TE Lvwg Erkenntnis 2021/10/13 LVwG-2020/12/2412-4

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Veröffentlicht am 13.10.2021
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Entscheidungsdatum

13.10.2021

Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht

Norm

BAO §201 Abs1
Tiroler COVID-19-FristenV §2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Dr.in Kroker über die Beschwerde der AA, wohnhaft in Adresse 1 in **** Z, vertreten durch BB, Adresse 2, **** Z, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Y vom 08.06.2020, keine Zahl, betreffend die Festsetzung der Freizeitwohnsitzangabe 2020 für die Liegenschaft Adresse 3 in Y, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Y vom 08.06.2020, keine Zahl, wird die von der Beschwerdeführerin für das Jahr 2020 zu entrichtende Freizeitwohnsitzabgabe für die Liegenschaft Adresse 3 auf Basis einer Nutzfläche von 193,68 m2 nach § 4 des Tiroler Freizeitwohnsitzabgabengesetzes - TFWAG, LGBI Nr 79/2019, in Verbindung mit § 201 Abs 1 und 2 der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl 194/1961, idgF, sowie der näher angeführten Verordnung der Gemeinde Y über die Höhe der Freizeitwohnsitzabgabe, mit dem Betrag von EUR 1.100,00 festgesetzt.

Dagegen brachte die rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführerin innerhalb offener Frist eine Beschwerde ein und brachte – zusammengefasst – begründend vor, der angefochtene Bescheid leide an Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie an Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Weiters sei der gegenständliche Bescheid rechts- und auch verfassungswidrig, da er sich auf ein nicht verfassungskonformes und somit verfassungswidriges Gesetz, nämlich das Tiroler Freizeitwohnsitzabgabengesetz stütze, da in diesem Gesetz und auch im gegenständlichen Bescheid Begriffsbestimmungen verwendet werden, die eine klare Zuordnung bzw Subsumtion nicht zulassen und aus diesem Grunde als unbestimmte Begriffe verfassungswidrig seien. Das Gesetz verstoße auch gegen das Verbot der Doppelbesteuerung, da die sogenannte Tourismusabgabe daneben unverändert bestehen bleibe. Darüber hinaus leide der Bescheid bzw das zugrundeliegende Verfahren an einer Mangelhaftigkeit, die eine erschöpfende Erörterung der Angelegenheit insbesondere im Hinblick darauf, ob und was ein Freizeitwohnsitz ist und welche der Kriterien auf die Beschwerdeführerin anzuwenden sei, nicht zulassen und auch Beweisanträge ohne ausreichende Begründung unerledigt blieben. Unter anderem wurde zudem – unter Hinweis auf Covid-19-Bestimmungen - bemängelt, dass der Bescheid vor Fälligkeit erlassen worden sei und daher aufzuheben sei.

Aus den vorstehend genannten Gründen wurden an das Landesverwaltungsgericht Tirol die Anträge, gestellt:

1. Gemäß § 44 VwGVG eine mündliche Verhandlung durchzuführen, in deren Rahmen die angebotenen Beweise aufzunehmen sind und

2. den angefochtenen Bescheid der Gemeinde Y vom 08.06.2020 ersatzlos zu beheben und das Verfahren einzustellen;

3. in eventu den angefochtenen Bescheid der Gemeinde Y vom 08.06.2020 aufzuheben und zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung und insbesondere Verfahrensergänzung an die I. Instanz Gemeinde Y zurückzuverweisen;

4. in eventu den angefochtenen Bescheid der Gemeinde Y vom 08.06.2020 dahingehend abzuändern, dass die Verwaltungsabgabe nach TFWAG auf zumindest € 350,00 pro Jahr herabgesetzt wird;

