Entscheidungsdatum
23.07.2021Norm
ÄrzteG 1998 §109Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Marzi als Einzelrichter über die Beschwerde des A, ***, ***, gegen den Bescheid des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich vom 22. Mai 2019, Zl. ***, betreffend Abweisung eines Antrags auf Ermäßigung der Wohlfahrtsfondsbeiträge, zu Recht:
1. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
2. Eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
1. Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt sich in Zusammenschau mit der Beschwerde nachstehender, entscheidungswesentlicher Sachverhalt:
1.1. Der – während des gesamten Verfahrens nicht von einer rechtskundigen Person vertretene – Beschwerdeführer ist Kammerangehöriger der Ärztekammer für Niederösterreich. Er steht in einem Dienstverhältnis zur B GmbH.
Von seinem Gehalt wurden im Februar 2019 an Wohlfahrtsfondsbeiträgen 2.508,72 Euro sowie 23,18 Euro an Kammerumlage vom Dienstgeber einbehalten und an die zuständige Ärztekammer abgeführt.
1.2. Mit formlosem Schreiben vom 28. Februar 2019 wurde dem Beschwerdeführer „aufgrund neuer Informationen“ eine veränderte Jahresvorschau für das Jahr 2019 übermittelt. In diesem Schreiben wurde darauf verwiesen, dass der Pensionsbeitrag für das Jahr 2019 gesamt 19.349,15 Euro, sohin 1.612,42 Euro monatlich betrage.
1.3. Mit E-Mail vom 29. März 2019 wurde ein mit 21. März 2019 datiertes Schreiben des Beschwerdeführers an die belangte Behörde übermittelt, in welchem der Beschwerdeführer wie folgt ausführt:
„BESTÄTIGUNG
Sehr geehrte Damen und Herren,
Ich, A bin Vollzeit bei der B GmbH beschäftigt. Meine Position ist die des wissenschaftlichen Direktors und des Programmleiters für Kohlenstoff-Ionen. Meine Rolle beinhaltet zu einem Teil Managementaufgaben, die jedoch nicht auf meine klinischen Aktivitäten zurückzuführen sind. Meine Position und Aufgabe umfasst einen erheblichen Teil, der überhaupt nicht mit der klinischen Tätigkeit zusammenhängt. Ich koordiniere die nicht-klinische Forschung bei B, die die Biologieforschung (sowohl in vivo als auch in vitro) und die medizinische Physik (insbesondere im Bereich der radiobiologischen Modellierung) umfasst. Diese Tätigkeiten stehen auch im Zusammenhang mit meiner besonderen Ausbildung (Master-Abschluss in Elektrotechnik). Zusammenfassend haben 50% meiner Zeit und meines Gehalts mit klinischer und medizinischer Tätigkeit zu tun und 50% mit nicht-klinischer und nicht-medizinischer Tätigkeit.
Ich ersuche Sie, den Beitrag von mir entsprechend anzupassen.
Mit freundlichen Grüßen“
1.4. Nach Aufforderung durch die belangte Behörde, einen Dienstvertrag zu übermitteln, übermittelte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 17. April 2019 eine Stellenbeschreibung, in welcher ausgeführt wird, dass die „klinischen Tätigkeiten“ auf 50% begrenzt seien. Die restlichen 50% seien nichtklinische Tätigkeiten, wobei 30% auf die „Bewertung und Koordination der Forschungsaktivitäten, 10% auf „Fundraising-Aktivitäten“ und weitere 10% auf „Trainingsaktivitäten“ entfielen.
Den von der belangten Behörde geforderten Dienstvertrag legte der Beschwerdeführer aus „Datenschutzgründen“ nicht vor.
1.5. Mit Schreiben vom 23. April 2019 verwies der Beschwerdeführer nochmals darauf, dass die Stellenbeschreibung „aus Datenschutzgründen ausreichen“ sollte; gleichzeitig ersuchte er darum, den offenen Betrag (offenkundig gemeint: der geforderten Beiträge zum Wohlfahrtsfonds) bis zur Klärung der Situation zu stunden.
