TE Lvwg Erkenntnis 2021/8/25 LVwG 30.17-2348/2020

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.08.2021
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Entscheidungsdatum

25.08.2021

Index

60/01 Arbeitsvertragsrecht
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG 1991 §9 Abs1
VStG 1991 §9 Abs6
AuslBG §26 Abs6

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch die Richterin Mag. Jöbstl-Findeis über die Beschwerde des Herrn A B, geb. am ****, vertreten durch C Rechtsanwälte OG, Pgasse, G, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Hartberg-Fürstenfeld vom 26.08.2020, GZ: BHHF/622200011202/2020,

z u R e c h t e r k a n n t:

I.   Gemäß § 50 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (im Folgenden VwGVG) wird der Beschwerde

stattgegeben,

das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG iVm § 38 VwGVG eingestellt.

II.  Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz (im Folgenden VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

I.   Verfahrensgang

Zum angefochtenen Bescheid:

Mit dem eingangs näherbezeichneten Straferkenntnis vom 26.08.2020 wurde dem nunmehrigen Beschwerdeführer vorgeworfen, er habe es als vor Ort anwesender handelsrechtlicher Geschäftsführer der Auftraggeber-Firma (B & D) gemäß § 9 Abs 1 VStG vorsätzlich unterlassen, der Zentralen Koordinationsstelle für illegale Beschäftigung des Bundesministeriums für Finanzen zu melden, dass das beauftragte Subunternehmen mit Sitz in der Slowakei – nach der nach eigenen Angaben (glaubhaft) erfolgten telefonischen Aufforderung – die nach diesem Bundesgesetz erforderlichen Berechtigungen für die Beschäftigung der näherbezeichneten Ausländer nicht binnen einer Woche nachgewiesen hat, obwohl das auftraggebende Unternehmen umgehend die Zentrale Koordinationsstelle für illegale Beschäftigung des Bundesministeriums für Finanzen zu verständigen hat, wenn das beauftragte Unternehmen der Aufforderung eines Unternehmens, welches die Erbringung einer Leistung an ein anderes Unternehmen ganz oder teilweise weitergibt, vor Beginn der Beschäftigung binnen einer Woche die nach diesem Bundesgesetz erforderlichen Berechtigungen für die beschäftigten Ausländer nachzuweisen, nicht fristgerecht nachkommen. Es wurde vorsätzlich keinerlei Meldung an die Zentrale Koordinationsstelle erstattet, obwohl dem auftraggebenden Unternehmen nach erfolgter Aufforderung vom Subunternehmen binnen Frist keinerlei Nachweise über die entsandten Arbeitnehmer erbracht wurden. Es wurden 6 näher bezeichnete ukrainische Staatsangehörige ohne Wohnsitz in der EU, ohne arbeitsrechtliche oder organisatorische Bindung zum Entsendestaat Slowakei vom Sub-Subunternehmer gegen eine ausgelobte Barzahlung von monatlich € 1.200,00 in Österreich illegal beschäftigt.

Dadurch habe der Beschwerdeführer gegen § 28 Abs 6 Z 2 in Verbindung mit § 26 Abs 6 AuslBG in Verbindung mit § 9 Abs 1 in Verbindung mit Abs 6 VStG verstoßen und wurden über ihn sechs Geldstrafen iHv je € 3.000,00 (im Uneinbringlichkeitsfall jeweils eine Ersatzstrafe von 4 Tagen und 3 Stunden) verhängt.

