TE Bvwg Beschluss 2021/8/30 W120 2245647-1

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Veröffentlicht am 30.08.2021
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Entscheidungsdatum

30.08.2021

Norm

BVergG 2018 §2 Z5
BVergG 2018 §327
BVergG 2018 §328 Abs1
BVergG 2018 §333
BVergG 2018 §334
BVergG 2018 §342 Abs1
BVergG 2018 §346
BVergG 2018 §350 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs2
BVergG 2018 §351 Abs1
BVergG 2018 §351 Abs3
BVergG 2018 §351 Abs4
BVergG 2018 §4 Abs1 Z2
B-VG Art133 Abs4
B-VG Art133 Abs9
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


W120 2245647-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Dr. Christian Eisner über den Antrag vom 20.08.2021 der XXXX in XXXX , vertreten durch Breitenfeld Rechtsanwälte GmbH & Co KG in 1010 Wien, auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend das Vergabeverfahren „Prüfung Websites und mobile Anwendungen gemäß RL (EU) 2016_2102/Zweiter Berichtszeitraum“ der Auftraggeberin Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft mbH (FFG) in 1090 Wien, vertreten durch FSM Rechtsanwälte GmbH & Co KG in 1010 Wien, folgenden Beschluss:

A)

Dem Antrag,

„auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit welcher der Auftraggeberin für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens untersagt wird, im antragsgegenständlichen Vergabeverfahren ‚Prüfung Websites und mobile Anwendungen gemäß RL (EU) 2016_2102/Zweiter Berichtszeitraum‘ die Bieter zur Angebotslegung aufzufordern, in eventu die einlangenden Erstangebote zu öffnen“,

wird Folge gegeben.

Der Auftraggeberin wird für die Dauer des gegenständlichen Nachprüfungsverfahrens untersagt, die Unternehmer (Bewerber) zur Angebotsabgabe aufzufordern und allenfalls eingelangte oder einlangende Erstangebote zu öffnen.

B)

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1.       Mit Schriftsatz vom 20.08.2021 beantragte die Antragstellerin die Erlassung einer einstweiligen Verfügung dahingehend, dass der Auftraggeberin im gegenständlichen Vergabeverfahren „Prüfung Websites und mobile Anwendungen gemäß RL (EU) 2016_2102 / Zweiter Berichtszeitraum“ für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens untersagt wird, die Bewerber zur Angebotsabgabe aufzufordern bzw. in eventu die einlangenden Erstangebote zu öffnen. Zudem stellte die Antragstellerin einen Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung vom 10.08.2021 über die Nicht-Zulassung zur Teilnahme, auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie auf Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren. Zur Begründung der Rechtswidrigkeit der Entscheidung über die Nicht-Zulassung zur Teilnahme brachte die Antragstellerin im Wesentlichen vor, dass bei gesetzeskonformer Prüfung die Auftraggeberin festgestellt hätte, dass die Antragstellerin geeignet sei. Bei ausschreibungskonformer Bewertung hätte die Auftraggeberin die Antragstellerin so bewerten müssen, dass diese unter die XXXX einzuladenden Bewerber fiele. Sowohl die Angebotsprüfung als auch die Bewertung durch die Auftraggeberin sei gesetz- und ausschreibungswidrig. Auf Basis der festgelegten Auswahlkriterien sei somit die Antragstellerin zur Angebotsabgabe aufzufordern.

2.       Am 25.08.2021 erteilte die Auftraggeberin zunächst allgemeine Auskünfte zum Vergabeverfahren. Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wurde zusammengefasst vorgebracht, aus dem vorgelegten Vergabeakt gehe eindeutig hervor, dass die Antragstellerin nicht über die für die Abwicklung des gegenständlichen Auftrags erforderliche Befugnis verfüge und auch in sonstiger Weise keine Begründung für die Zulässigkeit der Durchführung der Leistungen durch die Antragstellerin erstattet habe. Vor diesem Hintergrund sei die Erlassung einer einstweiligen Verfügung kein taugliches Mittel und der Antrag sei als unzulässig zurückzuweisen, weil die Antragstellerin die bestandfesten Eignungsanforderungen nicht erfülle. Im Zusammenhang mit der unmittelbar drohenden Schädigung habe die Antragstellerin mit den bloß allgemeinen Behauptungen, es erwüchse ihr ein „unverhältnismäßiger Nachteil", die Konkretisierungspflicht ihres Antrags somit nicht erfüllt.