1.6. Mit dem angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde wie folgt aus:
„Ihr Antrag vom 29.03.2019 auf Ermäßigung der Wohlfahrtsfondsbeiträge ab Juni 2018 nur auf Grundlage der Einnahmen aus der Tätigkeit am Patienten wird aufgrund des Beschlusses des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich in seiner Sitzung am 08.05.2019 gemäß § 2 Abs. 2 Ärztegesetz 1998, BGBl I Nr. 169/1998, idF BGBl I Nr. 28/2019, (Ärztegesetz) iVm § 2 Beitragsordnung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich idgF (Beitragsordnung) a b g e w i e s e n.“
Begründend führte die belangte Behörde auszugsweise wie folgt aus:
„1. Vorbringen und festgestellter Sachverhalt
Mit Ihrem Antrag begehrten Sie die Anpassung bzw. Ermäßigung der Wohlfahrtsfondsbeiträge ab Juni 2018 nur auf Grundlage der Einnahmen aus der Tätigkeit am Patienten und brachten folgende Begründung vor:
- Vollzeitbeschäftigung bei der B GmbH
- Position des wissenschaftlichen Direktors und des Programmleiters für Kohlenstoff-Ionen
- Rolle beinhaltet zu einem Teil Managementaufgaben, die jedoch nicht auf klinische Aktivitäten zurückzuführen sind
- Koordination der nicht-klinischen Forschung bei B, die die Biologieforschung (sowohl in vivo als auch in vitro) und die medizinische Physik (insbesondere im Bereich der radiobiologischen Modellierung) umfasst
- Tätigkeiten stehen auch im Zusammenhang mit der besonderen Ausbildung (Master-Abschluss in Elektrotechnik)
- Zusammenfassend haben 50% der Zeit und des Gehaltes mit klinischer und medizinischer Tätigkeit zu tun und 50% mit nicht-klinischer und nicht-medizinischer Tätigkeit
Der Verwaltungsausschuss hat aufgrund Ihres Vorbringens festgestellt, dass seit 11.06.2018 die B GmbH in *** als Ihr Dienstort in die Ärzteliste eingetragen ist.
Weiters hat der Verwaltungsausschuss folgende Daten Ihrer ärztlichen Tätigkeit festgestellt:
Praxis aktuell: nein
Fach aktuell: Strahlentherapie-Radioonkologie
Gehalt Februar 2019: € 14.714,29 mtl.
Gemäß §§ 2 ff. Beitragsordnung errechnet sich ein Pensionsbeitrag 2018/2019 in Höhe von monatlich € 1.612,42.
2. Beweis wurde erhoben durch die Stellenbeschreibung als „Wissenschaftlicher Direktor“ bei der B vom 01.10.2017, durch den Gehaltszettel Februar 2019 sowie Ihr Vorbringen. Ein Dienstvertrag wurde trotz Anforderung vom 09.04.2019 nicht vorgelegt.
3. Rechtliche Beurteilung
§ 2 Beitragsordnung sieht als Ausgangsgröße der Ermittlung der Beitragsbemessungsgrundlage die Einnahmen aus ärztlicher Tätigkeit vor. Gemäß § 2 Abs. 2 Ärztegesetz umfasst die Ausübung des ärztlichen Berufes jede auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen begründete Tätigkeit, die unmittelbar am Menschen oder mittelbar für den Menschen ausgeführt wird [...].
Daraus hat der Verwaltungsgerichtshof einerseits abgeleitet, dass organisatorische und wirtschaftende Tätigkeiten (wenn auch bei einem selbstständig praktizierenden Arzt) grundsätzlich nicht von der ärztlichen Tätigkeit zu trennen sind; andererseits sei daraus ableitbar, dass das Gehalt eines Arztes in der Leistungsökonomie grundsätzlich eine Einnahme aus ärztlicher Tätigkeit sei. Eine Ausnahme könne nur angenommen werden, wenn klar trennbare Bestandteile des Gehaltes ausdrücklich als Entgelt für andere als ärztliche Tätigkeiten bezeichnet werden.
Daraus kann für den vorliegenden Fall geschlossen werden, dass wenigstens solche klar trennbaren Bestandteile des Gehaltes für nichtzahnärztliche Tätigkeiten nachzuweisen gewesen wären. Da Sie diesen Nachweis nicht erbracht haben, war der Antrag auf Ermäßigung der Wohlfahrtsfondsbeiträge durch Ausscheiden eines Teiles des Gehalts abzuweisen.
Bei der Festsetzung der Wohlfahrtsfondsbeiträge ist gemäß § 14 Abs. 2 Satzung WFF auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Bedacht zu nehmen. Bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände können die WFF-Beiträge gemäß § 15 Abs. 2 Satzung WFF nach Billigkeit ermäßigt oder in Härtefällen nachgelassen werden.
Der Verwaltungsausschuss hat darüber hinaus festgestellt, dass keine Umstände vorgebracht wurden, die berücksichtigungswürdige Umstände im Sinne von unabwendbaren und unverschuldeten akuten Eingriffen in die Lebenssituation darstellen.