Begründend führt die belangte Behörde aus, dass aufgrund der Anzeigen der Finanzpolizei Team 09 für das Finanzamt Wien 2/20/21/22, FA-GZ-012/11064/0919 AuslBG festgestellt wurde, dass am 17.10.2019 um 9:00 Uhr die Baustelle eines Hotelneubaus in W, Nstraße von der Finanzpolizei Team 09 nach den gesetzlichen Bestimmungen des aus AuslBG, ASVG, LSD-BG und AÜG überprüft worden sei. Die Kontrolle wurde im Baubüro der Projektleiterin des Teil-Generalunternehmers angemeldet. Im Zuge der Kontrolle konnte ein Auftragsverhältnis für Trockenbauarbeiten zwischen dem kontrollierten Teil-Generalunternehmen und der Firma des Beschwerdeführers als Sub-Unternehmer (B & D) festgestellt werden. Diese hat wiederum das slowakische Sub-Subunternehmen (E) mit der Montage von Gipskartondecken und -wänden (Trockenbauarbeiten) beauftragt. Bei der Kontrolle wurden der Bauleiter und der Vorarbeiter des österreichischen Subunternehmens (B & D) angetroffen – weitere Dienstnehmer dieser Firma wurden nicht angetroffen, allerdings 8 Arbeiter des slowakischen Sub-Subunternehmens (E), deren Identität vor Ort festgestellt wurde. Bei diesen 8 Arbeitern handelte es sich einerseits um 2 slowakische Staatsbürger und die näherbezeichneten 6 ukrainische Staatsbürger (Drittstaatenangehörige). Die angetroffenen Arbeitnehmer wurden aufgefordert, je ein Personenblatt in ihrer Landessprache auszufüllen. Dieser Aufforderung sind sie freiwillig unselbständig nachgekommen. Da die Angaben der ukrainische Staatsbürger teilweise in kyrillischer Schrift erfolgten, wurde eine sprachkundige Person telefonisch hinzugezogen, welche die Angaben sinngemäß dahingehend übersetzte: Sämtliche 6 Ukrainer wohnen in verschiedenen „Oblasten“ (Bundesländer in der Ukraine), haben kein Wohnsitz in der EU und arbeiten für die slowakische Firma. Arbeitsanweisungen erhalten Sie von einem „F“. Sie arbeiten als Hilfsarbeiter, wobei ihnen € 1.200,00 von einem „H E “, zahlbar am 30. jedes Monats, versprochen wurden. Sie haben ihr Geld in bar erhalten. Sie haben noch keinen Gehaltszettel, Dienstzettel, Arbeitsvertrag oder sonstige schriftliche Vereinbarungen erhalten oder unterschrieben. Laut eigenen Angaben befinden sie sich seit 16.09.2019 (zugleich Tatzeit) auf dem Bauvorhaben. Sie gaben diesen Tag als ersten Arbeitstag bei der Firma E an.

Obwohl die angetroffenen Arbeitnehmer laut eigenen Angaben seit 16.09.2019 auf dem Bauvorhaben tätig sind, wurden

?   Meldungen an die ZKO im Sinne des § 19 LSD-BG nicht durchgeführt,

?   die erforderlichen Unterlagen im Sinne des § 21 LSD-BG nicht bereitgestellt,

?   vermeintliche A1-Sozialversicherungsdokumente vorgelegt,

?   Lohnunterlagen im Sinne des § 22 LSD-BG nicht vorgelegt.

Für die sechs ukrainischen Staatsbürger waren arbeitsmarktrechtliche Bewilligungen nicht vorhanden. Für die belangte Behörde stand außer Frage, dass das Subunternehmen E der Firma B & D nicht mitgeteilt hat, keine ausländischen Arbeitnehmer zu beschäftigen, keine Listen der ausländischen Arbeitnehmer übermittelt hat und die Firma B & D keine Meldung im Sinne des § 26 Abs 6 AuslBG erstattet hat. Da die Firma E nicht mitgeteilt habe, welche Dienstnehmer tatsächlich eingesetzt werden, hätte der Auftraggeber genau aus diesem Grund umgehend die ZKO informieren müssen.

