TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/23 I403 2243361-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.08.2021
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Entscheidungsdatum

23.08.2021

Norm

BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §66
FPG §66 Abs1
FPG §66 Abs2
FPG §70 Abs3
NAG §52 Abs1 Z1
NAG §54 Abs1
NAG §54 Abs5 Z1
NAG §54 Abs5 Z4
NAG §55 Abs3
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I403 2243361-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Ägypten, vertreten durch RA Mag. Jürgen M. KRAUSKOPF, Schottenfeldgasse 60, 1070 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.05.2021, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.08.2021 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text


.

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Ägypten, war aufgrund der Eheschließung mit einer ungarischen Staatsbürgerin in Österreich unionsrechtlich aufenthaltsberechtigt. Am 17.03.2021 informierte das Amt der Wiener Landesregierung, MA 35, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (die belangte Behörde), dass die Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht weggefallen seien, weil die Ehe vor Ablauf von 3 Jahren geschieden worden sei.

2. Die belangte Behörde informierte den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 22.04.2021, zugestellt am 27.04.2021, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet worden sei und gab ihm die Möglichkeit, innerhalb von 14 Tagen eine Stellungnahme zu seiner persönlichen Situation abzugeben, anderenfalls eine Maßnahme ohne weitere Anhörung erlassen werde. Der Beschwerdeführer gab keine Stellungnahme ab.

3. Mit Bescheid vom 14.05.2021, zugestellt am 26.05.2021, wurde der Beschwerdeführer gemäß § 66 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.). Ihm wurde gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt (Spruchpunkt II.).

4. Dagegen wurde am 07.06.2021 im Wege des Rechtsanwaltes Dr. XXXX Beschwerde erhoben und beantragt, den angefochtenen Bescheid zu beheben. Inhaltlich wurde vorgebracht, dass die Scheidung erfolgt sei, weil seine Frau von einem anderen Mann ein Kind erwartet habe; zudem wurde darauf hingewiesen, dass die belangte Behörde nicht ausreichend berücksichtigt habe, dass der Beschwerdeführer, seit er über einen entsprechenden Aufenthaltstitel verfüge, immer gearbeitet habe.

5. Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 14.06.2021 vorgelegt.

6. Am 22.06.2021 wurde bekanntgegeben, dass das Vollmachtsverhältnis zu Rechtsanwalt D. XXXX aufgelöst sei und der im Spruch genannte Rechtsvertreter bevollmächtigt sei. Es wurde in Ergänzung des Beschwerdeschriftsatzes vom 07.06.2021 beantragt, den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben, in eventu eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Dem Beschwerdeführer sei die Aufrechterhaltung der Ehe aufgrund der Untreue und Schwangerschaft seiner Ehefrau unzumutbar gewesen, seine Ausweisung stelle eine besondere Härte dar (§ 54 Abs 5 Z 4 NAG). Er habe die Scheidung in Unkenntnis der Rechtslage nicht gemeldet, sondern auf sein Aufenthaltsrecht, welches laut Aufenthaltskarte bis zum 23.03.2021 Bestand hatte, vertraut. Der Beschwerdeführer halte sich seit beinahe neun Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet auf und habe das Daueraufenthaltsrecht erworben. 2019 habe er eine in Ägypten lebende Frau geheiratet, mit welcher er inzwischen zwei Töchter habe und welche er nach Österreich holen wolle.

7. Am 12.08.2021 wurde eine mündliche Verhandlung im Beisein des Beschwerdeführers, seines Rechtsvertreters und einer Dolmetscherin für die arabische Sprache abgehalten. Die frühere Ehefrau des Beschwerdeführers wurde über eine Videokonferenz als Zeugin befragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt.

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Ägypten, seine Identität steht fest. Er ist seit 15.02.2013 mit Unterbrechungen im Bundesgebiet gemeldet und war ab dem 12.03.2013 (bis zum 17.11.2015) zunächst mit einer Aufenthaltsberechtigung als Student in Österreich aufhältig. Der Beschwerdeführer hatte in Ägypten Rechtswissenschaften studiert und wollte in Österreich das Doktorat der Rechtswissenschaften absolvieren, legte allerdings keine Prüfung ab, sondern besuchte nur einen Deutschkurs. Seit 2014/2015 besucht er die Universität nicht mehr.

