TE Vwgh Beschluss 2021/10/28 Ra 2021/19/0261

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Veröffentlicht am 28.10.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie den Hofrat Dr. Faber und die Hofrätin Dr. Funk-Leisch als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Seiler, in der Revisionssache der M A, vertreten durch Mag. Sandra Alton, Rechtsanwältin in 1130 Wien, Altgasse 16, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Juni 2021, L506 2188974-1/13E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Die Revisionswerberin, eine iranische Staatsangehörige, stellte am 17. Februar 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte sie vor, sie sei von ihrem Ehemann aufgrund ihrer außerehelichen Beziehung bedroht und verfolgt worden.

2        Mit Bescheid vom 6. Februar 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag der Revisionswerberin ab, erteilte ihr keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass ihre Abschiebung in den Iran zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Die Revision bringt zur ihrer Zulässigkeit zunächst vor, das BVwG habe eine unvertretbare Beweiswürdigung vorgenommen, indem es entgegen den vorgelegten Personaldokumenten davon ausgegangen sei, der Personenstand der Revisionswerberin, insbesondere ihre Ehe im Iran, sei nicht feststellbar. In diesem Punkt hätte das BVwG seine Ermittlungspflichten sowie das Recht der Revisionswerberin auf Parteiengehör verletzt und gegen das Überraschungsverbot verstoßen. Auch sei die übrige Beweiswürdigung zur fehlenden Verfolgungsgefahr im Iran aufgrund der außerehelichen Beziehung der Revisionswerberin unvertretbar.

8        Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 8.6.2021, Ra 2021/19/0156, mwN).

9        Das BVwG setzte sich nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem Fluchtvorbringen der Revisionswerberin auseinander und kam zum Ergebnis, die Revisionswerberin habe eine Bedrohung durch ihren Ehemann bzw. staatliche Behörden nicht glaubhaft machen können. Das BVwG stützt seine Beweiswürdigung dabei auf diverse Widersprüche und Ungereimtheiten in den Ausführungen der Revisionswerberin. So sei neben Ungereimtheiten zu der im Iran geführten außerehelichen Beziehung der Revisionswerberin auch unplausibel, dass die iranische Polizei auch mehrere Jahre nach dem Vorfall nach der Revisionsweberin gefragt und ihre Wohnung durchsucht habe. Das BVwG bezog auch einschlägige Länderberichte in seine Würdigung mit ein, wonach im Iran weder der Umstand einer Schwangerschaft noch die Geburt eines außerehelichen Kindes als ausreichender Beweis für Ehebruch gelten würden. Die Revision zeigt nicht auf, dass die vom BVwG vorgenommene Beweiswürdigung fallbezogen unvertretbar wäre.

10       Werden Verfahrensmängel - wie hier auch Ermittlungs- und Feststellungsmängel - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung auch die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben. Die Frage, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner amtswegigen Ermittlungspflicht weitere Ermittlungsschritte setzen muss, unterliegt einer einzelfallbezogenen Beurteilung. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge insoweit nur dann vor, wenn die Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre (vgl. VwGH 8.7.2021, Ra 2021/19/0151, mwN).

11       Vor dem Hintergrund, dass das BVwG dem Fluchtvorbringen der Revisionswerberin in nicht unvertretbarer Weise die Glaubwürdigkeit abgesprochen hat, zeigt die Revision mit ihrem auf die Feststellung des Familienstandes der Revisionswerberin abzielenden Vorbringen die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensmängel nicht auf.

12       Soweit die Revision das Fehlen von Feststellungen zum Schutz von Frauen vor Gewalt sowie die fehlende Auseinandersetzung mit aktuellen Länderberichten zur Verfolgung von „Ehebrechern“ im Iran bemängelt, geht sie ins Leere, weil das BVwG die Verfolgungsgefahr aufgrund einer außerehelichen Beziehung verneint hat und die Revision dies nicht erfolgreich bekämpfen kann.

13       In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 28. Oktober 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021190261.L00

Im RIS seit

29.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

30.11.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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