TE Bvwg Beschluss 2021/9/17 I406 2227724-2

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Veröffentlicht am 17.09.2021
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Entscheidungsdatum

17.09.2021

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
AVG §68 Abs1
BFA-VG §22
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


I406 2227724-2/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Gerhard KNITEL über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Marokko, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 10.09.2021, Zl. XXXX :

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Fremde, ein marokkanischer Staatsangehöriger, reiste im November 2010 illegal von Italien kommend nach Österreich ein und wurde am selben Tag einer fremdenpolizeilichen Kontrolle unterzogen und wieder nach Italien zurückgeschoben.

2.       Er reiste zu einem unbekannten Zeitpunkt neuerlich nach Österreich ein und stellte am 09.09.2013 einen ersten Asylantrag, der mit Bescheid des damaligen Bundesasylamtes aufgrund einer Dublin-Zuständigkeit der Schweiz ohne in die Sache einzutreten als unzulässig zurückgewiesen wurde. Gleichzeitig wurde der Fremde aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Schweiz ausgewiesen. Der Bescheid erwuchs am 26.09.2013 unangefochten in Rechtskraft.

3.       Am 28.05.2014 brachte er einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz ein, der mit Bescheid des BFA gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde. Es wurde die Anordnung zur Außerlandesbringung des Fremden in die Schweiz ausgesprochen und seine Abschiebung in die Schweiz für zulässig erklärt. Dieser Bescheid erwuchs mit 18.06.2014 in erster Instanz in Rechtskraft.

4.       Am 04.03.2016 stellte er einen dritten Antrag auf internationalen Schutz, den er mit ausschließlich wirtschaftlichen Gründen begründete. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des BFA vom 15.07.2016 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Fremden nicht erteilt. Gegen ihn wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde ihm nicht gewährt. Außerdem wurde festgestellt, dass er mit 02.05.2016 das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet verloren habe und gegen den Fremden ein befristetes Einreiseverbot für die Dauer von 5 Jahren erlassen. Der Bescheid erwuchs am 30.07.2016 unangefochten in Rechtskraft. Der Herkunftsstaat des Fremden konnte damals nicht festgestellt werden.

5.       Mit Schreiben vom 09.05.2017 teilte die marokkanische Botschaft mit, dass der Fremde als marokkanischer Staatsangehöriger identifiziert worden sei.

6.       Am 20.12.2019 wurde über den Fremden aufgrund illegalen Aufenthalts die Schubhaft verhängt. Aus dem Stande der Schubhaft stellte er einen vierten Antrag auf internationalen Schutz, den er neuerlich mit ausschließlich wirtschaftlichen Motiven begründete.

7.       Mit mündlich verkündetem Bescheid vom 17.01.2020 hob das BFA den faktischen Abschiebeschutz des Beschwerdeführers gemäß § 12 Abs. 2 AsylG auf. Das Bundesverwaltungsgericht erklärte die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes mit Beschluss vom 23.01.2020 für rechtmäßig.

8.       Am 10.04.2020 wurde der Fremde aus der Schubhaft entlassen, weil seine Haftfähigkeit aufgrund eines Hungerstreikes nicht mehr gegeben war.

9.       Mit Bescheid des BFA vom 22.04.2020 wurde der vierte Antrag des Fremden auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz wurde dem Fremden nicht erteilt. Gegen ihn wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Marokko festgestellt. Außerdem wurde gegen den Fremden ein befristetes Einreiseverbot für die Dauer von 5 Jahren erlassen. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt. Der Bescheid erwuchs am 16.05.2020 unangefochten in Rechtskraft.

10.      In weiterer Folge tauchte der Fremde unter und reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Niederlande, wo er am 05.03.2021 unter Verwendung einer Aliasidentität einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz stellte.

11.      Am 13.08.2021 wurde der Fremde von den niederländischen Behörden nach Österreich überstellt. Mit seiner Überstellung nach Österreich gilt der in den Niederlanden gestellte Antrag des Fremden auf internationalen Schutz als in Österreich gestellt. Der Fremde wurde am 13.08.2021 festgenommen und in Schubhaft genommen.

12.       Bei seiner polizeilichen Erstbefragung am 13.08.2021 machte der Fremde wiederum ausschließlich wirtschaftliche Gründe für das Verlassen seiner Heimat geltend.

13.      Mit Verfahrensanordnung vom 18.08.2021 wurde der Fremde informiert, dass beabsichtigt sei, seinen Folgeantrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufzuheben.

14.      Am 10.09.2021 wurde der Fremde niederschriftlich durch das BFA einvernommen, wobei er geltend machte, dass sich seine Fluchtgründe geändert haben. Sein Vater und seine Mutter seien ermordet worden, und im drohe im Falle einer Rückkehr nach Marokko ebenfalls der Tod. Sein Onkel habe mit einer Organisation wie der Mafia gearbeitet und deshalb Probleme bekommen, die seine gesamte Familie betreffen würden.

15.      Mit dem im Spruch angeführten, mündlich verkündeten Bescheid vom 10.09.2021 hob das BFA gegenüber dem Fremden gemäß § 12a Abs. 2 AsylG den faktischen Abschiebeschutz auf und begründete das sinngemäß damit, dass der Fremde keinen neuen glaubhaften Sachverhalt vorgebracht habe, der eine Asylrelevanz mit sich brächte. Die Rückkehrentscheidung sei aufrecht und eine Anordnung der Außerlandesbringung würde keinen Eingriff in seine durch Art. 2, 3 und 8 EMRK geschützten Rechte bedeuten. Da sich auch die Lage im Herkunftsstaat nicht wesentlich geändert habe, sei der Folgeantrag voraussichtlich zurückzuweisen.

