TE Bvwg Beschluss 2021/8/9 I403 2244920-1

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Veröffentlicht am 09.08.2021
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Entscheidungsdatum

09.08.2021

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
AVG §68 Abs1
BFA-VG §22
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


I403 2244920-1/6E

BESCHLUSS

In dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.08.2021, Zl. XXXX erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , StA. Marokko, hat das Bundesverwaltungsgericht durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin den Beschluss gefasst:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte erstmalig am 11.11.2008 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er mit einer fehlenden Perspektive und wirtschaftlichen Problemen in Marokko begründete. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.03.2009 wurde dieser Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Marokko gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen. Der Beschwerdeführer wurde aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Marokko ausgewiesen. Der Bescheid erwuchs am 04.04.2009 unangefochten in Rechtskraft. Der Beschwerdeführer verblieb dennoch im Bundesgebiet.

2. Am 09.08.2010 wurde gegen den Beschwerdeführer von der LPD XXXX ein Aufenthaltsverbot bis 2019 erlassen. Der Beschwerdeführer verblieb dennoch im Bundesgebiet.

3. Ein weiterer Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 07.08.2017, den er damit begründete, dass ihm sein Sozialarbeiter zur Antragstellung geraten habe, wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 10.10.2017 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Zugleich wurde eine Rückkehrentscheidung (in Verbindung mit einem auf die Dauer von zehn Jahren befristeten Einreiseverbot) verhängt. Der Bescheid wurde aufgrund des unbekannten Aufenthalts des Beschwerdeführers durch Hinterlegung im Akt am 11.10.2017 zugestellt und erwuchs unangefochten in Rechtskraft. Der Beschwerdeführer verblieb dennoch im Bundesgebiet.

4. Am 09.07.2021 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Am 02.08.2021 wurde er niederschriftlich von der belangten Behörde einvernommen. In der Folge wurde gegenüber dem Fremden mit mündlich verkündetem Bescheid des BFA vom 02.08.2021 der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben.

5. Der mündlich verkündete Bescheid über die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes wurde der zuständigen Gerichtsabteilung I403 des Bundesverwaltungsgerichts am 09.08.2021 samt dem Verwaltungsakt vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das BFA hat dem Bundesverwaltungsgericht im Falle einer Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes die Verwaltungsakten unverzüglich zur Überprüfung zu übermitteln. Die Vorlage des Aktes durch das Bundesamt gilt gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 bereits als Beschwerde. Die Pflicht zur Überprüfung des verwaltungsbehördlichen Bescheides wird mit dem Einlangen der Verwaltungsakten, die das BFA zu übermitteln hat, ausgelöst (vgl. die VfSlg 19215/2010 zugrundeliegende Gesetzessystematik).

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt.

Der volljährige Beschwerdeführer ist marokkanischer Staatsangehöriger. Seine Identität steht fest. Er stammt aus Casablanca und wurde am XXXX geboren. Die marokkanische Botschaft stimmte der Ausstellung eines Heimreisezertifikates mit Verbalnote vom 18.02.2021 zu.

Der erste Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 11.11.2008 wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes (nunmehr: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) vom 20.03.2009 abgewiesen und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen; diese Entscheidung erwuchs mit 04.04.2009 in Rechtskraft. Ein weiterer Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 07.08.2017, den er damit begründete, dass ihm sein Sozialarbeiter zur Antragstellung geraten habe, wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 10.10.2017 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Zugleich wurde eine Rückkehrentscheidung (in Verbindung mit einem auf die Dauer von zehn Jahren befristeten Einreiseverbot) verhängt. Der Bescheid wurde aufgrund des unbekannten Aufenthalts des Beschwerdeführers durch Hinterlegung im Akt am 11.10.2017 zugestellt und erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

Am 09.07.2021 stellte der Beschwerdeführer im Stande der Schubhaft einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz, machte aber keine neuen Fluchtgründe geltend.

Der Beschwerdeführer leidet an keiner lebensbedrohlichen oder dauerhaft behandlungsbedürftigen Gesundheitsbeeinträchtigung, die einer Rückführung in seinen Herkunftsstaat entgegensteht.

Weder im Hinblick auf seine Person noch auf die allgemeine Lage in Marokko oder im Hinblick auf die anzuwendenden rechtlichen Bestimmungen ist seit Rechtskraft der Entscheidung über seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz eine maßgebliche Änderung eingetreten.