Da im vorliegenden Fall keine berücksichtigungswürdigen Umstände erkannt wurden, kann auch kein Härtefall im Sinn des § 15 Abs. 2 Satzung WFF feststellbar sein.
Der Antrag auf Ermäßigung der Wohlfahrtsfondsbeiträge war daher spruchgemäß abzuweisen.“
1.7. In der gegen diesen Bescheid von einer Bevollmächtigten des Beschwerdeführers erhobenen Beschwerde wird Folgendes ausgeführt:
„Wie auch bereits bei anderen Ärzten aus unserem Unternehmen, wurde seitens B immer der Gehaltszettel als auch die Stellenbeschreibung als Begründung für den Antrag auf Ermäßigung zugesandt.
Der Dienstvertrag unterliegt dem Datenschutz und somit können wir diesen nicht zur Verfügung stellen.
In der Stellenbeschreibung, die auch von unserem medizinischen Leiter C genehmigt ist, geht eindeutig die Aufteilung in medizinische und nichtmedizinische Tätigkeiten hervor.
Weiters wird mit unseren Mitarbeitern ein Monatsgehalt für die gesamte Tätigkeit vereinbart und somit erfolgt keine Aufteilung nach medizinischer oder nichtmedizinischer Tätigkeit. Dies verhält sich ebenfalls genauso wie bei allen anderen Mitarbeitern unseres Unternehmens.“
1.8. Mit Schreiben vom 25. September 2019, beim Landesverwaltungsgericht eingelangt am 29. November 2019, wurde dem Landesverwaltungsgericht der Verwaltungsakt samt Beschwerde u.a. mit dem Hinweis vorgelegt, dass ein Verfahren gemäß „§§ 14 Abs. 2 und 15 Abs. 2 Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich idF 07.12.2016 (Satzung WFF); §§ 109 und 111 ÄrzteG“ vorliege.
2. Rechtliche Erwägungen:
2.1. In der Sache:
2.1.1. Rechtsgrundlagen:
2.1.1.1. Das Ärztegesetz 1998, BGBl. I Nr. 169/1998, lautet auszugsweise:
„Der Beruf des Arztes(1) Der Arzt ist zur Ausübung der Medizin berufen.
(2) Die Ausübung des ärztlichen Berufes umfaßt jede auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen begründete Tätigkeit, die unmittelbar am Menschen oder mittelbar für den Menschen ausgeführt wird, insbesondere
1.
die Untersuchung auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen von körperlichen und psychischen Krankheiten oder Störungen, von Behinderungen oder Mißbildungen und Anomalien, die krankhafter Natur sind, ausgenommen Untersuchungen, die im Rahmen einer Pandemie durch naturwissenschaftliche, insbesondere veterinärmedizinische Einrichtungen, durchgeführt werden;
2.
die Beurteilung von in Z 1 angeführten Zuständen bei Verwendung medizinisch-diagnostischer Hilfsmittel;
3.
die Behandlung solcher Zustände (Z 1);
4.
die Vornahme operativer Eingriffe einschließlich der Entnahme oder Infusion von Blut;
5.
die Vorbeugung von Erkrankungen;
6.
die Geburtshilfe sowie die Anwendung von Maßnahmen der medizinischen Fortpflanzungshilfe;
6a.
die Schmerztherapie und Palliativmedizin;
7.
die Verordnung von Heilmitteln, Heilbehelfen und medizinisch diagnostischen Hilfsmitteln;
8.
die Vornahme von Leichenöffnungen.
[…]
(1) Die Kammerangehörigen sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verpflichtet, Beiträge zum Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer zu leisten, in deren Bereich sie zuerst den ärztlichen oder zahnärztlichen Beruf aufgenommen haben, solange diese Tätigkeit aufrecht ist. Übt ein Kammerangehöriger seinen Beruf im Bereich mehrerer Ärztekammern aus, so bleibt er Mitglied im Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer, in deren Bereich er zuerst die Berufstätigkeit aufgenommen hat, solange diese Tätigkeit in dem betreffenden Bundesland aufrecht ist. Eine Unterbrechung dieser Tätigkeit für weniger als sechs Monate sowie eine ärztliche Tätigkeit im Bereich einer anderen Ärztekammer oder im Ausland auf Grund dienstrechtlicher Vorschriften (§ 68 Abs. 4 letzter Satz) gilt diesbezüglich als ununterbrochene Berufsausübung. Nimmt er seine ärztliche Tätigkeit gleichzeitig im Bereich mehrerer Ärztekammern auf, so obliegt ihm die Wahl, zu welchem Wohlfahrtsfonds er seine Beiträge leistet.
(2) Bei der Festsetzung der Höhe der für den Wohlfahrtsfonds bestimmten Beiträge ist auf die
1.