Die belangte Behörde stellte fest, dass die Firma B & D Innenausbau GmbH mit Vereinbarung vom 05.02.2018 den Geschäftsführer I D ausdrücklich zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs 2 VStG nachweislich bestellt hat; dies mit sachlicher Zuständigkeit in den Bereichen: Abfall, baurechtliche Vorschriften, gesamter Fuhrpark, Einhaltung der Verpflichtungen gemäß § 103 Abs 2 und 103a Abs 2 KFG 1967, Einhaltung des ArbIG, Einhaltung sämtlicher Arbeitnehmerschutzvorschriften und sonstiger arbeitsrechtlicher Normen, Verbraucherschutzvorschriften einschließlich normierter Pflichten, insbesondere der Arbeitszeiten nach AZG, ASVH, Einhaltung des AuslBG 1975 etc. Der Bestellung wurde von Herrn I D am 05.02.2018 zugestimmt.

Die Verantwortlichkeit des nunmehrigen Beschwerdeführers wurde mit § 9 Abs 1 iVm § 9 Abs 6 VStG durch vorsätzliche Nichtverhinderung „zusätzlich zur ex-lege-Verantwortlichkeit des I D“ begründet.

Das Straferkenntnis wurde dem ausgewiesenen Vertreter des Beschwerdeführers am 28.08.2020 nachweislich zugestellt.

Zur Beschwerde:

In seiner am 21.09.2020 rechtzeitig eingebrachten und formal zulässigen Beschwerde brachte der Beschwerdeführer durch seinen ausgewiesenen Vertreter im Wesentlichen vor, dass § 26 Abs 6 AuslBG keine Meldung verlange, dass lediglich Ausländer beschäftigt werden, die keine Berechtigung nach dem AuslBG benötigen. Es seien Kontrollmaßnahmen dahingehend gesetzt worden, dass der von der Firma des Beschwerdeführers errichtete Werkvertrag für das beauftragte Subunternehmen explizit die Verpflichtung vorsah, für die Ausführung der beauftragten Arbeiten die dafür notwendigen Berechtigungen zu besitzen und dass sämtliches vom Subunternehmen eingesetztes Personal angemeldet und versichert sein müsse. Das beauftragte Subunternehmen habe somit schriftlich zugesichert (und sich dazu verpflichtet), sämtliche Bestimmungen nach dem AuslBG einzuhalten und zu erfüllen. § 26 Abs 6 AuslBG verpflichte lediglich, vor Beginn der Beschäftigung das beauftragte Unternehmen aufzufordern, binnen einer Woche die nach diesem Bundesgesetz erforderlichen Berechtigungen für die beschäftigten Ausländer nachzuweisen. Dieser Verpflichtung sei B & D ordnungsgemäß nachgekommen. Wenn das beauftragte Subunternehmen schriftlich zugesichert hat, für die Ausführung der beauftragten Arbeiten alle dafür notwendigen Berechtigungen zu besitzen und sämtliches von ihr eingesetztes Personal angemeldet und versichert zu haben, konnten B & D als Auftraggeber keine Ahnung haben, dass das Gesetz darüberhinausgehend noch mehr verlange. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass der Auftraggeber sich eine namentliche Nennung bzw. Auflistung der Arbeitnehmer samt sämtlicher rechtlich vorgeschriebener Unterlagen verlangt und streng kontrolliert, so hätte man das Gesetz entsprechend formulieren müssen. Sollte sich herausstellen, dass B & D der auferlegten Verpflichtung nicht nachgekommen ist, sei dies jedenfalls völlig unverschuldet. Eine irreführende Formulierung des Gesetzeswortlautes könne nicht zulasten des Beschwerdeführers gehen und dürfte die Sorgfaltspflicht der Unternehmer im Zusammenhang mit der Nachforschung der Auslegung einzelner Rechtsvorschriften nicht überspannt werden.

Hinsichtlich des Verschuldens wurde ausgeführt, dass dieses für den Beschwerdeführer nicht erkennbar sei, zumal alle möglichen und zumutbaren Vorkehrungen getroffen und Sorgfaltspflichten eingehalten wurden. Sein Verhalten sei nicht einmal als fahrlässig zu werten. Ein allfälliges Verschulden wäre aber jedenfalls als geringfügig anzusehen. Wie bereits in der Stellungnahme vom 10.06.2020 ausgeführt, hätte für den Beschwerdeführer eine etwaige Verwirklichung relevante Tatbestände nicht vermieden werden können, weshalb das tatbildmäßige Verhalten jedenfalls hinter dem typisierten Schuld- und Unrechtsgehalt der vorgeworfenen Strafdrohung zurückbliebe. Darüber hinaus sei der Beschwerdeführer vollkommen unbescholten, weshalb keine spezialpräventive Begründung für eine Bestrafung vorliege.

