TE Vwgh Erkenntnis 1996/11/19 94/08/0265

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Veröffentlicht am 19.11.1996
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Index

L92055 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Salzburg;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §7;
BBetrG 1990 §1 Abs2;
SHG Slbg 1975 §2 Abs1;
SHG Slbg 1975 §6 Abs1;
SHG Slbg 1975 §7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des A in N, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 30. September 1994, Zl. 3/01-25.278/1-1994, betreffend Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 16. März 1994 stellte der Beschwerdeführer bei der Bezirkshauptmannschaft Salzburg einen Antrag auf Gewährung von Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg vom 10. Mai 1994 wurde der Antrag mit folgender Begründung abgewiesen: Der Antragsteller sei als Asylwerber bis 15. März 1994 in Bundesbetreuung gestanden; für seinen Lebensunterhalt sei von seiten des Bundesministeriums für Inneres gesorgt worden. Die Entlassung aus der Bundesbetreuung sei erfolgt, weil der Antragsteller einer Aufforderung der zuständigen Bundesbetreuungsstelle, das Quartier zu wechseln, nicht Folge geleistet habe. Der Quartierwechsel sei nötig gewesen, da der bestehende Vertrag mit dem bisherigen Quartiergeber nicht mehr verlängert worden sei. Die Ablehnung der Unterstützung aus Mitteln der Sozialhilfe gründe sich auf § 7 Salzburger Sozialhilfegesetz (in der Folge: SHG), da "eine andere Einrichtung Hilfe leistete", und somit keine Zuständigkeit des Sozialamtes bestehe. Die willkürliche Ablehnung der Unterstützung durch das Bundesministerium für Inneres aufgrund der Nichtbefolgung der Anordnungen der hiefür zuständigen Organe könne nicht Grund für eine "Ersatzunterstützung" aus Mitteln der Sozialhilfe sein. Vielmehr müsse davon ausgegangen werden, daß der Antragsteller tatsächlich keiner Unterstützung bedürfe.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, daß er am 4. März 1994 von der Pension G in eine andere Asylantenunterkunft in Thalham hätte verlegt werden sollen, da der Vertrag der Pension G. mit dem Bundesministerium für Inneres ab 15. März 1994 nicht mehr verlängert worden sei. Er hätte sich geweigert, das Quartier zu wechseln, da dort auch ein Asylwerber aus Guinea untergebracht sei, mit dem es in den vergangenen Monaten - sie seien vorher gemeinsam in der Pension G. untergebracht gewesen - ununterbrochen Streitereien und Tätlichkeiten gegeben habe. Bereits am nächsten Tag sei er rückwirkend mit 4. März 1994 aus der Bundesbetreuung entlassen worden. Die tatsächliche Tragweite seines Entschlusses sei ihm erst nach der Entlassung aus der Bundesbetreuung bewußt geworden. Der Versuch, selbst für seinen Unterhalt und für eine Unterkunft zu sorgen, sei gescheitert, weil es ihm nicht möglich gewesen sei, auf legale Art und Weise Arbeit zu finden. Seit 4. März 1994 leiste ihm keine andere Einrichtung Hilfe und eine Rückübernahme in die Bundesbetreuung sei nicht möglich.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab und begründete dies unter Zitierung der §§ 6 Abs. 1, 7 Abs. 1 und 2 Abs. 1 SHG im wesentlichen damit, daß das Verhalten des Beschwerdeführers als ursächlich für die Entstehung seiner Notlage anzusehen sei. Wäre der Beschwerdeführer der Verlegungsanordnung gefolgt, wäre davon auszugehen, daß ihm bis dato als Asylwerber eine adäquate Bundesbetreuung und Versorgung gewährt würde, weshalb die zitierte Subsidiaritätsbestimmung des § 7 SHG in analoger Anwendung in Verbindung mit § 2 leg. cit. zu einer ablehnenden Berufungsentscheidung führen müsse und die Bestimmung des § 6 leg. cit. in den Hintergrund trete.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, nach der sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes im Sinne des § 6 SHG verletzt erachtet. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes bringt er unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes vor, die Argumentation der belangten Behörde, daß gemäß § 7 Salzburger Sozialhilfegesetz die Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes nicht zu gewähren sei, soweit andere Personen oder Einrichtungen aufgrund gesetzlicher, statutarischer oder vertraglicher Regelung Hilfe LEISTEN (nicht umsonst sei hier im Gesetzestext die Präsensform angeführt), sei gesetzeskonform. In seinem Fall könne jedoch vom aktuellen LEISTEN einer Hilfe (durch den Bund) keine Rede sein. Auch von der Behörde bleibe unbestritten, daß er aus der Bundesbetreuung entlassen worden sei. Weiters sei die Bundesbetreuung eine freiwillige Leistung; für ihn bestehe weder ein Rechtsanspruch, nach T in die Bundesbetreuung zu kommen, noch bestehe für ihn eine Verpflichtung, sich dort aufzuhalten. Grundsätzlich könnten Asylwerber ihren Aufenthalt im Bundesgebiet frei wählen, da sie bis zum Abschluß des Verfahrens zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt seien. Damit könne auch ein Asylwerber Anspruch auf Sozialhilfeleistungen haben. Es möge sein, daß ihm auch in T eine adäquate Bundesbetreuung und Versorgung gewährt worden wäre, nur sei er eben aus der Bundesbetreuung entlassen. Daß durch die Möglichkeit, eventuell freiwillig von einer anderen Stelle (dem Bund) betreut zu werden, der Anspruch nach § 6 SHG gegenüber § 7 leg. cit. zurücktrete, sei eine falsche Argumentation der Berufungsbehörde und finde im Gesetz keine Deckung. Dadurch könne sich die Behörde ihrer Pflicht gemäß § 6 SHG nicht entziehen. Im übrigen verweise der Beschwerdeführer auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Jänner 1985, Zl. 84/11/0221.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorerst ist festzuhalten, daß das Salzburger Sozialhilfegesetz in der hier noch anzuwendenden Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 28/1995 keinen Unterschied zwischen Inländern und Ausländern macht; insbesondere sieht es keine besonderen Regelungen für Flüchtlinge oder Asylwerber vor.