Der Beschwerdeführer hält sich seit 2008 in Österreich auf; eine nachhaltige Aufenthaltsverfestigung liegt dennoch nicht vor. Seit 2008 war er für einige Monate obdachlos, ansonsten immer nur in Justizanstalten oder Polizeianhaltezentren gemeldet. Einen ordentlichen Wohnsitz (au0erhalb von Straf- oder Schubhaft) hatte er zu keinem Zeitpunkt in Österreich. Der Beschwerdeführer wurde im Bundesgebiet wiederholt straffällig. Der Beschwerdeführer führt kein Familienleben in Österreich und auf dem Gebiet der Europäischen Union. Zu seinen in Frankreich lebenden Onkeln hat er keinen Kontakt.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Feststellung zur Staatsbürgerschaft und Identität des Fremden ergibt sich aufgrund seiner Identifizierung durch Interpol Rabat, welche dem BFA mit Schreiben des Bundeskriminalamtes vom 24.01.2019 zur Kenntnis gebracht wurde, und der Identifizierung durch die marokkanische Botschaft mit Schreiben vom 18.02.2021. Allerdings behauptete der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren erstmals, Staatsbürger Mauretaniens zu sein. Nachdem er dies weder in seinem ersten Asylverfahren noch im ersten Folgeantragsverfahren jemals vorgebracht hatte und zudem eine Identifizierung durch Interpol und die marokkanische Botschaft vorliegt, wird dies als reine Schutzbehauptung gewertet, um das Verfahren bzw. seine Abschiebung nach Marokko zu verzögern. Seine Behauptung in der Einvernahme am 02.08.2021, dass die Identifizierung durch die Botschaft falsch sei, ist nicht ausreichend substantiiert, um von einer mauretanischen Staatsbürgerschaft ausgehen zu können.

Die Angaben zu den bereits abgeschlossenen Asylverfahren des Fremden ergeben sich aus den vorliegenden Akten. Der Beschwerdeführer hatte in seinem ersten Asylverfahren rein wirtschaftliche Erwägungen geltend gemacht und erklärte auch im gegenständlichen Verfahren ausdrücklich, dass seine Fluchtgründe aus dem Vorverfahren nach wie vor aufrecht seien. Er wisse nicht, wie er sich in Marokko ein Leben aufbauen solle, er habe dort niemanden. Somit begründete er den gegenständlichen Folgeantrag mit jenen Gründen, die bereits Gegenstand seines rechtskräftig abweisend entschiedenen Erstverfahrens im Jahr 2009 waren. Soweit der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren plötzlich erklärte, er habe auch die mauretanische Staatsbürgerschaft, ist dies nicht glaubhaft und machte er auch keine diesbezüglichen Fluchtgründe geltend.

Änderungen in der Person des Beschwerdeführers (etwa eine schwere Erkrankung) wurden nicht behauptet.

Eine maßgebliche Änderung der Lage in Marokko seit Rechtskraft des Bescheides vom 20.03.2009 wurde ebenfalls nicht behauptet und würde eine solche auch nicht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes entsprechen. Es existieren keine Umstände, welche einer Abschiebung aus dem Bundesgebiet nach Marokko entgegenstünden. Nicht zuletzt gilt Marokko gemäß § 1 Z 9 der Herkunftsstaaten-Verordnung (BGBl. II Nr. 145/2019) als sicherer Herkunftsstaat.

Auch eine wie auch immer geartete soziale, berufliche oder integrative Verfestigung des Fremden in Österreich wurde weder behauptet noch formell nachgewiesen und erklärte er zuletzt am 02.08.2021 ausdrücklich vor dem BFA, in Österreich keine Verwandten und zu seinen Onkeln in Frankreich keinen Kontakt zu haben.

Die Wohnsitze bzw. Verurteilungen des Beschwerdeführers ergeben sich aus Auszügen aus dem ZMR und dem Strafregister, allerdings unter seinem früheren Alias-Namen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss.

Zu A) Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes:

Die in Rede stehende Norm des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 sieht vor, dass das BFA den faktischen Abschiebeschutz eines Fremden, der einen Folgeantrag gestellt hat und bei dem - wie im vorliegenden Fall - die Voraussetzungen des § 12a Abs. 1 AsylG 2005 nicht erfüllt sind, aberkennen kann, wenn drei Voraussetzungen gegeben sind: Erstens muss gegen den Fremden eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG bestehen; zweitens muss die Prognose zu treffen sein, dass der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und drittens darf die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen.

Zur Tatbestandsvoraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 ("Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG"):

Gemäß § 12a Abs. 6 AsylG 2005 bleiben Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG achtzehn Monate ab der Ausreise eines Fremden aufrecht.