Der Beschwerdeführer heiratete am XXXX .2014 eine ungarische Staatsbürgerin, die er etwa acht Monate vorher in Ungarn kennengelernt hatte. Seine Ehefrau war ab Oktober 2014 beim Beschwerdeführer gemeldet, hielt sich zunächst aber nur teilweise im Bundesgebiet auf. Im Jänner 2015 übersiedelte sie nach Österreich und begann hier zu arbeiten. Im August 2016 verbrachte der Beschwerdeführer etwa eineinhalb Monate bei seiner Familie in Ägypten; seine Ehefrau begleitete ihn nicht, zu diesem Zeitpunkt gab es bereits eheliche Probleme aufgrund kulturell/religiöser Unterscheide. Seine Ehefrau zog aus der gemeinsamen Wohnung aus. Etwa zwei Wochen später lernte sie einen anderen Mann kennen und begann mit diesem eine Beziehung. Am XXXX .2018 brachte die frühere Ehefrau des Beschwerdeführers eine Tochter zur Welt, die aus der außerehelichen Beziehung stammt.

Am 27.09.2017 wurde das Scheidungsverfahren eingeleitet, mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 11.12.2017, Zl. XXXX wurde die Ehe rechtskräftig geschieden. Beide Ehepartner wollten aufgrund der Schwangerschaft der Ehefrau (aufgrund einer außerehelichen Beziehung) die einvernehmliche Scheidung. Der Beschwerdeführer litt unter der Trennung, benötigte aber keine therapeutische oder medikamentöse Unterstützung. Der Beschwerdeführer hat inzwischen ein gutes, freundschaftliches Verhältnis zu seiner früheren Ehefrau und ihrer Familie, auch zur Tochter seiner früheren Ehefrau.

Der Beschwerdeführer lernte über seine in Ägypten lebende Schwester seine nunmehrige Ehefrau kennen und trat mit ihr zunächst telefonisch und über soziale Medien in Kontakt, etwa ab April 2018. Von 09.09.2018 bis 01.12.2018 hielt er sich in Ägypten auf; während dieses Aufenthaltes traf er seine nunmehrige Ehefrau erstmals persönlich und heiratete sie bereits wenige Tage nach seiner Ankunft, am 15.09.2018. Er besuchte sie vom 28.07.2020 bis 19.09.2020, ansonsten besteht der Kontakt telefonisch. Seine Ehefrau lebt mit den beiden gemeinsamen Töchtern (geboren am XXXX .2019 und am XXXX .2021) bei ihrer Mutter in Ägypten. Der Beschwerdeführer beantragte am 03.06.2020 einen Aufenthaltstitel für seine Ehefrau und seine Töchter und informierte im Zuge dessen die Niederlassungsbehörden über die Scheidung.

Dem Beschwerdeführer wurde aufgrund eines am 26.06.2015 eingebrachten Antrages eine vom 23.03.2016 bis zum 23.03.2021 gültige Aufenthaltsberechtigungskarte als Familienangehöriger ausgestellt. Der Beschwerdeführer brachte seinen (mit einer Zweckänderung verbundenen) Verlängerungsantrag am 17.03.2021 und damit vor Ablauf seines mit der Aufenthaltskarte bis zum 26.06.2021 dokumentierten Aufenthaltsrechts am 26.06.2021 bei der zuständigen Niederlassungsbehörde ein.

In Österreich ist der Beschwerdeführer strafgerichtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer spricht ausgezeichnet Deutsch, hat in Österreich einen Freundeskreis und ist erwerbstätig: Er war von 01.06.2014 bis 28.07.2015 geringfügig beschäftigt, dann von 05.04.2016 bis 11.07.2016 als Arbeiter, ab dem 24.08.2016 wiederum geringfügig, ehe er ab dem 20.01.2017 wiederum als Arbeiter bzw. kurzfristig als Angestellter bei verschiedenen Unternehmen beschäftigt wurde. Vom 17.03.2020 bis 23.09.2020 bezog er (mit kurzen Unterbrechungen) Arbeitslosengeld, seit Oktober 2020 steht er wieder in einem Beschäftigungsverhältnis. Aktuell arbeitet der Beschwerdeführer für zwei Unternehmen: einerseits als Fahrer für einen Lieferdienst, daneben geringfügig als Koch bzw. Pizzakoch. Er ist selbsterhaltungsfähig und bewohnt gemeinsam mit einem Freund eine Mietwohnung. Der Beschwerdeführer ist gesund und erwerbsfähig.

