VP: Okay, danke.

LA: Ich vermute, Sie sprechen schon ein wenig Deutsch – ich weise darauf hin, dass wir dennoch die Einvernahme in Ihrer Muttersprache durchführen, weshalb ich Sie bitte, jeweils die Übersetzung durch den Dolmetscher abzuwarten und auch in Ihrer Muttersprache zu antworten!

VP: Okay, einverstanden.

Die anwesenden Personen werden vorgestellt und deren Funktion/Aufgabe im Verfahren dargestellt.

Die Verfahrenspartei wird darauf hingewiesen, dass sie im Fall von Verständigungsschwierigkeiten jederzeit rückfragen kann.

Der Grund der Einvernahme wird der Verfahrenspartei erläutert.

LA: Welche Sprachen sprechen Sie?

VP: Aseri, Russisch und Türkisch. In russischer Sprache habe ich meine Schulausbildung gemacht, deshalb sehe ich Russisch als meine Muttersprache.

LA: Liegen Befangenheitsgründe oder sonstige Einwände gegen die anwesenden Personen vor?

VP: Nein, keine Einwände.

LA: Fühlen Sie sich heute psychisch und physisch in der Lage, Angaben zu Ihrem Asylverfahren zu machen?

VP: Kein Problem, ich bin ein starker Mann, ich fühle mich gut, ich kann Ihre Fragen beantworten.

LA: Wie geht es Ihnen gesundheitlich? Sind Sie in ärztlicher Behandlung, nehmen Sie irgendwelche Medikamente?

VP: Ich fühle mich sehr gut. Ich brauche keinen Arzt und keine Medikamente.

LA: Sie werden darauf hingewiesen, dass Ihre Angaben im Asylverfahren vertraulich behandelt und nicht an die Behörden Ihres Heimatlandes weitergeleitet werden.

VP: Verstanden. Ich habe aber von anderen, v. a. türkischen Asylwerbern gehört, dass doch Informationen aus dem Interview herausgeflossen sind.

Über die Rechtsfolgen und der im Allgemeinen nicht möglichen Einbringung neuer Tatsachen in dem Fall, dass Ihrem Ersuchen um Gewährung von internationalem Schutz vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht nachgekommen wird (Neuerungsverbot), werden Sie hiermit ebenfalls hingewiesen.

Die wahrheitsgemäßen Angaben aller Umstände zu Ihrem Asylantrag und die Vorlage vorhandener Dokumente, Beweismittel sind Teil Ihrer Mitwirkungspflicht im Verfahren.

Auf die Folgen einer wahrheitswidrigen Aussage und der damit verbundenen allenfalls für Sie nachteilig verlaufenden Glaubwürdigkeitsprüfung werden Sie ausdrücklich hingewiesen. Falsche Angaben Ihre Identität bzw. Nationalität betreffend und der damit erschlichene Bezug von Sozialleistungen aller Art durch Verzögerung des Verfahrens können strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Täuschungen über die Identität, die Nationalität oder über die Echtheit von Dokumenten können zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer rechtzeitig eingebrachten Beschwerde führen.

Ebenso werden Sie erneut auf Ihre Mitwirkungspflichten gem. § 15 AsylG 2005 und § 13 BFA-VG und auf die Folgen einer allfälligen Verletzung der Mitwirkungspflichten hingewiesen.

LA: Werden Sie im gegenständlichen Verfahren vertreten?

VP: Nein. Ich brauche keinen Anwalt.

LA: Sind Sie damit einverstanden, dass die Behörde im Falle von Verfahrensrelevanz in bereits erhobene oder auch künftig zu erhebende ärztliche Befunde, Berichte, etc., Einsicht nimmt bzw. ebensolche in Auftrag gibt?

VP: Ja, ich bin damit einverstanden.

LA: Haben Sie im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht? Wurden diese korrekt protokolliert und Ihnen auch rückübersetzt?

VP: Die Erstbefragung war sehr kurz, ich habe die Wahrheit gesagt, aber es gab Ungenauigkeiten in der Kommunikation mit dem Dolmetscher, da er Türkisch und ich Aserbaidschanisch sprach. Er hat mich nicht immer genau verstanden, und ich ihn auch nicht.

LA: Was für Ungenauigkeiten? Wollen Sie gleich etwas richtigstellen?

VP: Ich denke, im heutigen Interview werden wir ohnehin alles vervollständigen.

LA: Haben Sie Beweismittel oder Unterlagen, die Sie heute vorlegen möchten?