Leistungsansprüche,
2.
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit anhand der Einnahmen (Umsätze) und/oder Einkünfte sowie
3.
Art der Berufsausübung
der beitragspflichtigen Kammerangehörigen Bedacht zu nehmen. Die Höhe der Beiträge kann betragsmäßig oder in Relation zu einer Bemessungsgrundlage festgesetzt werden. Bei Beteiligung eines Arztes oder Zahnarztes an einer Gruppenpraxis kann bei der Bemessungsgrundlage ein dem Geschäftsanteil an der Gruppenpraxis entsprechender Anteil am Umsatz (Umsatzanteil) oder ein entsprechender Anteil am Bilanzgewinn – unabhängig von dessen Ausschüttung – berücksichtigt werden. Näheres ist in der Beitragsordnung zu regeln. Für den Fall einer verspäteten Entrichtung der Beiträge durch Kammerangehörige kann die Beitragsordnung die Vorschreibung von angemessenen Mahnspesen vorsehen.
(3) Die Höhe der Beiträge zum Wohlfahrtsfonds darf 18 vH der jährlichen Einnahmen aus ärztlicher und/oder zahnärztlicher Tätigkeit einschließlich der Umsatzanteile an Gruppenpraxen nicht übersteigen.
(4) […]
(5) […]
(6) Bei der Festsetzung des Wohlfahrtsfondsbeitrages für Kammerangehörige, die den ärztlichen oder zahnärztlichen Beruf in einem Dienstverhältnis ausüben, dient als Bemessungsgrundlage jedenfalls der monatliche Bruttogrundgehalt. Zu diesem gehören nicht die Zulagen und Zuschläge im Sinne des § 68 EStG 1988 und die sonstigen Bezüge nach § 67 EStG 1988.
(7) Die Beiträge nach Abs. 6 sind vom Dienstgeber einzubehalten und spätestens bis zum 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonats an die zuständige Ärztekammer abzuführen. Über Verlangen der Ärztekammer sind vom Dienstgeber die zur Feststellung der Bemessungsgrundlage des Wohlfahrtsfondsbeitrages erforderlichen Daten zu übermitteln. Eine Weitergabe dieser Daten durch die Ärztekammer an Dritte ist unzulässig.
(8) […]
[…]
Ermäßigung der FondsbeiträgeDie Satzung kann bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände auf Antrag des Kammerangehörigen oder des Pensionsleistungsempfängers (§ 109 Abs. 8) nach Billigkeit eine Ermäßigung oder in Härtefällen den Nachlass der Wohlfahrtsfonds- oder Pensionssicherungsbeiträge vorsehen.“
2.1.1.2. § 2 der im angefochtenen Bescheid herangezogenen Beitragsordnung regelt die „Ermittlung der Bemessungsgrundlage“; gemäß § 1 der Beitragsordnung beträgt der Pensionsbeitrag 12% dieser Bemessungsgrundlage.
Gemäß § 2 Abs. 1 wird die jährliche Bemessungsgrundlage derart ermittelt, dass die Einnahmen aus ärztlicher Tätigkeit des drittvorangegangenen Jahres zunächst um enien berufsspezifischen Pauschalbetrag und hierauf um einen allgemeinen Pauschalbetrag reduziert werden.§ 2 Abs. 2 definiert sodann die „Einnahmen aus ärztlicher Tätigkeit“ näher.
2.1.1.3. Die Satzung des Wohlfahrtsfonds legt wiederum in ihrem § 11 die Beitragspflicht jedes ordentlichen Kammerangehörigen der Ärztekammer für Niederösterreich fest, wobei sich die folgenden Bestimmungen u.a. mit dem Anfang, dem Ende und der Beitragsfestsetzung befassen (§§ 12 bis 14), wobei – worauf die belangte Behörde zutreffend hinweist – gemäß § 14 Abs. 2 der Satzung bei der Festsetzung der Beiträge auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sowie die Art der Berufsausübung der beitragspflichtigen WFF-Mitglieder Bedacht zu nehmen ist.
Gemäß § 15 Abs. 2 der Satzung können die WFF-Beiträge (Wohlfahrtsfonds-Beiträge) auf Antrag des WFF-Mitglieds bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände nach Billigkeit ermäßigt oder in Härtefällen nachgelassen werden.