Sofern das Verwaltungsgericht den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung entgegen der obigen Ausführungen für zulässig erachte, spreche sich die Auftraggeberin nicht gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung aus.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Auftraggeberin schrieb unter der Bezeichnung „Prüfung Websites und mobile Anwendungen gemäß RL (EU) 2016 _2102/ Zweiter Berichtszeitraum" einen Dienstleistungsauftrag nach dem Bestangebotsprinzip im Oberschwellenbereich aus. Es erfolgte keine Unterteilung in Lose.

Die Auftraggeberin veröffentlichte die Ausschreibung am 11.06.2021 in Österreich und am 11.06.2021 im Amtsblatt der Europäischen Union zur Ausschreibungsnummer 2021/S 112-293038. Die Auftraggeberin führt dieses Verfahren als Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung durch.

Nach Einlangen der Teilnahmeanträge zum Ablauf der Teilnahmeantragsfrist am 21.07.2021 führte die Auftraggeberin die Eignungsprüfung der eingelangten Teilnahmeanträge durch.

Die Entscheidung über die Nicht-Zulassung der Teilnahme an der zweiten Stufe des Vergabeverfahrens versendete die Auftraggeberin am 10.08.2021. Einladungen zur Angebotsabgabe (Zulassung zur zweiten Stufe) wurden nicht versendet.

Die Auftraggeberin hat das Vergabeverfahren weder widerrufen noch den Zuschlag erteilt.

Die Antragstellerin bezahlte die entsprechenden Pauschalgebühren.

2. Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus dem Verfahrensakt bzw. den Stellungnahmen der Parteien. Bei der Beweiswürdigung haben sich gegen die Echtheit und Richtigkeit der Vergabeunterlagen der Auftraggeberin keine Bedenken ergeben.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A)

3.1.    Anzuwendendes Recht:

3.1.1.  § 28 Abs 1 VwGVG („Erkenntnisse“), BGBl I Nr 33/2013, lautet wie folgt:

„§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

[…]“

§ 31 Abs 1 VwGVG („Beschlüsse“) ordnet Folgendes an:

„§ 31. (1) Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.

[…]“

3.1.2.  Der 4. Teil des BVergG 2018, der die Bestimmungen über den Rechtsschutz vor dem Bundesverwaltungsgericht enthält, geht als lex specialis den Bestimmungen des VwGVG vor. Die einschlägigen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2018 – BVergG 2018), BGBl I 2018/65, lauten:

„4. Teil

Rechtsschutz vor dem Bundesverwaltungsgericht

1. Hauptstück

Zuständigkeit, fachkundige Laienrichter, Ausschluss und Ablehnung

Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes

§ 327. Das Bundesverwaltungsgericht ist zuständig zur Entscheidung über Anträge wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens eines Auftraggebers in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens, soweit es sich um Auftraggeber handelt, die gemäß Art. 14b Abs. 2 Z 1 B-VG in den Vollziehungsbereich des Bundes fallen.

Senatszuständigkeit und -zusammensetzung

§ 328. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet in den Angelegenheiten des § 327, soweit es sich nicht um die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung eines Feststellungsantrags, über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz oder die Entscheidung über eine Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungs- oder Feststellungsantrages handelt, in Senaten.

[…]

2. Hauptstück

Besondere Bestimmungen über das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichtes

1. Abschnitt

Allgemeine Bestimmungen

Anzuwendendes Verfahrensrecht

§ 333. Soweit in diesem Bundesgesetz und im Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, nichts anderes bestimmt ist, sind die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles in den Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach diesem Bundesgesetz sinngemäß anzuwenden.

