TE Vwgh Beschluss 1996/11/19 96/05/0152

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Veröffentlicht am 19.11.1996
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Index

L10013 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt
Niederösterreich;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §18 Abs4;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art119a Abs5;
B-VG Art119a Abs9;
GdO NÖ 1973 §61;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Stadtgemeinde S, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 22. April 1996, Zl. R/1-V-94089/02, betreffend Zurückweisung einer Vorstellung in einer Bauangelegenheit (mitbeteiligte Parteien: 1. Emmerich B, 2. Ulrike B, beide in S, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W), den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und den mitbeteiligten Parteien insgesamt Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Parteien wird abgewiesen.

Begründung

Mit "Bescheid" vom 18. Oktober 1993 erteilte der Bürgermeister der Beschwerdeführerin als Baubehörde erster Instanz über das Ansuchen der "X" Wohnbaugesellschaft mbH vom 5. Oktober 1993 die Bewilligung zum Neubau einer Wohnhausanlage B-Straße Bauteile IV und V auf dem Bauplatz in S, B-Straße, Grundstück Nr. 362/1, KG S. Gezeichnet ist dieser Bescheid unter "Der Bürgermeister:" und Beisetzung des Siegels der Beschwerdeführerin mit einer unleserlichen Unterschrift.

Die dagegen erhobene Berufung der mitbeteiligten Parteien wurde mit "Bescheid" des Gemeinderates der Beschwerdeführerin als Baubehörde zweiter Instanz in der Sitzung vom 4. März 1994 beschlußmäßig gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen. Die schriftliche Ausfertigung dieses "Bescheides" vom 28. März 1994 war gezeichnet "Für den Gemeinderat" mit einer unleserlichen Unterschrift, unter welcher "Der Bürgermeister" ersichtlich ist. Neben dem unleserlichen Schriftgebilde ist das Siegel der Beschwerdeführerin gesetzt.

Mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 2. Dezember 1994 wurde der dagegen von den mitbeteiligten Parteien erhobenen Vorstellung Folge gegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der Beschwerdeführerin zurückverwiesen. Die Aufsichtsbehörde erachtete das baubehördliche Verfahren für ergänzungsbedürftig.

Mit Bescheid des Gemeinderates der Beschwerdeführerin vom 10. Februar 1995 wurde die Berufung der mitbeteiligten Parteien gegen den erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheid neuerlich als unbegründet abgewiesen, der Spruch des Bescheides des Bürgermeisters vom 18. Oktober 1993 jedoch richtiggestellt und ergänzt. Dieser Bescheid enthält die Fertigungsklausel "Für den Gemeinderat: Der Bürgermeister:" und das Gemeindesiegel der Beschwerdeführerin mit einer unleserlichen Unterschrift.

Mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 22. April 1996 wurde die dagegen erhobene Vorstellung der mitbeteiligten Parteien "gemäß § 61 Abs. 2 lit. b der Niederösterreichischen Gemeindeordnung 1973, LGBl. 1000-8, als unzulässig zurückgewiesen". Gemäß § 18 Abs. 4 AVG müßten alle schriftlichen Ausfertigungen - gemäß § 58 Abs. 3 AVG auch Bescheide - die Bezeichnung der Behörde enthalten, sowie mit Datum und Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt habe. Fehle es an einer leserlichen Unterschrift und ergebe sich auch aus der Erledigung sonst kein Anhaltspunkt dafür, wer die Genehmigung erteilt habe, scheine also keine "leserliche Beifügung des Namens" des Genehmigenden auf, liege kein Bescheid vor. Die Beifügung der Funktionsbezeichnung "Der Bürgermeister" vermöge dieses Erfordernis nicht zu ersetzen. Die nunmehr angefochtene, als Intimationsbescheid gedachte Erledigung des Gemeinderates, stelle daher keinen Bescheid im Sinne des Verwaltungsverfahrensgesetzes dar. Rechtsmittel gegen derartige Erledigungen seien von der jeweiligen Rechtsmittelbehörde als unzulässig zurückzuweisen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde der Stadtgemeinde St. Valentin. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid

"1. in ihrem Recht auf Aufrechterhaltung der Bescheide des Gemeinderates vom 9.2./10.2.1995 und des Bürgermeisters vom 18.10.1993,

2. in ihrem Recht auf gesetzmäßige Anwendung der Vorschrift des § 18 (§ 18 Abs. 4) AVG 1991,

3.

in dem subjektiven Recht auf Selbstverwaltung, und

4.

in ihrem gesetzlichen Recht im Rahmen des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde"

verletzt.

