TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/24 I422 2245401-1

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Veröffentlicht am 24.08.2021
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Entscheidungsdatum

24.08.2021

Norm

AsylG 2005 §3
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I422 2245401-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas BURGSCHWAIGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Rumänien, vertreten durch die BBU GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.07.2021, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Rumänien, ist seit 24.02.2020 durchgehend im Bundesgebiet hauptgemeldet.

2. Am 24.03.2020 stellte er beim Amt der XXXX Landesregierung einen Antrag auf Ausstellung einer Anmeldebescheinigung gemäß § 53 NAG zur Dokumentation seines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts für den Aufenthaltszweck "Selbständiger". Nachdem das Amt der XXXX Landesregierung nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zum Schluss gelangte, dass dem Beschwerdeführer kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zukomme, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA / belangte Behörde) gemäß § 55 Abs. 3 NAG mit einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst. Das Verfahren vor dem Amt der XXXX Landesregierung bezüglich des Antrags auf Ausstellung einer Anmeldebescheinigung wurde in weiterer Folge eingestellt.

3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 04.03.2021 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen. Zugleich wurde ihm gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt. Dieser Bescheid erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

4. Am 18.03.2021 wurde der Beschwerdeführer aufgrund eines seitens der rumänischen Behörden ausgestellten, Europäischen Haftbefehls wegen Straftaten gegen das Eigentum festgenommen und über ihn auf Grundlage von § 35 EU-PolKG die Übergabehaft verhängt.

5. Am 02.06.2021 stellte der Beschwerdeführer während seiner Anhaltung in Übergabehaft den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend gab er im Rahmen seiner am selben Tag stattfindenden Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes an, er habe seinen Herkunftsstaat Rumänien bereits im Jahr 2013 verlassen, wobei er dort im Gefängnis gewesen und gefoltert worden sei. Auch habe man ihn mit dem Umbringen bedroht. Er sei in seiner Funktion als Arzt seitens der Präsidentin des Gesundheitsamtes genötigt bzw. gezwungen worden, falsche Rezepte auszustellen. Überdies sei der Geschäftsführer einer Apothekenkette in Bratislava verhaftet worden, da er einen Mord in Auftrag gegeben habe. Da der Beschwerdeführer „das Ganze publik machen wollte“, sei er für zwei Monate „in U-Haft gesteckt und dort des Öfteren gefoltert“ worden. Für sein „zugesagtes Schweigen“ habe man ihn aus der U-Haft entlassen und habe er in weiterer Folge sein Land legal nach Frankreich bzw. in die Schweiz verlassen. „Über die ganze Korruption“ könne er auf Verlangen der österreichischen Behörden auch Beweise vorlegen. Im Hinblick auf eine etwaige Rückkehrbefürchtung gab er an, in seiner Abwesenheit in Rumänien im November 2020 „zu 2,4 Jahre verurteilt“ worden zu sein. Sofern er abgeschoben werde, komme er „mit Sicherheit ins Gefängnis und werde dort gefoltert und möglicherweise umgebracht“. Der Anwalt eines Pharmakonzerns habe seiner Anwältin überdies persönlich gesagt, dass er den Beschwerdeführer „auf dem Luster hängen sehen will“.

6. Am 25.06.2021 wurde der Beschwerdeführer während seiner Anhaltung in Übergabehaft niederschriftlich vor der belangten Behörde einvernommen. Hinsichtlich der Gründe für seine verfahrensgegenständliche Asylantragstellung gab er hierbei Folgendes an:

„F (Anm.: Frage): Sie haben in der Erstbefragung am 02.06.2021 angegeben, dass Sie alle Gründe, welche Sie zum Verlassen Ihres Heimatlandes bewogen haben, angeführt haben. Gibt es noch sonstige Gründe, weswegen Sie Rumänien verlassen wollen? Sie können auch schildern, was in der Erstbefragung nicht ausreichend dargestellt wurde, wie Sie zuvor angegeben haben.

A (Anm.: Antwort): Ja ich habe damals angegeben. Meiner Anwältin in Rumänien XXXX wurde seitens der XXXX ausgerichtet, dass sie mich an einen Luster aufgehängt sehen wollen. Ich wurde 2012 in U-Haft in einer Decke transportiert und bei einer Rundtreppe wo ich hinaufgetragen wurde, wurde ich mit dem Hinterkopf gegen die Stufen und das Geländer gestoßen. Das geschah in der Ortschaft XXXX . Seitens der Polizei wurde das gemacht.

F: Haben Sie den Vorfall in Rumänien angezeigt?

A: Nein. Es wurde mir mitgeteilt, dass ich schweigen soll und so die Schließung der juristischen Akte zu erlangen. Ich wurde noch am selben Tag in das Krankenhaus gebracht und ich habe noch die Dokumente wonach der Arzt die nuklear Bilder (RMA) angeordnet hat. Ich wurde allerdings von der Polizei nicht zu der Untersuchung geführt, sondern wieder in die Zelle zurückgebracht, ich habe auch Beweise dafür.

F: Wann ist das mit der XXXX gewesen, die Ihrer Anwältin eine Drohung ausgesprochen haben?

A: Das war ca. im Jahr 2009.

F: Warum stellen Sie erst 10 Jahre nach diesen Vorfällen einen Asylantrag? Sie waren zuvor in der Schweiz und in Belgien und jetzt schon mehrere Jahre in Österreich.