Zuständigkeit

§ 334. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnittes über Anträge zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren (2. Abschnitt), zur Erlassung einstweiliger Verfügungen (3. Abschnitt) und zur Durchführung von Feststellungsverfahren (4. Abschnitt). Derartige Anträge sind unmittelbar beim Bundesverwaltungsgericht einzubringen.

(2) Bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens ist das Bundesverwaltungsgericht zum Zwecke der Beseitigung von Verstößen gegen dieses Bundesgesetz und die hierzu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht zuständig

1.        zur Erlassung einstweiliger Verfügungen, sowie

2. zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen des Auftraggebers im Rahmen der vom Antragsteller geltend gemachten Beschwerdepunkte.

[…]

2. Abschnitt

Nachprüfungsverfahren

Einleitung des Verfahrens

§ 342. (1) Ein Unternehmer kann bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zur Widerrufserklärung die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern

1. er ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Vertrages behauptet, und

2.        ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

[…]

Inhalt und Zulässigkeit des Nachprüfungsantrages

§ 344. (1) Ein Antrag gemäß § 342 Abs. 1 hat jedenfalls zu enthalten:

1. die Bezeichnung des betreffenden Vergabeverfahrens sowie der angefochtenen gesondert anfechtbaren Entscheidung,

2. die Bezeichnung des Auftraggebers, des Antragstellers und gegebenenfalls der vergebenden Stelle einschließlich deren elektronischer Adresse,

3. eine Darstellung des maßgeblichen Sachverhaltes einschließlich des Interesses am Vertragsabschluss, insbesondere bei Bekämpfung der Zuschlagsentscheidung die Bezeichnung des für den Zuschlag in Aussicht genommenen Bieters,

4. Angaben über den behaupteten drohenden oder bereits eingetretenen Schaden für den Antragsteller,

5. die Bezeichnung der Rechte, in denen der Antragsteller verletzt zu sein behauptet (Beschwerdepunkte) sowie die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,

6. einen Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen gesondert anfechtbaren Entscheidung, und

7. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob der Antrag rechtzeitig eingebracht wurde.

(2) Der Antrag ist jedenfalls unzulässig, wenn

1. er sich nicht gegen eine gesondert anfechtbare Entscheidung richtet, oder

2. er nicht innerhalb der in § 343 genannten Fristen gestellt wird, oder

3. er trotz Aufforderung zur Verbesserung nicht ordnungsgemäß vergebührt wurde.

[…]

Parteien des Nachprüfungsverfahrens

§ 346. (1) Parteien des Nachprüfungsverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht sind jedenfalls der Antragsteller und der Auftraggeber. Soweit eine zentrale Beschaffungsstelle ein Vergabeverfahren oder Teile eines Vergabeverfahrens als vergebende Stelle durchführt, tritt sie als Partei des Nachprüfungsverfahrens an die Stelle des Auftraggebers. Der Auftraggeber kann, soweit die zentrale Beschaffungsstelle an seine Stelle tritt, dem Nachprüfungsverfahren als Nebenintervenient beitreten; §§ 17 Abs. 1, 18 Abs. 1 und 19 Abs. 1 ZPO sind sinngemäß anzuwenden. Wird ein Vergabeverfahren von mehreren Auftraggebern gemeinsam durchgeführt, so bilden die in der Ausschreibung genannten Auftraggeber eine Streitgenossenschaft im Nachprüfungsverfahren. Die Bestimmungen der §§ 14 und 15 ZPO sind sinngemäß anzuwenden.

(2) Parteien des Nachprüfungsverfahrens sind ferner jene Unternehmer, die durch die vom Antragsteller begehrte Entscheidung unmittelbar in ihren rechtlich geschützten Interessen nachteilig betroffen sein können (Antragsgegner); insbesondere ist im Falle der Bekämpfung der Zuschlagsentscheidung der für den Zuschlag in Aussicht genommene Bieter Partei des Nachprüfungsverfahrens.

