TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/29 L524 2137133-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.09.2021
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Entscheidungsdatum

29.09.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch


L524 2137133-1/64E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA Irak, vertreten durch RA Dr. Gerhard MORY, Wolf-Dietrich-Str. 19/5, 5020 Salzburg, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.09.2016, Zl. 1071494606-150596429/BMI-BFA_SZB_RD (lt. Bescheid) 1071435409-150585214 (lt. IZR), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.03.2019 und am 14.05.2020, zu Recht:

A) Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigen in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak zuerkannt.

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer eines Jahres erteilt.

Die Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos aufgehoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 25.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 30.05.2015 erfolgte eine Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes und am 28.07.2016 die Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA).

Mit Bescheid des BFA vom 23.09.2016, Zl. 1071494606-150596429/BMI-BFA_SZB_RD, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.03.2019, L524 2137133-1/13E, als unbegründet abgewiesen.

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23.08.2019, Ra 2019/18/0188, wurde die Revision, soweit sie sich gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten richtete, zurückgewiesen. Im Übrigen wurde das angefochtene Erkenntnis infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 28.11.2019, E 1678/2019, wurde die Behandlung der Beschwerde, soweit sie die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten betraf, abgelehnt. Im Übrigen wurde die Beschwerde als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde am 14.05.2020 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an der nur der Beschwerdeführer als Partei teilnahm. Die belangte Behörde entsandte keinen Vertreter, beantragte jedoch die Abweisung der Beschwerde.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.06.2020, L524 2137133-1/44E, wurde die Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung und die Festsetzung einer 14-tägigen Frist für die freiwillige Ausreise als unbegründet abgewiesen.

Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 22.09.2020, E 2357/2020-8, wurde die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und mit weiterem Beschluss vom 28.10.2020, E 2357/2020-10, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22.02.2021, Ra 2020/18/0516-8, wurde das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.06.2020 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

II. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist irakischer Staatsangehöriger, Araber und sunnitischer Moslem. Er lebte mit seinen Eltern in einem Haus im Ostteil Mossuls. Dort leben noch seine Eltern und zwei Brüder. Drei Schwestern, Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen leben in Mossul. Die Brüder gehen Gelegenheitsarbeiten nach. Die Schwestern sind verheiratet und Hausfrauen. Die Familie des Beschwerdeführers wird sowohl von staatlicher Seite als auch von Privatpersonen mit kostenlosen Lebensmitteln versorgt. Der Beschwerdeführer steht mit seinen Verwandten in telefonischem Kontakt. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer besuchte zwölf Jahre die Schule und schloss diese mit der Matura ab. Er besuchte auch einen Kurs für Elektrizität. Ab dem Jahr 2000 war der Beschwerdeführer berufstätig. Er handelte mit Autos und arbeitete in einem Geschäft, welches für die Verteilung von Lebensmitteln zuständig war.

Der Beschwerdeführer reiste mehrmals in den Jahren 2012 bis 2014 in der Region Kurdistan ein und aus. Der Beschwerdeführer verließ am 26.09.2014 legal den Irak und reiste schlepperunterstützt illegal in Österreich ein, wo er am 25.05.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Fluchtgrund, wonach er von Mitgliedern des Islamischen Staates Irak (IS) aufgesucht worden sei, sie von ihm eine Liste der Namen von christlichen und schiitischen Personen verlangt hätten, er von Mitgliedern des IS mitgenommen, eingesperrt und geschlagen worden sei und der IS ein Problem mit seiner Tätowierung gehabt habe, wurde vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Erkenntnis vom 27.03.2019, L524 2137133-1/13E, für nicht glaubhaft erachtet. Dieses Erkenntnis erwuchs hinsichtlich der Nichtgewährung des Status des Asylberechtigten in Rechtskraft.

Zur Lage im Irak:

Im Juni 2014 startete der sog. Islamische Staat Irak (IS) oder Da'esh, einen erfolgreichen Angriff auf Mossul, die zweitgrößte Stadt des Irak. Der IS übernahm daraufhin die Kontrolle über andere Gebiete des Irak, einschließlich großer Teile der Provinzen Anbar, Salah al-Din, Diyala und Kirkuk. Im Dezember 2017 erklärte Premierminister Haider al-Abadi den endgültigen Sieg über den IS, nachdem die irakischen Streitkräfte die letzten Gebiete, die noch immer an der Grenze zu Syrien unter ihrer Kontrolle standen, zurückerobert hatten. Der IS führt weiterhin kleine Angriffe vorwiegend auf Regierungstruppen und Sicherheitspersonal an Straßenkontrollpunkten aus. Am 25. September 2017 hat die kurdische Regionalregierung (KRG) ein unverbindliches Referendum über die Unabhängigkeit der kurdischen Region im Irak sowie über umstrittene Gebiete, die unter Kontrolle der KRG stehen, abgehalten. Das Referendum wurde für verfassungswidrig erklärt. Bei den nationalen Wahlen im Mai 2018 gewann keine Partei die Mehrheit, obwohl die meisten Stimmen und Sitze an die Partei des schiitischen Klerikers Muqtada al-Sadr gingen, ein ehemaliger Anti-US-Milizenführer.

Genaue, aktuelle offizielle demographische Daten sind nicht verfügbar. Die letzte Volkszählung wurde 1987 durchgeführt. Das US-Außenministerium schätzt die Bevölkerung im Irak auf rund 39 Millionen. Araber (75 Prozent) und Kurden (15 Prozent) bilden die beiden wichtigsten ethnischen Gruppen. Andere Ethnien sind Turkmenen, Assyrer, Yazidis, Shabak, Beduinen, Roma und Palästinenser. 97 Prozent der Bevölkerung sind Muslime. Schiiten machen 55 bis 60 Prozent der Bevölkerung aus und umfassen Araber, Shabak und Faili-Kurden. Der Rest der Bevölkerung besteht hauptsächlich aus Sunniten, einschließlich der sunnitischen Araber, die schätzungsweise 24 Prozent der Gesamtbevölkerung des Irak ausmachen. Die meisten Kurden sind auch Sunniten und machen etwa 15 Prozent der nationalen Bevölkerung aus. Die schiitischen Gemeinden leben in den meisten Gebieten des Irak, konzentrieren sich jedoch im Süden und Osten. Die Mehrheit der Bevölkerung von Bagdad sind Schiiten, insbesondere Vororte wie Sadr City, Abu Dashir und Al Dora. Sunniten leben hauptsächlich im Westen, Norden und im Zentralirak. Die Anzahl der in Bagdad als gemischt betrachteten Gebiete nimmt ab. In einigen Bezirken Bagdads gibt es immer noch bedeutende sunnitische Gemeinden, darunter Abu Ghraib. Die Bezirke A'adamia, Rusafa, Za'farania, Dora und Rasheed haben kleinere Gebiete sunnitischer Gemeinschaften. Gemischte sunnitische-schiitische Gemeinden leben in den Bezirken Rusafa und Karada, kleinere gemischte Gemeinden auch in den Bezirken Doura, Rasheed, Karkh, Mansour und Kadhimiya.

Der Konflikt mit dem IS hat die Wirtschaft des Irak erheblich geschwächt. Die irakische Wirtschaft ist weiterhin stark vom Öl abhängig und ihr wirtschaftliches Vermögen hängt eng mit den globalen Ölpreisen zusammen. Die Weltbank prognostiziert, dass sich die Wirtschaft durch den Wiederaufbau nach Konflikten und die Verbesserung der Sicherheitslage erholen wird.

Die Verfassung garantiert das Recht auf Gesundheitsfürsorge und es gibt ein staatliches Gesundheitswesen und Behandlungsmöglichkeiten sind vom Staat bereitzustellen. Der Irak verfügt über öffentliche und private Krankenhäuser. Die medizinische Grundversorgung erfolgt sowohl in privaten als auch in öffentlichen Kliniken. Die Gesundheitsinfrastruktur hat unter jahrzehntelangen Konflikten gelitten. Das Gesundheitswesen ist begrenzt, insbesondere in von Konflikten betroffenen Gebieten und in Gegenden mit einer großen Anzahl von Binnenvertriebenen.

Die Verfassung sieht eine obligatorische Grundschulausbildung vor. Für Kinder in der Region Kurdistan besteht die Schulpflicht bis zum Alter von 15 Jahren. Der Irak war einst regional führend in der Bildung, aber jahrelange Konflikte haben zu sinkenden Bildungsergebnissen geführt. Kinder, die sich derzeit in der Schule befinden, werden ca. 10,1 Jahre Schulunterricht erhalten. Die durchschnittliche Schulzeit der derzeit über 25-Jährigen lag bei 6,6 Jahren. Mädchen hatten mit 9,7 Jahren eine niedrigere erwartete Schulzeit, verglichen mit Knaben mit 11,5 Jahren. Rund 80 Prozent der Iraker im Alter von über 15 Jahren sind gebildet. Wohlhabende Familien in Bagdad haben Zugang zu höherer Bildung von privaten und internationalen Schulen. Die privaten Schulgebühren in Bagdad betragen durchschnittlich rund 1.300 USD pro Monat.