VP: Ja, ich lege vor:

? Exemplar der aserbaidschanischen Zeitung „ XXXX , beinhaltend einen Artikel (Gedicht) meines Sohnes;

? Buch der Tabakfabrik in XXXX (Heimatstadt der VP), mit Foto meines Vaters, der Vizedirektor dieser Tabakfabrik war;

? Buch des Staats Aserbaidschan, mit Foto meines Vaters als Vizedirektor der Tabakfabrik;

? Foto der Erste-Mai-Feier, ca. 1986, in der Stadt XXXX , auf dem mein Vater zu sehen ist;

? Foto in Moskau 1982, zeigt mich und meinen Vater;

? Foto meines Vaters, eines Freundes von ihm und dessen Sohn vor der Eremitage in St. Petersburg, vermutlich 1985, 1986, oder noch früher;

? Foto meines Vaters vom 26.01.1989, kurz vor seinem Tod, vor dem Denkmal eines berühmten sowjetischen Schriftstellers, irgendwo in Russland, ich weiß nicht genau wo;

? Foto von mir und meiner Familie 1978 in der Stadt XXXX in Russland;

? Foto von 1954, ebenfalls in XXXX , es zeigt meine Großeltern mütterlicherseits, meine Mutter, und meinen Onkel;

? Zwei Gruppenfotos meines Vaters mit unbekannten weiteren Personen in der Stadt XXXX in Russland, etwa 1989;

? Ein Foto von mir im Alter von etwa vier Jahren, aufgenommen in XXXX ;

? Ein Foto von mir, als ich die 10. Klasse besuchte, ebenfalls aufgenommen in XXXX ;

? Foto meines Sohnes vom XXXX .2018, aufgenommen anlässlich einer Hochzeit in Baku, die er als Gast besuchte;

? Schreiben der Schule, eine Art Referenz, über mich, vom XXXX ;

? Schreiben der Kommunistischen Partei, ebenfalls eine Art Referenz für mich, vom XXXX ;

? Schreiben der Tabaktrafik in XXXX , wo ich ein Praktikum absolvierte, vom 05.08.1988.

Das ist alles, was ich vorlegen möchte.

Zu dem Zeitungsartikel möchte ich erzählen, dass mein Sohn nur bis zur sechsten Klasse die Schule besucht hat, dann musste ich ihn wegen meiner Probleme aus der Schule nehmen. Er ging dann in eine spezielle, geschlossene Sportschule für zwei Jahre. Diese Zeitung ist vom XXXX .2018, und ich habe ihn am XXXX .2018 nach Österreich geschickt. Dies ist mein einziger Sohn, ich war immer streng zu ihm. Und dieses Gedicht hat mein Sohn über WhatsApp einer Freundin geschickt, und diese Freundin hat es weiter zu einem Bekannten geschickt, der Redakteur dieser Zeitung war. Ich habe immer meinen Sohn unter meiner Kontrolle gehalten,

aber ich habe ihm nicht gesagt, welche Probleme wir haben. Er wusste nichts von diesen. Ich habe ihm quasi seine ganze Freiheit weggenommen, weil er nie viel machen durfte, und am Ende hat es ihm gereicht, und dann habe ich ihn nach Österreich geschickt. Erst am Flughafen habe ich meinem Sohn gesagt, was für Probleme wir haben. Ich habe ihm alles darüber erzählt, als er schon das Flugticket nach Österreich in der Hand hatte.

Das ist alles, zum Gedicht kann ich noch sagen, dass sich mein Sohn mir gegenüber beweisen wollte. Das wollte er mit diesem Gedicht sagen. In letzter Minute zu Hause noch hat er mir diese Zeitung gegeben. Ich wusste vorher nicht, dass sich mein Sohn als Schriftsteller betätigt. Meine Frau wusste es, aber ich nicht. Mein Sohn hatte Angst gehabt, ich würde ihm das auch verbieten.

LA: Wie heißen Sie und wann sind Sie geboren?

VP (schreibt auf): XXXX .

LA: Geben Sie bitte Ihre Telefonnummer und Mailadresse an.

VP: Ich habe zwar eine österreichische Telefonnummer, aber ich weiß sie nicht auswendig.

(sucht in seinen Papieren, findet die Tel.-Nr., schreibt auf): + XXXX

LA: Welcher Religion und welcher Volksgruppe gehören Sie an?