In den Erläuterungen zum Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz (Bundesgesetzblatt I Nr. 87/2012) wurde zur Einführung des § 12a Abs. 6 AsylG 2005 erklärt: „§ 12a Abs. 6 entspricht dem geltenden § 10 Abs. 6 AsylG 2005. Im vorgeschlagenen Abs. 6 soll – wie bisher – klargestellt werden, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG und die Ausweisung gemäß § 66 FPG 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht bleiben. Für die Rückkehrentscheidung kann jedoch ein über die 18 Monate hinausgehender Zeitraum vorgesehen sein, wenn nämlich gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG ein längerer Zeitraum festgesetzt wird. Die aufrechte aufenthaltsbeendende Maßnahme ist Voraussetzung für den Entfall und die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes bei Folgeanträgen.“

Zur Vorgängerregelung des § 10 Abs. 6 AsylG 2005 wurde wiederum in den Erläuterungen zum Fremdenrechtspaket 2005 (BGBl. I Nr. 100/2005) festgehalten: „Mit dem neu geschaffenen Abs. 6 soll künftig ein zeitliches Element für asylrechtliche Ausweisungen festgelegt werden. Durch die Ausreise des Fremden aus dem Bundesgebiet wird eine asylrechtliche Ausweisung nicht mehr sofort konsumiert. Damit wird der zielstaatsbezogenen Ausweisung gemäß § 10 mehr Nachdruck verliehen und eine aus systematischen Gründen sachlich gerechtfertigte Abgrenzung zur fremdenpolizeilichen Ausweisung vorgenommen, welche lediglich den Auftrag enthält, das Bundesgebiet zu verlassen und sich auf keinen bestimmten Staat bezieht. Die Ausweisung soll demnach 18 Monate ab Ausreise aufrecht bleiben und erst dann als konsumiert gelten. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Ausreise freiwillig oder im Rahmen einer Abschiebung erfolgt ist. Weiters ist unbeachtlich, ob der Fremde nur einmal oder mehrmals ausgereist und wieder nach Österreich zurückgekehrt ist. Auch ein zwischenzeitlicher Aufenthalt im Herkunftsstaat schadet nicht. Selbstverständlich bleiben Ausweisungen weiterhin ohne Befristung gültig, wenn der Fremde seit Erlassung der Ausweisungsentscheidung das Bundesgebiet nicht verlassen hat. Entsprechend der bisher geltenden Praxis ist unter den Voraussetzungen des § 10 auch in den Fällen des Abs. 6 jede neue Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz mit einer Ausweisungsentscheidung zu verbinden, unabhängig davon, ob die Ausweisung zwischenzeitlich konsumiert ist. Die Frist des Abs. 6 beginnt nach jeder Ausweisungsentscheidung neu zu laufen. Die neue Regelung des Abs. 6 gilt naturgemäß auch für Ausweisungen, die zum Zeitpunkt des InKraft-Tretens dieser Bestimmung schon erlassen waren, auch wenn der Fremde zwischenzeitlich ausgereist ist. Vergleiche in diesem Zusammenhang auch die Änderungen in § 11 Abs. 1 Z 3 NAG und § 73 Abs. 1 FPG.“

Gegenständlich wurde gegen den Beschwerdeführer zuletzt mit Bescheid des BFA vom 10.10.2017, rechtskräftig mit 11.10.2017, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (in Verbindung mit einem auf die Dauer von zehn Jahren befristeten Einreiseverbot) erlassen. Seither hat der Beschwerdeführer Österreich bzw. das Gebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen, sodass gegen ihn eine nach wie vor durchsetzbare Rückkehrentscheidung vorliegt. Dies wurde im Verfahren auch nicht bestritten.

Zur Tatbestandsvoraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 ("wenn der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist"):

Im Hinblick auf die Bestimmung des § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 führen die Gesetzesmaterialien (RV 220 BlgNR 24. GP 13) aus, dass "eine Grobprüfung in Form einer Prognose über die Zulässigkeit des Antrags" zu treffen sei. Zieht man das vom Gesetz angestrebte Ziel in Betracht, den faktischen Abschiebeschutz nur für "klar missbräuchliche Anträge" beseitigen zu wollen, kann damit nur gemeint sein, dass schon bei einer Grobprüfung die (spätere) Zurückweisung des Folgeantrags auf der Hand liegt, weil sich der maßgebliche Sachverhalt nicht entscheidungswesentlich geändert hat. Nicht jeder Folgeantrag, bei dem eine (spätere) Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG in Betracht kommen könnte, berechtigt daher zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes nach § 12a Abs. 2 AsylG 2005. Es muss sich vielmehr um einen Fall handeln, in dem sich dieser Verfahrensausgang von vornherein deutlich abzeichnet. Nur dann kann auch angenommen werden, dass die Antragstellung in Wirklichkeit den Zweck verfolgt, die Durchsetzung einer vorangegangenen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundenen (rechtskräftigen) Vorentscheidung zu verhindern (vgl. VwGH 12.12.2018, Ra 2018/19/0010).