(3) Der in einer Zuschlagsentscheidung für den Zuschlag in Aussicht genommene Bieter verliert seine Parteistellung, wenn er seine begründeten Einwendungen gegen die vom Antragsteller begehrte Entscheidung nicht binnen zehn Tagen ab Zustellung der Verständigung über die Einleitung des Nachprüfungsverfahrens erhebt. Andere Parteien im Sinne des Abs. 2 verlieren ihre Parteistellung, wenn sie ihre begründeten Einwendungen gegen die vom Antragsteller begehrte Entscheidung nicht binnen zehn Tagen ab Bekanntmachung der Verfahrenseinleitung nach § 345 Abs. 1 erheben. Sofern eine mündliche Verhandlung vor Ablauf dieser Fristen stattfindet, können die Einwendungen spätestens in der mündlichen Verhandlung erhoben werden. § 42 Abs. 3 AVG gilt sinngemäß.

(4) Haben mehrere Unternehmer dieselbe gesondert anfechtbare Entscheidung des Auftraggebers angefochten, so kommt ihnen in allen Nachprüfungsverfahren betreffend diese Entscheidung Parteistellung zu.

3. Abschnitt

Einstweilige Verfügungen

Antragstellung

§ 350. (1) Das Bundesverwaltungsgericht hat auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs. 1 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.

(2) Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat zu enthalten:

1. die genaue Bezeichnung des betreffenden Vergabeverfahrens, der gesondert anfechtbaren Entscheidung sowie des Auftraggebers, des Antragstellers und gegebenenfalls der vergebenden Stelle einschließlich deren elektronischer Adresse,

2. eine Darstellung des maßgeblichen Sachverhaltes sowie des Vorliegens der in § 342 Abs. 1 genannten Voraussetzungen,

3. die genaue Bezeichnung der behaupteten Rechtswidrigkeit,

4. die genaue Darlegung der unmittelbar drohenden Schädigung der Interessen des Antragstellers und eine Glaubhaftmachung der maßgeblichen Tatsachen,

5. die genaue Bezeichnung der begehrten vorläufigen Maßnahme und

6. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob der Antrag rechtzeitig eingebracht wurde.

[…]

Erlassung der einstweiligen Verfügung

§ 351. (1) Vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat das Bundesverwaltungsgericht die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.

(2) Ein entgegen einer Anordnung in einer einstweiligen Verfügung erteilter Zuschlag, erfolgter Abschluss einer Rahmenvereinbarung bzw. erklärter Widerruf des Vergabeverfahrens ist absolut nichtig bzw. unwirksam.

(3) Mit einer einstweiligen Verfügung können das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.

(4) In einer einstweiligen Verfügung ist die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, sobald die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, nach Ablauf der bestimmten Zeit fortbestehen.

(5) Einstweilige Verfügungen sind sofort vollstreckbar.

[…]“

3.2.    Zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 328 Abs 1 BVergG 2018 ist im Anwendungsbereich des BVergG 2018 grundsätzlich die Entscheidung durch Senate vorgesehen. Insbesondere sind einstweilige Verfügungen davon ausgenommen. Die Entscheidung ist daher durch einen Einzelrichter zu treffen.

Auftraggeberin im Sinne des § 2 Z 5 BVergG 2018 ist die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft mbH (FFG). Diese ist öffentliche Auftraggeberin gemäß § 4 Abs 1 Z 2 BVergG 2018. Beim gegenständlichen Auftrag handelt es sich um einen Dienstleistungsauftrag gemäß § 7 BVergG 2018.

Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich des BVergG 2018. Die allgemeine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zur Überprüfung des Vergabeverfahrens und zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren entsprechend § 342 BVergG 2018 iVm Art 14b Abs 2 Z 1 lit c B-VG ist sohin gegeben.

