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L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der G-Gesellschaft mbH & Co KG in A, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in T, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 26. März 1996, Zl. BauR - 011655/1 - 1996 Ru/Lg, betreffend Anschlußpflicht an eine gemeindeeigene Kanalisationsanlage (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde A, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin des Grundstückes Nr. 2768 der KG A, F-Straße 14. Das auf dem Grundstück befindliche Gebäude mit der Grundstücks Nr. .250 liegt innerhalb des Bereiches von 50 m zur in der Kreuzung F-Straße/Z-Straße nächstgelegenen gemeindeeigenen, mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich wasserrechtlich bewilligten Kanalisationsanlage. Das auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin errichtete Gebäude ist ein Wohnhaus mit mehreren Wohnungen, von welchem jedenfalls Abwässer und Schmutzwässer aus Bad, WC und Küchen anfallen.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom 31. August 1995 wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 36 Abs. 1 der Oberösterreichischen Bauordnung 1976 unter Festsetzung von Nebenbestimmungen verpflichtet, ihren auf dem Grundstück Nr. 2768, KG A, befindlichen Bau an die gemeindeeigene Kanalisationsanlage anzuschließen und die von diesem Bau und den dazugehörigen Grundstücken anfallenden Abwässer in die Kanalisationsanlage einzuleiten.
Der dagegen erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei vom 21. Dezember 1995 keine Folge gegeben.
Mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 26. März 1996 wurde der gegen den Berufungsbescheid erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführerin mit der Feststellung keine Folge gegeben, daß die Beschwerdeführerin durch den Berufungsbescheid in ihren Rechten nicht verletzt wird. Für die bescheidmäßige Vorschreibung der Kanalanschlußpflicht genüge gemäß § 36 Abs. 1 der Oberösterreichischen Bauordnung 1976 das Vorliegen einer geeigneten Kanalisationsanlage und die kürzeste Entfernung eines Baues von dem für den Anschluß in Betracht kommenden Kanalstrang von nicht mehr als 50 m. Nicht zu berücksichtigen sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß nach dem baubehördlich bewilligten Bestand die Abwasserbeseitigung in einer anderen Form erfolge, weil der Gesetzgeber auch für bestehende Gebäude eine Verpflichtung zum Kanalanschluß in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise festgesetzt habe. Diese Verpflichtung bestehe daher unabhängig von Kosten und Zumutbarkeit gegenüber dem Verpflichteten. Die gesetzlichen Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 der Oberösterreichischen Bauordnung 1976 lägen im gegenständlichen Fall vor; die Vorschreibung der Anschlußpflicht sei daher rechtmäßig erfolgt. Eine Ausnahme von der Anschlußpflicht setze einen entsprechenden Antrag nach Vorliegen eines rechtskräftigen Bescheides über die Anschlußverpflichtung voraus. Im Anschlußpflichtverfahren seien die Ausnahmebestimmungen nicht zu prüfen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, "daß ohne gesetzliche Grundlage die Anschlußpflicht für das gegenständliche Objekt ausgesprochen wurde, daß uns rechtswidrig keine Ausnahme von dieser Anschlußpflicht bewilligt wurde und daß schließlich in unser Recht auf ungestörte Ausübung unserer gewerblichen Betriebsanlage erheblich nachteilig eingegriffen wurde".
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 60 Abs. 2 der derzeit in Kraft stehenden Oberösterreichischen Bauordnung 1994 gelten die §§ 35 bis 40 der Oberösterreichischen Bauordnung 1976, LGBl. Nr. 35, zuletzt geändert durch das Landesgesetz LGBl. Nr. 59/1993 und die Kundmachung LGBl. Nr. 32/1994, auch nach dem am 1. Jänner 1995 erfolgten Inkrafttreten der Oberösterreichischen Bauordnung 1994.
Gemäß § 35 Abs. 1 der Oberösterreichischen Bauordnung 1976 (in der Folge: BO) hat die Ableitung der bei Bauten und dazugehörenden Grundflächen anfallenden Abwässer (Niederschlags- und Schmutzwässer) in einer den Anforderungen der Gesundheit, des Umweltschutzes und der Zivilisation, im besonderen der Hygiene entsprechenden Weise zu erfolgen.