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 23.09.2020, GZ ***, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde auf das gesamte Beschwerdevorbringen eingegangen und unter anderem ausgeführt, dass in der Aufforderung vom 06.05.2020, bis 27.05.2020 eine Abgabenerklärung einzubringen, auch auf die aufgeworfene Frage der Corona-Fristenregelung eingegangen und die Auskunft erteilt worden sei, dass das Tiroler COVID-19-Gesetz lediglich Fristen betreffend Zeiträumen hemme bzw unterbreche und keine gesetzlich festgesetzten Termine für jährlich zu entrichtenden Abgaben verschiebe. Sollte sich die Behörde in ihrer Rechtsmeinung irren und das Tiroler COVID-19-Gesetz den im § 5 TFWAG festgesetzten Termin für die Entrichtung, den 30.04., verschieben bzw vorübergehend hemmen, so wäre dennoch die Hemmung des Fristenlaufs gemäß Tiroler Covid-19-Fristenverordnung mit Ablauf des 31.05.2020 beendet worden. Die Festsetzung der Freizeitwohnsitzabgabe mit 08.06.2020 sei daher bezogen auf die vorgegebenen Fristen, jedenfalls gerechtfertigt.

Mit Vorlagebericht vom 28.10.2020 hat die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt vorgelegt.

Am 16.06.2021 fand vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, anlässlich derer die Beschwerdeführerin als Partei sowie BB als Zeuge einvernommen wurden.

Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin ist die Eigentümerin des Grundstückes **1 in KG **** Y, bestehend aus dem GSt **2 im Ausmaß von 1964 m2 (Baufläche 133 m2, Landwirtschaft 621 m2, Gärten 1210 m2) sowie dem GSt **3 im Ausmaß von 41.273 m2 (Landwirtschaft 8011 m2, Wald 33.262 m2) mit der Adresse Adresse 3 in Y.

Mit Bescheid des Bürgermeisters vom 16.01.1996, Zl ***, wurde den damaligen Voreigentümern der Bauparzelle **4, KG Y, unter der Anschrift Y Adresse 3, bewilligt, den angeführten Freizeitwohnsitz, der zur ganzjährigen Wohnnutzung geeignet war, weiterhin als solchen zu verwenden.

Das vormalige Anwesen Y Adresse 3 wurde in den Jahren 2009 und 2010 abgerissen bzw neu gebaut.

Die Beschwerdeführerin ist mit Hauptwohnsitz in Z, Adresse 1, gemeldet und mit Nebenwohnsitz in Y, Adresse 3. Sie arbeitet als Kanzleikraft in der Rechtsanwaltskanzlei ihres Ehegatten in Z und verbringt die Wochenenden, Urlaube und die sonstigen arbeitsfreien Tage im Haus Adresse 3 in Y.

Ca 7.000 m2 des GSt **3 werden von einem Bauern gemäht. Es handelt sich dabei um jene Flächen, die mit Maschinen befahrbar sind Die restliche landwirtschaftliche Fläche wird von der Beschwerdeführerin bzw ihrem Gatten mit einem Rasenmäher bzw einer Motorsense einmal im Jahr gemäht. Darüber hinaus wird die Grundfläche rund um das Haus alle 14 Tage gemäht.

Die Holzarbeiten im 33.830 m2 großen Wald erfolgen durch zwei Bekannte, wobei der Ehegatte der Beschwerdeführerin zeitweilig mithilft. Das Entfernen von Schadholz erfolgt häufig durch die Beschwerdeführerin und ihren Gatten. Für die bessere Nutzung des Lärchenwaldes ließen die Beschwerdeführerin und ihr Mann einen Weg dorthin errichten. Besondere Gerätschaften für die Holzarbeiten sind nicht vorhanden, sondern werden geliehen.

Der Ehegatte betreibt eine Rechtsanwaltskanzlei in Z. Seit März 2019 hat der Ehegatte bei der Tiroler Rechtsanwaltskammer angezeigt, dass er fallweise Sprechstunden, ohne Einrichtung eines ständigen Kanzleibetriebes im Sinne einer Filialkanzlei in der Sprechstelle in **** Y, Adresse 3 abhalten wird. Nach seinen Angaben finden solche anwaltlichen Beratungen häufig am Wochenende in der CC im Haus Adresse 3 statt. Zusätzlich wird ein Raum im Kellerbereich (Lager 11,41 m2) für Büroarbeiten genutzt. Dort befindet sich ein Drucker und ein Laptop.