3.3.    Zum Vorbringen der Parteien:

3.3.1.  Die Antragstellerin stellte den

„Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung,

mit welcher der Auftraggeberin für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens untersagt wird, im antragsgegenständlichen Vergabeverfahren ‚Prüfung Websites und mobile Anwendungen gemäß RL (EU) 2016_2102/Zweiter Berichtszeitraum‘ die Bieter zur Angebotslegung aufzufordern, in eventu die einlangenden Erstangebote zu öffnen.“

Die Antragstellerin begründete ihren Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Wesentlichen damit, dass für die Begründung der einstweiligen Verfügung der gesamte angeführte Sachverhalt zur Bescheinigung vorgebracht werde. Darüber hinaus würden auch die angeführten rechtlichen Ausführungen zum Inhalt des gegenständlichen Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung erhoben werden.

Die einstweilige Verfügung sei zwingend erforderlich, da die Auftraggeberin durch eine Einladung zur Angebotsabgabe unumkehrbare Tatsachen schaffen würde, die von der Antragstellerin mit den Mitteln des BVergG 2018 nicht mehr beseitigt werden könnten.

Das Interesse der Antragstellerin an der Erlassung einer einstweiligen Verfügung gründe sich insbesondere darauf, dass die Auftraggeberin eine rechtswidrige Entscheidung über die Nicht-Zulassung zur Teilnahme getroffen habe und dementsprechend beabsichtige, die Antragstellerin von der weiteren Teilnahme am gegenständlichen Vergabeverfahren auszuschließen und nicht zur Angebotsabgabe aufzufordern. Dies obwohl das gegenständliche Vergabeverfahren aufgrund der geschilderten Vergabeverstöße mit gravierenden Mängeln behaftet sei, die im Ergebnis den Anspruch der Antragstellerin auf ein vergaberechtskonformes Vergabeverfahren und letztlich den Anspruch der Antragstellerin auf weitere Teilnahme am Vergabeverfahren umgehen würden. Daraus ergebe sich die unmittelbar drohende Schädigung der Interessen der Antragstellerin. Denn selbst wenn die Antragstellerin – nach rascher Durchführung des Nachprüfungsverfahrens – zur zweiten Stufe des gegenständlichen Vergabeverfahrens zugelassen werden würde, könne sie sich bei Fortführung des Vergabeverfahrens denkunmöglich im selben Umfang wie die restlichen Bewerber mit den Ausschreibungsbedingungen auseinandersetzen. Dadurch entstünde ein massives Informationsungleichgewicht zugunsten der restlichen Bewerber, welches die Antragstellerin im Laufe des gesamten Vergabeverfahrens niemals aufholen könne. Das Interesse der Antragstellerin an der Erlassung einer einstweiligen Verfügung gründe sich auch darauf, dass der Antragstellerin der Entgang eines möglichen Auftrags, der Entgang von Gewinn sowie die Frustration der Kosten für die Teilnahme am Vergabeverfahren und der Kosten für die rechtsfreundliche Vertretung im vorliegenden Vergabeverfahren drohen würden. Zur Höhe und Bescheinigung verwies die Antragstellerin auf die Ausführungen in Punkt II.2. des Nachprüfungsantrags. Darüber hinaus entginge der Antragstellerin ein Referenzprojekt, das weitere Folgeaufträge für den (österreichischen und europäischen) Markt sichergestellt hätte.

3.3.2.  Die Auftraggeberin argumentierte zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wie unter Punkt I.2. wiedergegeben.

3.4.    Zum Vorliegen der Voraussetzungen zur Erlassung der einstweiligen Verfügung:

3.4.1.  Zulässigkeit gemäß § 350 BVergG 2018

Da laut Stellungnahme der Auftraggeberin das Vergabeverfahren nicht widerrufen und der Zuschlag noch nicht erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht damit gemäß § 342 Abs 1 BVergG 2018 zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen der Auftraggeberin zuständig.

Schließlich geht das Bundesverwaltungsgericht vorläufig davon aus, dass der Antragstellerin die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 BVergG 2018 nicht offensichtlich fehlen. Der Nachprüfungsantrag wurde rechtzeitig eingebracht. Dieser enthält alle in § 344 Abs 1 BVergG 2018 geforderten Inhalte.

Die Pauschalgebühr wurde bezahlt.