Der Beschwerdeführer beantragte, eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen, das Verfahren einzustellen, in eventu gemäß § 45 Abs 1 Z 4 VStG eine Ermahnung zu erteilen, andernfalls § 20 VStG zur Strafbemessung heranzuziehen. Die Erstbehörde habe bei der Strafbemessung die bisherige Unbescholtenheit als Milderungsgrund herangezogen und lediglich die Anzahl der im Spruch genannten Personen als erschwerend erachtet. Es sei offensichtlich, dass der Milderungsgrund der vollkommenen Unbescholtenheit weit höher und überwiegender zu werten sei als der Erschwerungsgrund, der lediglich auf die unverschuldete Unkenntnis der höchstgerichtlichen Auslegung der Rechtsnorm beruhe. Gegebenenfalls könnte auch der Milderungsgrund der Unbesonnenheit oder des die Schuld nicht ausschließenden Rechtsirrtums für die Nichterkundigung der Rechtsauslegung in Betracht kommen. Zur Höhe der verhängten Strafe sei zu berücksichtigen, dass nach dem Doppelverwertungsverbot Umstände, die für den Tatbestand oder den Strafsatz relevant sind, nicht auch noch zusätzlich als Strafbemessungsgründe berücksichtigt werden dürfen. Da somit die Anzahl der unberechtigt beschäftigten Arbeitnehmer für den anzuwendenden strafsatzrelevant ist, dürfe die Anzahl nicht auch noch als Strafzumessung bzw. Erschwerungsgrund berücksichtigt werden. Ein Erschwerungsgrund sei daher überhaupt nicht gegeben, weshalb im gegenständlichen Fall ein klares Überwiegen der Milderungsgründe vorliege. Zudem liege im gegenständlichen Fall kein reiner Inlandssachverhalt, sondern ein grenzüberschreitender Sachverhalt mit Unionsrechtsbezug vor, da es sich bei dem von B & D beauftragten Subunternehmen um ein slowakisches Unternehmen handle und daher der freie Dienstleistungsverkehr nach Art. 56 AEUV zum Tragen käme. Es müsse daher im gegenständlichen Fall - ausgehend vom Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 12.09.2019, Maksimovic, C-64/18 - zu einer Verdrängung nationalen Rechts kommen, weshalb auch bei mehreren Übertretungen nach § 28 Abs 1 Z 1 AuslBG nur eine Strafe zu verhängen sei und die Wortfolge „für jeden Arbeitnehmer“ bei der Anwendung des § 28 Abs 1 Z 1 AuslBG vor allem (nicht wie in der Entscheidung des VwGH vom 02.07.2020, Ra 2020/09/0025) wie hier im zweiten Strafsatz bei der Verhängung einer Strafe nicht beachtet werden.

Die belangte Behörde sah von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung ab und legte dem Landesverwaltungsgericht Steiermark die Beschwerde unter Anschluss des Verwaltungsakts vor. In dem Begleitschreiben zur Beschwerdevorlage wurde kein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt.

Zum landesverwaltungsgerichtlichen Verfahren:

Mit Schreiben vom 07.10.2020 wurde der Anzeigenlegerin die Beschwerde übermittelt und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu zu äußern. Die Stellungnahme der Finanzpolizei vom 12.10.2020 wurde dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht. Am 24.03.2021 wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, in der die Verfahren zu LVwG 33.17-2347/2020 und LVwG 30.17-2348/2020 aufgrund des sachlichen Zusammenhanges aus Zweckmäßigkeits-gründen gemäß § 39 Abs 2 AVG iVm § 24 VStG und § 38 VwGVG zur gemeinsamen Verhandlung verbunden wurden. Bei der Verhandlung waren die Beschwerdeführer beider Verfahren, deren ausgewiesener Vertreter sowie die mitbeteiligte Partei anwesend. In der mündlichen Verhandlung erging der Auftrag an den Beschwerdeführer, dem Gericht binnen 14 Tagen schriftlich den Werkvertrag sowie den E-Mail-Verkehr mit der Firma E (Übermittlung der angeforderten Nachweise) zu übermitteln. Dies erfolgte durch Urkundenvorlage per E-Mail am 07.04.2021, welche der mitbeteiligten Partei zur Kenntnis gebracht und dazu die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt wurde. Die Stellungnahme durch die Finanzpolizei (Team 09) erfolgte am 09.04.2021.

II.  Sachverhalt

1.       Der Beschwerdeführer ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma B & D Innenausbau GmbH mit Sitz in S, Firmenbuchnummer ****.

2.       Mit Werkvertrag vom 02.04.2019 beauftragte die Firma B & D Innenausbau GmbH die Firma E, s.r.o., M, N, Slowakei als Subunternehmen im Zeitraum KW 14 bis KW 52 2019 beim Bauprojekt Nstraße, W, Montagearbeiten (Trockenausbau laut Leistungsverzeichnis) auszuführen.

3.       I D ist seit 05.02.2018 gemäß § 9 Abs 2 VStG als verantwortlicher Beauftragter der Firma B & D Innenausbau GmbH mit Sitz in S, u.a. für den Bereich Ausländerbeschäftigungsgesetz bestellt. Der Bestellung wurde von Herrn I D am 05.02.2018 zugestimmt.

4.       Der Beschwerdeführer hatte keine Kenntnis über den Umstand, dass die Firma E, s.r.o. für den verfahrensgegenständlichen Werkauftrag Beschäftigte ohne entsprechende arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen einsetzte.

5.       Der Finanzbehörde wurde kein verantwortlicher Beauftragter gemäß § 28a Abs 3 AuslBG mitgeteilt.

III. Beweiswürdigung

6.       Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt, den Angaben der Parteien des Beschwerdeverfahrens sowie den Ergebnissen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungs-gericht Steiermark am 24.03.2021.

7.       Die Feststellung, dass die Bestellung eines verantwortlich Beauftragten gemäß § 9 Abs 2 VStG vor dem Tatzeitpunkt erfolgte, ergibt sich aus den glaubwürdigen Schilderungen beider Geschäftsführer, die übereinstimmend den Anlass für die seinerzeitige Errichtung schilderten (Strafen, die über beide Geschäftsführer verhängt wurden, woraufhin sie erst erfuhren, dass eine Bestellung gemäß § 9 Abs 2 VStG möglich ist). Deren Aussagen (unabhängig voneinander befragt, da zunächst der eine Geschäftsführer als Beschwerdeführer seines Verfahrens und dann als Zeuge für das Verfahren seines Geschäftsführer-Kollegen befragt wurde, während der andere Geschäftsführer nicht im Verhandlungssaal anwesend war) waren in der Kernaussage sehr ähnlich, aber keineswegs wortident oder in den Details auffallend gleich. Zudem konnten sie jeweils auch nur den zeitlichen Rahmen anhand des Anlasses in ihren den Aussagen zu rekonstruieren versuchen, nicht aber das Datum. In der Gesamtschau beider Aussagen erscheint gerade auch jener Umstand glaubwürdig, dass sie sich nicht mehr an das Errichtungsjahr des Bestellungsaktes erinnern konnten, zumal es ein Leichtes gewesen wäre, vor der Verhandlung nochmals die durch den Beschwerdeführervertreter vorgelegte Bestellungsurkunde einzusehen. Lediglich ergänzend (und keineswegs als antizipierte Beweiswürdigung) sei angemerkt, dass auch die belangte Behörde die Bestellungsurkunde hinsichtlich ihres Errichtungsdatums anerkannte.