2. Beweiswürdigung:

Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund seines vor den österreichischen Behörden in Vorlage gebrachten – und in Kopie im Akt einliegenden – ägyptischen Reisepasses Nr. XXXX fest. Die Wohnsitzmeldungen des Beschwerdeführers und seiner früheren Ehefrau ergeben sich aus einer Abfrage im zentralen Melderegister; seine Unbescholtenheit ergibt sich aus einem Auszug aus dem Strafregister.

Die Eheschließung des Beschwerdeführers mit einer ungarischen Staatsangehörigen ergibt sich aus der in Kopie im Akt einliegenden Heiratsurkunde, die Scheidung aus dem entsprechenden Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 11.12.2017. Dass der Beschwerdeführer die Behörden davon erst im Juni 2020 informierte, ergibt sich aus dem Schreiben der MA 35 an die belangte Behörde vom 17.03.2021.

Die Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers in Österreich ergibt sich aus einem Auszug des Dachverbandes der österreichischen Sozialversicherungen und den in der Verhandlung vorgelegten Lohnzetteln.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand bzw. zur Erwerbsfähigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich daraus, dass keine gesundheitliche Einschränkung geltend gemacht wurde und der Beschwerdeführer aktuell in einem Beschäftigungsverhältnis steht.

Die näheren Umstände der Ehe, der Scheidung, des Zustandes des Beschwerdeführers nach der Trennung und des aktuellen Verhältnisses zu seiner früheren Ehefrau ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers und der als Zeugin einvernommenen früheren Ehefrau in der Verhandlung am 12.08.2021. Die Feststellungen zu seiner aktuellen Ehe ergeben sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers in der Verhandlung am 12.08.2021, der vorgelegten Heiratsurkunde und den vorgelegten Geburtsurkunden.

Das in der Aufenthaltskarte dokumentierte Aufenthaltsrecht und die Einbringung eines Verlängerungsantrages ergeben sich aus einem Auszug des Informationsverbundes Zentrales Fremdenregister (IZR). In der Beschwerdeergänzung wurde zwar behauptet, dass der Antrag bereits am 05.02.2021 eingebracht wurde, doch steht dies im Widerspruch zum IZR. Letztlich ist dieser Punkt aber nicht entscheidungsrelevant, da der Antrag jedenfalls rechtzeitig gestellt wurde.

Die guten Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers ergeben sich daraus, dass er in der Lage war, die Verhandlung in wesentlichen Teilen selbständig auf Deutsch zu führen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zur Bestätigung der Ausweisung und des Durchsetzungsaufschubs (Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides):

Der Beschwerdeführer brachte seinen (mit einer Zweckänderung verbundenen) Verlängerungsantrag am 17.03.2021 und damit vor Ablauf seines mit der Aufenthaltskarte bis zum 26.06.2021 dokumentierten Aufenthaltsrechts am 26.06.2021 bei der zuständigen Niederlassungsbehörde ein. Während des laufenden Verlängerungsverfahrens ist eine antragstellende Person bis zur Entscheidung durch die Behörde rechtmäßig in Österreich aufhältig.

§ 55 Abs. 3 NAG 2005 nimmt hinsichtlich der Einleitung eines aufenthaltsbeendenden Verfahrens nicht nur auf das Fehlen des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes aus Gründen der Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit Bezug, sondern auch auf das Fehlen des Aufenthaltsrechts, weil die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder 54 Abs. 2 NAG 2005 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht mehr vorliegen. Auf diese Bestimmung des § 55 Abs. 3 NAG 2005 nimmt auch der - die Ausweisung regelnde - § 66 FPG 2005 Bezug, der somit insoweit auch jenen Fall erfassen soll, in dem geprüft werden soll, ob für den Drittstaatsangehörigen, der über eine (Dauer-)Aufenthaltskarte verfügt, die Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht, also auch begünstigter Drittstaatsangehöriger zu sein, nicht mehr vorliegen (VwGH 18.6.2013, 2012/18/0005).

Trotz erfolgter Auflösung seiner Ehe mit einer EWR-Bürgerin und somit Nichtvorliegens der formalen Voraussetzungen des § 2 Abs. 4 Z 11 FGP (begünstigter Drittstaatsangehöriger) ist daher gegenständlich zur Beurteilung der Rechtsmäßigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Hinblick auf den Beschwerdeführer § 66 FPG anzuwenden.

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes erweist sich die gegenständliche Beschwerde als unbegründet. Dies aus den folgenden Erwägungen:

Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Ehe mit einer ungarischen Staatsbürgerin, die in Österreich von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machte, indem sie hier arbeitete, gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 NAG während aufrechter Ehe unionsrechtlich aufenthaltsberechtigt war.