Der öffentliche Sektor ist bei weitem der größte Arbeitgeber und der private Sektor ist unterentwickelt. Während die Regierung den größten Teil ihrer Einnahmen aus Ölexporten erwirtschaftet, beschäftigt die Ölindustrie nur wenige Mitarbeiter. Die Regierung beschäftigt schätzungsweise 40 Prozent der irakischen Arbeitskräfte. Im UNDP-Bericht 2016 wurde eine Arbeitslosenquote von 16,9 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit auf 35,1 Prozent geschätzt.

Die KRG ist eine autonome Regionalregierung mit Sitz in Erbil, die von der irakischen Verfassung anerkannt ist. Die KRG ist für die Verwaltung der Provinzen Erbil, Sulaymaniyah und Dohuk zuständig. Die kurdische Regionalversammlung hat 111 Sitze, von denen fünf für Christen und fünf für Turkmenen reserviert sind. Mindestens dreißig Prozent der Sitze müssen von Frauen besetzt werden. Der Verfassungsentwurf der Region Kurdistan verbietet Diskriminierung aufgrund von Sprache, Alter, Behinderung und Geschlecht. Die Region Kurdistan hat eine eigene Unabhängige Menschenrechtskommission, die zumindest teilweise mit der föderalen Hochkommission für Menschenrechte zusammenarbeitet. Die Region Kurdistan ist stabiler als andere Gebiete des Irak. Das kann an der größeren Kapazität der kurdischen Sicherheitskräfte und der geringeren ethnischen und religiösen Vielfalt in der Region liegen.

Die irakische Verfassung garantiert grundlegende Menschenrechte einschließlich Rechtsstaatlichkeit, Gleichheit vor dem Gesetz, Chancengleichheit, Privatsphäre und Unabhängigkeit der Justiz. Die Verfassung verbietet Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Zugehörigkeit, der Nationalität, der Herkunft, der Hautfarbe, der Religion, der Meinung, des wirtschaftlichen oder sozialen Status.

Die Verfassung macht den Islam zur offiziellen Religion des Staates. Es garantiert die Glaubens- und Religionsfreiheit für alle Personen, einschließlich Christen, Yazidis und Sabäer-Mandäer. Auf der Scharia beruhende Regelungen verbieten zwar eine Konversion vom islamischen Glauben, doch ist keine Strafverfolgung hierfür bekannt. Nach irakischem Recht wird ein Kind unter 18 Jahren automatisch zum Islam konvertiert, wenn auch einer seiner nicht-muslimischen Eltern konvertiert ist.

Nach der Absetzung von Saddam Hussein und der (von Sunniten dominierten) Ba'ath-Partei aus der Regierung fühlten sich viele Sunniten ausgegrenzt. Das US-Außenministerium und internationale Menschenrechtsgruppen berichten von regierungsnahen Streitkräften, die sunnitische Männer anzugreifen versuchen, die aus IS-kontrollierten Gebieten fliehen und verhindern, dass Sunniten die von der Regierung kontrollierten Gebiete verlassen. Außerhalb der vom IS kontrollierten Gebiete wurden Sunniten in der Form belästigt und diskriminiert, dass sie bei Kontrollpunkten in aufdringlicher Weise kontrolliert wurden und Dienste minderer Qualität in sunnitischen Gebieten bereitgestellt werden. Sunniten sind außerhalb von Gebieten, die kürzlich vom IS kontrolliert wurden, aufgrund ihrer Religion einem geringen Risiko gesellschaftlicher Gewalt ausgesetzt. In Gebieten, in denen sie eine Minderheit sind, sind Sunniten einem mäßigen Risiko von Diskriminierung durch die Behörden und der Gesellschaft ausgesetzt. Das Risiko der Diskriminierung variiert je nach lokalem Einfluss und Verbindungen.