Weiters traf das BFA auszugsweise die folgenden Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat des Fremden:

„COVID-19

Letzte Änderung: 17.03.2021

Die Ausbreitung von Covid-19 führt weiterhin zu Einschränkungen des internationalen Luft- und Reiseverkehr (AA 15.3.2021). Es ist mit weitgehenden Einschränkungen im öffentlichen Leben zu rechnen (BMEIA 15.3.2021). Aus Angst vor Covid-19-Mutationen hat Marokko Flüge u.a. von und nach Deutschland, der Schweiz und weiteren Ländern vorerst bis 21.3.2021 gestoppt. Ausnahmen gelten für Fracht- und medizinische Flüge. Der Ausnahmezustand wurde bis 10.4.2021 verlängert. Er beschränkt die Reisemöglichkeiten zwischen den Provinzen, bestimmt eine nächtliche Ausgangssperre sowie ein Versammlungsverbot und die Einhaltung der Hygieneregeln. Die lokalen Sicherheitskräfte kontrollieren die Einhaltung der verhängten Maßnahmen verstärkt. Laut Morocco World News wurden 3.913.615 der 33 Mio. Marokkaner bereits geimpft und 578.942 Bürger haben die zweite Impfung erhalten (BAMF 8.3.2021).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.3.2021): Marokko: Reise- und Sicherheitshinweise (COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/marokkosicherheit/224080, Zugriff 15.3.2021

?        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (8.3.2021): Briefing Notes – Marokko: Covid-19-Pandemie, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw10-2021.html, Zugriff 15.3.2021

?        BMEIA - Bundesministerium Europäische und internationale Angelegenheiten [Österreich] (15.3.2021): Marokko – Reiseinformationen, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/marokko/, Zugriff 15.3.2021

Politische Lage

Letzte Änderung: 17.03.2021

Marokko ist eine islamisch legitimierte Monarchie mit konstitutionellen und demokratischen Elementen. Die zentralen politischen Vorrechte und die Führung des Landes liegen bei König Mohammed VI. Seit der Verfassungsreform von 2011 wird die Regierung durch das Parlament gebildet (AA 9.2.2021a; vgl. AA 31.1.2021; UDSOS 11.3.2020). Laut der Verfassung vom 1.7.2011 ist Marokko eine konstitutionelle, demokratische und soziale Erbmonarchie, mit direkter männlicher Erbfolge und dem Islam als Staatsreligion. Abweichend vom demokratischen Grundprinzip der Gewaltenteilung kontrolliert der König in letzter Instanz die Exekutive, die Judikative und teilweise die Legislative (GIZ 12.2020a; vgl. ÖB 5.2019). Im Zusammenhang mit den Protestbewegungen in Nordafrika im Frühjahr 2011 leitete der König im Jahr 2011 eine Verfassungsreform und vorgezogene Neuwahlen ein. Proteste im Norden des Landes sind vor allem Ausdruck der Unzufriedenheit mit der Umsetzung sozio-ökonomischer Reformen, die schleppend verläuft (GIZ 12.2020a). Die Verfassung vom 1.7.2011 brachte im Grundrechtsbereich einen deutlichen Fortschritt für das Land; in Bezug auf die Königsmacht jedoch nur eine Abschwächung der absolutistischen Stellung. Das Parlament wurde als Gesetzgebungsorgan durch die neue Verfassung aufgewertet und es ist eine spürbare Verlagerung des politischen Diskurses in die Volksvertretung hinein erkennbar. Die Judikative wird als unabhängige Staatsgewalt gleichberechtigt neben Legislative und Exekutive gestellt. Das System der checks und balances als Ergänzung zur Gewaltenteilung ist jedoch in der Verfassung vergleichsweise wenig ausgebildet (ÖB 5.2019).

Einige Schlüsselministerien sind in Marokko der Kontrolle des Parlamentes und des Premierministers entzogen. Dies betrifft folgenden vier Ressorts: Inneres, Äußeres, Verteidigung, Religiöse Angelegenheiten und Stiftungen. Soziale Reformen während der Regentschaft Mohamed VI sollten mehr Wohlstand für alle bringen - doch faktisch nahm die ohnehin starke Kontrolle der Königsfamilie und ihrer Entourage über die Reichtümer und Ressourcen des Landes weiter zu. Abweichend vom demokratischen Grundprinzip der Gewaltenteilung kontrolliert der König in letzter Instanz die Exekutive, die Judikative und teilweise die Legislative; der König ernennt auch Regierungschef „Président du Gouvernement“, wie auch den Vorsitzenden des obersten Richterrats „Conseil supérieur du pouvoir judiciaire“ (GIZ 12.2020a).

Das marokkanische Parlament besteht aus zwei Kammern, dem Unterhaus (Chambre des Représentants, Madschliss an-Nuwwab) und dem Oberhaus (Chambre des conseillers, Madschliss al-Mustascharin). Die Abgeordneten des Unterhauses werden alle fünf Jahre in direkten allgemeinen Wahlen neu gewählt. Das Unterhaus besteht aus 395 Abgeordneten. Entsprechend einer gesetzlich festgelegten Quote sind mindestens 12% der Abgeordneten Frauen. Das Oberhaus (Chambre des Conseillers) besteht aus mindestens 90 und maximal 120 Abgeordneten, die in indirekten Wahlen für einen Zeitraum von sechs Jahren bestimmt werden. Der König ist Vorsitzender des Ministerrates, hat Richtlinienkompetenz und ernennt den Regierungschef aus der Partei die bei den Wahlen als Sieger hervorgeht (GIZ 12.2020a).

In Marokko haben am 7.10.2016 Wahlen zum Repräsentantenhaus stattgefunden. Als stärkste Kraft ging die seit 2011 an der Spitze der Regierung stehende Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung („Parti de la Justice et du Développement“) hervor. Am 5.4.2017 ernannte König Mohammed VI Saad-Eddine El Othmani zum Premier-Minister. Größte Oppositionspartei ist die Partei für Authentizität und Modernität (PAM). Sie rangiert an zweiter Stelle mit 102 Sitzen und konnte ihre Stimmengewinne mehr als verdoppeln und gilt daher als heimliche Siegerin. Dahinter gereiht ist mit 46 Sitzen die traditionsreiche Unabhängigkeitspartei (PI – Parti de l'Istiqlal), dahinter andere Parteien (GIZ 12.2020a).

Seit Anfang 2017 ist Marokko wieder offiziell Mitglied der Afrikanischen Union (GIZ 12.2020a).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.3.2021): Marokko - Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/marokkosicherheit/224080, Zugriff 15.3.2021

?        BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres [Österreich] (15.3.2021): Reiseinformation Marokko, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/marokko/, Zugriff 15.3.2021

?        EDA - Eidgenössisches Departemenet für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (15.3.2021): Reisehinweise für Marokko, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/marokko/reisehinweise-marokko.html, Zugriff 15.3.2021

?        FD - France Diplomatie [Frankreich] (15.3.2021): Conseils aux Voyageurs - Maroc - Sécurité, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/maroc/#derniere_nopush, Zugriff 15.3.2021

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 17.03.2021

Marokko kann grundsätzlich als stabiles Land betrachtet werden (EDA 15.3.2021). Das französische Außenministerium rät bis auf einige Regionen zu normaler Aufmerksamkeit im Land, dem einzigen in Nordafrika, das auf diese Weise bewertet wird (FD 15.3.2021). In den Grenzregionen zu Algerien wird zu erhöhter Aufmerksamkeit geraten (FD 15.3.2021), bzw. wird von Reisen abgeraten (AA 15.3.2021).