VP: Ich gehöre zu keiner Religion, und ich fühle mich auch keiner Volksgruppe zugehörig. In meiner Kindheit habe ich in der Bibel und im Islam gelesen, ich weiß das alles, aber ich gehöre zu keiner Religion. Für mich ist das nicht entscheidend. Ich bin ein Mensch.

LA: Welche Schulausbildung haben Sie absolviert?

VP: 1978 habe ich in der Stadt XXXX , zu besuchen begonnen. 10 Klassen bin ich dort zur Schule gegangen, bis 1988. Es ist eine mittlere Schule.

LA: Haben Sie nach der Schule noch eine Berufsausbildung erhalten?

VP: Ich habe 1988, gleich nach der Schule, meine Unterlagen an die ökonomische Universität XXXX , geschickt. Ich habe dort drei Prüfungen abgelegt, zwei habe ich bestanden, zur dritten bin ich nicht mehr angetreten, wegen der Probleme meines Vaters.

Nachgefragt: Eine Berufsausbildung im formellen Sinn habe ich nicht absolviert. Ich lerne selbst, quasi als Autodidakt.

LA: Womit haben Sie in Ihrem Heimatland bisher Ihren Lebensunterhalt bestritten?

VP: Ich habe in Aserbaidschan sowohl offiziell als auch inoffiziell gearbeitet. Ich habe viele Angebote bekommen, und so habe ich auch inoffiziell gearbeitet, und davon habe ich gelebt.

Ich war sehr wenige Zeit in Aserbaidschan, die meiste Zeit habe ich in Russland gelebt.

Nachgefragt: Ein Job von mehreren, die ich mache, ist, dass ich mich mit Diagnostik beschäftige, also mit gesundem Leben, Bioresonanz, u. Ä.; und als Verkäufer, aber nicht in einem Geschäft, sondern aus einem Lager, wenn es nicht verkauft wurde. Das habe ich in meinem Blut, das ist meine Begabung. Im Allgemeinen habe ich in vielen Bereichen gearbeitet. U. a. habe ich mit Autoteilen gehandelt, und in der XXXX in deren XXXX war ich tätig, dort habe ich erfolgreich Motoröl einer spanischen Marke, XXXX , entwickelt, d. h. ich habe diese zur Nummer Eins in Aserbaidschan gemacht.

LA: Wie würden Sie die wirtschaftliche/finanzielle Situation Ihrer Person bzw. Ihrer Familie zuletzt im Heimatland gemessen am landesüblichen Durchschnitt bewerten?

VP: Uns hat das Geld gereicht. Ich bin ein Mensch, der immer arbeitet. Es gab Zeiten, da verdiente ich mehr, und solche, wo ich weniger bekam. Aber insgesamt hat das Geld immer gereicht. Wir haben normal gelebt.

Meine Frau ist Schullehrerin für Klavier, sie verdient auch Geld in unserer Familie. Ich hatte sogar ein Auto in Aserbaidschan, und unser Lebensstandard war normal.

[Pause von 10:41 Uhr bis 10:57 Uhr]

LA: Alles okay bei Ihnen? Können wir weitermachen?

VP: Ja, bitte.

LA: Wo haben Sie zuletzt in Aserbaidschan gelebt?

VP: In Baku. Im XXXX .

LA: Mit wem zusammen haben Sie denn dort gelebt?

VP: Mit meiner Frau.

LA: War das gemietet oder hat das Ihnen gehört?

VP: Wir waren dort als Mieter. Ich habe nur ein Haus in der Stadt XXXX , sonst habe ich kein Haus.

LA: Sie sind verheiratet. Sagen Sie mir bitte den Namen und das Geburtsdatum Ihrer Ehefrau, und wann und wo Sie geheiratet haben?

VP: Meine Frau ist XXXX , und wir haben im Jahre 1996 standesamtlich in der Stadt XXXX geheiratet.

LA: Haben Sie außer Ihrem in Österreich auf haltigen Sohn noch weitere Kinder?

VP: Ich selbst nicht, aber meine Frau hat aus einer früheren Ehe noch einen Sohn und eine Tochter. Der Sohn meiner Frau hat nicht bei uns gelebt, sondern bei seinem Vater. Ihre Tochter, geb. 1980, lebte aber mit uns zusammen.

LA: Haben Sie noch Familienangehörige in Aserbaidschan?

VP: Natürlich, meine Mutter, zwei Brüder, und weitere Verwandte.

LA: Ihre Ehefrau hält sich auch noch in Aserbaidschan auf?