Soweit in der Beschwerdeergänzung behauptet wurde, dass der Beschwerdeführer ein Daueraufenthaltsrecht erworben habe, entspricht dies nicht der Aktenlage: Nach § 54a Abs. 1 NAG erwerben Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern sind und die in § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 NAG genannten Voraussetzungen erfüllen, das Daueraufenthaltsrecht, wenn sie sich fünf Jahre ununterbrochen rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben. Der Beschwerdeführer war weniger als drei Jahre mit seiner früheren Ehefrau verheiratet. Soweit in der Beschwerdeergänzung darauf verwiesen wird, dass der Beschwerdeführer sich auch nach der Scheidung rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe, wird die Rechtslage verkannt. Der VwGH hat zwar im Erkenntnis vom 18.06.2013, 2012/18/0005 ausgesprochen, dass ein Fremder, für den eine Dokumentation eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts ausgestellt wurde, bis zum Abschluss des nach § 55 NAG vorgesehenen Verfahrens gemäß § 31 Abs. 1 Z 2 FPG rechtmäßig aufhältig bleibt. Das bedeutet aber nicht, dass auch im Aufenthaltsbeendigungsverfahren, in dem verbindlich über das Weiterbestehen der Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht entschieden wird, für die Vergangenheit in Bezug auf den Erwerb des Daueraufenthaltsrechts vom Vorliegen dieser Voraussetzungen auszugehen ist; vielmehr hat die Behörde in diesem Verfahren eigenständig zu beurteilen, bis zu welchem Zeitpunkt die Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht vorlagen und ob ausgehend davon bereits das Daueraufenthaltsrecht erworben wurde (VwGH, 15.03.2018, Ra 2017/21/0191). Dass innerstaatliche Berechtigungen insoweit irrelevant sind, hat der EuGH etwa in seinem Urteil, 08.05.2013, Alarape und Tijani, C-529/11 ausgesprochen.

Der Beschwerdeführer war daher zwar weiterhin rechtmäßig aufhältig, hat aber kein Daueraufenthaltsrecht nach § 54 Abs. 1 NAG erworben. Allerdings besteht nach § 54 Abs. 2 NAG die Möglichkeit, das Daueraufenthaltsrecht bereits vor Ablauf der Fünfjahresfrist zu erwerben und zwar in den in § 53a Abs. 4 und 5 NAG genannten Fällen; diese sind gegenständlich allerdings auch nicht erfüllt und wurde dies vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet.

Ein Aufenthaltsrecht bleibt gemäß § 54 Abs. 5 Z 1 NAG 2005 allerdings auch bestehen, wenn die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet. Diese Voraussetzung ist gegenständlich nicht erfüllt, weil zwischen der Eheschließung am XXXX .2014 und der Einleitung des Scheidungsverfahrens am 27.09.2017 weniger als drei Jahre liegen. Soweit der Beschwerdeführer in der Beschwerde geltend macht, er habe noch bis zur tatsächlichen Scheidung am XXXX .2017 mit seiner früheren Ehefrau zusammengelebt, vermag dies nichts daran zu ändern, dass der Tatbestand des § 54 Abs. 5 Z 1 NAG 2005 nicht erfüllt ist, da dieser auf die Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens abstellt; zudem bestand ein gemeinsamer Wohnsitz laut ZMR nur bis zum 02.08.2016.

Zudem brachte der Beschwerdeführer sowohl in der Beschwerde wie auch in der Beschwerdeergänzung und in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen vor, dass ihm nach § 54 Abs. 5 Z 4 NAG das von seiner früheren Ehefrau abgeleitete Aufenthaltsrecht weiterhin zukomme.

§ 54 Abs. 5 Z 4 NAG lautet:

„Das Aufenthaltsrecht der Ehegatten oder eingetragenen Partner, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft erhalten, wenn sie nachweisen, dass sie die für EWR-Bürger geltenden Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 und 2 erfüllen und

4. es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, insbesondere weil dem Ehegatten oder eingetragenem Partner wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Interessen ein Festhalten an der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft nicht zugemutet werden kann“

Der Beschwerdeführer macht geltend, dass die Scheidung erfolgt sei, weil seine frühere Ehefrau von einem anderen Mann ein Kind erwartet habe; dies wird auch von seiner früheren Ehefrau bestätigt.