Die Westsahara darf nur nach Genehmigung durch die marokkanischen Behörden und nur auf genehmigten Strecken bereist werden (FD 15.3.2021). Zusätzlich besteht für die Grenzregionen zu Mauretanien in der Westsahara eine Reisewarnung (AA 15.3.2021 ; vgl. FD 15.3.2021, BMEIA 15.3.2021).

Trotz erhöhter Sicherheitsmaßnahmen besteht im ganzen Land das Risiko terroristischer Angriffe. Im Dezember 2018 wurden zwei Touristinnen auf einer Wandertour in der Nähe des Mont Toubkal im Atlasgebirge Opfer eines Gewaltverbrechens mit terroristischem Hintergrund (AA 15.3.2021; vgl. EDA 15.3.2021). In Teilen der Sahara und des Sahels besteht das Risiko von Entführungen (EDA 15.3.2021).

Demonstrationen und Protestaktionen sind jederzeit im ganzen Land möglich (EDA 15.3.2020; vgl. BMEIA 15.3.2021). In der Region Rif kann es zu Übergriffen durch Kriminelle kommen, die in Drogenproduktion und -handel involviert sind (FD 15.3.2021; vgl. BMEIA 15.3.2021; EDA 15.3.2021).

In großen Teilen der Sahara sind bewaffnete Banden und islamistische Terroristen aktiv, die vom Schmuggel und von Entführungen leben. Das Entführungsrisiko ist in einigen Gebieten der Sahara und der Sahelzone hoch und nimmt noch zu. Die Grenze zu Algerien ist seit 1994 geschlossen (EDA 15.3.2021; vgl. AA 15.3.2021).

Das völkerrechtlich umstrittene Gebiet der Westsahara erstreckt sich südlich der marokkanischen Stadt Tarfaya bis zur mauretanischen Grenze. Es wird sowohl von Marokko als auch von der Unabhängigkeitsbewegung Frente Polisario beansprucht. Die United Nations Mission for the Referendum in Western Sahara MINURSO überwacht den Waffenstillstand zwischen den beiden Parteien. Auf beiden Seiten der Demarkationslinie (Sandwall) sind diverse Minenfelder vorhanden (EDA 15.3.2021).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.3.2021): Marokko - Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/marokkosicherheit/224080, Zugriff 15.3.2021

?        BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres [Österreich] (15.3.2021): Reiseinformation Marokko, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/marokko/, Zugriff 15.3.2021

?        EDA - Eidgenössisches Departemenet für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (15.3.2021): Reisehinweise für Marokko, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/marokko/reisehinweise-marokko.html, Zugriff 15.3.2021

?        FD - France Diplomatie [Frankreich] (15.3.2021): Conseils aux Voyageurs - Maroc - Sécurité, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/maroc/#derniere_nopush, Zugriff 15.3.2021

Rechtsschutz / Justizwesen

Letzte Änderung: 17.03.2021

Die Justiz ist laut Verfassung unabhängig (USDOS 11.3.2020). In der Praxis wird diese Unabhängigkeit jedoch durch Korruption (USDOS 11.3.2020; vgl. ÖB 5.2019; AA 31.1.2021) und außergerichtliche Einflüsse unterlaufen. Behörden setzen manchmal gerichtliche Anordnungen nicht zeitnah durch (USDOS 11.3.2020). Das Gerichtssystem ist nicht unabhängig vom Monarchen, der dem Obersten Justizrat vorsitzt (FH 3.3.2021). Rechtsstaatlichkeit ist vorhanden, aber noch nicht ausreichend entwickelt. Unabhängigkeit der Justiz, Verfassungsgerichtsbarkeit, Transparenz durch Digitalisierung, Modernisierung der Justizverwaltung befinden sich noch im Entwicklungsprozess, der, teils von der Verfassung gefordert, teils von der Justizverwaltung angestoßen wurde. Mit dem in der Verfassung vorgesehenen und im April 2017 eingesetzten Conseil supérieur du pouvoir judiciaire (Oberster Rat der Rechtssprechenden Gewalt) wurden Richter- und Staatsanwaltschaft aus dem Verantwortungsbereich des Justizministeriums herausgelöst und verwalten sich nun selbst. Der Rat agiert als unabhängige Behörde. Mit der Herauslösung der Staatsanwaltschaft wurde formal die Unabhängigkeit der Ermittlungsbehörden von der Politik gestärkt. Es gibt jedoch Stimmen, die eine direkte Einflussnahme des Palastes befürchten, da sich Richterschaft und Staatsanwaltschaft nunmehr jeder demokratisch legitimierten Kontrolle entziehen (AA 31.1.2021).

Formal besteht Gleichheit vor dem Gesetz. Das extreme Gefälle in Bildung und Einkommen, die materielle Unterentwicklung ländlicher Gebiete und der allgegenwärtige gesellschaftliche Klientelismus behindern allerdings die Umsetzung des Gleichheitsgrundsatzes (AA 31.1.2021). Gesetzlich gilt die Unschuldsvermutung. Der Rechtsweg ist formal sichergestellt. Angeklagte haben das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren, auf rechtzeitigen Zugang zu ihrem Anwalt und das Recht, Berufung einzulegen. Das marokkanische Recht sieht Pflichtverteidiger für mittellose Angeklagte vor. Der Zugang zu juristischem Beistand ist in der Praxis noch immer unzulänglich (AA 31.1.2021; vgl. USDOS 11.3.2020). NGOs kritisieren, dass die Beschuldigten zu Geständnissen gedrängt werden (FH 3.3.2021; vgl. AA 31.1.2021). Das Strafprozessrecht erlaubt der Polizei, einen Verdächtigen bis zu 48 Stunden in Gewahrsam („garde à vue“) zu nehmen. Der Staatsanwalt kann diese Frist zweimal verlängern. Der Entwurf für ein neues Strafprozessgesetz sieht verbesserten Zugang zu Anwälten bereits im Gewahrsam vor. Das Gesetz ist noch nicht verabschiedet (AA 31.1.2021). Berichten zufolge werden Untersuchungshäftlinge in der Praxis länger als ein Jahr festgehalten, und das Gesetz enthält keine Bestimmungen, die es Untersuchungshäftlingen erlauben, ihre Inhaftierung vor Gericht anzufechten. Einige Verdächtige, insbesondere diejenigen, die des Terrorismus beschuldigt werden, werden tage- oder wochenlang in geheimer Haft gehalten, bevor eine formelle Anklage erhoben wird. Zudem wird Angeklagten nach ihrer Verhaftung der sofortige Zugang zu Anwälten verwehrt und Verteidigern stoßen beim Zugang bei der Vorlage von Prozessbeweisen zu Hindernissen (FH 3.3.2021).

