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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Gerhard und der Anna S in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 13. September 1996, Zl. R/1-V-96071, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Stadtgemeinde W, vertreten durch den Bürgermeister, 2. E in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerde und dem dieser in Kopie beigeschlossenen angefochtenen Bescheid ist folgender Sachverhalt zu entnehmen:
Der zweitmitbeteiligte Bauwerber beantragte im Juni 1994 die Erteilung einer baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses auf dem Grundstück Nr. .11, KG W. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 22. November 1995 wurde dem zweitmitbeteiligten Bauwerber die Bewilligung eines Wohn- und Geschäftshauses mit Einstellplätzen im Kellergeschoß antragsgemäß erteilt. Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des Gemeinderates der erstmitbeteiligten Gemeinde vom 14. März 1996 abgewiesen.
Mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 13. September 1996 wurde der dagegen erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführer Folge gegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der erstmitbeteiligten Partei zurückverwiesen. In der Begründung führte die belangte Behörde hiezu aus, dem Akt der Baubehörden sei nicht zu entnehmen, ob bzw. wieviele Stellplätze als Teil einer Betriebsanlage zu sehen seien; die Baubehörden hätten es auch unterlassen, hinsichtlich allfälliger - von den Beschwerdeführern eingewendeter - Immissionen ein entsprechendes Ermittlungsverfahren durchzuführen. Die Beschwerdeführer seien insofern in ihrem Recht auf ordnungsgemäße Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes verletzt worden. Ihrer Vorstellung sei bereits aus diesem Grunde Folge zu geben gewesen. Im weiteren Verfahren werde der Gemeinderat der erstmitbeteiligten Partei zu klären haben, ob bzw. in welchem Umfang die verfahrensgegenständliche Abstellanlage Teil gewerblicher Betriebsanlagen sei bzw. ob durch jene Teile der Abstellanlage, die nicht Teil gewerblicher Betriebsanlagen seien, das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Immissionen zu erwarten seien. "Der Vollständigkeit halber" führte die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides aus, durch eine allfällige Beeinträchtigung ihres Gebäudes im Zuge der Bauführung würden die Beschwerdeführer in ihren Rechten nicht verletzt werden. Die Höchstwerte der in der Niederösterreichischen Bauordnung 1976 vorgeschriebenen Gebäudehöhe würden durch die verfahrensgegenständlichen Objekte "offenkundig nicht überschritten". Durch eine zu errichtende Rampe, bei welcher es sich um ein unterirdisches Gebäude handle, dessen Errichtung außerhalb der Baufluchtlinien zulässig sei, würden die Beschwerdeführer ebenfalls nicht in ihren Rechten verletzt werden. Die Erledigung der Einwendungen der Schmälerung der Lebensqualität und der Gesundheitsgefährdung sowie die Forderung nach Beweissicherung zwecks Feststellung künftiger Schäden sei als zivilrechtliche Einwendungen den ordentlichen Gerichten vorbehalten. Der Einwand des Nichteinhaltens der Bebauungsdichte sei schon im Hinblick auf das bestehende Neuerungsverbot unbeachtlich.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführer weisen ausdrücklich darauf hin, "daß die Aufhebung des Berufungsbescheides der Behörde zweiter Instanz durch die Aufsichtsbehörde als solche nicht angefochten wird, ebenso werden keine Einwendungen gegen die den Spruch des Bescheides tragenden Gründe erhoben". Sie fühlen sich durch den angefochtenen Bescheid jedoch insoweit in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt, als schwerwiegende Verfahrensmängel der Baubehörden von der Vorstellungsbehörde "überhaupt nicht gewürdigt" worden sind bzw. "darüber abgesprochen" worden ist. Die Gemeindebehörden seien zwar an die nicht tragenden Gründe der Vorstellungsentscheidung nicht gebunden, die Rechtsauffassung der Vorstellungsbehörde entfalte "de facto sehr wohl bindende Wirkung". Die Beschwerdeführer hätten auch rechtzeitig Einwendungen bezüglich der unzulässigen "Gebäudetiefe" des bewilligten Projektes erhoben. Es sei nicht einmal ausreichend klargestellt, welches Projekt genehmigt worden sei. Die Vorstellungsbehörde habe auch nicht berücksichtigt, daß kein rechtskräftiger Beschluß des Gemeinderates über ihre Berufung zustande gekommen sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Mit dem eben wiedergegebenen Vorbringen vermögen die Beschwerdeführer eine Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte und damit eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen.