A: Ich wurde juristisch nicht begleitet und wusste das nicht. Mein erster Anwalt Dr. XXXX hat mir nach Studium meiner Unterlagen geraten hier in Österreich um Asyl anzusuchen.

F: Warum wurden Sie im Jahr 2020 verurteilt, was hat das mit den Vorfällen zu tun, die sie jetzt geschildert haben?

A: Diese ungerechte und unbegründete Verurteilung ist ein Rachezug seitens der XXXX . Sie haben Freunde bei der Firma XXXX in Rumänien. Der derzeitige Chef der Apothekenkette XXXX sitzt momentan in U-Haft in Bratislava. Er hat jemanden bezahlt, um jemanden zu töten.

F: Warum wurden Sie konkret in Rumänien verurteilt?

A: Eine Verurteilung zu 2 Jahre und 4 Monate Haftstrafe, wegen Betrugs. Ich habe aber überhaupt keine Betrugshandlung getätigt. Ich habe überhaupt keine Gelder kassiert. Ich bin Arzt und kein Pharmazeut.

F: Wann war die Tat wegen der Sie jetzt verurteilt wurden?

A: Im Jahr 2010. Im Jahr 2020 wurde ich in der ersten Instanz verurteilt und im November 2020 wurde die Strafe auf 2 Jahre und 4 Monate erhöht. Die 2 Monate U-Haft aus dem Jahr 2012 wurden auch nicht berücksichtigt – Nachgefragt - Nein der Staatsanwalt ist in Berufung gegangen und ich dann auch. Nach der Erhöhung der Strafe habe ich eine Anzeige bei der nationalen Direktion gegen Korruption eingebracht und es wurde mir mitgeteilt, dass die juristische Verfolgung gegen die Zahler und Empfänger von Geldern eröffnet wurde. Dieses Dokument habe ich übersetzt an das BFA geschickt.

F: Alles was Sie schildern lässt keinen Zweifel eines funktionierenden Rechtsstaates aufkommen, noch dazu handelt es sich bei Rumänien um ein Mitglied der EU.

A: Es ist ausdrücklich zu erwähnen, dass in Rumänien Korruption besteht. Sie wollen mich töten, weil ich sehr viele Informationen aus dem Gesundheitssystem kenne.

F: Was befürchten Sie konkret im Falle der Rückkehr in Ihr Heimatland?

A: Mein Problem ist, dass ich nicht nach Rumänien zurückkehren möchte, weil Sie mich töten werden. Derzeit befinde ich mich in Auslieferungshaft. Um nach Rumänien abgeschoben zu werden, um die über mich verhängte Haft von 2 Jahren und 4 Monaten abzusitzen. Ich möchte niemals nach Rumänien zurückkehren. Ich möchte nicht vom System der Mafia in Rumänien getötet werden. Konkret meine ich die Firma XXXX , welche die Genehmigung von der XXXX . um 155000 € abgekauft hat – Nachgefragt - Das ist eine Genehmigung für das Betreiben des Geschäftes, welche vom Minister ausgestellt wird – Nachgefragt - Das ist jene Firma warum ich in Rumänien verurteilt wurde. Diese Firma hat eine Verbindung zum Chef der Firma XXXX , welcher in Bratislava in U-Haft sitzt.

Anm.: Der AW gibt bei der Rückübersetzung an, dass es eine Genehmigung für den Handel ist.

F: Haben Sie gegen Ihre Verurteilung wieder ein Rechtsmittel ergriffen?

A: Ja das habe ich gemacht und es wurde beschlossen, dass der Fall neu gerichtlich behandelt wird. Das wurde im Dezember 2020 beschlossen. Die neue Verhandlung wird im September 2021 stattfinden.

Anm.: Dem AW werden die wesentlichen Inhalte des Protokolls (Nr. 24) über die Gewährung von Asyl für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union zur Kenntnis gebracht, dieses wird ihm zudem in Schriftform in rumänischer Sprache ausgefolgt. Weiters werden entsprechende Ausdrucke zum Akt genommen. Dem AW wird angeboten, dass er auch Frist zur schriftlichen Stellungnahme erhalten kann, der AW gibt an, dass er mündlich dazu Stellung beziehen will.

F: Möchten Sie zu den soeben mitgeteilten Informationen etwas angeben?

A: Ich lehne meine Abschiebung nach Rumänien ab, weil dort mein Leben in Gefahr ist. Ich möchte niemals nach Rumänien zurück und ich werde auch niemals meinen Antrag in Österreich zurückziehen. Es gibt andere rumänische Staatsbürger, welche in Italien und in Belgien einen Flüchtlingsstatus erhalten haben und danach trotz eines EU Befehls nach Rumänien abgeschoben wurden, das kann man medial verfolgen oder nachlesen.“

Als Beweismittel für sein Vorbringen verwies der Beschwerdeführer auf diverse Unterlagen rumänischer Behörden, welche er bereits im Rahmen des Verfahrens vor der belangten Behörde hinsichtlich der Erlassung einer gegen ihn gerichteten Ausweisung in Vorlage gebracht hatte. Diese wurden zum gegenständlichen Akt genommen.

7. Mit handschriftlichen Schreiben vom 16.06.2021, vom 17.06.2021 sowie vom 21.06.2021 übermittelte der Beschwerdeführer der belangten Behörde drei weitere Eingaben, worin er im Wesentlichen bereits zuvor im Verfahren getätigte Angaben wiederholte, um eine Bestätigung ersuchte, „dass ich Asyl geworden bin“, oder sinngemäß zum Ausdruck brachte, gegen eine negative Entscheidung Beschwerde erheben zu wollen.

8. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 09.07.2021 wurde der gegenständliche Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 02.06.2021 gemäß Protokoll Nr. 24 über die Gewährung von Asyl für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union zum EU-Vertrag von Lissabon vom 13.12.2007, Amtsblatt (EG) Nr. C 306 bzw. BGBl. III Nr. 132/2009 zurückgewiesen.

9. Gegen den gegenständlich angefochtenen Bescheid wurde fristgerecht mit Schriftsatz vom 06.08.2021 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben. Inhaltlich wurde darin im Wesentlichen ausgeführt, die belangte Behörde habe ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren geführt, indem sie keine adäquaten Länderfeststellungen zu Rumänien getroffen habe und wurde aus allgemeinen Länderberichten bezüglich Korruption, Haftbedingungen und Mängeln im rumänischen Justizsystem zitiert. Zudem sei die belangte Behörde weder auf „das substantiierte Fluchtvorbringen des BF noch auf die zahlreich vorgelegten Beweismittel sowie die hier erwähnten, leicht recherchierbaren, angeführten Berichte, die das Vorbringen des BF untermauern, eingegangen“. Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Verhandlung durchführen; der Beschwerde stattgeben und dem Beschwerdeführer Asyl gewähren; in eventu den angefochtenen Bescheid beheben und zur Verfahrensergänzung an die belangte Behörde zurückverweisen; in eventu die ordentliche Revision zulassen.

10. Mit handschriftlichen Schreiben vom 23.07.2021 sowie vom 30.07.2021 übermittelte der Beschwerdeführer der belangten Behörde zwei weitere Eingaben. Das erste Schreiben vom 23.07.2021 ist, laut dem Beschwerdeführer aus Gründen der Sicherheit („für sicherheit Rumänische Sprache“), in rumänischer Sprache gehalten. Darin führte er im Wesentlichen aus, den angefochtenen Bescheid erhalten zu haben und ersuchte, man möge ihn so schnell wie möglich freilassen, damit er sich einen Anwalt suchen könne, welcher in Asylverfahren kompetent sei. Im Schreiben vom 30.07.2021 gab er abermals an, er habe den angefochtenen Bescheid erhalten und ersuche er die belangte Behörde darum, seinen E-Mail Account zu überprüfen, da sich dort alle Beweise für sein Vorbringen finden würden. Überdies ersuche er um ein persönliches Gespräch und ihn „auf freien Fuß loszulassen“.

11. Beschwerde und Bezug habender Akt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 13.08.2021 vorgelegt.

12. Mit Schriftsatz vom 10.08.2021 des Beschwerdeführers, der am 23.08.2021 beim Bundesverwaltungsgericht einlangte, ersuchte der Beschwerdeführer um die Möglichkeit Österreich innerhalb der nächsten 18 Stunden verlassen zu dürfen. Er wolle versuchen, in einem anderen Land einen Asylantrag zu stellen. Dies sei eine wichtige Chance für ihn und wolle er diese nunmehr ergreifen, nachdem sein Leben in Rumänien „sehr gefährdet“ sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden – um Wiederholungen zu vermeiden - als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:

1.1. Zur Person und zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Rumänien und somit Unionsbürger. Er ist ausgebildeter Arzt. Seine Identität steht fest.

Bereits von 31.10.2018 bis 10.01.2019 hatte er in Österreich einen Nebenwohnsitz und von 10.01.2019 bis 30.04.2019 einen Hauptwohnsitz angemeldet. Seit 24.02.2020 ist er wiederum durchgehend in Österreich hauptgemeldet, wobei er sich seit 18.03.2021 in einer Justizanstalt befindet.

Er wird seitens der rumänischen Behörden per Europäischen Haftbefehls wegen Straftaten gegen das Eigentum gesucht. Aufgrund dessen wurde er am 18.03.2021 in Österreich festgenommen und über ihn auf Grundlage von § 35 EU-PolKG die Übergabehaft verhängt.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Rumänien der Gefahr einer illegitimen staatlichen Verfolgung ausgesetzt ist und vermochte er auch nicht die Vermutung der offensichtlichen Unbegründetheit seines Asylantrags als Unionsbürgers zu widerlegen.