8.       Dass der Beschwerdeführer nicht wusste, dass vom Subunternehmer E Arbeitskräfte eingesetzt wurden, die über keine arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen verfügten, ergibt sich insbesondere aus den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark. Aus den Aussagen ergab sich ein Bild, wonach beide Geschäftsführer schon bei deren Auftragsübernahme (gesamter Trockenausbau für ein Großprojekt) die Dimensionen eines derartigen Auftragsvolumens (mit den darin inhärenten Problemfeldern) offenbar noch ohne diesbezüglichen Vorerfahrungen unterschätzt hatten. Die gesamte Darstellung der Auftragsanbahnung und Abwicklung vor Ort erweckte eher den Eindruck von unbedarfter Gutgläubigkeit, denn von Wissentlichkeit. Auch die Schilderungen wie es auf der Baustelle – auf der zu Höchstzeiten etwa 200 Bauarbeiter gleichzeitig mit der Ausführung ihrer Gewerke beschäftigt waren (die meisten davon in Arbeitskleidung, die nicht mit den Firmennamen der Baufirmen gebrandet waren und daher nicht zuordenbar) – erscheinen dahingehend glaubwürdig, dass sich der Beschwerdeführer als Baustellenaufsicht bei seinen wöchentlichen Besuchen auf der Baustelle vorrangig damit beschäftigte, den Baufortschritt auf den unterschiedlichen Stockwerken zu überprüfen, Koordinierungsgespräche mit der Gesamtbauleitung zu führen und nicht zuletzt auch die eigenen (also von B & D durchzuführenden) Bauarbeiten zu kontrollieren – und daher nicht wahrgenommen hatte, welche Bauarbeiter konkret vor Ort für die Subunternehmer von B & D beschäftigt waren. Sein Ansprechpartner für den gegenständlichen Sub-Auftrag war auch auf der Baustelle „Herr O“, der bereits zur Auftragsanbahnung an B & D herangetreten war, um den Sub-Auftrag zu erhalten. Dass sich der Beschwerdeführer vor diesem Hintergrund als Baustellenaufsicht mit den verstreut tätigen Bauarbeitern der Sub-Unternehmer nicht persönlich unterhalten hat (womit zumindest ein Eindruck von deren nationaler Herkunft möglich gewesen wäre), erscheint überaus glaubwürdig und nachvollziehbar.

IV.  Rechtsgrundlagen

Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 58/2018:

§ 9 Besondere Fälle der Verantwortlichkeit

(1) Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

(2) Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.

(3) Eine natürliche Person, die Inhaber eines räumlich oder sachlich gegliederten Unternehmens ist, kann für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche ihres Unternehmens einen verantwortlichen Beauftragten bestellen.

(4) Verantwortlicher Beauftragter kann nur eine Person mit Hauptwohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist. Das Erfordernis des Hauptwohnsitzes im Inland gilt nicht für Staatsangehörige von EWR-Vertragsstaaten, falls Zustellungen im Verwaltungsstrafverfahren durch Staatsverträge mit dem Vertragsstaat des Wohnsitzes des verantwortlichen Beauftragten oder auf andere Weise sichergestellt sind.

(5) Verletzt der verantwortliche Beauftragte auf Grund einer besonderen Weisung des Auftraggebers eine Verwaltungsvorschrift, so ist er dann nicht verantwortlich, wenn er glaubhaft zu machen vermag, dass ihm die Einhaltung dieser Verwaltungsvorschrift unzumutbar war.

(6) Die zur Vertretung nach außen berufenen Personen im Sinne des Abs. 1 sowie Personen im Sinne des Abs. 3 bleiben trotz Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten – unbeschadet der Fälle des § 7 – strafrechtlich verantwortlich, wenn sie die Tat vorsätzlich nicht verhindert haben.

(7) Juristische Personen und eingetragene Personengesellschaften sowie die in Abs. 3 genannten natürlichen Personen haften für die über die zur Vertretung nach außen Berufenen oder über einen verantwortlichen Beauftragten verhängten Geldstrafen, sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand.