3.4.2.  Inhaltliche Begründetheit gemäß § 351 BVergG 2018

3.4.2.1. Bei der Interessenabwägung ist auf die allgemeinen Interessen und Grundsätze Rücksicht zu nehmen, dass der Auftraggeber bei seiner zeitlichen Planung des Beschaffungsvorganges die Dauer eines allfälligen Rechtsschutzverfahrens einzuberechnen hat (siehe zB BVwG 11.07.2017, W187 2163208-1/3E; 30.05.2014, W139 2008219-1/10E), das öffentliche Interesse an der Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter zu beachten ist (vgl. grundlegend VfGH 01.08.2002, B 1194/02) und von der Erlassung einer einstweiligen Verfügung nur dann abzusehen ist, wenn die Interessenabwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen ergibt (zB BVwG 19.01.2017, W187 2144680-1/2E). Es besteht ein Primat des vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes (vgl. EuGH 09.04.2003, C-424/01, CS Austria, Slg 2003, I-3249, Rn 30).

Zweck einer einstweiligen Verfügung ist es, die der Antragstellerin bei Zutreffen ihres Vorbringens drohenden Schäden und Nachteile abzuwenden, indem der denkmögliche Anspruch auf Zuschlagserteilung dadurch wirksam gesichert wird, dass das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache in einem Stand gehalten wird, der eine allfällige Teilnahme der Antragstellerin am Vergabeverfahren ermöglicht. Dabei ist gemäß § 351 Abs 3 BVergG 2018 die jeweils gelindeste zum Ziel führende Maßnahme anzuordnen.

Durch die Begrenzung der einstweiligen Verfügung mit der Dauer des abzusichernden Nachprüfungsverfahrens wird die Dauer der einstweiligen Verfügung bestimmbar gemacht (Kodek in Angst/Oberhammer, Kommentar zur Exekutionsordnung³ [2015] § 391 Rz 2). Die Zeit bemisst sich nach der Dauer des Nachprüfungsverfahrens. § 351 Abs 4 BVergG 2018 verlangt lediglich die Festsetzung einer Zeit und legt keine Höchstfrist fest. Aus dem Zweck der einstweiligen Verfügung, und zwar der Absicherung eines effektiven Nachprüfungsverfahrens, ergibt sich, dass die einstweilige Verfügung für die gesamte Dauer des Nachprüfungsverfahrens erlassen werden soll und mit dieser Dauer durch das Gesetz überdies begrenzt ist.

3.4.2.2. Bei der bevorstehenden Aufforderung zur Angebotsabgabe (Zulassung zur zweiten Stufe) ist das nötige und gelindeste Mittel gemäß § 351 Abs 3 BVergG 2018 die vorläufige Untersagung derselben. Es soll somit der Rechtsgestaltungsanspruch dahingehend gesichert werden, dass durch die einstweilige Verfügung verhindert werde, dass eine nachfolgende im Hauptverfahren erfolgte Nichtigerklärung unmöglich oder sonst absolut sinnlos wird (zB BVwG 27.02.2020, W187 2228746-1/2E; vgl zur Konstellation, dass die Angebotsöffnung untersagt wird und die Angebotsfrist ausgesetzt wird BVwG 23.01.2019, W123 2213111-1/3E mwN).

3.4.2.3. Im vorliegenden Verfahren behauptet die Antragstellerin die Rechtswidrigkeit der ihr am 10.08.2021 übermittelten Entscheidung über die Nicht-Zulassung zur Teilnahme. Die Behauptung der Rechtswidrigkeit erscheint in Hinblick auf das soeben wiedergegebene Vorbringen der Antragstellerin zumindest nicht denkunmöglich. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass die von der Antragstellerin geltend gemachten Rechtswidrigkeiten zumindest teilweise zutreffen. Über die inhaltliche Begründetheit ist im Provisorialverfahren nicht abzusprechen. Dies wird im Hauptverfahren durch den zuständigen Senat zu beurteilen sein.