Dem Beschwerdevorbringen läßt sich entnehmen, daß sich die Beschwerdeführer durch die Gründe des angefochtenen Bescheides beschwert erachten. In Anlehnung an das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 22. Oktober 1971, Slg. Nr. 8.091/A, führt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung aus, daß sowohl die Gemeinde als auch die anderen Parteien des Verfahrens an die die Aufhebung tragenden Gründe eines aufsichtsbehördlichen Bescheides gebunden sind, gleichbleibende Sach- und Rechtslage vorausgesetzt. Diese Bindung erstreckt sich freilich ausschließlich auf die die Aufhebung tragenden Gründe des aufsichtsbehördlichen Bescheides, nicht aber auf die weiteren (somit die Aufhebung nicht tragenden) Ausführungen der Vorstellungsbehörde; so etwa Hinweise für die weitere Verfahrensführung u.a.m. (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1994, Zl. 94/06/0242, BauSlg. 1994/300). Die Gemeinde, wie auch die anderen Parteien des Verfahrens, sind berechtigt, die Unrichtigkeit von tragenden Gründen mit Beschwerde geltend zu machen, um den Eintritt dieser Bindungswirkung zu verhindern (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 17. November 1994, Zl. 93/06/0213, BauSlg. 1994/247). Kommt aber nur den tragenden Aufhebungsgründen eines aufsichtsbehördlichen Bescheides für das fortgesetzte Verfahren bindende Wirkung zu, ist für den gegenständlichen Beschwerdefall nur entscheidend, in welcher Hinsicht dem angefochtenen Bescheid der Vorstellungsbehörde eine Bindungswirkung zukommt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 1994, Zl. 93/05/0220, BauSlg. 1994/7).
Das bedeutet für den Beschwerdefall, daß die in der Begründung des angefochtenen Bescheides zusätzlich zu den tragenden Aufhebungsgründen noch geäußerten Rechtsansichten der belangten Behörde für das weitere Verfahren keine Bindungswirkung nach sich ziehen, weil nur, wie schon erwähnt, der die Aufhebung tragenden Rechtsansicht der Gemeindeaufsichtsbehörde bindende Wirkung zukommt. Durch die sonstigen Feststellungen im angefochtenen Bescheid, welche an sich zu einer Abweisung der Vorstellung hätten führen müssen, ist eine Rechtsverletzung der Beschwerdeführer nicht eingetreten, weil dem Spruch des Bescheides nach ohnehin ihre Vorstellung erfolgreich war und den weiteren Ausführungen in der Begründung auch in einem späteren Zeitpunkt des Verfahrens neuerlich entgegengetreten werden kann. Die Begründung eines Bescheides als solche vermag nicht in Rechtskraft zu erwachsen, sodaß ihr über den Spruch des Bescheides hinaus rechtliche Erheblichkeit fehlt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1985, Zl. 85/05/0098, BauSlg. 600). Gleiches gilt für die von der Vorstellungsbehörde in ihrer Entscheidung nicht behandelten, in der Vorstellung jedoch geltend gemachten Aufhebungsgründe, weil die Vorstellungsbehörde in ihrem Bescheid klar und deutlich jene Gründe, die sie zur Aufhebung des gemeindebehördlichen Bescheides bewogen haben, darzulegen hat, um so der Gemeindebehörde die Möglichkeit zu geben, im fortgesetzten Verfahren einen der Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde entsprechenden Bescheid zu erlassen. Durch eine stillschweigend vorausgesetzte Rechtsansicht ergibt sich eine solche Bindung nicht (vgl. Berchthold in Fröhler-Oberndorfer, Das österreichische Gemeinderecht, S. 49, sowie das hg. Erkenntnis vom 31. März 1977, Zl. 2377/76).
Da die Beschwerdeführer aber die die Aufhebung tragenden Gründe des angefochtenen Bescheides nicht bekämpft haben, läßt der Inhalt der Beschwerde bereits erkennen, daß die von den Beschwerdeführern behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, weshalb die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen war.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996050267.X00Im RIS seit
20.11.2000