II.      Beweiswürdigung:

Die Eigentumsverhältnisse am Grund **1 GB Y ergeben sich aus dem eingeholten Grundbuchsauszug. Der Freizeitwohnsitzbescheid vom 16.01.1996 liegt im Behördenakt auf.

Die Feststellungen betreffend die Wohnverhältnisse der Beschwerdeführerin, der Nutzung der vorhandenen landwirtschaftlichen Flächen und des Waldes, der Tätigkeit des Ehegatten der Beschwerdeführerin als Rechtsanwalt in der Sprechstelle Adresse 3 sowie zur Nutzung der vorhandenen Räumlichkeiten ergibt sich größtenteils aus den Angaben der Beschwerdeführerin und des als Zeugen einvernommen Ehegatten. Die Angaben waren durchaus glaubwürdig und nachvollziehbar und konnten obigen Sachverhaltsfeststellungen zugrunde gelegt werden.

III.     Rechtslage:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Tiroler Freizeitwohnsitzabgabengesetz (im Folgenden: TFWAG), LGBl Nr 79/2019, der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl Nr 194/1961 idF BGBl I Nr 70/2013, des Tiroler COVID-19-Gesetz, LGBl Nr 51/2020, sowie der Verordnung der Landesregierung vom 21. April 2020 über den zeitlichen Geltungsbereich der Regelungen über den Fristenlauf nach dem Tiroler COVID-19- Gesetz (Tiroler COVID-19-Fristenverordnung), LGBl Nr 52/2020, lauten wie folgt:

§ 1 TFWAG

Abgabengegenstand

(1) Für die Verwendung eines Wohnsitzes als Freizeitwohnsitz ist eine Freizeitwohnsitzabgabe zu erheben.

(2) Freizeitwohnsitze sind Gebäude, Wohnungen oder sonstige Teile von Gebäuden, die nicht der Befriedigung eines ganzjährigen, mit dem Mittelpunkt der Lebensbeziehungen verbundenen Wohnbedürfnisses dienen, sondern zum Aufenthalt während des Urlaubs, der Ferien, des Wochenendes oder sonst nur zeitweilig zu Erholungszwecken verwendet werden.

(3) Die Freizeitwohnsitzabgabe ist eine ausschließliche Gemeindeabgabe.

§ 3 TFWAG

Abgabenschuldner

(1) Abgabenschuldner ist der Eigentümer des Grundstücks, auf dem sich der Freizeitwohnsitz befindet. Miteigentümer schulden die Abgabe zur ungeteilten Hand; dies gilt nicht im Fall von Wohnungseigentum.

§ 5 TFWAG

Entstehung des Abgabeanspruchs, Fälligkeit und Entrichtung der Abgabe

((1) Der Abgabenanspruch entsteht jeweils mit Beginn des Kalenderjahres. Abweichend davon entsteht er

         a)       bei einem neu errichteten Freizeitwohnsitz mit dem Beginn des Monats, in dem die Anzeige über die Bauvollendung nach § 44 der Tiroler Bauordnung 2018, einlangt, anteilig für die bis zum Ende des Kalenderjahres verbleibenden vollen Monate;

         b)       bei Gebäuden, Wohnungen oder sonstigen Teilen, die der Deckung eines ganzjährig gegebenen Wohnbedarfs gedient haben, mit dem Beginn des Monats, in dem sie als Freizeitwohnsitz genutzt werden, anteilig für die bis zum Ende des Kalenderjahres verbleibenden vollen Monate.

(2) Der Abgabenschuldner hat jährlich bis 30. April die Abgabe selbst zu bemessen und unter Bekanntgabe der Bemessungsgrundlagen nach § 4 Abs 2 an die Gemeinde zu entrichten. Entsteht die Abgabenschuld erst nach Jahresbeginn, so hat er die Abgabe bis spätestens 30. April des folgenden Jahres zu bemessen und an die Gemeinde zu entrichten.