Die belangte Behörde legte Teile des Verwaltungsaktes vor und erstattete, ebenso wie die mitbeteiligten Parteien, eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Gemäß Art. 119a Abs. 9 B-VG hat die Gemeinde im aufsichtsbehördlichen Verfahren Parteistellung; sie ist berechtigt, gegen die Aufsichtsbehörde vor dem Verwaltungsgerichtshof (Art. 131 und 132) und vor dem Verfassungsgerichtshof (Art. 144) Beschwerde zu führen.

Jede Gemeinde ist sohin berechtigt, gegen sie belastende aufsichtsbehördliche Bescheide mittels Bescheidbeschwerde den Verwaltungsgerichtshof anzurufen (vgl. hiezu Oberndorfer, Österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, Seite 71f). Das Beschwerderecht nach Art. 119a Abs. 9 B-VG stellt ein Beschwerderecht wegen Verletzung subjektiver Rechte dar und ist daher als Parteibeschwerde zu betrachten (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 26. Juni 1978, Slg. Nr. 5.283/F).

Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges.

Eine auf Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG gestützte Beschwerde ist nur dann zulässig, wenn zumindest die Möglichkeit besteht, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem gesetzlich normierten subjektiven Recht verletzt wurde (vgl. hiezu den hg. Beschluß eines verstärkten Senates vom 2. Juli 1981, Slg. Nr. 10.511/A). Der Verwaltungsgerichtshof hat nur zu prüfen, ob der Beschwerdeführer, nicht aber, ob eine dritte Person durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten verletzt ist. Fehlt die Möglichkeit einer Rechtsverletzung in der Sphäre des Beschwerdeführers, so ermangelt diesem die Beschwerdeberechtigung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung der mitbeteiligten Parteien gegen den "Bescheid" des Gemeinderates der Beschwerdeführerin vom 10. Februar 1995 gemäß § 61 Abs. 2 lit. b der Niederösterreichischen Gemeindeordnung 1973, LGBl. 1000-8, deshalb als unzulässig zurückgewiesen, weil die Erledigung des Gemeinderates der Beschwerdeführerin kein Bescheid sei.

Gemäß § 58 Abs. 3 in Verbindung mit § 18 Abs. 4 AVG müssen Bescheide mit der unter leserlicher Beifügung des Namens abgegebenen Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat. Dies ist bei der Erledigung des Gemeinderates der beschwerdeführenden Gemeinde vom 10. Februar 1995 nicht der Fall. Der belangten Behörde ist daher kein Rechtsirrtum unterlaufen, wenn sie davon ausging, daß dieser Verwaltungsakt des Gemeinderates der Beschwerdeführerin, welcher neben der Fertigungsklausel "Für den Gemeinderat: Der Bürgermeister:" nur eine unleserliche Unterschrift aufweist, kein Bescheid ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 21. Mai 1996, Zl. 95/05/0224, mwN).

Weder einem abweisenden noch einem zurückweisenden Vorstellungsbescheid kommt jedoch in seiner Begründung bindende Wirkung für das weitere Verfahren zu (vgl. hiezu Berchthold, Das österreichische Gemeinderecht, Seite 48, mwN). Gemäß § 61 Abs. 5 der hier anzuwendenden Niederösterreichischen Gemeindeordnung 1973, LGBl. 1000-3 (NÖ GO 1973), ist die Gemeinde nur bei der neuerlichen - nach Aufhebung gemäß Abs. 4 leg. cit. zu erlassenden - Entscheidung an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde gebunden.

Da der Begründung des angefochtenen Bescheides im Hinblick auf die klare Spruchfassung keine "bindende Wirkung" beizumessen ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 22. Oktober 1971, Slg. Nr. 8.091/A, und die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Seite 622, wiedergegebene hg. Rechtsprechung), konnte die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid, unabhängig von der Frage seiner Gesetzmäßigkeit, in den im Beschwerdepunkt umschriebenen subjektiven Rechten nicht verletzt sein. Die Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Mangels der Beschwerdeberechtigung der Beschwerdeführerin ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (vgl. hiezu den hg. Beschluß eines verstärkten Senates vom 13. Juli 1956, Slg. Nr. 4.127/A).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens der mitbeteiligten Parteien betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.

Schlagworte

Verhältnis zu anderen Materien und Normen Gemeinderecht VorstellungUnterschrift des GenehmigendenBindung an die Rechtsanschauung der Vorstellungsbehörde ErsatzbescheidBescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996050152.X00

Im RIS seit

25.01.2001

Zuletzt aktualisiert am

27.12.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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