Der unionsrechtliche Hintergrund des § 54 Abs. 5 Z 4 NAG ist Art. 13 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. c der Freizügigkeitsrichtlinie (RL 2004/38/EG): Danach soll der Verlust des Aufenthaltsrechts nur dann nicht eintreten, wenn „es aufgrund besonders schwieriger Umstände erforderlich ist, wie etwa bei Opfern von Gewalt im häuslichen Bereich während der Ehe oder der eingetragenen Partnerschaft“. Daran anknüpfend hielt der Verwaltungsgerichtshof in Rn. 14 des Erkenntnisses vom 15.03.2018, Ro 2018/21/0002, fest, angesichts des genannten Beispielsfalls könne es jedenfalls keinem Zweifel unterliegen, dass der - mit den Worten des BVwG (im dort angefochtenen Erkenntnis) - „typische Fall einer Ehescheidung, bei dem ein Eheteil einen anderen Partner findet“, keine „besonders schwierigen Umstände“ darstellt, aufgrund derer die Aufrechterhaltung des bisherigen Aufenthaltsrechts des Drittstaatsangehörigen „erforderlich“ gewesen wäre. Auch im Beschluss VwGH 20.8.2020, Ra 2020/21/0292 bis 0294, Rn. 13, wurde dem Vorbringen, die geschiedene (ungarische) Ehefrau des Drittstaatangehörigen „habe einen Freund gehabt, woran die Ehe gescheitert sei“, unter Bezugnahme auf das Erkenntnis Ro 2018/21/0002 erwidert, ein besonderer Härtefall werde mit dem bloßen Hinweis auf ein - sei es auch ausschließliches - Verschulden des anderen Ehepartners an der Scheidung nicht dargelegt.

In der Beschwerdeergänzung wurde argumentiert, dass sich die vorliegende Sachlage „in ihrer Schwere deutlich von einem „typischen“ Fall einer Ehescheidung, bei dem ein Elternteil einen anderen Partner findet“, unterscheide. Das Bundesverwaltungsgericht hat durchaus Verständnis für den Wunsch nach einer Ehescheidung, wenn aufgrund einer außerehelichen Beziehung ein Kind geboren wird, und auch für die mit den Umständen verbundenen schmerzlichen Erfahrungen und Gefühle des Beschwerdeführers. Es ist aber darauf zu verweisen, dass der Beschwerdeführer nicht in einem vergleichsweise besonderen emotionalen Ausnahmezustand gewesen zu sein scheint: Der Beschwerdeführer hat ein freundschaftliches Verhältnis zu seiner früheren Ehefrau, er litt zwar unter der Trennung, doch weist nichts auf einen psychischen Ausnahmezustand hin (er besuchte auch keine Therapie und musste keine Medikamente nehmen) und begann der Beschwerdeführer nur wenige Monate nach der Scheidung eine Beziehung mit einer in Ägypten lebenden Frau, die er neun Monate nach der Scheidung ehelichte. Aus Sicht der erkennenden Richterin ergibt sich daraus nicht das Bild eines langfristig nachhaltig durch die Scheidung bzw. den damit verbundenen Umständen besonders getroffenen Menschen und auch nicht der Eindruck des Vorliegens der in Art. 13 Abs. 2 lit c RL 2004/38/EG geforderten „besonders schwierigen Umstände“.

Es ist auch nicht erkennbar, inwieweit der Beschwerdeführer aufgrund seiner Ehescheidung eines besonderen Schutzes bedürfte, der es ihm erlaubt, sich weiterhin in Österreich aufzuhalten, warum also die Aufrechterhaltung des bisherigen Aufenthaltsrechts „erforderlich“ sein sollte. Vielmehr hat sich der Beschwerdeführer in der Folge an der ägyptischen Tradition orientiert und sich über Vermittlung seiner Schwester mit einer ihm nur telefonisch bekannten Frau aus seinem Heimatland verlobt. Aufgrund seiner Enttäuschung durch die Beziehung mit einer europäischen Frau wandte er sich dem ihm bekannten Kulturkreis zu. Der erkennenden Richterin ist in diesem Zusammenhang nicht ersichtlich, warum es notwendig sein sollte, den Beschwerdeführer als Folge der – für ihn zweifelsohne schmerzlichen – Scheidung von einer europäischen Frau vor einer Rückkehr in sein Herkunftsland zu schützen. Zudem hielt er sich in den letzten Jahren immer wieder für einen mehrwöchigen Zeitraum in Ägypten auf.