(3) Endet der die Abgabepflicht begründende Tatbestand während des Kalenderjahres, so hat die Gemeinde auf Antrag des Abgabenschuldners die Abgabe anteilig für die bis zum Ende des Kalenderjahres verbleibenden vollen Monate zu erstatten.

§ 6 TFWAG

Abgabenerklärung

Der Abgabepflichtige hat auf Verlangen der Abgabenbehörde eine Abgabenerklärung über die für die Bemessung der Abgabe maßgeblichen Verhältnisse einzureichen und hierzu erforderliche Unterlagen vorzulegen. Hierfür ist eine angemessene Frist festzusetzen.

§ 201 BAO

(1) Ordnen die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen an oder gestatten sie dies, so kann nach Maßgabe des Abs 2 und muss nach Maßgabe des Abs 3 auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, keinen selbst berechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt oder wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist.

(2) Die Festsetzung kann erfolgen,

         1.       von Amts wegen innerhalb eines Jahres ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages,

         2.       wenn der Antrag auf Festsetzung spätestens ein Jahr ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages eingebracht ist,

         3.       wenn kein selbstberechneter Betrag bekannt gegeben wird oder wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen würden,

(Anm: Z 4 aufgehoben durch BGBl I Nr 20/2009)

         5.       wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 293b oder des § 295a die Voraussetzungen für eine Abänderung vorliegen würden.

(3) Die Festsetzung hat zu erfolgen,

         1.       wenn der Antrag auf Festsetzung binnen einer Frist von einem Monat ab Bekanntgabe des selbst berechneten Betrages eingebracht ist,

(Anm: Z 2 aufgehoben durch BGBl I Nr 70/2013)

         3.       wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 295 die Voraussetzungen für eine Änderung vorliegen würden.

(4) Innerhalb derselben Abgabenart kann die Festsetzung mehrerer Abgaben desselben Kalenderjahres (Wirtschaftsjahres) in einem Bescheid zusammengefasst erfolgen.

§ 2 Tiroler COVID-19-Gesetz

Hemmung des Fristenlaufes

(1) Der Lauf von Fristen, die aufgrund von Landesgesetzen oder Verordnungen aufgrund von Landesgesetzen vorgesehen sind oder die auf deren Grundlage behördlich bestimmt werden, wird für die Dauer des durch Verordnung der Landesregierung nach § 6 bestimmten Zeitraumes gehemmt, wenn

         a)       das fristauslösende Ereignis in diesen Zeitraum fällt oder die Frist zu Beginn dieses Zeitraumes noch nicht abgelaufen ist und

         b)       die Frist nicht nach § 3 unterbrochen ist und nach § 4 weder gehemmt noch unterbrochen wird.

(2) Abs 1 gilt auch für Fristen in Angelegenheiten der Privatwirtschaftsverwaltung des Landes, die aufgrund von Landesgesetzen oder Verordnungen aufgrund von Landesgesetzen oder in Richtlinien vorgesehen sind oder die auf deren Grundlage bestimmt werden.

(3) Abs 2 gilt auch für Fristen in landesgesetzlich geregelten Angelegenheiten der Privatwirtschaftsverwaltung der Gemeinden.

(4) Die Abs 1, 2 und 3 gelten nicht für Fristen, die

         a)       die Behörden,

         b)       in Angelegenheiten der Privatwirtschaftsverwaltung des Landes dessen Organe oder die sonst mit ihrer Besorgung beauftragten Rechtsträger,

         c)       in Angelegenheiten der landesgesetzlich geregelten Privatwirtschaftsverwaltung der Gemeinden die Organe der Gemeinden oder die von diesen beauftragten Rechtsträger,

         d)       die Organe von landesgesetzlich oder auf landesgesetzlicher Grundlage eingerichteten Rechtsträgern, insbesondere von Körperschaften öffentlichen Rechts und Fonds, bei der Besorgung ihrer und der ihnen übertragenen Aufgaben binden.