Im Bereich der Strafzumessung wird häufig kritisiert, dass bestehende Möglichkeiten zur Vermeidung von Haft bei minder schweren Delikten (z.B. Geldstrafen, Sozialstunden) nicht genutzt werden. Auch die Möglichkeit der Entlassung auf Bewährung (libération conditionnelle) wird kaum genutzt (AA 31.1.2021).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf, Zugriff 11.3.2021

?        FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2046530.html, Zugriff 11.3.2021

?        ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat [Österreich] (5.2019): Asylländerbericht Marokko

?        USDOS - United States Department of State [USA] (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/MOROCCO-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 2.4.2020

Sicherheitsbehörden

Letzte Änderung: 17.03.2021

Der Sicherheitsapparat verfügt über einige Polizei- und paramilitärische Organisationen, deren Zuständigkeitsbereiche sich teilweise überlappen. Die DGSN „Direction Générale de la Sûreté Nationale“ (Nationalpolizei) ist für die Umsetzung der Gesetze zuständig und untersteht dem Innenministerium. Bei den „Forces auxiliaires“ handelt es sich um paramilitärische Hilfskräfte, die dem Innenministerium unterstellt sind und die Arbeit der regulären Sicherheitskräfte unterstützen. Die Gendarmerie Royale ist zuständig für die Sicherheit in ländlichen Gegenden und patrouilliert auf Nationalstraßen. Sie untersteht dem Verteidigungsministerium (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 31.1.2021). Es gibt zwei Nachrichtendienste: den Auslandsdienst DGED („Direction Générale des Etudes et de Documentation“) und den Inlandsdienst DGST („Direction Générale de la Surveillance du Territoire“) (AA 31.1.2021; vgl. ÖB 5.2019). Im April 2015 wurde zusätzlich das „Bureau central d'investigations judiciaires“ (BCIJ) geschaffen. Es untersteht dem Inlandsdienst DGST. Von der Funktion entspricht es etwa dem deutschen Bundeskriminalamt mit originären Zuständigkeiten und Ermittlungskompetenzen im Bereich von Staatsschutzdelikten sowie Rauschgift- und Finanzdelikten im Rahmen von Verfahren der Organisierten Kriminalität (AA 31.1.2021).

Die zivile Kontrolle über die Sicherheitskräfte ist gemäß USDOS wirksam (USDOS 11.3.2020), gemäß auswärtigem Amt hingegen sind die Sicherheitskräfte weitgehend der zivilen Kontrolle durch Parlament und Öffentlichkeit entzogen (AA 31.1.2021).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf, Zugriff 11.3.2021

?        ÖB - Österreichische Botschaft Rabat [Österreich] (5.2019): Asylländerbericht Marokko, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf

?        USDOS - United States Department of State [USA] (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/MOROCCO-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 2.4.2020

Grundversorgung

Letzte Änderung: 17.03.2021

Die Grundversorgung der Bevölkerung ist gewährleistet, Brot, Zucker und Gas werden subventioniert. Staatliche soziale Unterstützung ist kaum vorhanden, vielfach sind religiös-karitative Organisationen tätig. Die entscheidende Rolle bei der Betreuung Bedürftiger spielt nach wie vor die Familie. Staatliche und sonstige Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer gibt es nicht (AA 31.1.2021).

Formal ist Marokko eine freie Marktwirtschaft. Bedingt durch die starke Stellung der Königsfamilie und alteingesessener Eliten ist der Wettbewerb jedoch verzerrt. Seit dem Machtantritt von König Mohammed VI. hat die Vormachtstellung der Königsfamilie in Schlüsselsektoren wie Landwirtschaft, Bergbau, Einzelhandel, Transport, Telekommunikation und erneuerbaren Energien weiter zugenommen. Gleichzeitig sind immer mehr Marokkaner auf Überweisungen aus dem Ausland angewiesen, um zu überleben (GIZ 12.2020c).

Ein gravierendes Problem bildet nach wie vor die Arbeitslosigkeit 2018 (laut IMF bei 9,8%, Dunkelziffer liegt wesentlich höher), vor allem unter der Jugend (ÖB 5.2019). Entwicklungsproblematisch für Marokko ist die Jugendarbeitslosigkeit und der Mangel an Arbeitsplätzen (GIZ 12.2020c).

Laut Informationen der Weltbank steht Marokko in der MENA-Region bei der Höhe der Auslandsüberweisungen von Migranten (Remittances) an dritter Stelle. Zur Sicherung des sozialen und politischen Friedens verteilt der Staat Subventionen: Diese wurden in den letzten Jahren allerdings gekürzt, von 5 Mrd. Euro auf voraussichtlich umgerechnet 1,2 Mrd. Euro in 2018. Für das Jahr 2020 wurde eine Erhöhung auf 1,4 Mrd. Euro angekündigt.Derzeit werden Kochgas, Mehl und Zucker subventioniert, seit Corona außerdem nicht medizinische Mund-Nase-Masken. Die Staatsverschuldung nimmt trotz Subventionskürzungen und Privatisierungen zu (GIZ 12.2020c).

Der informelle Bereich der Wirtschaft wird statistisch nicht erfasst, entfaltet aber erhebliche Absorptionskraft für den Arbeitsmarkt. Fremdsprachenkenntnisse - wie sie z.B. Heimkehrer aufweisen - sind insbesondere in der Tourismusbranche und deren Umfeld nützlich. Arbeitssuchenden steht die Internet-Plattform des nationalen Arbeitsmarktservices ANAPEC zur Verfügung (www.anapec.org), die neben aktueller Beschäftigungssuche auch Zugang zu Fortbildungsmöglichkeiten vermittelt. Unter 30-Jährige, die bestimmte Bildungsebenen erreicht haben, können mit Hilfe des OFPPT (www.ofppt.ma/) eine weiterführende Berufsausbildung einschlagen. Die marokkanische Regierung führt Programme der Armutsbekämpfung (INDH) und des sozialen Wohnbaus. Eine staatlich garantierte Grundversorgung/arbeitsloses Basiseinkommen existiert allerdings nicht. Der Mindestlohn (SMIG) liegt bei 2.570 Dirham (ca. EUR 234). Ein Monatslohn von etwa dem Doppelten dieses Betrags gilt als durchaus bürgerliches Einkommen. Statistisch beträgt der durchschnittliche Monatslohn eines Gehaltsempfängers 4.711 Dirham, wobei allerdings die Hälfte der - zur Sozialversicherung angemeldeten - Lohnempfänger nur den Mindestlohn empfängt. Ein ungelernter Hilfsarbeiter erhält für einen Arbeitstag (10 Std.) ca. 100 Dirham, Illegale aus der Subsahara erhalten weniger (ÖB 5.2019).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf, Zugriff 15.3.2021