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen haben folgenden Inhalt:

Gemäß § 6 Abs. 1 SHG hat ein Hilfesuchender, der sich im Lande Salzburg aufhält, Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes, wenn er den Lebensbedarf für sich und die mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält.

Gemäß § 7 SHG ist die Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes nicht zu gewähren, soweit andere Personen oder Einrichtungen aufgrund gesetzlicher, statutarischer oder vertraglicher Regelung Hilfe leisten. Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege sind dabei aber nicht zu berücksichtigen.

Gemäß § 2 Abs. 1 SHG ist bei der Gewährung der Sozialhilfe auf die Eigenart und Ursache der Notlage sowie auf die persönlichen Verhältnisse des Hilfesuchenden, insbesondere auf seinen körperlichen und geistig-seelischen Zustand und den Grad seiner sozialen Anpassung, Rücksicht zu nehmen.

Der Beschwerdeführer befand sich für die Dauer seines Aufenthaltes in Österreich in Bundesbetreuung; somit wurde von seiten des Bundesministeriums für Innerers für seinen Unterhalt gesorgt. Die tatsächlich erfolgte Bestreitung seines Unterhaltes endete jedoch mit der Entlassung aus der Bundesbetreuung.

Gemäß § 1 Abs. 3 Bundesbetreuungsgesetz besteht auf die Bundesbetreuung kein Rechtsanspruch. Der Asylwerber ist vielmehr nach § 7 Asylgesetz 1991 unter den dort näher umschriebenen Voraussetzungen bis zum rechtskräftigen Abschluß des Asylverfahrens zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Er kann grundsätzlich seinen Aufenthaltsort frei wählen. Damit kann er aber bis zu einer allfälligen rechtskräftigen Ablehnung seines Asylantrages durchaus Anspruch auf Sozialhilfeleistungen haben. Im übrigen läßt § 1 Abs. 2 Bundesbetreuungsgesetz die Möglichkeit, Leistungen auf Grund dieses Bundesgesetzes zu erhalten, Ansprüche aufgrund anderer gesetzlicher Vorschriften unberührt. Dem Salzburger Sozialhilfegesetz kann keine Verpflichtung entnommen werden, zur Beschaffung des Lebensbedarfes aus eigenen Mitteln auch freiwillige Leistungen Dritter (hier: des Bundesministeriums für Inneres durch Versorgung von Asylwerbern im Rahmen der Bundesbetreuung) unabhängig von hiebei gesetzten Bedingungen in Anspruch nehmen zu müssen. Es besteht lediglich die Verpflichtung, den Lebensbedarf unter Einsatz der eigenen Kräfte und Mittel zu beschaffen (vgl. das diesbezüglich zum Wiener Sozialhilfegesetz ergangene Erkenntnis vom 16. Jänner 1985, Zl. 84/11/0221).

Die belangte Behörde unterlag daher bei Erlassung des angefochtenen Bescheides insofern einem Rechtsirrtum, als sie den Anspruch des Beschwerdeführers auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes deswegen verneinte, weil der Beschwerdeführer dann, wenn er der Aufforderung zum Quartierwechsel nachgekommen wäre, seinen Lebensbedarf weiterhin vom Bund erhalten haben würde.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994080265.X00

Im RIS seit

13.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

19.04.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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