Gemäß § 36 Abs. 1 leg. cit. sind in Gemeinden, in denen gemeindeeigene Kanalisationsanlagen betrieben werden, die bei Bauten und dazugehörenden Grundflächen anfallenden Abwässer (§ 35 Abs. 1) in die gemeindeeigene Kanalisationsanlage zu leiten, wenn die kürzeste Entfernung des Baues von dem für den Anschluß in Betracht kommenden Kanalstrang nicht mehr als 50 m beträgt und die Beschaffenheit, die Zweckwidmung und die Aufnahmefähigkeit der gemeindeeigenen Kanalisationsanlage den Anschluß zulassen (Anschlußpflicht).
Gemäß Abs. 3 dieser Gesetzesstelle hat die Gemeinde bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 die Anschlußpflicht mit Bescheid auszusprechen.
§ 38 leg. cit. regelt Ausnahmen von der Anschlußpflicht. Solche sind gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle von der Gemeinde über Antrag des Verpflichtenden zu verfügen, wenn öffentliche Interesse an einer ordnungsgemäßen Abwasserbeseitigung nicht entgegenstehen und die Nachbarschaft nicht gefährdet oder ungebührlich belästigt wird.
Gemäß Abs. 3 dieses Paragraphen besteht hinsichtlich der Abwässer aus gewerblichen Betriebsanlagen nur insoweit Anschlußpflicht im Sinne dieses Gesetzes, als hiedurch in die gewerbebehördliche Genehmigung der Betriebsanlage nicht eingegriffen wird.
Nach der letztgenannten Gesetzesstelle besteht somit für gewerbliche Betriebsanlagen mit einer gewerbebehördlich genehmigten Abwasserbeseitigungsanlage kein Anschlußzwang, dies jedoch nur hinsichtlich der Abwässer aus dieser gewerblichen Betriebsanlage (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 1985, Zl. 85/05/0002). Die Frage der Gewährung von Ausnahmen von der Anschlußpflicht im Sinne des § 38 Abs. 1 BO hingegen stellt sich notwendigerweise erst nach rechtskräftigem Feststehen der Anschlußpflicht, weil eine Ausnahme von der Anschlußpflicht nicht in Frage käme, wenn sich im fortgesetzten Verfahren etwa herausstellen sollte, daß die Voraussetzungen für einen Ausspruch der Anschlußpflicht gemäß § 36 leg. cit. nicht oder nur zum Teil gegeben sind (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 28. Mai 1985, Zl. 85/05/0002, und vom 29. Oktober 1985, Zl. 85/05/0066). Die Kanalanschlußpflicht wiederum tritt durch einen entsprechenden Anschlußauftrag ein (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 12. September 1989, Zl. 84/05/0207). Soweit die Anschlußpflicht besteht, wird die Rechtskraft der Baubewilligung, in der allenfalls eine andere Form der Abwasserbeseitigung vorgesehen wurde, durchbrochen (vgl. hiezu das vorzitierte Erkenntnis vom 12. September 1989).
Insofern die Beschwerdeführerin bei Prüfung der Anschlußpflicht nach § 36 BO eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Wirtschaftlichkeit fordert, ist auf die Tatbestandsvoraussetzungen für die Anschlußpflicht gemäß § 36 Abs. 1 BO zu verweisen. Demnach besteht die Verpflichtung zum Kanalanschluß unabhängig von den Kosten und der Zumutbarkeit gegenüber dem Verpflichteten (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 1989, Zlen. 89/05/0106 bis 0109). Der Beschwerdeführerin ist insoweit zuzustimmen, daß bei Vorliegen der im § 38 Abs. 1 und 2 BO angeführten Voraussetzungen für die Ausnahme von der Anschlußpflicht ein Rechtsanspruch darauf zusteht. Die Voraussetzungen für die Ausnahme von der Anschlußpflicht sind jedoch - wie bereits oben näher ausgeführt - im Auftragsverfahren nach § 36 BO nicht zu prüfen (vgl. hiezu nochmals das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 1989, Zlen. 89/05/0106 bis 0109). Von dieser Rechtsprechung abzugehen bietet auch der vorliegende Beschwerdefall keinen begründeten Anlaß. Im Auftragsverfahren nach § 36 BO hatten die Gemeindebehörden daher nicht zu prüfen, ob die im Rahmen der Betriebsanlage der Beschwerdeführerin betriebene Kanalisationsanlage dem Stand der Technik entspricht; der behauptete Feststellungsmangel liegt daher nicht vor.