Ausländerbeschäftigungsgesetz, BGBl. Nr. 218/1975 idF BGBl. I Nr. 104/2019 (AuslBG):

§ 28a Beteiligung am Verwaltungsstrafverfahren und Bestellung von verantwortlichen Beauftragten

[…]

(3) Die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 und 3 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl. Nr. 52, in der jeweils geltenden Fassung, für die Einhaltung dieses Bundesgesetzes wird erst rechtswirksam, nachdem bei der Zentralen Koordinationsstelle eine schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt einem Nachweis der Zustimmung des Bestellten eingelangt ist. Dies gilt nicht für die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten auf Verlangen der Behörde gemäß § 9 Abs. 2 VStG.

V.   Rechtliche Beurteilung

9.       Wie die belangte Behörde in ihrer Begründung zur Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers ausgeführt hat, sei dieser („zusätzlich zur ex-lege-Verantwortlichkeit des I D“) gemäß § 9 Abs 1 iVm § 9 Abs 6 VStG als Geschäftsführer für die Einhaltung von Verwaltungsvorschriften verantwortlich. Die vorsätzliche Begehung, die sie als erwiesen ansieht, begründet sie ausschließlich mit einer auszugsweisen Wiedergabe aus dem Vernehmungsprotokoll der Finanzpolizei (Team 09) vom 16.10.2019:

„[…] Ich kümmere mich um die Aufträge, die Subunternehmer, sowie mach ich die Bauaufsicht auf den Baustellen. Für diese Baustelle bin nur ich zuständig. […]“ (anm.: Die Hervorhebungen erfolgten durch die belangte Behörde.)

Worin genau die belangte Behörde darin die Vorsätzlichkeit bereits als erwiesen ansieht, lässt sie dem Leser interpretativ offen. Die bloße Wiedergabe eines Beweisergebnisses ersetzt nicht dessen Beweiswürdigung respektive die erforderliche Begründung einer vorgenommenen rechtlichen Bewertung. Wenn sich ein Baustellenleiter um die Subunternehmer und Aufträge auf der Baustelle „kümmert“ und sich als Baustellenaufsicht dafür allein zuständig fühlt, bedeutet das zunächst einmal, dass er für die Auftragsabwicklung zuständig ist. Er trägt dabei die operative Aufsicht und Koordination der bereits laufenden Bauarbeiten (auch um die zugesagten Termine einhalten zu können), versucht Schnittstellenprobleme (etwa zu Subunternehmen oder zu anderen Gewerken) vor Ort zu lösen und für (zeitlich) optimierte Arbeitsabläufe zu sorgen und ist insgesamt der Ansprechpartner für allfällige Beanstandungen oder Abstimmungsbedarfe betreffend die Bauausführung. Es impliziert keineswegs, dass er für die Formalitäten hinsichtlich der Einhaltung von gesetzlichen Vorgaben verantwortlich ist (oder sich dafür verantwortlich hält), die VOR Arbeitsaufnahme zu erfolgen haben (etwa die vorgeworfene Meldung an die ZKO), zumal im verfahrensgegenständlichen Fall die Bestellung eines verantwortlich Beauftragten gemäß § 9 Abs 2 VStG für die Einhaltung des AuslBG 1975 erfolgte.

10.      § 9 Abs 2 VStG ermöglicht die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten für bestimmte (räumlich oder sachlich) abgegrenzte Bereiche des Unternehmens. I D ist seit 05.02.2018 gemäß § 9 Abs 2 VStG als verantwortlicher Beauftragter der Firma B & D Innenausbau GmbH mit Sitz in S, u.a. für den Bereich Ausländerbeschäftigungsgesetz bestellt. Der Bestellung wurde von Herrn I D am 05.02.2018 zugestimmt. Daher ist der Beschwerdeführer für diesen Bereich ausschließlich unter den Voraussetzungen des § 9 Abs 6 VStG strafrechtlich verantwortlich.