VP: Ich kann nicht sagen, wo sie jetzt ist, aber nicht in Aserbaidschan.

Nachgefragt: Ich weiß, wo sie ist, aber ich kann das nicht sagen.

LA: Warum nicht?

VP: Wegen meiner Probleme kann ich das nicht sagen.

LA: Haben Sie noch Kontakt zu Ihren Verwandten, also zu Ihren Brüdern und zu Ihrer Mutter, in Aserbaidschan?

VP: Nur mit meiner Mutter, nicht so regelmäßig, nur ab und zu.

LA: Wann haben Sie zuletzt mit Ihrer Mutter gesprochen?

VP: Ich bin schon seit sechs Monaten in Österreich, und ich habe nur einmal mit ihr videotelefoniert, das war ca. vor einem Monat.

LA: Warum haben Sie keinen Kontakt zu Ihren Brüdern?

VP: Wir haben unsere innerlichen Probleme, und, wie man bei uns sagt: wenn man schwierige Zeiten hat, sieht man, wer wer ist.

Nachgefragt: Wir haben einfach keinen Kontakt miteinander.

LA: Haben Sie Kontakt zu Ihrer Ehefrau?

VP: Ja.

Nachgefragt: Regelmäßig, jeden Tag.

LA: Haben Sie oder hat Ihre Familie irgendwelche Besitztümer in Ihrem Heimatland, z.B. Häuser, Grund?

VP: Ich habe nur ein Haus, das ich von meinem Opa geerbt habe, das ist 130 Jahre alt. Ansonsten habe ich kein Eigentum.

Nachgefragt: Es ist das Haus in XXXX , von dem ich schon gesprochen habe.

LA: Was ist jetzt mit diesem Haus? Wer kümmert sich darum?

VP: Niemand kümmert sich um dieses Haus.

LA: Wann haben Sie den Entschluss zu Ihrer Ausreise aus Aserbaidschan gefasst?

VP: Zuerst habe ich meinen Sohn aus Aserbaidschan weggeschickt, und im August 2019 habe ich mich entschlossen, Aserbaidschan zu verlassen.

LA: Wann sind Sie ausgereist?

VP: Am XXXX .2020. Ich bin Richtung Georgien geflüchtet, nach Tibilissi (Anm.: Tiflis).

LA: Sind Sie alleine ausgereist aus Aserbaidschan?

VP: Ja, alleine.

LA: Warum sind Sie nicht gemeinsam mit Ihrer Frau ausgereist?

VP: Ich wusste nicht, was mich hier erwartet, deshalb konnte ich es nicht mit meiner Frau riskieren.

LA: Was würden Sie in dem Fall befürchten, wenn Sie mir den aktuellen Aufenthaltsort Ihrer Frau sagen würden?

VP: Bei uns ist es so, wenn die Rede von meiner Frau ist, ist das nur für mich. Darüber rede ich nicht. Ich möchte, dass meine Frau auch nach Österreich kommt. Aber bezüglich meiner Frau möchte ich keine Informationen geben. Ich habe Angst.

LA: Sind Sie in Ihrer Heimat oder in einem anderen Land vorbestraft bzw. haben Sie im Herkunftsland oder hier Strafrechtsdelikte begangen?

VP: Nein.

LA: Werden Sie in der Heimat von der Polizei, einer Staatsanwaltschaft, einem Gericht oder einer sonstigen Behörde gesucht?

VP: Nein. Offiziell nicht. Aber ich spüre, dass jemand nach mir sucht. Ich spüre, dass die Polizei nach mir sucht.

Nachgefragt: Nicht jeder Polizeibeamte ist korrupt, aber es gibt korrupte Polizisten in Aserbaidschan, und die können die gewünschten Informationen gegen Geld verkaufen.

LA: Wurden Sie in Ihrer Heimat jemals von den Behörden festgenommen oder verhaftet?

VP: Nein. Offiziell gibt es gegen mich gar nichts.

LA: Hatten Sie in Ihrer Heimat jemals Probleme mit den Behörden?

VP: Nein.

LA: Waren Sie in Ihrem Herkunftsstaat politisch aktiv, etwa Mitglied einer politischen Partei oder Ähnliches?

VP: In den letzten Jahren nicht. Vorher war ich in meiner Jugend aktiv, als es in der Stadt XXXX kein Wasser und keinen Strom gab, gingen wir wie viele andere auf die Straße, zu Kundgebungen gegen die Regierung.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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