1.2. Zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

Rumänien ist seit 01.01.2007 Mitglied der Europäischen Union und hat seit seinem Beitritt alle nachfolgenden Verträge - zuletzt den Reformvertrag von Lissabon - unterzeichnet, der nunmehr in seinem Art. 6 EUV die verbindliche Wirkung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 07.12.2000 in der am 12.12.2007 angepassten Fassung vorschreibt. Art. 2 EUV normiert darüber hinaus die Werte, auf die sich die Union gründet, die allen Mitgliedstaaten der Union gemeinsam sind und die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtstaatlichkeit und Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Minderheitenrechte umfassen sowie einer Gesellschaft gemeinsam sind, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und durch Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet. Rumänien hat überdies die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) unterzeichnet, während sich die Europäische Union durch den Vertrag von Lissabon ebenfalls verpflichtet hat, dieser beizutreten (Art. 6 Abs. 2 EUV). Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat durch die von ihm mit seiner Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Rechtsgrundsätze die Bindung der Mitgliedstaaten an den gemeineuropäischen Grundrechtsbestand ausgesprochen und wurde diese Bedingung im Reformvertrag von Lissabon nunmehr auch normativ festgelegt, wobei sich dieser Grundrechtsbestand aktuell insbesondere aus der schon angeführten Grundrechtecharta sowie der EMRK speist (Art. 6 EUV). Die für den Beitritt neuer EU-Staaten zur Europäischen Union vorgesehenen Voraussetzungen (Art. 49 EUV iVm. Art. 6 EUV), darunter auch die untrennbare positive Beurteilung der jeweiligen allgemeinen Menschenrechtslage im jeweiligen beitrittswilligen Staat, beruhen daher auf den von den Gründungsmitgliedern abgeschlossenen Verträgen, die zur Gründung der Europäischen Union und damit auch zur den von der Europäischen Union selbstständig erlassenen und Großteils bindenden Sekundärrechtsakten führten. Der Beitritt der neuen EU-Staaten zur Europäischen Union am 01.05.2004 und am 01.01.2007 ist daher untrennbar mit einer positiven Beurteilung der allgemeinen Menschenrechtslage in diesen Staaten verbunden.

All dies geht auch aus den Erwägungsgründen des Protokolls Nr. 24 zum EU-Vertrag (Protokoll über die Gewährung von Asyl für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union) hervor, in welchen ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass die Union nach Art. 6 Abs. 1 EUV die Rechte, Freiheiten und Grundsätze anerkennt, die in der Charta der Grundrechte der EU enthalten sind, die Grundrechte nach Art. 6 Abs. 3 EUV, wie sie in der EMRK gewährleistet sind, als allgemeine Grundsätze zum Unionsrecht gehören und, dass der EuGH dafür zuständig ist, sicherzustellen, dass die Union bei der Auslegung und Anwendung des Art. 6 Abs. 1 bis 3 EUV die geltenden Rechtsvorschriften einhält. Das in Art. 7 EUV vorgesehene Verfahren zur Aussetzung bestimmter Rechte ist nur für den Fall einer schwerwiegenden und anhaltenden Verletzung dieser Werte durch einen Mitgliedstaat vorgesehen und zwar unter dem Hinweis darauf, dass jeder Staatsangehörige eines Mitgliedstaates als Unionsbürger einen besonderen Status und einen besonderen Schutz genießt, welche die Mitgliedstaaten gemäß dem zweiten Teil des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gewährleisten sowie, dass die Verträge einen Raum ohne Binnengrenzen schaffen und jedem Unionsbürger das Recht gewähren, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten.

Als Unionsmitglied ist Rumänien daher Teil des geltenden Unionsrechts, somit ein Rechtsstaat und eine Demokratie im Sinne der Standards der EU. Es kann daher auch von der grundsätzlichen Schutzgewährungsfähigkeit und Schutzgewährungswilligkeit der Sicherheitsbehörden und des Vorhandenseins eines funktionierenden rechtsstaatlichen Systems im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers - so wie auch in anderen EU-Mitgliedstaaten - ausgegangen werden (vgl. VwGH 29.05.2018, Ra 2017/20/0388; VfGH 22.06.2021, E 2546/2020; UBAS 16.02.2007, Zl. 254.648/0/25E-XIII/66/04).

Darüber hinaus wendet Rumänien weder Art. 15 EMRK samt Außerkraftsetzung der damit verbundenen Verpflichtungen an, noch ist ein Verfahren gemäß Art. 7 EUV eingeleitet worden oder hat der Rat oder ein Mitgliedstaat dazu einen Beschluss nach Art. 7 Abs. 2 EUV erlassen.

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der Angaben des Beschwerdeführers vor dieser (Protokoll der Einvernahme vom 25.06.2021), den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Protokoll der Erstbefragung vom 02.06.2021) und in seinen schriftlichen Eingaben, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz.

Der umseits unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts.

Auskünfte aus dem zentralen Melderegister sowie dem Informationsverbund zentrales Fremdenregister wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Identität der Beschwerdeführerin steht aufgrund seines vor den österreichischen Behörden in Vorlage gebrachten – sowie im zentralen Melderegister und Informationsverbund zentrales Fremdenregister vermerkten - rumänischen Reisepasses Nr. 057828405 fest.

Dass er ausgebildeter Arzt ist, ergibt sich aus seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben im Verfahren, in Zusammenschau mit in Vorlage gebrachten rumänischen Diplomen und Bescheinigungen mit beglaubigter Übersetzung.

Die Feststellungen zum Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet ergeben sich aus dem Verwaltungsakt in Zusammenschau mit eingeholten Auskünften aus dem zentralen Melderegister sowie dem Informationsverbund zentrales Fremdenregister.

Die Zeiten seiner Haupt- und Nebenwohnsitzmeldungen in Österreich ergeben sich aus einer Abfrage in zentralen Melderegister, ebenso wie der Umstand, dass er sich seit 18.03.2021 in einer Justizanstalt befindet.

Dass der Beschwerdeführer seitens der rumänischen Behörden per Europäischen Haftbefehls wegen Straftaten gegen das Eigentum gesucht, aufgrund dessen am 18.03.2021 in Österreich festgenommen und über ihn auf Grundlage von § 35 EU-PolKG die Übergabehaft verhängt wurde, ergibt sich aus einem im Akt einliegenden Bericht "SIS-Trefferfall Person" der Landespolizeidirektion XXXX vom 28.05.2021, in Zusammenschau mit einer diesem Bericht angehängten Treffermeldung in Bezug auf den Beschwerdeführer in der polizeilichen Applikation "Personenfahndung".

