Index
L34009 Abgabenordnung Wien;Norm
AusgleichsO §48;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission vom 19. Jänner 1996, Zl MG-VfR-W 17/95, betreffend Haftung gemäß §§ 7 und 54 WAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Stadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Haftungsbescheid vom 12. April 1995 wurde der Beschwerdeführer für Kommunalsteuer der W GmbH im Ausmaß von S 1.487,-- als deren Geschäftsführer gemäß §§ 7 und 54 WAO in Anspruch genommen.
Der Beschwerdeführer wandte in einer dagegen eingebrachten Berufung ein, daß über das Vermögen der W GmbH zunächst das Konkursverfahren eröffnet, danach aber ein Zwangsausgleich mit einer Quote von 20 % abgeschlossen worden sei.
Einem in den Verwaltungsakten erliegenden Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 5. Mai 1995 ist zu entnehmen, daß der bei der Tagsatzung vom 24. März 1995 abgeschlossene Zwangsausgleich bestätigt und dieser Beschluß am 19. Juni 1995 an der Gerichtstafel angeschlagen wurde.
In dem die Berufung erledigenden angefochtenen Bescheid vom 19. Jänner 1996, mit welchem der geltend gemachte Haftungsbetrag auf S 1.189,60 eingeschränkt, die Berufung im übrigen aber abgewiesen wurde, nimmt die belangte Behörde neben Ausführungen zur gegebenen Pflichtverletzung des Beschwerdeführers auf das Berufungsvorbringen nur insoweit Bezug, als der Haftungsbetrag um 20 % eingeschränkt wurde.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Unterbleiben einer Inanspruchnahme von Haftungen in Abgabensachen verletzt und beantragt Bescheidaufhebung unter Kostenzuspruch.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 7 Abs 1 WAO haften die in den §§ 54 ff WAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Im Erkenntnis vom 25. Juni 1990, 89/15/0106, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß der Ansicht des damaligen Beschwerdeführers, die Lohnsummensteuerschuld sei nicht uneinbringlich geworden, sondern gemäß § 156 KO mit der rechtzeitigen Zahlung der Quote kraft Gesetzes getilgt worden, die Vertreterhaftung damit erloschen, weil diese nur neben der Abgabenschuld des Abgabepflichtigen und nur soweit sie diesen treffe, nicht aber darüber hinaus bestehe, nicht gefolgt werden könne. Dies im wesentlichen mit der Begründung, daß die Haftung des Mitverpflichteten gemäß § 151 KO durch den Zwangsausgleich nicht eingeschränkt werde.
Mit der Erlassung des erstinstanzlichen Haftungsbescheides wird über die Heranziehung zur Haftung und die dadurch begründete Mitschuld noch nicht endgültig verbindlich abgesprochen. Haftungsbescheide unterliegen im Berufungsverfahren der vollen Überprüfung auf ihre Rechtmäßigkeit. Im Fall einer eingebrachten Berufung wird somit erst mit Ergehen der Berufungsentscheidung rechtskräftig über die Heranziehung zur Haftung und das Entstehen der Gesamtschuld entschieden. Es ist daher für das Vorliegen der Mitschuld auch im Sinne des § 151 KO die Rechtskraft des Haftungsbescheides und nicht schon die Erlassung des (erstinstanzlichen) Haftungsbescheides entscheidend, zumal dieser auch rechtswidrig die Haftung aussprechen könnte. Die Beurteilung, ob die Haftung dem Grunde nach zu Recht besteht, obliegt im Berufungsverfahren der Berufungsbehörde; sie hat dabei grundsätzlich von der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihrer Entscheidung auszugehen. Es liegt im Wesen einer meritorischen Berufungsentscheidung, daß die Berufungsbehörde die Sache nach allen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten neu zu überprüfen hat. Sie hat im Fall einer Haftungsinanspruchnahme daher die Umstände zu berücksichtigen, die im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides gegeben sind (vgl das hg Erkenntnis vom 26. Juni 1996, 95/16/0077).
Die Rechtsfolge, daß die Haftung des Mitverpflichteten gemäß § 151 KO unter den dort genannten Voraussetzungen durch den Zwangsausgleich nicht eingeschränkt wird, ist daher dann nicht von entscheidender Bedeutung, wenn zwischen Erlassung des erst- und zweitinstanzlichen Bescheides ein Umstand eintritt, welcher die Erlassung eines Haftungsbescheides zum Zeitpunkt der zweitinstanzlichen Entscheidung nicht (mehr) erlaubt. Ein solcher Umstand ist aber aus den im zitierten Erkenntnis vom 26. Juni 1996 angeführten Gründen, auf welche gemäß § 43 Abs 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, insbesondere zur Akzessorietät der abgabenrechtlichen Haftung, welche im Hinblick auf die inhaltlich dem § 9 BAO entsprechende Bestimmung des § 7 WAO auch im Bereich des letztgenannten Gesetzes besteht, auch im Beschwerdefall gemäß § 156 KO durch den rechtskräftig bestätigten Zwangsausgleich eingetreten.
Im Hinblick auf diese Akzessorietät kann auch die in der Gegenschrift der belangten Behörde erwähnte Bestimmung des § 171 letzter Satz WAO idF des LGBl für Wien, Nr 40/1992, wonach ein erfüllter Ausgleich oder Zwangsausgleich die Geltendmachung von Haftungen nicht hindert, in einem Fall, in welchem ein Haftungsbescheid zum Zeitpunkt des rechtskräftig bestätigten Zwangsausgleiches noch nicht rechtskräftig ist, die Geltendmachung der Haftung nicht rechtfertigen.
Mit der Frage, ob die Haftung bereits mit der Erlassung des erstbehördlichen Haftungsbescheides oder erst mit dem Eintritt der Rechtskraft dieses Bescheides oder im Berufungsfall erst mit der Erlassung des Berufungsbescheides verbindlich wird und erst solcherart die Rechtsfolge des § 151 KO auslöst, hat sich der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 25. Juni 1990, 89/15/0106, nicht ausdrücklich auseinandergesetzt (vgl hiezu Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S 163). Im Beschwerdefall bedurfte es daher keiner Beschlußfassung durch einen gemäß § 13 Abs 1 VwGG gebildeten Senat.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994.
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996130027.X00Im RIS seit
12.02.2002Zuletzt aktualisiert am
14.11.2008