TE Vwgh Beschluss 2021/11/3 Ra 2020/10/0040

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Veröffentlicht am 03.11.2021
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Index

E000 EU- Recht allgemein
E3R E13301400
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
82/05 Lebensmittelrecht

Norm

B-VG Art133 Abs4
EURallg
LMSVG 2006 §16 Abs1 Z3
LMSVG 2006 §90 Abs1 Z3
LMSVG 2006 §90 Abs1 Z5
VStG §44a
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
32004R1935 Lebensmittelkontakt Materialien Gegenstände Art3 Abs1 litb

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Tscheließnig, über die Revision des M K in G, vertreten durch Dr. Georg Prantl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franziskanerplatz 5/2/15a, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 21. Jänner 2020, Zl. LVwG-S-2413/001-2018, betreffend Übertretung des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Baden), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 25. September 2018 wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, er habe es als verantwortlicher Beauftragter der L.-Handelsgesellschaft m.b.H. zu verantworten,

„dass diese Gesellschaft, den Bestimmungen des § 16 Abs. 1 Z 3 LMSVG iVm Art 3 Abs. 1 lit b der Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 zuwidergehandelt hat, da das Produkt ‚Disney Planes Chupacabra‘ durch das Anbieten zum Verkauf in der Filiale [...] in Verkehr gebracht wurde, obwohl dieses Produkt aus folgenden Gründen nicht den Bestimmungen entsprochen hat:

Die Probe weist eine deutliche Geruchsabweichung ‚kunststoffartig‘ auf. Die Probe ist bei bestimmungsgemäßem Gebrauch geeignet, Lebensmittel nachteilig zu beeinflussen, sodass diese für den menschlichen Verzehr ungeeignet ist und entspricht daher nicht den allgemeinen Anforderungen an Gebrauchsgegenständen gemäß § 16 Abs. 1 Z 3 LMSVG iVm Art. 3 Abs. 1 lit b der Verordnung (EG) Nr. 1935/2004.“

2        Er habe dadurch § 16 Abs. 1 Z 3 LMSVG iVm Art. 3 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 verletzt, und es sei über ihn gemäß § 90 Abs. 1 Z 3 LMSVG eine Geldstrafe in der Höhe von € 250,00 (Ersatzfreiheitsstrafe: 10 Stunden) zu verhängen.

3        2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 21. Jänner 2020 wies das Verwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab und bestätigte das Straferkenntnis vom 25. September 2018 mit der Maßgabe, dass als durch die Tat verletzte Verwaltungsvorschrift § 16 Abs. 1 Z 3 LMSVG und als angewendete Strafnorm § 90 Abs. 1 Z 5 LMSVG anzuführen seien. Die Revision gegen dieses Erkenntnis wurde nicht zugelassen.

4        Begründend führte das Verwaltungsgericht - gestützt auf zwei Gutachten der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (AGES) jeweils vom 10. März 2017 sowie auf die Ausführungen von Dr. H. in der mündlichen Verhandlung - aus, die zum Verkauf angebotenen Flaschen hätten eine deutliche Geruchsabweichung („,kunststoffartig‘ bzw. nach verbranntem bzw. oxidiertem Polyethylen“) aufgewiesen und seien bei bestimmungsgemäßem Gebrauch geeignet gewesen, Lebensmittel derart nachteilig zu beeinflussen, dass diese für den menschlichen Verzehr ungeeignet seien. Im Revisionsfall - so das Verwaltungsgericht weiter - gehe es nicht um einen direkten Verstoß gegen die Verordnung (EG) Nr. 1935/2004, sondern um ein gegen § 16 Abs. 1 Z 3 LMSVG verstoßendes Inverkehrbringen. Durch das Anbieten der gegenständlichen Gebrauchsgegenstände zum Verkauf sei der Tatbestand des Inverkehrbringens zweifellos erfüllt. Die einer Übertretung des § 16 Abs. 1 Z 3 LMSVG korrespondierende Strafnorm sei nicht § 90 Abs. 1 Z 3 LMSVG, sondern § 90 Abs. 1 Z 5 LMSVG. Zur Richtigstellung in diesem Sinn im Spruch sei das Verwaltungsgericht nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet gewesen (Hinweis auf VwGH 29.10.2019, Ra 2019/09/0065).

5        3. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        4.1. In den Zulässigkeitsausführungen der Revision wird vorgebracht, die belangte Behörde habe dem Revisionswerber zur Last gelegt, er habe gegen § 16 Abs. 1 Z 3 LMSVG iVm Art. 3 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 verstoßen. Das Verwaltungsgericht habe im angefochtenen Erkenntnis die angewendete Strafnorm völlig geändert, nämlich auf § 90 Abs. 1 Z 5 LMSVG anstatt § 16 Abs. 1 Z 3 LMSVG iVm Art. 3 Abs. 1 lit. b Verordnung (EG) Nr. 1935/2004. Dieses Vorgehen widerspreche den Erfordernissen des § 44a VStG und weiche von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes ab (Hinweis auf VwGH 27.6.2018, Ra 2018/09/0022, und 25.4.2019, Ra 2018/09/0069).