Die belangte Behörde hat jedoch einen bereits in der Vorstellung aufgezeigten Feststellungsmangel des Berufungsbescheides nicht aufgegriffen. Schon in ihrer Berufung hat die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, daß das von der Anschlußpflicht betroffene Gebäude ausschließlich von Betriebsangehörigen bewohnt und von der gewerblich bewilligten Abwasserbeseitigungsanlage bezüglich der dort anfallenden Abwässer mitversorgt werde. Im Berufungsbescheid wurde hiezu festgestellt, daß es sich bei dem gegenständlichen Bau um ein Wohnhaus, bestehend aus mehreren Wohnungen, handle, von welchem Abwässer anfielen. Das Objekt werde von 13 Bewohnern in vier Haushalten benutzt. Weitere Feststellungen wurden hiezu nicht getroffen. In ihrer Vorstellung konkretisierte die Beschwerdeführerin, "das Haus ist seit jeher ausschließlich der Benützung durch Betriebsangehörige zu Wohnzwecken und auch der Benützung im Rahmen des Betriebes für Lagerzwecke gewidmet". Ob die gewerbebehördliche Genehmigung der Betriebsanlage der Beschwerdeführerin eine betriebseigene Abwasserbeseitigungsanlage umfaßt, bei deren Entsorgungsleistung auch die Abwässer des hier gegenständlichen Baues mitberücksichtigt und für das ordnungsgemäße Funktionieren erforderlich sind, wurde von den Verwaltungsbehörden weder erhoben noch festgestellt. Entsprechende Erhebungen wären jedoch aufgrund der Sachlage erforderlich gewesen, da bei Zutreffen dieser Voraussetzungen - wie in der Beschwerde ausgeführt - im Falle der mit der Anschlußpflicht untrennbar verbundenen Einleitungspflicht (vgl. Spruchpunkt 2 lit. a des erstinstanzlichen Bescheides) eine Beeinflussung des Wirkungsgrades der betrieblichen Abwasserbeseitigungsanlage verbunden wäre. Demnach kann nicht ausgeschlossen werden, daß bei Zutreffen der bereits im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Behauptungen in die gewerbebehördliche Genehmigung der Betriebsanlage im Sinne des § 38 Abs. 3 BO eingegriffen wird (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 12. Mai 1987, Zl. 87/05/0021). Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 38 Abs. 3 BO sind aber nicht erst im Verfahren gemäß § 38 Abs. 1 und 2 leg. cit. über die Gewährung von Ausnahmen von der Anschlußpflicht zu prüfen, sondern es ist als ex lege geltende Ausnahmeregelung schon im Verfahren über den Ausspruch der Anschlußpflicht im Sinne des § 36 leg. cit. darauf Bedacht zu nehmen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 1985, Zl. 85/05/0002).
Da die belangte Behörde dies im angefochtenen Bescheid nicht berücksichtigt und die für die abschließende rechtliche Beurteilung der Verwaltungsangelegenheit fehlenden Feststellungen im Berufungsbescheid als sekundären Verfahrensmangel nicht aufgegriffen hat, welcher zu einer Aufhebung dieses Bescheides geführt hätte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Im Hinblick auf die Erledigung der Beschwerdesache erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den geltend gemachten Stempelgebührenaufwand für nicht erforderliche Beilagen.
Schlagworte
Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive BescheideEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996050134.X00Im RIS seit
25.01.2001Zuletzt aktualisiert am
23.08.2011