§ 1 Tiroler COVID-19-Fristenverordnung

Zeitlicher Geltungsbereich

Der zeitliche Geltungsbereich der §§ 2, 3 und 4 des Tiroler COVID-19-Gesetzes beginnt mit 15. März 2020 und endet mit dem Ablauf des 31. Mai 2020.

IV.      Erwägungen:

Zur Zulässigkeit:

Der angefochtene Abgabenbescheid vom 08.06.2020 wurde am 10.06.2020 zugestellt. Innerhalb der Monatsfrist wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

Der Abgabenbescheid wurde nicht an den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin, sondern an diese persönlich zugestellt. Es finden sich im Abgabeakt aber Schreiben auf dem Rechtsanwaltsbriefpapier des Ehegatten, in denen er für seine Ehegattin bei der Abgabenbehörde im Zusammenhang mit der Vorschreibung der Freizeitwohnsitzabgabe auftritt, eine ausdrückliche Berufung auf die erteilte Vollmacht fehlt. Allerdings kann die Abgabebehörde von einer ausdrücklichen Vollmacht (und damit wohl auch auf die Berufung auf diese) ohnehin absehen, wenn es sich um die Vertretung durch amtsbekannte Angehörige handelt und Zweifel über das Bestehen und den Umfang der Vertretungsbefugnis nicht obwalten (vgl § 83 Abs 4 BAO).

Es kann im vorliegenden Beschwerdeverfahren aber dahingestellt bleiben, ob der Ehegatte der Beschwerdeführerin, der im Beschwerdeverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol als deren Rechtsvertreter auftritt, auch bereits im Behördenverfahren seine Gattin vertreten hat. Der – auch vom Rechtsvertreter (und Ehegatten) ausdrücklich bestätigte Umstand, dass ihm die Erledigung am selben Tag tatsächlich im Original zugekommen und ihm somit in dieser Form zur Kenntnis gekommen ist, kann den – in einer unterlassenen Zustellung an den Parteienvertreter gelegenen Verfahrensmangel – damit jedenfalls gemäß § 7 Abs 1 Zustellgesetz, das insoweit gemäß § 98 Abs 1 im Abgabeverfahren anwendbar ist - heilen.

In der Sache:

Gemäß § 1 Abs 1 TFWAG ist für die Verwendung eines Wohnsitzes als Freizeitwohnsitz eine Freizeitwohnsitzabgabe zu erheben.

Grundsätzlich ist der Eigentümer des Grundstücks, auf dem sich der Freizeitwohnsitz befindet, Abgabenschuldner (§ 3 Abs 1 TFWAG). Die Beschwerdeführerin als Eigentümerin der **1 KG **** Y ist somit Abgabenschuldnerin.

Der Abgabenanspruch entsteht gemäß § 5 Abs 1 erster Satz TFWAG jeweils mit Beginn des Kalenderjahres. Das TFWAG trat mit 01.01.2020 in Kraft. Somit entstand an diesem Tag der verfahrensgegenständliche Abgabenanspruch.

Der Abgabenschuldner hat gemäß § 5 Abs 3 TFWAG jährlich bis 30. April die Abgabe selbst zu bemessen und unter Bekanntgabe der Bemessungsgrundlagen nach § 4 Abs 2 an die Gemeinde zu entrichten.

Gemäß § 2 Abs 1 Tiroler COVID-19-Gesetz, LGBl Nr 51/2020 idF LGBl Nr 116/2020, wird der Lauf von Fristen, die aufgrund von Landesgesetzen oder Verordnungen aufgrund von Landesgesetzen vorgesehen sind oder die auf deren Grundlage behördlich bestimmt werden, für die Dauer eines durch Verordnung der Landesregierung nach § 6 bestimmten Zeitraumes gehemmt, wenn a) das fristauslösende Ereignis in diesen Zeitraum fällt oder die Frist zu Beginn dieses Zeitraumes noch nicht abgelaufen ist und b) die Frist nicht nach § 3 unterbrochen ist und nach § 4 weder gehemmt noch unterbrochen wird.