2.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Dass nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer in Rumänien der Gefahr einer illegitimen staatlichen Verfolgung ausgesetzt ist, ergibt sich aus dem Umstand, dass dieser im Verfahren selbst vorgebracht hat, er sei in Rumänien wegen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt worden, wobei er gegen diese Verurteilung berufen habe und aufgrund dessen im September 2021 eine neuerliche Verhandlung stattfinden werde (AS 145ff). Sofern er in einer schriftlichen Stellungnahme an die belangte Behörde vom 12.02.2021, noch vor seiner gegenständlichen Asylantragstellung im Rahmen des vorangegangenen Verfahrens bezüglich der Erlassung einer gegen ihn gerichteten Ausweisung, vorbrachte, „10 Jahre lang in Rumänien durch Gerichtsverfahren und Gerichte belästigt“ worden zu sein (AS 213), was im Wesentlichen auch den Kern seiner Begründung für den verfahrensgegenständlichen Asylantrag darstellt, so wird seitens des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere in Anbetracht der vom Beschwerdeführer in Vorlage gebrachten Bescheinigungsmittel auch nicht angezweifelt, dass dieser in den vergangenen Jahren mehrfach mit den rumänischen Justizbehörden zu tun hatte. Dennoch wird durch den schlichten Verweis auf allgemeine Länderberichte in der Beschwerde, ohne jeglichen individuellen Bezug zum Beschwerdeführer, bezüglich vorherrschender Missstände im rumänischen Justizsystem (welche sich überdies ausschließlich auf zivilrechtliche Verfahren („Civil Judicial Procedures and Remedies“) beziehen), wonach schlechte Ausstattung und ineffiziente Verfahrensführung zu einer hohen Anzahl an Beschwerden sowie überlangen und beschwerlichen Zivilverfahren geführt hätten (AS 289), gänzlich aus dem Zusammenhang gerissene Behauptungen über Anschuldigungen gegen (nicht näher spezifizierte) Behörden, wonach das Recht auf Privat- und Familienleben nach Art. 8 EMRK von Personen nicht adäquat respektiert worden sei (AS 289), oder letztlich auch durch die unsubstantiierte, im gegenständlichen Verfahren nicht zu verifizierende Behauptung, dass der Beschwerdeführer zu Unrecht aufgrund der Rache eines Pharmaunternehmens strafrechtlich verfolgt werde (AS 145), nicht dargelegt, dass das nunmehr in Rumänien geführte Strafverfahren, welches letzten Endes zu seiner Verurteilung und dem gegen ihn erlassenen Europäischen Haftbefehl geführt hat, nicht nach rechtsstaatlichen Kriterien abgewickelt worden sei oder er – etwa aus politischen Gründen – der Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung in seinem Herkunftsstaat ausgesetzt sei. Vielmehr stünde es dem Beschwerdeführer naturgemäß offen, gegen seine strafgerichtliche Verurteilung in Rumänien den Rechtsmittelweg bis zur letzten innerstaatlichen Instanz zu beschreiten und anschließend erforderlichenfalls noch den EuGH oder die Straßburger Instanzen anzurufen, sollte er die Auffassung vertreten, seine Verurteilung wäre nicht mit geltendem Unionsrecht oder den Bestimmungen der EMRK in Einklang zu bringen. Jedenfalls ist es nicht Zweck eines Asylverfahrens, dass sich ein Antragsteller dadurch einer legitimen, da im Rahmen eines rechtsstaatlichen Verfahrens verhängten Strafhaft in seinem Herkunftsstaat entziehen kann.

Sofern der Beschwerdeführer im Verfahren wiederholt auf die Korruptionsproblematik in Rumänien hingewiesen hat und diesbezüglich in der Beschwerde aus einem Bericht zitiert wird, wonach Rumänien im Korruptionswahrnehmungsindex, welcher sich auf den öffentlichen Sektor bezieht und 180 Länder weltweit vergleicht, mit 44 von 100 Punkten lediglich knapp über dem weltweiten Durchschnitt liege, so wird seitens des Bundesverwaltungsgerichts nicht verkannt, dass Korruption im öffentlichen Sektor Rumäniens nach wie vor ein Problem darstellen mag. Jedoch ist festzuhalten, dass der überwiegende Teil jener Länder, welche gemäß der Herkunftsstaaten-Verordnung der Bundesregierung (idgF BGBl. II Nr. 145/2019) als sichere Herkunftsstaaten gelten, in dem in der Beschwerde diesbezüglich zitierten Ranking für das Jahr 2020 noch (teils deutlich) hinter Rumänien liegt (exemplarisch sei hierbei etwa auf Ghana mit 43 Punkten, Benin mit 41 Punkten, Marokko mit 40 Punkten, Serbien mit 38 Punkten, Albanien mit 36 Punkten, Kosovo mit 36 Punkten, Bosnien und Herzegowina mit 35 Punkten, Mongolei mit 35 Punkten, Nordmazedonien mit 35 Punkten, oder die Ukraine mit 33 Punkten verwiesen; vgl. https://www.transparency.de/cpi/cpi-2020/cpi-2020-tabellarische-rangliste/, Zugriff 19.08.2021) und ungeachtet dessen nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes die Festlegung eines Staates als sicherer Herkunftsstaat für die Annahme einer grundsätzlich bestehenden staatlichen Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der Behörden dieses Staates spricht (vgl. VwGH 25.06.2020, Ra 2019/18/0441, mwN). Die Korruptionsproblematik in Rumänien kann folglich nicht als derart gravierend angesehen werden, dass aufgrund dessen bereits das grundsätzliche Bestehen eines funktionierenden rechtsstaatlichen Systems zweifelhaft wäre. Diese Annahme wird nicht zuletzt durch das eigene Vorbringen des Beschwerdeführers im Verfahren (und seine Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel) untermauert, wonach er eine Anzeige bei der nationalen Direktion gegen Korruption in Rumänien eingebracht habe, welche ihm in weiterer Folge auch mitgeteilt habe, dass die juristische Verfolgung gegen jene Personen, welche ihn angezeigt hätten, eröffnet werde (AS 145). Bereits daraus ergibt sich, dass sich der Staat Rumänien der Korruptionsproblematik im öffentlichen Sektor durchaus bewusst ist und deshalb auch entsprechende Stellen eingerichtet hat, an welche sich Bürger hilfesuchend wenden können.