Auf einen solchen missbräuchlichen Zweck deutet - unter Bedachtnahme auf Art. 41 Abs. 1 lit. b der Verfahrensrichtlinie - etwa auch eine mehrfache Folgeantragstellung hin, wenn dieser keine substanziell neuen und eine andere Beurteilung rechtfertigenden Sachverhaltselemente zugrunde liegen (vgl. zuletzt VwGH 26.03.2020, Ra 2019/14/0079 mwH).

Der nunmehr dritte Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wird voraussichtlich zurückzuweisen zu sein, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist. Der Beschwerdeführer hat im gegenständlich Verfahren ausdrücklich erklärt, die bereits im Vorverfahren vorgebrachten Fluchtgründe aufrechterhalten zu wollen und keine neuen Fluchtgründe geltend zu machen. Auch im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand oder seine persönlichen Verhältnisse wurden keine Umstände dargetan, welche eine neuerliche, umfassende Refoulementprüfung notwendig erscheinen ließen. Auch die Situation in Marokko hat sich seit dem Vorverfahren nicht entscheidungswesentlich geändert. Es liegt somit kein gegenüber dem Vorfahren maßgeblich geänderter Sachverhalt vor. Zugleich ergibt sich auch aus dem Umstand, dass der mehrfach straffällige Beschwerdeführer erst im Stande der Schubhaft und nach Ausstellung eines Heimreisezertifikats den gegenständlichen Antrag stellte, dass der Beweggrund für die Antragstellung nicht in einem Schutzbedürfnis, sondern nur in dem Versuch, seine Abschiebung zu verhindern, gründet.

Es ist daher davon auszugehen, dass auch der nunmehr dritte Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz voraussichtlich (wie bereits sein vorhergegangener Folgeantrag) wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein wird und ist auch von einem klar missbräuchlichen Antrag auszugehen, der in Wirklichkeit den Zweck verfolgt, die Durchsetzung einer vorangegangenen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundenen (rechtskräftigen) Vorentscheidung zu verhindern (vgl. VwGH vom 26.03.2020, Ra 2019/14/0079 bis 0080)

Zur Tatbestandsvoraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 ("EMRK-Verletzung"):

In seinem ersten Asylverfahren hatte das BFA 2009 bereits ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde (§ 50 FPG). Dies wurde auch im 2017 geführten Asylverfahren bestätigt.

Auch in seinem gegenständlichen dritten Asylverfahren vor dem BFA sind keine Risiken für den Beschwerdeführer im Sinne des § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 hervorgekommen oder substantiiert behauptet worden.

Es sind auch keine wesentlichen in der Person des Beschwerdeführers liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, die eine umfassende Refoulementprüfung für notwendig erscheinen lassen würden. Eine lebensbedrohliche Situation ergibt sich durch eine Abschiebung nicht. Nicht zuletzt gilt Marokko gemäß § 1 Z 9 der Herkunftsstaaten-Verordnung (BGBl. II Nr. 145/2019) als sicherer Herkunftsstaat.

Ebenso gibt es keine Hinweise darauf, dass sich sein Privat- oder Familienleben in Österreich entscheidungswesentlich geändert hätte. Er hat keine Verwandten in Österreich und wurde mehrfach wegen Straftaten verurteilt. Zudem ist er weder am Arbeitsmarkt integriert noch verfügt er über einen ordentlichen Wohnsitz.

Im Lichte des § 22 BFA-VG und des eindeutigen Sachverhaltes hatte keine mündliche Verhandlung stattzufinden.

Da insgesamt die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes vorgelegen sind, ist der dazu mündlich verkündete Bescheid des BFA vom 02.08.2021 rechtmäßig erfolgt, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an eine Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Da die in der vorliegenden Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen klar sind und keiner Auslegung bedürfen, geht das Bundesverwaltungsgericht nicht vom Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG aus.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung faktischer Abschiebeschutz faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig Folgeantrag Identität der Sache Privat- und Familienleben real risk reale Gefahr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I403.2244920.1.00

Im RIS seit

29.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

29.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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