In den Erläuternden Bemerkungen (Landtagsmaterialien 128/20) heißt es dazu:

„Allgemeines:

a. Die Bestimmungen der §§ 2 bis 5 sind im Zusammenhang mit dem § 6 zu lesen, der die Landesregierung dazu verpflichtet, durch Verordnung jenen (Krisen-)Zeitraum festzulegen, während dem die Sonderregelungen des im Entwurf vorliegenden Gesetzes über die Hemmung und die Unterbrechung des Laufes von Fristen (§§ 2 und 3) sowie über Fristen, die hiervon nicht betroffen sind und daher ungeachtet der Krisensituation regulär fortlaufen (§ 4), zum Tragen kommen.

Von diesem Regime betroffen sind Fristen, die unmittelbar in Landesgesetzen oder in aufgrund von Landesgesetzen erlassenen Verordnungen festgelegt sind, und weiters jene Fristen, die auf der Grundlage dieser Gesetze oder Verordnungen behördlich festgelegt werden, letztere unabhängig davon, ob die Frist durch Verfahrensanordnung oder mit Bescheid bestimmt wird. Es handelt sich dabei um Fristen verschiedenster Art, wie etwa Fristen, innerhalb der ein Antrag, eine Anzeige oder eine Meldung an die Behörde zu erstatten ist oder bestimmte Unterlagen dieser vorzulegen sind. Fristen in Bescheiden wiederum können etwa die Verpflichtung zu Erfüllung von Nebenbestimmungen zum Gegenstand haben (§ 2 Abs 1).

Dies alles gilt aber nur für jene Fristen, die den Rechtsunterworfenen binden, nicht hingegen für jene, welche die Behörden oder sonst die öffentliche Hand binden, sei es das Land selbst, die Gemeinden oder auch sonstige öffentliche Rechtsträger (§ 2 Abs 4); auch die §§ 3 und 4 haben ausgenommen die Sonderfälle nach § 3 Abs 1 lit a keine solchen Fristen zum Gegenstand. Dies ist darin begründet, dass die Behörden bzw die genannten Institutionen ungeachtet der bestehenden Krisensituation entsprechend handlungsfähig sind und daher regelmäßig keine Notwendigkeit einer (tendenziell für den Rechtsunterworfenen nachteiligen) Privilegierung der öffentlichen Hand vorgesehen werden soll (§ 2 Abs 4).

b. Von den §§ 2, 3 und 4 selbstredend nicht umfasst sind jene verfahrensrechtlichen Fristen, die unmittelbar vom Verwaltungsrechtlichen COVID-19-Begleitgesetz erfasst sind oder die diesem landesgesetzlich nach § 1 dieses Gesetzes (vgl hierzu oben) unterworfen sind. Für all diese Fristen gilt § 1 des genannten Bundesgesetzes, gegebenenfalls auf der Grundlage einer Verordnung der Landesregierung nach § 1 Abs 2; dies betrifft nicht nur jene verfahrensrechtlichen Fristen, die in den Verwaltungsverfahrensgesetzen selbst vorgesehen sind, sondern auch solche, welche als Sonderverfahrensrecht im Sinn von Art. 11 Abs 2 B-VG (in Bundes- und Landes-)Gesetzen enthalten sind.

c. Im Übrigen gelten die Bestimmungen der §§ 2, 3 und 4 gleichermaßen aber für materiell-rechtliche und formalrechtliche Fristen.

d. Mangels Fristcharakters von diesen Bestimmungen nicht umfasst sind gesetzlich geregelte Zeiträume, an die zwar Rechtswirkungen geknüpft sind, die jedoch nicht unmittelbar für Handlungen (allenfalls auch Unterlassungen) des Rechtsunterworfenen derart vorgesehen sind, dass sie danach nicht mehr rechtswirksam gesetzt werden können (vgl dazu etwa § 60 Abs 1 der Tiroler Gemeindeordnung 2001, wonach ua Verordnungen von Gemeindeorganen „für die Dauer von zwei Wochen“ an der Amtstafel kundzumachen sind; vgl ebenso die Kundmachungsdauer nach § 66 Abs 1 und 2 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2016).