Bei der Einreise in den Irak über die internationalen Flughäfen, einschließlich der Region Kurdistan, werden Personen, die illegal ausgereist sind, nicht festgenommen. Es werden jene Iraker bei der Rückkehr festgenommen, die eine Straftat begangen haben und gegen die ein Haftbefehl erlassen worden war. Um den Irak zu verlassen, sind gültige Dokumente (in der Regel ein Pass) und eine entsprechende Genehmigung (z. B. ein Visum) für die Einreise in das vorgesehene Ziel erforderlich. Eine illegale Ausreise aus dem Irak ist rechtswidrig, jedoch sind keine Strafverfahren gegen Einzelpersonen wegen illegaler Ausreise bekannt. Iraker, die einen irakischen Pass verloren haben oder nicht haben, können mit einem laissez-passer in den Irak einreisen. Die Einreise mit einem laissez passer-Dokument ist üblich und Personen, die damit einreisen, werden weder gefragt, wie sie den Irak verlassen haben, noch werden sie gefragt, warum sie keine anderen Dokumente haben. Dem britischen Innenministerium zufolge können Grenzbeamte am Flughafen Bagdad ein Schreiben ausstellen, um die Verbringung an den Herkunftsort oder die Umsiedlung einer Person im Irak zu erleichtern. (Australian Government – Department of Foreign Affairs and Trade, Country Information Report Iraq, 09.10.2018)

Kommerzielle internationale Flüge kommen im Irak an folgenden Flughäfen an: Internationaler Flughafen Bagdad (BGW/ORBI), Internationaler Flughafen Erbil (EBL/ORER), Internationaler Flughafen Sulaymaniyah (ISU/ORSU), Internationaler Flughafen Nadschaf (NJF/ORNI), Internationaler Flughafen Basra (BSR/ORMM). Der Flughafen Nasiriyah ist Berichten zufolge nur ein kleiner Flughafen, an dem vorwiegend Inlandsflüge und saisonal (während der schiitischen Trauer- und Pilgersaison) einige wenige Flüge aus dem Iran ankommen, wenn der Flughafen Nadschaf ausgelastet ist.

Beim Reisen auf der Straße gehört das Passieren von Kontrollpunkten zum Alltag. An Kontrollpunkten muss die Identität der Person durch Vorlage von Ausweispapieren nachgewiesen werden. Die Kontrollpunkte werden häufig von verschiedenen bewaffneten Akteuren betrieben, die mit der Regierung abgestimmt sind, aber unklare Regeln anwenden und der „Willkür“ derjenigen unterliegen, die den Kontrollpunkt betreiben. Sunniten haben beim Passieren von Kontrollpunkten größere Probleme, da sie von willkürlichen Verhaftungen wegen Sympathisierens mit ISIL besonders betroffen sind und misshandelt werden können. UNHCR stellte fest, dass sunnitische Araber und sunnitische Turkmenen aus ehemaligen IS-kontrollierten Gebieten besonders gefährdet sind, beim Passieren von Straßenkontrollpunkten zwischen Gouvernements und zwischen dem Flughafen Bagdad und der Stadt diskriminiert zu werden. (EASO, Informationsbericht über das Herkunftsland Irak Interne Mobilität, Februar 2019)

Checkpoints unterliegen oft undurchschaubaren Regeln verschiedenster Gruppierungen. Der IS richtet falsche Checkpoints an Straßen zur Hauptstadt ein, um Zivilisten zu entführen bzw. Angriffe auf Sicherheitskräfte und Zivilisten zu verüben.

Angesichts der massiven Vertreibung von Menschen aufgrund der IS-Expansion und der anschließenden Militäroperationen gegen den IS, zwischen 2014 und 2017, führten viele lokale Behörden strenge Einreise- und Aufenthaltsbeschränkungen ein, darunter unter anderem Bürgschafts-Anforderungen und in einigen Gebieten nahezu vollständige Einreiseverbote für Personen, die aus ehemals vom IS kontrollierten oder konfliktbehafteten Gebieten geflohen sind, insbesondere sunnitische Araber, einschließlich Personen, die aus einem Drittland in den Irak zurückkehren. Die Zugangs- und Aufenthaltsbedingungen sind nicht immer klar definiert und/oder die Umsetzung kann je nach Sicherheitslage variieren oder sich ändern. Bürgschaftsanforderungen sind in der Regel weder gesetzlich verankert noch werden sie offiziell bekannt gegeben. Die Bewegungsfreiheit verbesserte sich etwas, nachdem die vom IS kontrollierten Gebiete wieder unter staatliche Kontrolle gebracht wurden.