?        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2020c): LIPortal - Marokko – Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/marokko/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 15.3.2021

?        ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat [Österreich] (5.2019): Asylländerbericht Marokko, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf

Medizinische Versorgung

Letzte Änderung: 17.03.2021

Politisch verantwortlich für die medizinische Versorgung ist das Gesundheitsministerium. Die meisten Marokkaner müssen für ihre Gesundheit allein vorsorgen. Wer einen formellen Arbeitsvertrag hat, ist zwar offiziell krankenversichert, aber viele Leistungen müssen trotzdem aus eigener Tasche bezahlt werden. Patienten mit geringem Einkommen haben seit 2002 die Möglichkeit, sich im Rahmen der öffentlichen Assurance Maladies Obligatoire (AMO) oder des Gesundheitssystems Régime d'Assistance Médicale (RAMED) behandeln zu lassen (GIZ 12.2020b).

Es gibt ein an die Beschäftigung geknüpftes Kranken- und Rentenversicherungssystem (CNSS). Seit 2015 können sich unter bestimmten Umständen auch Studierende und sich legal im Land aufhaltende Ausländer versichern lassen. Mittellose Personen können auf Antrag bei der Präfektur eine „Carte RAMED“ zur kostenfreien Behandlung erhalten (AA 31.1.2021).

Die medizinische Grundversorgung ist vor allem im städtischen Raum weitgehend gesichert. Medizinische Dienste sind kostenpflichtig und werden bei bestehender gesetzlicher Krankenversicherung von dieser erstattet. Es gibt einen großen qualitativen Unterschied zwischen öffentlicher und (teurer) privater Krankenversorgung. Selbst modern gut ausgestattete medizinische Einrichtungen garantieren keine europäischen Standards. Insbesondere das Hilfspersonal ist oft unzureichend ausgebildet, Krankenwagen sind in der Regel ungenügend ausgestattet. Die Notfallversorgung ist wegen Überlastung der Notaufnahmen in den Städten nicht immer gewährleistet, auf dem Land ist sie insbesondere in den abgelegenen Bergregionen unzureichend (AA 31.1.2021).

Rund 30.000 Menschen in Marokko sollen mit HIV infiziert sein. Knapp 50% der Infizierten sind weiblich. Prostitutierte und Homosexuelle sind überdurchschnittlich oft betroffen. Damit hat Marokko in der MENA-Region eine Spitzenposition inne (GIZ 10.2020b). Chronische und psychiatrische Krankheiten oder auch AIDS-Dauerbehandlungen lassen sich in Marokko vorzugsweise in privaten Krankenhäusern behandeln. Bei teuren Spezialmedikamenten soll es in der öffentlichen Gesundheitsversorgung bisweilen zu Engpässen kommen. Bei entsprechender Finanzkraft ist allerdings fast jedes lokal produzierte oder importierte Medikament erhältlich (AA 31.1.2021).

Im Bereich der Basis-Gesundheitsversorgung wurde 2012 das Programm RAMED eingeführt und erstreckt sich auf 8,5 Mio. Einwohner der untersten Einkommensschichten bzw. vulnerable Personen, die bisher keinen Krankenversicherungsschutz genossen. Im Oktober 2012 waren bereits 1,2 Mio. Personen im RAMED erfasst (knapp 3% der Haushalte). RAMED wird vom Sozialversicherungsträger ANAM administriert, der auch die Pflichtkrankenversicherung AMO der unselbständig Beschäftigten verwaltet. Zugang haben Haushaltsvorstände und deren Haushaltsangehörige, die keiner anderen Pflicht-Krankenversicherung unterliegen. Die Teilnahme an RAMED ist gratis („Carte RAMED“), lediglich vulnerable Personen zahlen einen geringen Beitrag (11 € pro Jahr pro Person). Ansprechbar sind die Leistungen im staatlichen Gesundheitssystem (Einrichtungen der medizinischen Grundversorgung und Vorsorge sowie Krankenhäuser) im Bereich der Allgemein- und Fachmedizin, stationärer Behandlung, Röntgendiagnostik etc. Die Dichte und Bestückung der medizinischen Versorgung ist auf einer Website des Gesundheitsministeriums einsehbar (ÖB 5.2019). Mittellose Personen können auf Antrag bei der Präfektur eine „Carte RAMED“ erhalten. Bei Vorlage dieser Karte sind Behandlungen kostenfrei (AA 31.1.2021).

Auf 1.775 Einwohner entfällt ein Arzt. 141 öffentliche Krankenhäuser führen etwas mehr als 27.000 Betten (ein Spitalsbett auf ca. 1.200 Einwohner); daneben bestehen 2.689 Einrichtungen der medizinischen Grundversorgung. Inhaber der Carte RAMED können bei diesen Einrichtungen medizinische Leistungen kostenfrei ansprechen. Freilich ist anzumerken, dass dieser öffentliche Gesundheitssektor in seiner Ausstattung und Qualität und Hygiene überwiegend nicht mit europäischen Standards zu vergleichen ist. Lange Wartezeiten und Mangel an medizinischen Versorgungsgütern und Arzneien sind zu beobachten. Wer weder unter das RAMED-System fällt, noch aus einem Anstellungsverhältnis pflichtversichert ist, muss für medizinische Leistungen aus eigenem aufkommen (ÖB 5.2019).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf, Zugriff 15.3.2021

?        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.3.2021): Marokko: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/marokkosicherheit/224080, Zugriff 15.3.2021

?        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2020b): LIPortal - Marokko - Gesellschaft, https://www.liportal.de/marokko/gesellschaft/, Zugriff 15.3.2021

?        ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat [Österreich] (5.2019): Asylländerbericht Marokko, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf

Rückkehr

Letzte Änderung: 17.03.2021

Das Stellen eines Asylantrags im Ausland ist nicht strafbar und wird nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amts von den Behörden nicht als Ausdruck oppositioneller Gesinnung gewertet (AA 31.1.2021).