Ebenso mangels Fristcharakters nicht erfasst sind Bestimmungen, die auf zeitlich nicht genau abgrenzbare Begriffe abstellen, beispielweise wenn normiert ist, dass Handlungen „unverzüglich“ zu setzen sind.“

Im vorliegenden Fall wird die Frist zur Selbstbemessung der Freizeitwohnsitzabgabe bis 30.April in einem Tiroler Landesgesetz festgelegt. Sie bindet den Abgabepflichtigen und legt ihm die Verpflichtung, die Abgabe selbst zu bemessen und unter Bekanntgabe der Bemessungsgrundlagen an die Gemeinde zu entrichten, auf.

Es handelt sich um keine verfahrensrechtliche Frist, die unmittelbar vom Verwaltungsrechtlichen COVID-19-Begleitgesetz erfasst ist und auch die Sonderbestimmungen der §§ 3 und 4 Tiroler COVID-19-Gesetz gelangen hier nicht zur Anwendung.

Gemäß § 1 Tiroler COVID-19-Fristenverordnung, LGBl Nr 52/2020, beginnt der zeitliche Geltungsbereich des § 2 des Tiroler COVID-19-Gesetzes mit 15. März 2020 und endet mit dem Ablauf des 31. Mai 2020.

Die Frist zur Selbstbemessung bis zum 30. April nach dem TFWAG war am 15. März 2020 noch nicht abgelaufen. Diese Frist war sohin während dem 15. März 2020 und dem 31.05.2020 gehemmt.

Zur Hemmung wird in den Erläuternden Bemerkungen (Landtagsmaterialien 128/20) ausgeführt:

„Der Abs 1 dieser Bestimmung sieht in Form einer Generalklausel vor, dass der Lauf der in Rede stehenden Fristen dann gehemmt ist, wenn entweder das fristauslösende Ereignis in den durch Verordnung der Landesregierung nach § 6 bestimmten Zeitraum fällt oder die Frist zu Beginn dieses Zeitraumes noch nicht abgelaufen ist (lit a); dies jedoch nur dann, wenn die Frist nicht - als Ausnahme von der Generalklausel - nach § 3 unterbrochen wird oder sie nach § 4 weiterläuft, weil sie weder gehemmt noch unterbrochen wird (lit b). Die Generalklausel zugunsten der Fristenhemmung ist darin begründet, dass diese für den weitaus größten Teil der vom gegenständlichen Regime umfassten Fristen ausreicht.

Die angeordnete Fristenhemmung ist als Fortlaufhemmung zu verstehen, weswegen nach Wegfall des Hemmungsgrundes der bei dessen Eintritt noch nicht abgelaufene Teil der Frist ablaufen muss (vgl dazu jüngst OGH 25.4.2019, 60b38/19k unter Verweis auf Mader/Janisch in Schwimann/Kodek4 [2016] Vor §§ 1494 bis 1496 ABGB Rz 8; weiters VwSlg 16631 A/2005, worin der VwGH klarstellt, dass im Fall der Fortlaufhemmung der beim Eintritt der Hemmung noch offene Rest der Frist nach Wegfall des Hindernisses zur Verfügung steht im Gegensatz zur Ablaufhemmung, bei der nach Wegfall des Hindernisses und zwischenzeitlichem Verstreichen der Frist sofort, also noch am selben Tag, entschieden werden muss). …“

Durch die Hemmung wird die Frist um so viele Tage verlängert, als der die Hemmung bewirkende Zustand bestanden hat. Mit Ablauf des hemmenden Ereignisses läuft daher die Frist weiter. Sie ist so zu berechnen, als ob sie um die Dauer des Hemmungszeitraumes verlängert worden wäre (vgl auch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes VwGH 06.09.2018, Ra 2017/17/0456, mwN, 07.05.2021, Ra 2020/10/0174).