Für die Niederlassung in den verschiedenen Gouvernements existieren für Personen aus den vormals vom IS kontrollierten Gebieten unterschiedliche Regelungen. Für eine Ansiedlung in Bagdad werden zwei Bürgen aus der Nachbarschaft benötigt, in der die Person wohnen möchte, sowie ein Unterstützungsschreiben des lokalen Mukhtar (Anm.: etwa Dorf-, Gemeindevorsteher). (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Irak, 14.05.2020)

Laut UNHCR gehören Personen, die fälschlicherweise verdächtigt werden, den IS zu unterstützen, einer besonders gefährdeten Personengruppe an. Vor allem männliche Zivilisten mit sunnitisch-arabischer Herkunft, die aus ehemaligen IS-besetzten Gebieten stammen, werden kollektiv verdächtigt, mit dem IS verbunden zu sein oder diesen zu unterstützen. Seit 2014 waren Zivilisten dieses Profils regelmäßig verschiedenen Vergeltungsmaßnahmen in Form von Gewaltanwendung und Missbrauch durch staatliche und nichtstaatliche Akteure ausgesetzt, unter anderem während Militäreinsätzen gegen den IS, während und nach der Flucht aus IS-besetzten Gebieten, nach der Wiedereroberung dieser Gebiete und während anhaltender Sicherheitseinsätze gegen Überreste vom Islamischen Staat. Im Kontext der Militäreinsätze gegen den IS zwischen 2014 und 2017 wurden Zivilisten dieses Risikoprofils zum Ziel irakischer und kurdischer Sicherheitskräfte in Bezug auf willkürliche Festnahmen und Gefangenschaft, Entführung, erzwungenes Verschwinden, Folter und andere Formen von Misshandlung sowie außergerichtliche Hinrichtungen. In diesem Zeitraum erfolgten vor allem bei Checkpoints in Konfliktgebieten als auch anderenorts willkürliche Festnahmen vermeintlicher IS-Mitglieder und –Unterstützer. Diese willkürlichen Festnahmen wurden auch nach Ende 2017 fortgesetzt.

Um in die Provinzen Erbil und Sulaimaniya einzureisen, wird kein Sponsor benötigt. Bestimmungen bezüglich einer erforderlichen Bürgschaft, um in die Verwaltungsbezirke Erbil und Sulaimaniya auf dem Luftweg oder über Binnengrenzen einzureisen, wurden Anfang 2019 aufgehoben. In den Provinzen Erbil und Sulaimaniya müssen Personen, die nicht aus der Autonomen Region Kurdistan stammen, den lokalen Asayish in jenem Viertel aufsuchen, in dem sie sich niederlassen möchten, um eine Aufenthaltskarte zu erhalten. Sie brauchen keinen Sponsor. Ledige arabische und turkmenische Männer benötigen jedoch eine feste Anstellung und müssen einen Unterstützungsbrief ihres Arbeitgebers einreichen, um eine erneuerbare Aufenthaltskarte für ein Jahr zu erhalten. All jene, die keine feste Anstellung haben, erhalten lediglich eine erneuerbare Aufenthaltskarte, die für einen Monat ausgestellt ist.

In Bezug auf die Stadt Bagdad vertritt UNHCR die Ansicht, dass die einzigen Personengruppen, hinsichtlich derer keine externe Unterstützung vorauszusetzen ist, arabisch-schiitische und arabisch-sunnitische alleinstehende, körperlich leistungsfähige Männer und kinderlose Ehepaare im arbeitsfähigen Alter ohne identifizierte besondere Vulnerabilitäten sind. Abhängig von den jeweiligen Umständen sind solche Personen möglicherweise in der Lage, in der Stadt Bagdad ohne Unterstützung durch ihre Familie und/oder ihren Stamm zu bestehen.

In Bezug auf eine Prüfung einer internen Flucht- oder Neuansiedlungsalternative in der Autonomen Region Kurdistan führt UNHCR aus, dass angesichts der dort anhaltend hohen Zahlen vertriebener Bevölkerungsgruppen (mehr als 40 Prozent der insgesamt 1,7 Mio. Binnenvertriebenen im Irak und fast alle der 250.000 syrischen Flüchtlinge) und vor dem Hintergrund sich verschlechternder sozio-ökonomischer Bedingungen und steigender Armut sowie aufgrund begrenzter (und rückläufiger) humanitärer Hilfe – vor allem außerhalb von Binnenvertriebenenlagern – ernsthafte Bedenken bezüglich der Grenzen der Aufnahmekapazitäten in der Autonomen Region Kurdistan bestehen. Angesichts dessen vertritt UNHCR die Auffassung, dass in der Autonomen Region Kurdistan grundsätzlich keine interne Schutzalternative gegeben ist. (UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus dem Irak fliehen, Mai 2019)

III. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seiner Herkunft, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, zu seiner Schulbildung und seiner beruflichen Tätigkeit im Irak, zu seiner illegalen Einreise sowie zu seiner Antragstellung zur Erlangung internationalen Schutzes ergeben sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren und den Verwaltungsakten. Die Feststellungen zur strafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einem eingeholten Strafregisterauszug. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer mehrmals in den Jahren 2012 bis 2014 in der Region Kurdistan ein und aus reiste, ergibt sich aus den Ein- und Ausreisestempeln in seinem Reisepass (AS 53 bis 63).

