TE Vfgh Beschluss 2021/9/22 A17/2021

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Veröffentlicht am 22.09.2021
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Index

10/07 Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit

Norm

B-VG Art 137 / ord Rechtsweg
VfGG §7 Abs2, §38
LuftFG §32

Leitsatz

Zurückweisung einer Klage gegen den Bund sowie die "Austrocontrol Österreichische Gesellschaft für Zivilluftfahrt GmbH" wegen fehlerhafter Gerichtsentscheidungen bzw fehlerhaften Vorgehens verwaltungsbehördlicher Organe

Spruch

Die Klage wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Klage und Sachverhalt

1. Gestützt auf Art137 B-VG begehrt der Kläger, die "Republik Österreich" sowie die "Austrocontrol Österreichische Gesellschaft für Zivilluftfahrt GmbH" (im Folgenden: Austro Control GmbH) schuldig zu erkennen, den Betrag von € 33.379.350,78 samt 4 % Zinsen seit dem 12. Juli 2021 sowie den Ersatz der Prozesskosten zuhanden seines Rechtsvertreters binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. In eventu regt der Kläger darüber hinaus an, der Verfassungsgerichtshof möge die "Republik Österreich" sowie die "Austrocontrol Österreichische Gesellschaft GmbH" in analoger Anwendung des Art137 B-VG verpflichten, den seit dem 13. März 2008 und 5. November 2008 durch diese verursachten und aufrechterhaltenen rechtswidrigen Zustand im Sinne der genannten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes zu beenden. In diesem Zusammenhang begehrt der Kläger auch die unverzügliche Wiedererlangung der Betriebserlaubnis des Flugunternehmens sowie die ihm nicht (wieder) erteilte Fluglizenz, weil die Verfahren, die zu der Aberkennung führten, durch die zwei genannten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes für nichtig erklärt worden seien.

2. Der Klage liegt – dem Vorbringen des Klägers zufolge – folgender Sachverhalt zugrunde:

2.1. Der Kläger sei Inhaber einer Fluglizenz und Geschäftsführer eines Flugunternehmens (konkret: einer Flugschule für Helikopter) gewesen, das ua Charterflüge durchgeführt, Schulungen für Flugschüler vorgenommen und Krankentransporte abgewickelt habe. Dem Flugunternehmen sei zuletzt am 25. Juli 2007 die Betriebserlaubnis von der Austro Control GmbH ausgestellt worden, weil das Unternehmen zu diesem Zeitpunkt sämtliche Qualitätsstandards und rechtlichen Erfordernisse erfüllt habe.

2.2. Mit Bescheid vom 13. März 2008 habe die Austro Control GmbH den weiteren Flugbetrieb des Flugunternehmens auf Grund von Mängeln im Betriebsablauf untersagt.

Mit Straferkenntnis der Austro Control GmbH vom 5. November 2008 sei dem Kläger zur Last gelegt worden, dass er zwischen dem 10. Mai 2008 und 18. Mai 2008 fünf ungenehmigte Flüge durchgeführt habe.

2.3. Mit Bescheid vom Mai 2009 habe die Austro Control GmbH dem Kläger die Fluglizenz entzogen, weil dieser nicht mehr als "zuverlässig" iSd §32 LFG gegolten habe.

Mit Erkenntnis vom 14. Jänner 2010 habe der Unabhängige Verwaltungssenat Niederösterreich die gegen das Straferkenntnis der Austro Control GmbH vom 5. November 2008 erhobene Berufung im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass der Kläger zumindest für einen ungenehmigten Flug die Verantwortung zu tragen habe.

2.4. Mit Bescheid vom 2. Februar 2011 habe die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie den Antrag des Klägers auf Verlängerung der Berufshubschrauberpilotenlizenz abgewiesen.

2.5. Mit Erkenntnis vom 27. Februar 2013, 2010/03/0036, habe der Verwaltungsgerichtshof das Straferkenntnis der Austro Control GmbH vom 5. November 2008 aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Kläger wegen Verfolgungsverjährung eingestellt.