Die Frist zur Selbstbemessung gemäß § 5 Abs 3 TFWAG endet unter Hinzurechnung des 11wöchigen Hemmungszeitraumes (von 15.03.2020 bis zum Ablauf des 31.05.2020) gemäß § 2 Abs 1 Tiroler COVID-19-Gesetz in Verbindung mit § 1 Tiroler COVID-19-Fristenverordnung daher mit Ablauf des 16.08.2021.

Der angefochtene Abgabenbescheid vom 08.06.2020 wurde der Beschwerdeführerin am 10.06.2020 zugestellt. Damit hat die Abgabebehörde die Freizeitwohnsitzabgabe gemäß § 201 BAO festgesetzt.

Die erstmalige Festsetzung einer Selbstbemessungsabgabe durch die Abgabenbehörde gemäß § 201 BAO setzt nach dessen Absatz 1 stets voraus, dass sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist oder der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, der Abgabenbehörde keinen selbst berechneten Betrag bekanntgibt (vgl VwGH 09.12.2020, Ra 2019/17/0109).

Im gegenständlichen Fall hat die Abgabepflichtige noch keinen selbst berechneten Betrag bekanntgegeben, allerdings war sie dazu auch noch nicht verpflichtet, zumal die Frist zur Selbstbemessung aufgrund der oben dargestellten Hemmung der Frist im Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch nicht abgelaufen gewesen ist. Eine bescheidmäßige Festsetzung wäre daher nur bei Vorliegen der Voraussetzungen nach den §§ 201 bis 202 BAO zulässig gewesen und hätte einer diesbezüglichen Begründung bedurft (vgl auch VwGH 24.10.2016, Ra 2014/17/0023

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss die Entscheidung der Beschwerdeinstanz auf ersatzlose Behebung des erstinstanzlichen Bescheides lauten, wenn eine in den Abgabenvorschriften nicht vorgesehene Abgabenfestsetzung vorgenommen wird (vgl dazu beispielsweise VwGH 21.09.2006, 2006/15/0236, 26.04.2012, 2009/15/0056).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

V.       Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die in der gegenständlichen Beschwerdesache zu lösenden Rechtsfragen konnten anhand der in der vorliegenden Beschwerdeentscheidung zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes einwandfrei einer Beantwortung zugeführt werden. Eine außerhalb dieser Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes liegende Rechtsfrage ist für das erkennende Gericht im Gegenstandsfall nicht hervorgekommen.

Belehrung und Hinweise

Den Parteien des Beschwerdeverfahrens steht das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung, wenn das Landesverwaltungsgericht Tirol dies in seinem Spruch zugelassen hat, eine ordentliche, ansonsten eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Die Revision ist schriftlich innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung der Entscheidung beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen. Sie ist - abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen - durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt, von einer Steuerberaterin bzw. einem Steuerberater oder einer Wirtschaftsprüferin bzw. einem Wirtschaftsprüfer abzufassen und einzubringen.

Beschwerdeführenden Parteien und den im Beschwerdeverfahren Beigetretenen steht weiters das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (Freyung 8, 1010 Wien) zu erheben. Die Beschwerde ist direkt beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen - durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Wird die Verfahrenshilfe bewilligt, entfällt die Eingabengebühr und es wird eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt bestellt, die oder der den Schriftsatz verfasst.

Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Zur Vorgangsweise für die elektronische Einbringung und zu weiteren Informationen wird auf die Website des Verfassungsgerichtshofes verwiesen.

Die für eine allfällige Beschwerde oder Revision zu entrichtenden Eingabengebühr beträgt gemäß § 17a Verfassungsgerichtshofgesetz und § 24a Verwaltungsgerichtshofgesetz
Euro 240,00.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr.in Kroker

(Richterin)

Schlagworte

Selbstbemessung
Frist
Hemmung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2020.12.2412.4

Zuletzt aktualisiert am

24.11.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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