Entgegen dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.03.2019 wurde im zweiten Rechtsgang mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.06.2020 festgestellt, dass der Beschwerdeführer aus dem Ostteil Mossuls stammt. In der Verhandlung vom 14.05.2020 stellte sich nämlich heraus, dass der Beschwerdeführer links mit rechts verwechselte. Der Ostteil Mossuls wurde vor dem Westteils Mossuls befreit und der Beschwerdeführer erklärte in der mündlichen Verhandlung, dass seine Familie in jenem Teil der Stadt lebt, der zuerst befreit wurde, was der Osten ist (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls vom 14.05.2020). Aus einem Stadtplan Mossuls ergibt sich außerdem, dass der Stadtteil Al Muthanna, in dem der Beschwerdeführer lebte, im Ostteil der Stadt liegt (Seite 19 der Stellungnahme vom 24.03.2020).

Die Feststellungen zur kostenlosen Versorgung seiner Familie mit Lebensmitteln durch den Staat und Privatpersonen und dass er mit seiner Familie telefonischen Kontakt hat, ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2020 (Seiten 8 und 9 des Verhandlungsprotokolls). Die Feststellung, dass die Brüder Gelegenheitsarbeiten nachgehen, ergibt sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2020 (Seite 13 des Verhandlungsprotokolls).

Die Feststellungen zum Irak stützen sich auf die angeführten Quellen. Es handelt sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation im Irak ergeben. Angesichts der Seriosität der darin angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Zum Verweis in der Stellungnahme vom 13.05.2020 auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, insbesondere zur darin erwähnten Wasserkrise, ist festzuhalten, dass aus dem Länderinformationsblatt selbst hervorgeht, dass diese Wasserkrise den Süden des Irak betraf, wohingegen die Herkunftsregion des Beschwerdeführers im Norden des Landes liegt, weshalb keine Relevanz für den Fall des Beschwerdeführers gegeben ist.

Der Beschwerdeführer brachte in seiner Stellungnahme vor, er würde sich bei einer Rückkehr vor XXXX fürchten, der ihn zur Herausgabe einer Liste in der Lebensmittelverteilungsstelle aufgefordert habe. In der mündlichen Verhandlung brachte der Beschwerdeführer diese Rückkehrbefürchtung nicht vor. Sein Vertreter musste ihn erst konkret nach XXXX fragen, was nun nicht dafür spricht, dass der Beschwerdeführer tatsächlich Angst vor dieser Person haben sollte. Sofern der Beschwerdeführer eine Gefährdung seiner Person bei einer Rückkehr nach Mossul darin vermutet, dass er in einer Lebensmittelverteilungsstelle gearbeitet habe, ist aber darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer diesen Fluchtgrund schon nicht glaubhaft machen konnte. Eine bloß vermutete Gefährdung seiner Person, die auf den schon nicht glaubhaft gemachten Fluchtgrund zurückgeführt wird, ist damit ihrerseits nicht glaubhaft.

In diesem Zusammenhang verwies der Beschwerdeführer auch auf einen Cousin, der in Belgien als subsidiär Schutzberechtigter lebe und nach Mossul gereist sei, um sich seine Dokumente dort verlängern zu lassen. Nach den Behauptungen des Beschwerdeführers sei dieser Verwandte festgenommen und misshandelt worden, weil er einen ähnlichen Namen habe wie ein Terrorist. Nach einer Geldzahlung sei er wieder freigelassen worden (Seite 12 des Verhandlungsprotokolls). Der Beschwerdeführer beantragte zwar die Einvernahme dieses Verwandten, doch gab der Beschwerdeführer trotz Ankündigung die Kontaktdaten des Verwandten nicht bekannt, weshalb dem Beweisantrag schon aus diesem Grund nicht nachgekommen werden konnte. Darüber hinaus lässt sich aus der bloß behaupteten, willkürlichen Festnahme des Verwandten wegen Namensähnlichkeit mit einem Terroristen nicht darauf schließen, dass auch der Beschwerdeführer, dessen Name im Übrigen keinerlei Ähnlichkeit mit dem des Cousins hat, Gefahr liefe, willkürlich festgenommen zu werden.