9        Eine Präzisierung bzw. Richtigstellung der rechtlichen Grundlage der Bestrafung (Angabe der verletzten Verwaltungsbestimmung und angewendeten Strafnorm) ist zulässig, wenn es nicht zu einem „Austausch der Tat“ durch Heranziehung eines anderen als des ursprünglich der Bestrafung zu Grunde gelegten Sachverhalts kommt (vgl. etwa VwGH 27.2.2015, 2011/17/0131, VwGH 13.6.2018, Ra 2017/17/0355, sowie VwGH 7.8.2018, Ra 2018/02/0139, jeweils mwN).

10       Zunächst ist klarzustellen, dass das Verwaltungsgericht nicht - wie vom Revisionswerber behauptet - die angewendeten Gesetzesbestimmungen von § 16 Abs. 1 Z 3 LMSVG iVm Art. 3 Abs. 1 lit. b Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 auf nunmehr § 90 Abs. 1 Z 5 LMSVG geändert hat. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr die übertretene Verwaltungsvorschrift auf (lediglich) § 16 Abs. 1 Z 3 LMSVG eingeschränkt und die diesem Tatbestand korrespondierende Strafsanktionsnorm § 90 Abs. 1 Z 5 LMSVG (anstelle des von der belangten Behörde angewendeten § 90 Abs. 1 Z 3 LMSVG) herangezogen.

11       Dass das Verwaltungsgericht seinem Erkenntnis ein anderes Tatsachensubstrat als das von der belangten Behörde herangezogene zugrunde gelegt hätte, ist nicht ersichtlich und wird vom Revisionswerber auch nicht behauptet. Die Bestrafung betrifft weiterhin dasselbe, dem Revisionswerber schon im behördlichen Verfahren vorgeworfene Verhalten. Es liegt daher eine zulässige Präzisierung der angewendeten Gesetzesbestimmungen vor, die nicht dem Austausch der Tat gleichkommt.

12       Aus der vom Revisionswerber angeführten hg. Rechtsprechung ergibt sich nichts Gegenteiliges. Den beiden Erkentnissen Ra 2018/09/0022 und Ra 2018/09/0069 lagen Fälle zugrunde, in denen im Straferkenntnis keine Strafsanktionsnorm angeführt worden war. In diesen Fällen hat das Verwaltungsgericht nach der hg. Rechtsprechung eine entsprechende Ergänzung in seinem Abspruch vorzunehmen. Zur Richtigstellung von in einem Straferkenntnis angeführten Gesetzesbestimmungen enthalten diese Entscheidungen keine Aussagen (vgl. dazu aber die in Rz 9 zitierte hg. Judikatur).

13       Wenn im Zulässigkeitsvorbringen der Revision moniert wird, das Verwaltungsgericht habe seine Sicht „dem Revisionswerber weder klar noch unmissverständlich mitgeteilt und er konnte auf diese Änderung nicht reagieren und Beweise anbieten“, ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Angabe der angewendeten Gesetzesbestimmung lediglich um eine Rechtsfrage handelt, die nicht dem Parteiengehör unterliegt (vgl. erneut VwGH 2011/17/0131 sowie Ra 2017/17/0355, jeweils mwN).

14       4.2. Die Zulässigkeitsausführungen bringen weiter vor, es bestünden keine Messverfahren, um die höchst subjektiven Wahrnehmungen „von ungenießbar über unangenehm bis intensiv und wohlriechend - schmeckend“ festzustellen. Mangels entsprechender plausibler und überprüfbarer Nachweise habe der Revisionswerber die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen.

15       Damit wendet sich der Revisionswerber im Ergebnis gegen die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts.

16       Vor dem Hintergrund des Umfangs der Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf die Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit einer im Einzelfall erfolgten Beweiswürdigung aber nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer grob fehlerhaften, unvertretbaren Weise vorgenommen hat, sodass dadurch die Rechtssicherheit beeinträchtigt ist (vgl. etwa VwGH 21.6.2018, Ra 2018/07/0361 bis 0363, mwN).

17       Derartiges legt der Revisionswerber mit dem wiedergegebenen Vorbringen allerdings nicht dar und ist auch nicht ersichtlich:

18       So legte das Verwaltungsgericht dem angefochtenen Erkenntnis das im Verfahren erstattete, als „schlüssig und nachvollziehbar“ erachtete Gutachten der AGES vom 10. März 2017 sowie ein in einem Parallelverfahren erstattetes - auf einer umfangreicheren Prüfung beruhendes - Gutachten der AGES vom selben Tag zu gleichartigen Flaschen derselben Charge zugrunde, in denen der Geruch der Flaschen als „kunststoffartig“ beschrieben wird. Weiters stützte sich das Verwaltungsgericht auf die „schlüssige“, „lebensnahe“ und „glaubhafte“ Aussage von Dr. H., wonach eine Beeinflussung chemischer Natur bzw. eine unvertretbare Veränderung eines Getränkes auf organoleptischer Basis nachgewiesen worden sei, die auch auf das Geschmacksprofil eine Auswirkung habe. Die vom Revisionswerber vorgelegten Unterlagen beträfen Flaschen anderer Chargen bzw. anderer Artikelnummern oder andere Produkte und seien daher nicht geeignet, den Revisionswerber zu entlasten.

19       5. In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

20       Von der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 3. November 2021

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Verordnung Strafverfahren EURallg5/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020100040.L00

Im RIS seit

29.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

03.01.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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