Auf institutioneller Basis wird Rückkehrhilfe von IOM organisiert, sofern der abschiebende Staat mit IOM eine diesbezügliche Vereinbarung (mit Kostenkomponente) eingeht; Österreich hat keine solche Abmachung getroffen. Rückkehrer ohne eigene finanzielle Mittel dürften primär den Beistand ihrer Familie ansprechen; gelegentlich bieten auch NGOs Unterstützung. Der Verband der Familie und Großfamilie ist primärer sozialer Ankerpunkt der Marokkaner. Dies gilt mehr noch für den ländlichen Raum, in welchem über 40% der Bevölkerung angesiedelt und beschäftigt sind. Rückkehrer würden in aller Regel im eigenen Familienverband Zuflucht suchen. Der Wohnungsmarkt ist über lokale Printmedien und das Internet in mit Europa vergleichbarer Weise zugänglich, jedenfalls für den städtischen Bereich (ÖB 5.2019).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.1.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2045867/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_im_K%C3%B6nigreich_Marokko_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_31.01.2021.pdf, Zugriff 15.3.2021

?        ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat [Österreich] (5.2019): Asylländerbericht Marokko, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf“

16.      Am 15.09.2021 übermittelte das BFA dem Bundesverwaltungsgericht den Verwaltungsakt samt verfahrensgegenständlichem Bescheid.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Die Übermittlung des Akts gilt nach § 22 Abs. 10 AsylG 2005 als Beschwerde gegen die Aufhebung des Abschiebeschutzes, der Fremde somit als Beschwerdeführer im gerichtlichen Überprüfungsverfahren.

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I getroffenen Ausführungen werden als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1      Zur Person des Fremden

Der Fremde ist Staatsangehöriger Marokkos, seine Identität steht fest.

Der Fremde reiste erstmals am 11. November 2010 illegal nach Österreich ein und stellte insgesamt fünf Anträge auf internationalen Schutz, wobei bereits vier dieser Anträge rechtskräftig negativ entschieden wurden.

Der dem gegenständlichen Verfahren vorangegangene vierte Antrag des Fremden auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des BFA vom 22.04.2020 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz wurde dem Fremden nicht erteilt. Gegen ihn wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Marokko festgestellt. Außerdem wurde gegen den Fremden ein befristetes Einreiseverbot für die Dauer von 5 Jahren erlassen. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt. Der Bescheid erwuchs am 16.05.2020 unangefochten in Rechtskraft.

Der Fremde kam seiner Verpflichtung zur unverzüglichen Ausreise nach Marokko, in ein Transitland oder in einen anderen Drittstaat nicht nach. Am 10.04.2020 wurde er aus der Schubhaft entlassen, weil seine Haftfähigkeit aufgrund eines Hungerstreikes nicht mehr gegeben war und tauchte anschließend unter. Ab dem 11.04.2020 verfügte er über keine behördliche Meldeadresse mehr im Bundesgebiet. Er hielt sich unter anderem in den Niederlanden auf, wo er am 05.03.2021 unter Verwendung einer Aliasidentität einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Der Fremde ist jung, gesund und erwerbsfähig.

Eine entscheidungswesentliche Änderung im Privat- und Familienleben des Fremden seit Rechtskraft des vorangegangenen Asylverfahrens liegt nicht vor.

Der Fremde weist in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf und befindet sich aktuell in Schubhaft.

Der Fremde ist in Österreich mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten.

Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 01.02.2016 wurde er wegen des Vergehens der Sachbeschädigung gemäß § 125 StGB, des Vergehens des Diebstahls gemäß §§ 15, 127 StGB und der Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften gemäß §§ 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall, 27 Abs. 4 Z 1 SMG, 27 Abs. 1 Z 1 erster Fall und 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall SMG zu einer unbedingten dreimonatigen Freiheitsstrafe verurteilt.

Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 22.09.2016 wurde er wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften gemäß §§ 27 Abs. 1 Z 1 erster Fall, 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall und 27 Abs. 2a SMG zu einer unbedingten fünfmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt.

Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 05.05.2017 wurde er wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften gemäß §§ 27 Abs. 1 Z 1 erster Fall, 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall und 27 Abs. 2a zweiter Fall SMG zu einer unbedingten zehnmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt.

1.2      Zur Lage im Herkunftsstaat

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Fremden sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen keine Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Marokko, welches im Akt erliegt, auszugsweise zitiert und weiters darauf verwiesen, dass es sich bei Marokko gemäß § 1 Z 9 der Herkunftsstaaten-Verordnung (HStV), BGBl. I Nr. 177/2009 um einen sicheren Herkunftsstaat handelt. Im Rahmen des gerichtlichen Überprüfungsverfahren ist auch keine Änderung eingetreten, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und sie auch zu den seinen erhebt. Der Fremde erstattete kein substantiiertes Vorbringen hinsichtlich einer ihm drohenden Gefährdung in seinem Herkunftsstaat im Falle seiner Rückkehr und es ergaben sich auch amtswegig keine diesbezüglichen Hinweise.

1.3      Zu den Fluchtmotiven des Fremden

Im gegenständlichen (insgesamt fünften) Asylverfahren bringt der Fremde keine neuen substantiierten Gründe für die Stellung des Antrages auf internationalen Schutz vor. Der verfahrensgegenständliche Antrag auf internationalen Schutz wurde missbräuchlich gestellt.

Es ist nicht ersichtlich, dass eine Abschiebung des Fremden nach Marokko eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, zumal Marokko nach § 1 Z 9 HStV ein sicherer Herkunftsstaat ist.

Es existieren keine Umstände, die einer Abschiebung entgegenstünden. Der Fremde verfügt über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung.

Eine entscheidungswesentliche Änderung der Ländersituation in Marokko ist seit der Entscheidung über den vorigen Antrag des Fremden auf internationalen Schutz nicht eingetreten, insbesondere nicht auf sein Vorbringen bezogen.

Der gegenständliche Folgeantrag wird voraussichtlich vom BFA zurückzuweisen sein.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und der festgestellte Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA sowie der vorliegenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.1 Zur Person des Fremden

Die Identität des Fremden steht aufgrund seiner Identifizierung als marokkanischer Staatsangehöriger durch die marokkanische Botschaft in Wien fest.

Die Feststellungen zur Person des Fremden, seiner Einreise und seinem Aufenthalt in Österreich, den vier negativ entschiedenen Anträgen auf internationalen Schutz, seiner neuerlichen Antragstellung, seinem Gesundheitszustand und seiner Arbeitsfähigkeit ergeben sich aus den Angaben des Fremden gegenüber dem BFA und den rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren.