Der Beschwerdeführer brachte vor, dass nunmehr die Miliz Hashd Al-Shaabi in Mossul aktiv sei und seine Verwandten würden berichten, dass es in Mossul Checkpoints gebe. Hierfür legte er jedoch keinerlei Nachweise vor und es ließen sich auch keine Berichte zu Aktivitäten der schiitischen Miliz Hashd Al-Shaabi und zu Checkpoints in Mossul finden. Die Angaben des Beschwerdeführers zur Miliz Hashd Al-Shaabi in Mossul waren in der mündlichen Verhandlung auch äußert vage und unkonkret. Er meinte, er wisse nicht, ob die Checkpoints von Milizen oder der Polizei betrieben würden (Seiten 8 und 12 des Verhandlungsprotokolls). Es ist auch unwahrscheinlich, dass eine schiitische Miliz in Mossul, dass überwiegend von Sunniten bewohnt wird, aktiv sein soll. Es konnte daher auch nicht festgestellt werden, dass die Miliz in Mossul aktiv ist und es in Mossul Checkpoints gibt. Auch die Behauptung, dass ein Schwager des Beschwerdeführers im Jahr 2018 entführt worden sei, wurde nicht belegt und lässt sich allein daraus auch keine Gefährdung des Beschwerdeführers bei einer Rückkehr nach Mossul annehmen.

Der Beschwerdeführer beantragte „zum Beweis dafür, dass die behaupteten Sicherheitsbedrohungen in Mossul tatsächlich bestehen“, die Einholung eines länderkundigen Sachverständigengutachtens. Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass es sich hierbei um einen unzulässigen Erkundungsbeweis handelt (vgl. VwGH 30.9.1997, 96/01/0794). Es besteht auch kein allgemeines Rechts auf Einzelfallprüfung durch Recherchen in der Heimat (vgl. VwGH 28.04.2020, Ra 2019/14/0537).

Wenn der Beschwerdeführer in der Stellungnahme vom 13.05.2020 auf im Länderinformationsblatt genannte Bürgschaftsanforderungen verweist, wonach Ninewa nicht zu jenen Gouvernements zähle, wo es keine Bürgschaftsanforderungen für die Einreise gebe, wird festgehalten, dass sich der entsprechende Passus auf einen UNHCR-Bericht vom November 2019 stützt. Dieser Bericht befasst sich mit Einreisebestimmungen für Personen in Orten, die nicht ihre Herkunftsregion sind. Insofern sind die Ausführungen im Länderinformationsblatt unvollständig und damit irreführend, da sie sich nicht auf die Einreise von Personen in ihre Herkunftsregion beziehen. Demzufolge gibt es für Personen, die in ihren Herkunftsort einreisen bzw. zurückkehren, keine Bürgschaftsanforderungen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.03.2019, L524 2137133-1/13E, wurde der Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23.08.2019, Ra 2019/18/0188, wurde die Revision, soweit sie sich gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten richtete, zurückgewiesen. Im Übrigen wurde das angefochtene Erkenntnis infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 28.11.2019, E 1678/2019, wurde die Behandlung der Beschwerde, soweit sie die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten betraf, abgelehnt. Im Übrigen wurde die Beschwerde als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt. Verfahrensgegenständlich ist daher nur mehr der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten.

Zu A) Stattgabe der Beschwerde:

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1) oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art. 2 oder 3 EMRK eine Einzelfallprüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") insbesondere einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. etwa VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095, mit weiteren Nachweisen). Zu berücksichtigen ist auch, ob solche exzeptionellen Umstände vorliegen, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0236 mwN).

Um von der realen Gefahr („real risk“) einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, reicht es nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen. Eine solche einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen – wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde – nicht revisibel (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 21.10.2020, Ra 2020/19/0288, mwN).

Eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, reicht nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können oder um eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verneinen (vgl. VwGH 08.09.2021, Ra 2021/20/1251).

Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein – im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen – höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. In diesem Fall kann das reale Risiko der Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bereits in der Kombination der prekären Sicherheitslage und der besonderen Gefährdungsmomente für die einzelne Person begründet liegen (vgl. VwGH 25.04.2017, Ra 2017/01/0016, mwN).