Ebenso wenig ergibt sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er im Jahr 2012 in Rumänien während seiner Anhaltung in Untersuchungshaft von rumänischen Polizisten misshandelt worden sei, indem man ihn auf einer Treppe mit dem Hinterkopf gegen die Stufen und das Geländer gestoßen habe (AS 143), eine aktuelle Rückkehrgefährdung oder die Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung im Zuge einer Inhaftierung, da keinerlei Hinweise dafür vorliegen, dass derartige Vorfälle – etwa im Hinblick auf politisch Oppositionelle - im rumänischen Strafvollzug System hätten oder entsprechende Übergriffe seitens der staatlichen Behörden nicht ordnungsgemäß verfolgt würden, zumal der Beschwerdeführer selbst vorbrachte, die betreffenden Vorfälle in Rumänien gar nicht erst zur Anzeige gebracht zu haben (AS 143). Sofern im Beschwerdeschriftsatz aus einem Länderbericht von USDOS bezüglich der Haftbedingungen in Rumänien zitiert wird (vgl. https://www.ecoi.net/de/dokument/2048467.html, Zugriff 19.08.2021), so wird darin zwar auf teils festgestellte Missstände in Justizanstalten wie Überbelegung, mangelhafte medizinische Versorgung oder Beschwerden von Insassen über qualitativ schlechte oder quantitativ unzureichende Verpflegung hingewiesen, zugleich ergibt sich aus demselben Bericht jedoch – wobei die betreffenden Passagen in der Beschwerde NICHT zitiert wurden - dass Häftlingen grundsätzlich die Möglichkeit offensteht, bei Strafverfolgungsbehörden und Richtern Beschwerde hinsichtlich etwaiger Missstände zu erheben und die Regierung Kontrollbesuche unabhängiger Menschenrechtsbeobachter in den Justizanstalten erlaubt, welche etwa im Laufe des Jahres 2020 auch stattfanden. Auch die Ombudsperson besuchte Gefängnisse in Rumänien im Rahmen ihres Mandats zur Überwachung von Haftanstalten. Was Anschuldigungen gegenüber Vollzugsbeamten betrifft, so kam es im Jahr 2019 landesweit zu insgesamt 194 unterschiedlich gelagerten Beschwerden von Insassen, wobei die Staatsanwaltschaften gemäß den allgemeinen strafrechtlichen Bestimmungen für die Untersuchung von Misshandlungsvorwürfen verantwortlich zeichnen und die Direktion für interne Überprüfung („Directorate for Internal Review“) innerhalb der rumänischen Polizei unter staatsanwaltschaftlicher Aufsicht strafrechtliche Ermittlungen in Bezug auf von Polizeiangehörigen begangene Übergriffe sowie interne Verwaltungsuntersuchungen durchführen kann. Was in der Beschwerde ebenfalls ausgespart wurde ist jene Passage in dem Bericht, wonach die rumänische Regierung bereits folgende Maßnahmen ergriffen hat, um die Achtung der Menschenrechte durch die Sicherheitskräfte zu verbessern: Angehörige der Polizei und der Gendarmerie wurden über ein breites Spektrum von Menschenrechtsthemen unterrichtet, darunter auch über ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu polizeilicher Gewalt gegen Roma; in Polizeischulen und -akademien wurden mehrere Plätze reserviert, die nur für Angehörige der Roma-Ethnie zugänglich sind; das Innenministerium, die Polizei, Polizeischulen und -akademien sowie Gendarmerieschulen führten Schulungen für angehende Beamte, Unteroffiziere und Offiziere zu einem breiten Spektrum von Menschenrechtsthemen durch, darunter geschlechtsspezifische Gewalt, Rassismus, Diskriminierung und Vielfalt. Aus dem Gesagten ergibt sich, dass im rumänischen Strafverfolgungs- sowie Justizvollzugsapparat durchaus ein Bewusstsein im Hinblick auf die Respektierung von Menschenrechten besteht und auch entsprechende Schutzmechanismen etabliert wurden, sodass die Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung etwa politisch Oppositioneller in Haft – beispielsweise durch eine entsprechende Instrumentalisierung des Justizvollzugsapparates – ausgeschlossen werden kann. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er in Rumänien „mit Sicherheit ins Gefängnis“ komme und „dort gefoltert und möglicherweise umgebracht“ werde (AS 51, sinngemäß AS 145), entbehrt vor diesem Hintergrund jeglicher rationalen Grundlage.