Dass der Fremde nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens zu seinem vierten Antrag auf internationalen Schutz seiner Verpflichtung zur unverzüglichen Ausreise nicht nachkam, sich aus der Schubhaft mittels Hungerstreik freipresste, im Anschluss untertauchte und in den Niederlanden einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz stellte, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt in Zusammenschau mit Auszügen aus dem zentralen Melderegister und dem zentralen Fremdenregister.

Dass keine entscheidungswesentliche Änderung im Privat- und Familienleben des Fremden seit Rechtskraft des vierten Asylverfahrens eingetreten ist und er in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht aufweist ergibt sich schon alleine aus dem Umstand, dass der Fremde untergetaucht ist und den überwiegenden Großteil der seither verstrichenen Zeit nicht in Österreich verbracht hat.

Die Feststellung zum Aufenthalt des Fremden in Schubhaft ergibt sich unstrittig aus dem Verwaltungsakt.

Die Feststellung bezüglich der strafgerichtlichen Verurteilungen des Fremden entspricht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.

2.2 Zur Lage im Herkunftsland

Die von der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht im gegenständlichen Verfahren getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus den in das Verfahren eingebrachten und im Bescheid bzw. Erkenntnis angeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen. Die belangte Behörde hat dabei Berichte verschiedenster allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt. Diese Quellen liegen dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vor und decken sich mit dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes, das sich aus der ständigen Beachtung der aktuellen Quellenlage (Einsicht in aktuelle Berichte zur Lage im Herkunftsstaat) ergibt.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Zu den Länderfeststellungen erklärte der Fremde gegenüber dem BFA, keine Stellungnahme abgeben zu wollen (AS 63). Damit ist er den herangezogenen Feststellungen inhaltlich nicht entgegengetreten.

2.3 Zu den Fluchtmotiven des Fremden

Die Feststellungen zu den vom Fremden in den Vorverfahren sowie im gegenständlichen Verfahren geltend gemachten Fluchtgründen ergeben sich aus den vorliegenden Verwaltungsakten.

Der Fremde hatte in seinen bisherigen Asylverfahren stets ausschließlich wirtschaftliche Fluchtgründe geltend gemacht.

Den gegenständlichen Folgeantrag begründete der Fremde bei seiner polizeilichen Erstbefragung am 13.08.2021 folgendermaßen: „Die alten Fluchtgründe bleiben aufrecht aus wirtschaftlichen Gründen. Ich will arbeiten und Geld verdienen ich will hier in Österreich leben.“ Dies seien alle seine Fluchtgründe. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA am 10.09.2021 erklärte der Fremde in Widerspruch zu seinen bisherigen Angaben, dass es neue Fluchtgründe gebe. Sein Vater und seine Mutter seien ermordet worden, weil sein Onkel mit einer kriminellen Organisation gearbeitet und ein Problem mit dieser gehabt habe. Wenn er nach Marokko zurückkehre, dann werde er ebenfalls ermordet. Er habe Angst vor dem Tod.

In diesem Zusammenhang zeigte bereits die belangte Behörde zu Recht auf, dass sich das gesamte Vorbringen lediglich auf allgemeine Behauptungen stützt, die als Steigerung im Hinblick auf seine bisherigen Ausführungen zu werten sind. Dem Vorbringen des Fremden kann zudem kein glaubhafter Kern entnommen werden (vgl. VwGH 07.02.2020, Ra 2019/18/0487).

Für die Feststellung, dass der verfahrensgegenständliche Antrag auf internationalen Schutz missbräuchlich gestellt wurde, sprechen die Umstände, dass es sich beim gegenständlichen Folgeantrag einerseits um den insgesamt fünften Antrag auf internationalen Schutz des Fremden im Bundesgebiet handelt und andererseits, dass der verfahrensgegenständliche Antrag auf internationalen Schutz nicht in Österreich, sondern in Holland unter Verwendung einer Alias-Identität gestellt wurde, nachdem er in Österreich aufgrund seiner Haftunfähigkeit infolge eines Hungerstreikes aus der Schubhaft freigekommen war und untergetaucht ist, um sich dem Zugriff der österreichischen Behörden zu entziehen. Auch im Lichte dessen ist davon auszugehen, dass der Fremde den gegenständlichen fünften Asylantrag ausschließlich in Verzögerungsabsicht und somit missbräuchlich gestellt hat.

Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die Abschiebung des Fremden eine reale Gefahr einer Verletzung der Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 bedeuten oder eine ernsthafte Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, weil dies bereits in den rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren geprüft wurde und seither eine Lageänderung weder behauptet wurde, noch aus den Länderfeststellungen hervorgeht.

Somit konnte die Feststellung getroffen werden, dass der gegenständliche Folgeantrag voraussichtlich zurückgewiesen werden wird.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes

Nach § 12a Abs. 2 AsylG 2005 kann das BFA unter anderem dann den faktischen Abschiebeschutz eines Fremden aufheben, der einen Folgeantrag gestellt hat, wenn dieser voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist (Z. 2), und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde (Z. 3).

Ein Folgeantrag ist nach § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG jeder einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgender weiterer Antrag. Der vorangegangene Antrag des Fremden ist durch die Entscheidung des BFA vom 22.04.2020 rechtskräftig erledigt. Es handelt sich daher beim nunmehrigen Antrag um einen Folgeantrag. Das BFA war daher grundsätzlich berechtigt, den faktischen Abschiebschutz aufzuheben, so auch die übrigen Voraussetzungen vorliegen.

Zunächst ist vorausgesetzt, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht (Z. 1).

Die angeführte, mit einem fünfjährigen Einreiseverbot verbundene Rückkehrentscheidung vom April 2020 ist nach wie vor rechtskräftig, weil der Fremde seiner Verpflichtung zur unverzüglichen Ausreise nach Marokko, in ein Transitland oder in einen anderen Drittstaat nicht nachgekommen ist.