Soweit in der Beschwerde argumentiert wird, dass der Beschwerdeführer „in unverschuldeter Unkenntnis der Rechtslage“, insbesondere hinsichtlich der Auswirkungen auf seinen Aufenthaltstitel, zwei Monate vor Erreichen einer dreijährigen Ehedauer einen Antrag auf einvernehmliche Ehescheidung gestellt habe, ist dem entgegenzuhalten, dass es in der Verantwortung des Beschwerdeführers liegt und lag, sich in Kenntnis über die gesetzlichen Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht zu setzen. Insbesondere legt das Bundesverwaltungsgericht aber Wert darauf zu betonen, dass die Bestimmung des § 54 Abs. 5 Z 1 NAG 2005 nicht dazu dienen soll, längst zerrüttete Ehen weiterzuführen, um in den Genuss eines weiter ableitbaren Aufenthaltsrechts zu gelangen. Wenn sich ein Ehegatte zur Erteilung eines Aufenthaltstitels auf eine Ehe beruft, obwohl kein gemeinsames Familienleben iSd Art 8 EMRK geführt wird, so liegt im Übrigen eine Aufenthaltsehe vor (VwGH 27. 4. 2017, Ro 2016/22/0014); der Beschwerdeführer wäre daher schlecht beraten gewesen, die bereits zerrüttete Ehe nur weiterzuführen, um eine Verlängerung seines Aufenthaltstitels zu erreichen. Der entsprechende Beweisgrund in der Beschwerde (der Zeitpunkt der Einreichung der Scheidung aufgrund einer dem Beschwerdeführer nicht vorzuwerfenden unverschuldeten Unkenntnis der Rechtslage) spricht daher nicht für den Beschwerdeführer bzw. sein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet.

In Ermangelung einer mindestens drei Jahre andauernden Ehe und nachdem nicht von einem Härtefall iSd § 54 Abs 5 Z 4 NAG ausgegangen werden kann, liegen daher gegenständlich keine Ausnahmetatbestände vor. Da der Beschwerdeführer sein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von der Ehe mit einer freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgerin ableitete, diese Ehe aber vor Ablauf von drei Jahren geschieden wurde, kommt dem Beschwerdeführer gemäß § 55 NAG kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht mehr zu.

Der Beschwerdeführer verfügt daher über kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht mehr. Die belangte Behörde stellte im angefochtenen Bescheid auch zu Recht fest, dass der Beschwerdeführer kein Daueraufenthaltsrecht erworben habe, da er bis zur Einleitung des Scheidungsverfahrens nicht fünf Jahre kontinuierlich und rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig war (auch zwischen der Erteilung eines Aufenthaltstitels „Student“ am 12.03.2013 und der Einleitung des Scheidungsverfahrens am 27.09.2017 liegen keine fünf Jahre).

Nach § 66 Abs. 2 FPG sind bei der Erlassung einer Ausweisung gegen einen Fremden insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.

Der Beschwerdeführer hält sich zwar schon seit Anfang 2013 und damit seit achteinhalb Jahren im Bundesgebiet auf. Dies wird allerdings dadurch relativiert, dass der Beschwerdeführer die Behörde erst am 03.06.2020 über die bereits am 27.09.2017 eingeleitete und mit Beschluss vom 11.12.2017 rechtskräftige Scheidung informierte, obwohl er nach § 54 Abs. 6 NAG 2005 die Scheidung einer Ehe der Behörde unverzüglich bekannt zu geben hat.

Zudem führt der Beschwerdeführer kein Familienleben im Bundesgebiet, sondern halten sich seine Ehefrau und seine beiden Töchter in Ägypten auf. Bereits daraus ergibt sich, dass umfangreiche Bindungen nach Ägypten bestehen, zumal auch seine Geschwister dort leben und er Kontakt zu ihnen hat. Der Beschwerdeführer bestreitet auch nicht, sich noch mit der ägyptischen Kultur verbunden zu fühlen (worauf auch die Eheschließung wenige Tage nach dem ersten persönlichen Kennenlernen seiner jetzigen Ehefrau schließen lässt).