11.      Anders als bei einem Ungehorsamsdelikt genügt für die Verantwortlichkeit nach § 9 Abs 6 VStG eben nicht die (vermutete) Fahrlässigkeit, sondern erfordert expressis verbis einen Vorsatz, der erhöhte Anforderungen an die Beweiswürdigung hinsichtlich der Verschuldenskomponente stellt. Wie das Beweisverfahren der öffentlichen mündlichen Verhandlung ergeben hat, fehlte dem Beschwerdeführer der Vorsatz (dolus eventualis), die Tat nicht zu verhindern. Daher kann dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführer im Zuge der Kontrolle auf der Baustelle überhaupt (noch) nach § 26 Abs 6 AuslBG in seiner Verantwortung nach § 9 Abs 6 VStG als „vor-Ort-verantwortlicher Geschäftsführer“ strafbar wäre, da der Tatvorwurf bereits verwirklicht gewesen wäre (zumal die Aufforderung an den Sub-Unternehmer vor Arbeitsaufnahme und eine allfällige Meldung an die ZKO binnen einer Woche nach etwaiger Nichtmeldung durch den Sub-Unternehmer zu erfolgen hat) und sohin die vorgeworfene Tat bereits erfüllt und vom Beschwerdeführer vor Ort nicht mehr verhinderbar gewesen wäre.

12.      Dem festgestellten Sachverhalt zufolge erfolgte keine Mitteilung an die zuständige Abgabenbehörde gemäß § 28a Abs 3 AuslBG. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem zu § 23 ArbIG ergangenen Grundsatz-erkenntnis vom 19.02.1999, Zl.: 97/11/0044, klargestellt, dass Urkunden, welche eine Verantwortungsübertragung zwischen verantwortlichen Vertretungsorganen eines Unternehmens gemäß § 9 Abs 1 VStG vorsehen, zu ihrer Wirksamkeit nicht der vorherigen Mitteilung an das zuständige Arbeitsinspektorat gemäß § 23 ArbIG bedürfen. Dies deshalb, da verantwortliche Vertretungsorgane ohnedies ex lege umfassend und kumulativ neben anderen Vertretungsorganen strafrechtlich verantwortlich sind und daher zum Unterschied vom verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs 2 VStG mit einer solchen Bestellung keine zusätzliche Verantwortlichkeit begründet wird. Diese Judikatur ist auch auf die sinngemäß gleichlautende Regelung in § 28a Abs 3 AuslBG anzuwenden (vgl. u.a. UVS Steiermark, GZ: 33.15-17/2010 u.a.). Im Hinblick auf diese Rechtsprechung ist die mit 05.02.2018 datierte Bestellungsurkunde trotz fehlender Vorlage an die zuständige Abgabenbehörde geeignet, den Beschwerdeführer zu exkulpieren.

13.      Der Beschwerdeführer hat die Erfüllung des vorgeworfenen Tatbestandes nicht vorsätzlich verhindert (und hätte dies zum vorgeworfenen Tatzeitpunkt auch nicht mehr verhindern können).

Da für das beauftragende Unternehmen ein verantwortlich Beauftragter aus dem Kreise der § 9 Abs 1 VStG-Verantwortlichen vor dem Tatzeitpunkt ua. für die Einhaltung des AuslBG bestellt wurde und der Beschwerdeführer nicht vorsätzlich die vorgeworfene Tat nicht verhindert hat, war der Beschwerde stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen.

VI.  Unzulässigkeit der ordentlichen Revision

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Baustellenleiter, Subunternehmer, Verantwortlichkeit, Baustellenaufsicht, Einhaltung gesetzlicher Vorschriften, vorsätzliche Nichtverhinderung, verantwortlicher Beauftragter, Anwesenheit auf der Baustelle, Meldepflicht, Tatbestand bereits erfüllt, vor Ort nicht verhinderbar, unterlassene Meldung, Strafbarkeit, vor Ort verantwortlicher Geschäftsführer

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGST:2021:LVwG.30.17.2348.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.11.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Steiermark LVwg Steiermark, http://www.lvwg-stmk.gv.at
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