Zur Tatbestandsvoraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG muss nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das vom Gesetz angestrebte Ziel beachtet werden, den faktischen Abschiebeschutz nur für klar missbräuchliche Anträge beseitigen zu wollen. Ausgehend davon muss schon bei einer Grobprüfung die (spätere) Zurückweisung des Folgeantrags auf der Hand liegen, weil sich der maßgebliche Sachverhalt nicht entscheidungswesentlich geändert hat. Nicht jeder Folgeantrag, bei dem eine (spätere) Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG in Betracht kommen könnte, berechtigt daher zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes nach § 12a Abs. 2 AsylG. Es muss sich vielmehr um einen Fall handeln, in dem sich dieser Verfahrensausgang von vornherein deutlich abzeichnet. Nur dann kann auch angenommen werden, dass die Antragstellung in Wirklichkeit den Zweck verfolgt, die Durchsetzung einer vorangegangenen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundenen (rechtskräftigen) Vorentscheidung zu verhindern (VwGH 26.03.2020, Ra 2019/14/0079). Auf einen solchen missbräuchlichen Zweck deutet - unter Bedachtnahme auf Art 41 Abs 1 lit b der Richtlinie 2013/32/EU - etwa die mehrfache Folgeantragstellung hin, wenn dieser keine substanziell neuen und eine andere Beurteilung rechtfertigenden Sachverhaltselemente zugrunde liegen. Möglich sind aber auch andere Umstände, die den Schluss zulassen, dass der Fremde mit seinem Folgeantrag eine (bevorstehende) Abschiebung verhindern oder verzögern möchte (siehe VwGH 18.09.2019, Ra 2019/18/0338).

Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, weil es sich um den mittlerweile fünften Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz handelt, der darüber hinaus in den Niederlanden und unter Verwendung einer Alias-Identität gestellt wurde, nachdem der Beschwerdeführer aufgrund seiner Haftunfähigkeit infolge eines Hungerstreikes aus der Schubhaft freigekommen war, in weiterer Folge untergetaucht war und sich so dem Zugriff der österreichischen Behörden entzogen hatte.

Wie bereits unter Punkt II.1.3 dargetan, ist auch kein neues Vorbringen erstattet worden, von dem anzunehmen wäre, dass es beachtlich im Sinne einer materiellen Erledigung anstelle einer Zurückweisung wegen entschiedener Sache wäre. Der Sachverhalt hat sich seit Rechtskraft des vierten Asylverfahrens des Fremden nicht maßgeblich geändert und der Fremde hat keine neuen substantiierten Gründe für die Stellung des Antrages auf internationalen Schutz vorgebracht.

Auch würde die behauptete Bedrohung des Fremden durch eine mafiöse Organisation keine asylrelevante Verfolgung darstellen, selbst wenn diese Behauptung zutreffen sollte.

Marokko gilt gemäß § 19 Abs 5 BFA-VG iVm § 1 Z 9 HStV als sicherer Herkunftsstaat, was für die Annahme einer grundsätzlich bestehenden staatlichen Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der Behörden dieses Staates spricht.

Aus den herangezogenen Länderinformationen gibt es keine Anhaltspunkte für eine Widerlegung der gesetzlichen Vermutung der grundsätzlich bestehenden staatlichen Schutzfähigkeit und -willigkeit der Behörden, die sich aus der Aufnahme eines Staates in die Liste sicherer Herkunftsstaaten ergibt. Es wurden keine spezifischen Umstände aufgezeigt, die dazu führen könnten, dass der vorhandene staatliche Schutz im Marokko gerade dem Fremden nicht zuteilwerden würde. Es ist nicht konkret zu befürchten, dass er an dem in Marokko grundsätzlich vorhandenen staatlichen Sicherheitssystem nicht wirksam teilhaben könnte (siehe dazu VwGH 30.10.2019, Ra 2019/14/0436 und 28.01.2020, Ra 2020/14/0014).

Im Ergebnis liegt daher keine relevante Sachverhaltsänderung vor; es ist vielmehr davon auszugehen, dass der Fremde nur deshalb neuerlich internationalen Schutz beantragt hat, um die unmittelbar bevorstehende Durchsetzung der im April 2020 erlassenen aufenthaltsbeendenden Maßnahme zu verhindern.

Nach § 68 AVG hat die Behörde Anbringen von Beteiligten, die eine Abänderung eines der formell rechtskräftigen Bescheides begehren, grundsätzlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Ausnahmen dazu bilden die Fälle der Wiederaufnahme des Verfahrens und der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach §§ 69 und 71 AVG sowie die in § 68 Abs. 2 bis 4 AVG vorgesehenen Arten von Abänderungen und Behebungen, auf die kein Rechtsanspruch besteht.

Die vorgesehenen Ausnahmen kommen nach dem Inhalt der Akten im vorliegenden Fall nicht zum Tragen.

Daher ist davon auszugehen, dass die in § 68 AVG grundsätzlich vorgesehene Zurückweisung als Erledigung des BFA zu erwarten ist.

Der Fremde hat einen Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 23 AsylG 2005 gestellt und die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 Z. 1 bis 3 AsylG 2005 liegen vor, weil dem Fremden keine asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat droht. Nach all dem wird der Folgeantrag des Fremden voraussichtlich zurückzuweisen sein, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes eingetreten ist.

Es gibt nämlich auch dafür, dass dem Fremden im Falle einer Rückkehr nach Marokko die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre, keine Anhaltspunkte, zumal der Fremde gesund und auch erwerbsfähig ist. Es ist kein Grund ersichtlich, warum der Fremde seinen Lebensunterhalt nach seiner Rückkehr nicht bestreiten können sollte, selbst wenn ihn Angehörige nicht unterstützen sollten.

Im Verfahren sind auch keine Umstände bekannt geworden, die nahelegen würden, dass für den Fremden ein „reales Risiko“ einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenen Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht. Ganz allgemein besteht in Marokko keine solch extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK ausgesetzt wäre.

Auch zur Interessenabwägung iSd Art 8 EMRK ist auf die Entscheidung im Vorverfahren zu verweisen. Eine maßgebliche Änderung der für den Verbleib des Fremden in Österreich sprechenden Interessenlage, die zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen könnte, liegt nicht vor, sodass nach wie vor kein unverhältnismäßiger Eingriff in sein Privat- und Familienleben anzunehmen ist. Der Fremde führt in Österreich kein im Sinne des Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben und hat keine sprachlichen, kulturellen, beruflichen oder sozialen privaten Integrationsmerkmale.

Somit sind die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 gegeben, sodass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes nicht rechtswidrig ist. Damit hatte das Gericht wie im Spruch zu entscheiden.

Die Entscheidung war mit Beschluss zu treffen, da § 22 Abs. 10 AsylG 2005 dies so vorsieht. Nach § 22 Abs. 1 BFA-VG hatte auch keine Verhandlung stattzufinden.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zum faktischen Abschiebeschutz und den Voraussetzungen seiner Aufhebung in Folgeverfahren oder zur Zurückweisung wegen entschiedener Sache. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung faktischer Abschiebeschutz faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig Folgeantrag Identität der Sache Privat- und Familienleben real risk reale Gefahr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I406.2227724.2.00

Im RIS seit

29.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

29.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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