Im gegenständlichen Fall konnte der Beschwerdeführer eine individuelle Bedrohung bzw. Verfolgungsgefahr nicht glaubhaft machen. Diesbezüglich ist auf das rechtskräftige Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.03.2019, L524 2137133-1/13E, zu verweisen. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens ergibt sich aber, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG gegeben sind.

Wie sich aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22.02.2021, Ra 2020/18/0516-8, zum gegenständlichen Verfahren ergibt, muss der Herkunftsort des Beschwerdeführers sicher erreichbar sein. Mossul verfügt über keinen eigenen Flughafen, so dass der Beschwerdeführer beispielsweise von den internationalen Flughäfen Bagdad oder Erbil ausgehend über den Landweg reisen muss, um in seine Herkunftsregion zu gelangen.

Nach den Ausführungen im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zum gegenständlichen Verfahren kann aus sicherheitsrelevanten Vorfällen zwischen Bagdad und Mossul über mehrere Wochen nicht auf eine sichere Erreichbarkeit geschlossen werden. Relevant ist, dass sunnitischen Arabern, die aus der ehemaligen Hochburg des IS stammen und kollektiv verdächtigt würden, mit dem IS verbunden zu sein oder diesen zu unterstützen, beim Passieren von Checkpoints bzw. Kontrollpunkten auf den Straßen von Bagdad bzw. Erbil nach Mossul eine Gefährdung drohen könnte.

Nach den UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus dem Irak fliehen (Mai 2019), kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer als männlicher Zivilist mit sunnitisch-arabischer Herkunft, der aus einem vom IS ehemals besetzten Gebiet stammt, verdächtigt wird, mit dem IS verbunden zu sein oder diesen zu unterstützen. UNHCR stellte fest, dass sunnitische Araber aus ehemaligen Gebieten des IS besonders gefährdet sind, beim Passieren von Straßencheckpoints diskriminiert zu werden. Beim Beschwerdeführer liegen stichhaltige Gründe vor, dass bei Straßenkontrollen das reale Risiko einer Verletzung seiner durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte zu gewärtigen hat. Demnach ist nicht gewährleistet, dass der Beschwerdeführer, der aus einer ehemaligen Hochburg des IS stammt, seinen Heimatort Mossul sicher erreicht.

Dem Beschwerdeführer steht auch keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung (vgl. VwGH 22.02.2021, Ra 2020/18/0516):

Eine innerstaatliche Fluchtalternative in den kurdischen Gebieten im Irak ist nach den UNHCR-Erwägungen angesichts der anhaltend hohen Zahl vertriebener Bevölkerungsgruppen in der Region und der sich verschlechternden sozio-ökonomischen Bedingungen nicht zumutbar.

Eine innerstaatliche Fluchtalternative in Bagdad ist ebenso auszuschließen. UNHCR vertritt die Ansicht, dass bei arabisch-sunnitischen alleinstehenden, körperlich leistungsfähigen Männern im arbeitsfähigen Alter in der Stadt Bagdad eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht und sie auch in der Lage sind, in der Stadt Bagdad ohne Unterstützung durch ihre Familie bzw. Stamm zu bestehen. Allerdings werden für eine Ansiedlung in Bagdad zwei Bürgen aus der Nachbarschaft benötigt, in der die Person wohnen möchte, sowie ein Unterstützungsschreiben des lokalen Mukhtar. Der Beschwerdeführer gab an, dass es ihm als sunnitischem Araber aus einer ehemaligen IS-Hochburg nicht möglich sei, diese Anforderungen zu erfüllen. Dem Beschwerdeführer ist daher auch eine Niederlassung in Bagdad nicht zumutbar.

Dem Beschwerdeführer ist daher der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak zuzuerkennen.

Hinweise auf einen Aberkennungsgrund nach § 9 Abs. 2 AsylG sind nicht hervorgekommen (§ 8 Abs. 3a AsylG).

Nach § 8 Abs. 4 AsylG ist die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung für die Dauer eines Jahres zu verbinden, so dass spruchgemäß zu entscheiden ist.

Aus der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten sowie der Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung an den Beschwerdeführ resultiert auch die ersatzlose Aufhebung der Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung mit der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes übereinstimmt.

Schlagworte

befristete Aufenthaltsberechtigung Ersatzentscheidung real risk Rückkehrsituation subsidiärer Schutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:L524.2137133.1.00

Im RIS seit

29.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

29.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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