Im Rahmen der Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin im Nachprüfungsantrag hinsichtlich des drohenden Schadens ua auf finanzielle Einbußen, nämlich ua die frustrierten Kosten der Rechtsvertretung und der Beteiligung am Vergabeverfahren, sowie auf den Verlust eines notwendigen Referenzprojektes verweist. Am Vorliegen dieses drohenden Schadens besteht dem Grunde nach kein Zweifel. Die entsprechende Behauptung ist plausibel. Ins Einzelne gehende (genaueste) Darlegungen sind nicht geboten (vgl. VwGH 22.06.2011, 2009/04/0128). Beim Verlust eines Referenzprojektes handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung um einen im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigenden (Vermögens)Nachteil (vgl. VwGH 14.04.2011, 2008/04/0065; BVwG 07.07.2021, W139 2243795-1/4E).

Öffentliche Interessen, die gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung sprechen, sind nicht ersichtlich.

3.4.2.4. Die Auftraggeberin sprach sich inhaltlich nicht gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung aus. Aus Rechtsschutzgründen wird im konkreten Fall auch dem Antrag, die Öffnung der einlangenden Erstangebote zu untersagen, stattgegeben.

3.4.3.  Zudem ist festzuhalten, dass eine mit der Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens verbundene Verzögerung von maximal sechs Wochen nicht ins Gewicht fällt und zudem gemäß der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes auch die Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter im öffentlichen Interesse gelegen ist (vgl. VfGH 25.10.2002, B 1369/01).

Stellt man daher im vorliegenden Fall die Interessen der Antragstellerin den öffentlichen Interessen sowie den Interessen der Auftraggeberin gegenüber, ergibt sich, dass im gegenständlichen Fall vom grundsätzlichen Überwiegen der für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen auszugehen ist. Dem Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes, nämlich der Ermöglichung der Teilnahme an einem rechtskonformen Vergabeverfahren und einer Auftragserteilung an die allenfalls obsiegende Antragstellerin, ist durch eine entsprechende Maßnahme Genüge zu leisten. Ungeachtet eines gesetzlichen Auftrags wäre die Auftraggeberin verpflichtet gewesen, die Dauer eines Nachprüfungsverfahrens bei ihrer Zeitplanung zu berücksichtigen.

Die Auftraggeberin ist durch eine derartige Bestimmung der Dauer nicht belastet, da die Entscheidungsfrist des Bundesverwaltungsgerichtes davon nicht verlängert wird, bei Wegfall der Voraussetzungen für die Erlassung der einstweiligen Verfügung jederzeit deren Aufhebung beantragt werden kann und die einstweilige Verfügung mit der Entscheidung über den Nachprüfungsantrag außer Kraft tritt. Von der Bestimmung einer nach einem bestimmten Datum festgesetzten Frist konnte daher abgesehen werden (zB BVwG 04.05.2015, W187 2106525-1/2E; siehe auch VwGH 10.12.2007, AW 2007/04/0054).

Dem Antrag der Antragstellerin ist daher dahingehend stattzugeben, dass der Auftraggeberin für die Dauer des gegenständlichen Nachprüfungsverfahrens untersagt wird, die Bewerber zur Angebotsabgabe aufzufordern und die einlangenden Erstangebote zu öffnen.

3.5.    Über den Antrag auf Ersatz der Pauschalgebühr wird gesondert entschieden werden.

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Nach Art 133 Abs 9 iVm Abs 4 B-VG ist gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn dieser von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Ist die Rechtslage klar und eindeutig, liegt keine die Zulässigkeit einer Revision begründende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor (vgl. VwGH 12.11.2020, Ra 2020/16/0159).

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 9 iVm Abs 4 B-VG nicht zulässig, da keiner der vorgenannten Fälle vorliegt. Auch ist die Rechtslage eindeutig und es sind keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage ersichtlich.

Schlagworte

Angebotsöffnung Aufforderung Angebotsabgabe Ausschreibung Dauer der Maßnahme Dienstleistungsauftrag einstweilige Verfügung Entscheidungsfrist Interessenabwägung Nachprüfungsantrag Nachprüfungsverfahren öffentliche Interessen Provisorialverfahren Schaden Untersagung Vergabeverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W120.2245647.1.00

Im RIS seit

29.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

29.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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