Auch bezüglich der seitens des Beschwerdeführers im Verfahren ins Treffen geführten Behauptung, wonach seiner Anwältin in Rumänien seitens eines Pharmaunternehmens bereits im Jahr 2009 ausgerichtet worden sei, dass man den Beschwerdeführer „an einen Luster aufgehängt sehen wolle“ (AS 143), womit er wohl zusätzlich die Gefahr einer Verfolgung durch Privatpersonen in seinem Herkunftsstaat zu insinuieren versuchte, ist auf die Annahme einer grundsätzlich bestehenden staatlichen Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der Behörden eines EU-Mitgliedstaates zu verweisen, welche im vorliegenden Fall durch das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht in substantiierter Weise entkräftet wurde.

Um die Vermutung der offensichtlichen Unbegründetheit des Asylantrags eines Unionsbürgers zu widerlegen, ist es Aufgabe des Asylwerbers, nicht bloß zu behaupten, sondern mit näherer Begründung darzulegen, warum er sich nicht des Schutzes des Herkunftsstaates – und insbesondere der dortigen Gerichte – bedienen könne, um der Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung zu entgehen (vgl. VwGH 29.05.2018, Ra 2017/20/0388; VfGH 22.06.2021, E 2546/2020; UBAS 16.02.2007, Zl. 254.648/0/25E-XIII/66/04). Aus dem Gesagten bleibt festzuhalten, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers diesen Anforderungen keineswegs entsprach.

2.3. Zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

Dass Rumänien seit 01.01.2007 Mitglied der Europäischen Union ist und seitdem alle nachfolgenden Verträge - zuletzt den Reformvertrag von Lissabon – als auch die EMRK unterzeichnet hat, entspricht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichts und wurde seitens des Beschwerdeführers auch nicht in Abrede gestellt.

Die weiteren unter Punkt II.1.2. getroffenen Feststellungen ergeben sich unmittelbar aus den Erwägungsgründen des Protokolls Nr. 24 zum EU-Vertrag (Protokoll über die Gewährung von Asyl für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union). Die wesentlichen Inhalte des Protokolls Nr. 24 zum EU-Vertrag wurden dem Beschwerdeführer im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 25.06.2021 zu Kenntnis gebracht und ihm dieses überdies in Schriftform in rumänischer Sprache ausgefolgt, wobei er den darin enthaltenen Kernaussagen im Verfahren nicht substantiiert entgegengetreten ist (vgl. Punkt II.2.2.).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Protokoll (Nr.24) über die Gewährung von Asyl für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der europäischen Union lautet:

„Die hohen Vertragsparteien – in der Erwägung, dass die Union nach Artikel 6 Absatz 1 des Vertrags über die Europäische Union die Rechte, Freiheiten und Grundsätze anerkennt, die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union enthalten sind, in der Erwägung, dass die Grundrechte nach Artikel 6 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union, wie sie in der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind, als allgemeine Grundsätze zum Unionsrecht gehören, in der Erwägung, dass der Gerichtshof der Europäischen Union dafür zuständig ist, sicherzustellen, dass die Union bei der Auslegung und Anwendung des Artikels 6 Absätze 1 und 3 des Vertrags über die Europäische Union die Rechtsvorschriften einhält, in der Erwägung, dass nach Artikel 49 des Vertrags über die Europäische Union jeder europäische Staat, der beantragt, Mitglied der Union zu werden, die in Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union genannten Werte achten muss, eingedenk dessen, dass Artikel 7 des Vertrags über die Europäische Union ein Verfahren für die Aussetzung bestimmter Rechte im Falle einer schwerwiegenden und anhaltenden Verletzung dieser Werte durch einen Mitgliedstaat vorsieht, unter Hinweis darauf, dass jeder Staatsangehörige eines Mitgliedstaats als Unionsbürger einen besonderen Status und einen besonderen Schutz genießt, welche die Mitgliedstaaten gemäß dem zweiten Teil des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union gewährleisten, in dem Bewusstsein, dass die Verträge einen Raum ohne Binnengrenzen schaffen und jedem Unionsbürger das Recht gewähren, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, in dem Wunsch, zu verhindern, dass Asyl für andere als die vorgesehenen Zwecke in Anspruch genommen wird, in der Erwägung, dass dieses Protokoll den Zweck und die Ziele des Genfer Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge beachtet – sind über folgende Bestimmungen Übereinkommen, die dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügt sind:

Einziger Artikel

In Anbetracht des Niveaus des Schutzes der Grundrechte und Grundfreiheiten in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union gelten die Mitgliedstaaten füreinander für alle rechtlichen und praktischen Zwecke im Zusammenhang mit Asylangelegenheiten als sichere Herkunftsländer. Dementsprechend darf ein Asylantrag eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats von einem anderen Mitgliedstaat nur berücksichtigt oder zur Bearbeitung zugelassen werden,

a.       wenn der Mitgliedstaat, dessen Staatsangehöriger der Antragsteller ist, nach Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam Artikel 15 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten anwendet und Maßnahmen ergreift, die in seinem Hoheitsgebiet die in der Konvention vorgesehenen Verpflichtungen außer Kraft setzen;

b.       wenn das Verfahren des Artikels 7 Absatz 1 des Vertrags über die Europäische Union eingeleitet worden ist und bis der Rat oder gegebenenfalls der Europäische Rat diesbezüglich einen Beschluss im Hinblick auf den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehöriger der Antragsteller ist, gefasst hat;

c.       wenn der Rat einen Beschluss nach Artikel 7 Absatz 1 des Vertrags über die Europäische Union im Hinblick auf den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehöriger der Antragsteller ist, erlassen hat, oder wenn der Europäische Rat einen Beschluss nach Artikel 7 Absatz 2 des genannten Vertrags im Hinblick auf den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehöriger der Antragsteller ist, erlassen hat;

d.       wenn ein Mitgliedstaat in Bezug auf den Antrag eines Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats einseitig einen solchen Beschluss fasst; in diesem Fall wird der Rat umgehend unterrichtet; bei der Prüfung des Antrags wird von der Vermutung ausgegangen, dass der Antrag offensichtlich unbegründet ist, ohne dass die Entscheidungsbefugnis des Mitgliedstaats in irgendeiner Weise beeinträchtigt wird.“

Der Punkt d lässt die individuelle Einzelfallüberprüfung eines Schutzersuchens zu, allerdings ist vor einer genauen Prüfung zu entscheiden, ob der Antrag - von dessen offensichtlicher Unbegründetheit auszugehen ist - so viel Substanz hat, dass eine Prüfung notwendig ist, um die Verpflichtungen Österreichs nach der Genfer Flüchtlingskonvention einzuhalten. Dazu muss der Asylwerber allerdings eine glaubwürdige, nachvollziehbare und mit den Zuständen im Herkunftsstaat in Einklang zu bringende Fluchtgeschichte darlegen, die mit Beweisangeboten bzw. mit dem Hinweis, wie die nötigen Beweise beschafft werden können, unterlegt sein muss. Darüber hinaus muss der Asylwerber nachvollziehbare und mit den Zuständen im Herkunftsstaat in Einklang zu bringende Ausführungen darbringen, warum er sich nicht des Schutzes des Staates - also insbesondere der Gerichte - bedient hat, um einer privaten oder punktuellen staatlichen Verfolgung zu entgehen. Erst dann kann davon gesprochen werden, dass der Asylwerber in der Lage war darzulegen, die - widerlegliche - Vermutung des Gesetzes, der Antrag sei offensichtlich unbegründet, stimme nicht (vgl. VwGH 29.05.2018, Ra 2017/20/0388; VfGH 22.06.2021, E 2546/2020; UBAS 16.02.2007, Zl. 254.648/0/25E-XIII/66/04).

Die Tatbestände der lit. a bis c des angeführten Protokolls trafen und treffen derzeit auf keinen EU-Mitgliedstaat zu. Ebenfalls ergab - wie in der Beweiswürdigung unter Punkt II.2.2. umfassend dargelegt - bereits eine Grobprüfung des zum vorliegenden Asylantrag erstatteten Vorbringens im Lichte der Anforderungen für eine individuelle Einzelprüfung nach lit. d des Protokolls nicht, dass die in lit. d des Protokolls Nr. 24 statuierte Vermutung im Falle des Beschwerdeführers unzutreffend ist.

Da somit im vorliegenden Fall kein Anlass für eine Beschlussfassung iSd lit. d besteht und auch die Tatbestände der lit. a bis c des Protokolls Nr. 24 nicht erfüllt sind, darf der gegenständliche Asylantrag eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union gemäß dem einzigen Artikel des genannten Protokolls nicht berücksichtigt oder zur Bearbeitung zugelassen werden.

Die belangte Behörde hat den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß Protokoll Nr. 24 über die Gewährung von Asyl für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union zum Vertrag von Lissabon vom 13.12.2007, Amtsblatt (EG) Nr. C 306 bzw. Bundesgesetzblatt III Nr. 132/2009 somit zu Recht als unzulässig zurückzuweisen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

In der Beschwerde wurde zwar ein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt, das Bundesverwaltungsgericht konnte sich aber auf vom Beschwerdeführer unbestrittene Annahmen stützen. Die Beschwerde läuft letztlich im Rahmen einer Gesamtschau darauf hinaus, dass die - unstrittige - Sachlage vom Verwaltungsgericht rechtlich anders gewürdigt werden soll als von der belangten Behörde. Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG („Die Verhandlung kann entfallen, wenn [...] der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei [...] zurückzuweisen ist“) kann das Verwaltungsgericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Diese Bestimmung ist auch in den vom Anwendungsbereich des BFA-VG erfassten Verfahren anwendbar, weil § 21 Abs. 7 BFA-VG nur hinsichtlich von § 24 Abs. 4 VwGVG eine Spezialregelung trifft, im Übrigen aber die Anwendung von § 24 Abs. 1 bis 3 und 5 VwGVG unberührt lässt (vgl. VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017; VwSlg. 18.966 A/2014).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten höchstgerichtlichen Entscheidungen.

Schlagworte

Asylantragstellung Asylverfahren EU-Bürger EWR-Bürger Fluchtgründe Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit Nachvollziehbarkeit Protokoll staatliche Verfolgung Unionsbürger unzulässiger Antrag Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I422.2245401.1.00

Im RIS seit

29.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

29.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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