Der Beschwerdeführer hat sich aber zweifelsohne auch in Österreich integriert: Er spricht ausgezeichnet Deutsch, hat sich einen Freundeskreis aufgebaut und „mag die österreichische Kultur“, wie er in der Verhandlung erklärte. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt auch nicht, dass der Beschwerdeführer am Arbeitsmarkt integriert und selbsterhaltungsfähig ist und abgesehen von einem halben Jahr während der Covid-19-Pandemie im Wesentlichen immer beschäftigt war, doch musste dem Beschwerdeführer sein unsicherer Aufenthalt seit Einleitung des Scheidungsverfahrens im September 2017 bewusst gewesen sein. Der Beschwerdeführer kam auch seiner Verpflichtung nicht nach, seine Ehescheidung zu melden, sondern gab er diese erst bekannt, als er im Juni 2020 versuchte, für seine neue Ehefrau einen Aufenthaltstitel zu erlangen. Ansonsten wäre ein Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung bereits früher eingeleitet worden, so dass der Aufenthalt seit Ende 2017 zwar als (aufgrund der Dokumentation eines Aufenthaltsrechts) rechtmäßig angesehen werden muss, dies zugleich aber durch das Zuwiderhandeln des Beschwerdeführers gegen die in § 54 Abs. 6 NAG vorgesehene Verpflichtung, eine Ehescheidung „unverzüglich“ zu melden, relativiert wird.

Auch erfolglose Studienaufenthalte wirken sich nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes relativierend aus (VwGH 22.02.2021, Ra 2020/18/0504 und 16.07.2020, Ra 2020/21/0243): Der Beschwerdeführer war zunächst ins Bundesgebiet eingereist, um hier zu studieren, und hatte seinen Aufenthalt durch eine Aneinanderreihung von zwei befristeten Aufenthaltstiteln als Studierender gerechtfertigt – ohne allerdings entsprechende Prüfungen abzulegen und damit den zugrunde liegenden Aufenthaltszweck (im Sinne eines entsprechenden Studienerfolgs) auch nur ansatzweise zu erreichen. Unter diesem Gesichtspunkt kann aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts trotz des langen Aufenthalts und einer entsprechenden Integration nicht von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung ausgegangen werden.

Auf Basis einer im Sinne des § 9 BFA-VG vorgenommenen Interessensabwägung ist die belangte Behörde somit im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts des Beschwerdeführers sein persönliches Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher die angeordnete Ausweisung Art. 8 EMRK nicht verletzt.

Die belangte Behörde gewährte dem Beschwerdeführer im angefochtenen Bescheid im Einklang mit § 70 Abs. 3 FPG von Amts wegen einen Durchsetzungsaufschub von einem Monat. Dies wurde gegenständlich auch nicht angefochten.

Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Erlassung einer Ausweisung und die Gewährung eines Durchsetzungsaufschubes vorliegen, war die gegenständliche Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zur Anregung eines Gesetzesprüfungsverfahrens

In der Beschwerdeergänzung wurde angeregt, beim VfGH einen Antrag auf Prüfung und Aufhebung des § 54 Abs. 5 Z1 NAG, BGBl I Nr 100/2005 idF BGBl I Nr 145/2017 zu stellen: „Die gesetzliche Regelung, welche auf die Dauer des Ehelebens bzw das Datum der Einleitung eines Scheidungsverfahrens abstellt, erscheint unsachlich und gleichheitswidrig. Einerseits ist kein sachlicher Grund erkennbar, weshalb ein Aufenthaltsrecht durch den Tod des Ehegatten schon nach einjährigem Bestehen der Ehe nicht mehr erlöschen soll (§ 54 Abs 3 NAG), andererseits wird bei Abstellung auf ein Eheleben jene Zeit ausgeblendet, die ein Paar vor der Eheschließung zusammen verbringt, und die praktisch gleichwertig ist. Im vorliegenden Fall lebten der BF und Frau XXXX vor ihrer Eheschließung acht Monate zusammen, führten also eine „wilde Ehe“.

Es wird daher angeregt, das BVwG möge einen Antrag beim VfGH gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 lit a iVm Art 135 Abs 4 iVm Art 89 Abs 2 B-VG auf (i) Prüfung des § 54 Abs 5 Z 1 NAG, BGBl I Nr 100/2005 idF BGBl I Nr 145/2017 und (ii) Aufhebung der genannten Bestimmung wegen Verfassungswidrigkeit stellen, weil das Abstellen auf die Ehe aus den oben genannten Gründen gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz und das Sachlichkeitsgebot iSd Art 7 B-VG und allenfalls gegen das Determinierungsgebot iSd Art 18 B-VG zu verstoßen scheint, insbesondere zumal (i) das Gesetz hinsichtlich der erforderlichen Dauer eine nicht nachvollziehbare Differenzierung zwischen Beendigung der Ehe durch Tod bzw Scheidung/Auflösung vorsieht und (ii) das voreheliche Zusammenleben völlig außer Betracht bleibt.“

Die (teilweise bereits zitierten) § 54 Abs. 3 und 5 Z 1 NAG lauten:

„(3) Das Aufenthaltsrecht der Angehörigen gemäß Abs. 1 bleibt trotz Tod des EWR-Bürgers erhalten, wenn sie sich vor dem Tod des EWR-Bürgers mindestens ein Jahr als seine Angehörigen im Bundesgebiet aufgehalten haben und nachweisen, dass sie die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 bis 2 erfüllen.
(5) Das Aufenthaltsrecht der Ehegatten oder eingetragenen Partner, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft erhalten, wenn sie nachweisen, dass sie die für EWR-Bürger geltenden Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 oder 2 erfüllen und

1. die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet;“

Das Bundesverwaltungsgericht teilt die in der Beschwerdeergänzung geäußerten Bedenken nicht, wurden mit den eben zitierten Bestimmungen des NAG doch Art 12 Abs. 2 bzw. Art 13 Abs. 2 lit a der Freizügigkeitsrichtlinie (RL 2004/38/EG) nahezu wortgleich umgesetzt und kennt daher auch das Unionsrecht eine unterschiedliche Bewertung von Tod des Ehepartners und Scheidung bzw. von Ehe oder „wilder Ehe“. Im konkreten Fall erscheint eine unterschiedliche Behandlung der Beziehung vor der Heirat und nach der Heirat durchaus angemessen, insbesondere da die frühere Ehefrau des Beschwerdeführers vor der Eheschließung noch gar nicht dauerhaft in Österreich wohnhaft war, sondern noch zwischen Österreich und Ungarn hin- und herpendelte. Dass eine Trennung vom Ehepartner aufgrund eines Todesfalls zu anderen Rechtsfolgen führt als eine Scheidung einer Ehe, kann aus Sicht der erkennenden Richterin auch nicht als Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz oder das Sachlichkeitsgebot angesehen werden. Ein Verstoß gegen das Determinierungsgebot ist ebenfalls nicht zu erkennen, handelt es sich bei den Begriffen „Tod“, Scheidung“ und „Ehe“ doch im Gegensatz zu der in der Beschwerdeergänzung genannten „wilden Ehe“ um eindeutig determinierte Begriffe der österreichischen Rechtsordnung.

Der Anregung wird daher von Seiten des Bundesverwaltungsgerichtes nicht nachgekommen.

Zu B) Zur Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Im gegenständlichen Fall war insbesondere zu prüfen, ob ein besonderer Härtefall im Sinne des § 54 Abs. 5 Z 4 NAG vorliegt. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist ein solcher nicht gegeben, wenn von einem der Ehepartner eine außereheliche Beziehung eingegangen wird; dies würden keine „besonders schwierigen Umstände“ (im Sinne der Freizügigkeitsrichtlinie) darstellen, aufgrund derer die Aufrechterhaltung des bisherigen Aufenthaltsrechts des Drittstaatsangehörigen „erforderlich“ gewesen wäre (VwGH 15.03.2018, Ro 2018/21/0002, und VwGH 20.8.2020, Ra 2020/21/0292 bis 0294, Rn. 13).

In der Beschwerdeergänzung vom 14.06.2021 wurde behauptet, dass sich der dem gegenständlichen Fall zugrundeliegende Sachverhalt wesentlich davon unterscheide, da die frühere Ehefrau des Beschwerdeführers während aufrechter Ehe ein Kind von einem anderen Mann erwartete. Dies sei „häuslicher Gewalt psychischer Natur“ gleichzusetzen. Die erkennende Richterin folgte im gegenständlichen Erkenntnis nicht dieser Argumentation, sondern kam zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer aufgrund der Umstände der Ehescheidung keines besonderen Schutzes vor einer Aufenthaltsbeendigung bedarf.

Dennoch wird anerkannt, dass - soweit überblickbar - keine Rechtsprechung des VwGH zu einer Ehescheidung vorliegt, die aufgrund eines Kindes, das einer außerehelichen Beziehung entstammt, erfolgt ist. Im Hinblick auf die Rechtsfrage, ob unter solchen Umständen davon auszugehen ist, dass eine Scheidung ein besonderer Härtefall im Sinne des § 54 Abs. 5 Z 4 NAG ist, war die Revision zuzulassen.

Schlagworte

Aufenthaltsrecht Ausweisung Ausweisung rechtmäßig Ausweisungsverfahren Durchsetzungsaufschub Frist Gesetzesprüfung Integration Interessenabwägung mündliche Verhandlung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen Scheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I403.2243361.1.00

Im RIS seit

29.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

29.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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