Mit Erkenntnis vom 24. April 2013, 2011/03/0085, habe der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie vom 2. Februar 2011 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

2.6. Am 10. Mai 2018 sei über das Vermögen des Klägers ein Insolvenzverfahren eröffnet worden.

3. In der vorliegenden Klage nach Art137 B-VG macht der Kläger – zusammengefasst – geltend, ihm sei seit dem Jahr 2008 durch zwei von der Austro Control GmbH "völlig willkürlich-konstruierte und inhaltlich falsche" Bescheide die Ausübung seines Berufes untersagt worden, sodass ab diesem Zeitpunkt die von ihm betriebene Flugschule in den Ruin getrieben worden sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe das Straferkenntnis der Austro Control GmbH vom 5. November 2008 sowie den Bescheid der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie vom 2. Februar 2011 mit den genannten Erkenntnissen vom 27. Februar 2013 und 24. April 2013 aufgehoben. Die Austro Control GmbH und die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie seien den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes bis heute nicht nachgekommen und hätten den durch den Verwaltungsgerichtshof aufgetragenen "Rechtsfrieden" nicht hergestellt. Der Kläger sei durch die fehlende Verlängerung der Fluglizenz beruflich ruiniert und habe seit dem Jahr 2008 einen Schaden von € 33.379.350,78 erlitten.

Die beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien im Jahr 2014 eingebrachte Amtshaftungsklage sei erfolglos geblieben, weil das erkennende Gericht die Ansicht vertreten habe, die zuständigen Behörden hätten zum Zeitpunkt ihrer Entscheidungen zu Recht von bewilligungslos durchgeführten gewerblichen Flügen ausgehen und die darauf basierende Unverlässlichkeit des Klägers vertretbar annehmen können.

II. Zur Zulässigkeit

1. Gemäß Art137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund, ein Land, eine Gemeinde oder einen Gemeindeverband, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.

1.1. Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger aus dem Titel des Schadenersatzes Ansprüche gegen die "Republik Österreich" (richtig: den Bund) sowie die "Austrocontrol Österreichische Gesellschaft für Zivilluftfahrt GmbH" geltend. Nach Auffassung des Klägers gründen sämtliche Ansprüche auf fehlerhaften Gerichtsentscheidungen bzw auf fehlerhaftem Vorgehen verwaltungsbehördlicher Organe. Die Klage knüpft daher jeweils an die (Un-)Tätigkeit von Vollzugsorganen an.

1.2. Über Schadenersatzansprüche ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes grundsätzlich – sei es nach den Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches oder nach jenen des Amtshaftungsgesetzes – im ordentlichen Rechtsweg zu erkennen (vgl zB VfSlg 13.079/1992, 16.107/2001, 19.430/2011, 19.593/2011; VfGH 29.6.2011, A11/11).

1.3. Die vom Kläger aus Entscheidungen bzw Unterlassen von Gerichten sowie verwaltungsbehördlichen Organen abgeleiteten Ansprüche sind daher aus dem Titel der Amtshaftung im ordentlichen Rechtsweg auszutragen (VfSlg 15.703/1999, 17.095/2003; VfGH 26.2.2007, A21/06; VfGH 29.6.2011, A11/11). Diesen Rechtsweg hat der Kläger seinem Vorbringen zufolge auch beschritten; er meint jedoch, zufolge negativer Erledigung seiner Klage im Amtshaftungsverfahren zur Klage nach Art137 B-VG legitimiert zu sein. Hiebei verkennt der Kläger jedoch, dass diese Bestimmung weder eine konkurrierende Zuständigkeit schafft, noch bestehende Zuständigkeiten (der ordentlichen Gerichte oder des Verwaltungsgerichtshofes) ändert, sondern nur eine suppletorische Kompetenz des Verfassungsgerichtshofes begründet (vgl VfSlg 18.047/2007).

1.4. Soweit der Kläger (in eventu) anregt, der Verfassungsgerichtshof möge den behaupteten rechtswidrigen Zustand beenden und die Wiedererteilung der Fluglizenz verfügen, ist es dem Verfassungsgerichtshof verwehrt, darauf einzugehen. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Verfassungsgerichtshof im Verfahren nach Art137 B-VG ausschließlich über vermögensrechtliche Ansprüche zu entscheiden befugt ist (zB VfSlg 15.445/1999, 17.864/2006).

2. Der Verfassungsgerichtshof ist dementsprechend für die geltend gemachten Ansprüche gemäß Art137 B-VG nicht zuständig, ohne dass auf das Fehlen weiterer Prozessvoraussetzungen einzugehen ist.

III. Ergebnis

1. Die Klage ist daher zurückzuweisen.

2. Da die Nichtzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes offenbar ist, wurde dieser Beschluss gemäß §19 Abs3 Z2 lita VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefasst.

Schlagworte

VfGH / Klagen, VfGH / Zuständigkeit, Amtshaftung, Schadenersatz, Luftfahrt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2021:A17.2021

Zuletzt aktualisiert am

29.11.2021
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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