TE Vwgh Beschluss 2021/10/28 Ra 2021/19/0333

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Veröffentlicht am 28.10.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §18 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §33 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie den Hofrat Dr. Faber und die Hofrätin Dr. Funk-Leisch als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Seiler, in der Revisionssache des S H, vertreten durch Dr. Manfred Schiffner, Rechtsanwalt in 8054 Seiersberg-Pirka, Haushamer Straße 2/4.OG, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Februar 2021, W195 2203622-1/11E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 9. November 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend gab er an, als Mitglied einer Tochterpartei der Bangladesch National Party in seinem von der gegnerischen Awami League regierten Herkunftsstaat verfolgt zu werden.

2        Mit Bescheid vom 5. Juli 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Bangladesch zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Mit Beschluss vom 8. Juni 2021, E 982/2021-7, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Beschwerde ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        Zu ihrer Zulässigkeit bringt die Revision zunächst vor, es werde die Frage aufgeworfen, ob die Vorlage einer Anzeige, die belegen würde, dass der Revisionswerber im Herkunftsstaat des Mordes bezichtigt worden sei, durch den Revisionswerber nach Schluss der mündlichen Verhandlung vom BVwG als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu werten gewesen wäre. Es sei nicht geklärt worden, ob die besagte Anzeige bei der rechtlichen Vertretung des Revisionswerbers bereits ein Jahr vor der mündlichen Verhandlung aufgelegen habe.

9        Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGVG auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Die Revision legt nicht dar, welche Frist der Revisionswerber durch die Vorlage der Anzeige nach Schluss der mündlichen Verhandlung versäumt und welchen Rechtsnachteil der Revisionswerber dadurch erlitten habe und zeigt damit nicht auf, inwiefern in diesem Punkt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

10       Die Revision wendet sich in ihrer Zulässigkeitsbegründung des Weiteren gegen die Beweiswürdigung des BVwG. Die widersprüchlichen Schilderungen des Revisionswerbers seien auf seine Traumatisierung durch die erlebten Ereignisse zurückzuführen. Das BVwG hätte erst nach Verifizierung der durch den Revisionswerber vorgelegten Unterlagen - darunter eine fälschlicherweise gegen ihn erhobene Anzeige wegen Mordes - bzw. einer Recherche vor Ort Schlussfolgerungen ziehen dürfen. Stattdessen habe es pauschal festgehalten, dass echte Dokumente unwahren Inhalts in Bangladesch gegen Zahlung erhältlich seien, und den geschilderten Vorfall nicht abgehandelt. Dadurch habe das BVwG das Parteiengehör des Revisionswerbers verletzt und eine antizipierende Beweiswürdigung vorgenommen.

11       Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 2.9.2021, Ra 2021/19/0268, mwN).

12       Das BVwG kam nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zum Ergebnis, dass es dem Revisionswerber nicht gelungen sei, eine in seinem Herkunftsstaat bestehende konkrete Bedrohungssituation aus politischen Gründen glaubhaft zu machen. Das BVwG führte im Detail aus, weshalb es das Vorbringen des Revisionswerbers für vage, abstrakt und widersprüchlich halte und betonte, dass sich eine asylrelevante Verfolgung daraus nicht ableiten lasse, weil die Schilderungen des Revisionswerbers über Schlägereien mit anderen politischen Gruppierungen sich lediglich auf Übergriffe durch Privatpersonen beziehen würden. Das BVwG setzte sich auch mit der vom Revisionswerber erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgelegten Anzeige auseinander, die belegen würde, dass er in Bangladesch des Verbrechens des Mordes beschuldigt worden sei. Das BVwG führte in diesem Zusammenhang aus, der Revisionswerber habe das vorgelegte Dokument selbst inhaltlich falsifiziert. Der Revisionswerber widerspreche sich dahingehend, dass er über die Anzeige wegen Mordes zwar von der Polizei in seinem Haus persönlich informiert worden, aber nicht gleich verhaftet worden sei, was bei diesem Tatvorwurf äußerst unwahrscheinlich sei. Es sei auch unglaubwürdig, dass die Anzeige ein halbes Jahr nach den Vorfällen erfolgt sei, obwohl ihm die Anzeige bereits wenige Tage nach den behaupteten Ereignissen von der Polizei mitgeteilt worden sei.

13       Die Revision zeigt mit ihrem bloß allgemein gehaltenen Vorbringen nicht auf, dass die vorgenommene Beweiswürdigung antizipiert oder aus anderen Gründen unvertretbar wäre.

14       Da das BVwG eine mündliche Verhandlung durchführte, in welcher es den Revisionswerber zu seinen Fluchtgründen eingehend befragte, ist auch die von der Revision mit dem allgemeinen Vorbringen, das BVwG sei pauschal von der Unglaubwürdigkeit des Revisionswerbers ausgegangen, ohne dem Revisionswerber Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, behauptete Verletzung des Rechts auf Parteiengehör auszuschließen.

15       Soweit der Revisionswerber vorbringt, das BVwG hätte eine Vor-Ort-Recherche vornehmen müssen, ist er auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach ein allgemeines Recht auf eine fallbezogene Überprüfung des Vorbringens durch Recherche im Herkunftsstaat nicht besteht. Die Beurteilung der Erforderlichkeit derartiger Erhebungen im Sinn des § 18 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 obliegt der ermittelnden Behörde bzw. dem Verwaltungsgericht (vgl. etwa VwGH Ra 2021/19/0162, mwN). Die Frage, ob amtswegige Erhebungen erforderlich sind, stellt regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar, weil es sich dabei um eine einzelfallbezogene Beurteilung handelt. Solchen Fragen kann (nur) dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes auf dem Spiel stehen (vgl. nochmals VwGH 27.5.2021, Ra 2021/19/0162, mwN). Die Revision zeigt mit ihrem in diesem Punkt nicht näher konkretisierten Vorbringen nicht auf, dass das BVwG sein Verfahren mit einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangelhaftigkeit belastet hätte.

16       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 28. Oktober 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021190333.L00

Im RIS seit

29.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

30.11.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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