2.1.2. Zum bescheidmäßigen Abspruch über die Beitragshöhe:
2.1.2.1. Im Erkenntnis vom 25. Juni 1996, 95/11/0419, hat der der Verwaltungsgerichtshof zur Rechtslage nach dem Ärztegesetz 1984 mit Verweis auf eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes auszugsweise Folgendes festgehalten (Ausführungen in eckiger Klammer durch das Landesverwaltungsgericht):
„Der Umstand, daß die Vorschreibung der Kammerumlagen und -beiträge kein Bescheid sei, bedeutet noch keinesfalls, daß nicht ein Bescheidanspruch auf Grund eines ausdrücklich auf bescheidmäßigen Abspruch gerichteten Antrages besteht. So führt der Verfassungsgerichtshof [im] Erkenntnis [vom 01. Februar 1980, B 124/79, VfSlg. 8731/1980: VfSlg. 8731/1980] aus, daß die Unrichtigkeit einer erfolgten (formlosen) Vorschreibung jederzeit vor Fälligkeit geltend gemacht werden kann. Eine Bestreitung der Richtigkeit einer Vorschreibung habe zu deren Überprüfung zu führen. Unter der weiteren Voraussetzung, daß die Umlagen und Beiträge im Abzugsweg eingebracht werden, es also eines aktiven Zutuns des Verpflichteten in der Regel nicht bedarf und folglich auch eine Zwangsvollstreckung grundsätzlich nicht in Betracht kommt, hat der Verpflichtete einen Anspruch darauf, daß über seine Behauptung, eine an ihn ergangene Vorschreibung belaste ihn zu Unrecht, mit einem einem Rechtsmittel zugänglichen Bescheid abgesprochen wird.“
Diese Rechtsansicht wurde in den Erkenntnissen vom 20. Jänner 1998, 97/11/0187, sowie vom 25. August 1998, 98/11/0094, wiederholt.
Im Erkenntnis vom 24. Oktober 2000, 2000/11/0173, hat der Verwaltungsgerichtshof auszugsweise Folgendes festgehalten:
„Der Verwaltungsgerichtshof hat in zahlreichen […] Entscheidungen zum Ausdruck gebracht, dass gegen eine Regelung wie die vorliegende, dass nämlich die Umlagenverbindlichkeit zunächst vom Kammeramt vorgeschrieben wird - und zwar formlos, weil dieser Dienststelle der Ärztekammer keine Behördenqualität zukommt - und dann auf Begehren des betreffenden Kammermitgliedes über die Höhe der Umlagenschuld bescheidmäßig abgesprochen wird, keine Bedenken bestehen. Dabei spielt es keine Rolle, ob der darauf abzielende Antrag als Berichtigungsantrag bezeichnet oder mit einer sonstigen Bezeichnung versehen ist. Dem vom Verwaltungsgerichtshof in seinem grundlegenden Erkenntnis vom 25. Juni 1996, Zl. 95/11/0419, aufgestellten Erfordernis, dass die Höhe der Zahlungsverpflichtung des Kammermitgliedes einmal Gegenstand eines Bescheides sein muss, gegen den ein Rechtsmittel ergriffen werden kann und letztlich die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts angerufen werden können, ist Genüge getan (vgl. dazu insbesondere das Erkenntnis vom 20. Jänner 1998, Z. 97/11/0187).
Der Beschwerdeführer macht Verjährung geltend. Das Recht der Kammer, Umlagen vorzuschreiben, verjähre nach der Beitrags- und Umlagenordnung innerhalb einer Frist von fünf Jahren. Dieses Beschwerdeargument ist schon deswegen verfehlt, weil die Vorschreibung der Umlagen für die in Rede stehenden Jahre durch das Kammeramt schon längst erfolgt ist und mit dem angefochtenen Bescheid nur auf Verlangen des Beschwerdeführers eine Überprüfung der seinerzeit formlos erfolgten Vorschreibungen vorgenommen wurde.
Zur Rechtslage nach dem Ärztegesetz 1998 hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26. November 2002, 2001/11/0057, auszugsweise wie folgt festgehalten:
„Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, dass im Falle der formlosen Vorschreibung einer Umlagenverbindlichkeit durch das Kammeramt als Dienststelle der Ärztekammer ohne Behördenqualität auf Begehren des betreffenden Kammermitgliedes über die Höhe der Umlagenschuld bescheidmäßig abzusprechen ist. Die Höhe der Zahlungsverpflichtung des Kammermitgliedes muss einmal Gegenstand eines Bescheides sein, gegen den ein Rechtsmittel ergriffen werden kann und letztlich die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts angerufen werden können (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 2000, Zl. 2000/11/0173 m. w. N.).“
2.1.2.2. Diese Überlegungen zum Recht auf bescheidmäßige Vorschreibung der Umlagenverbindlichkeit sind auf die Beiträge zum Wohlfahrtsfonds übertragbar, sodass – über ein dahingehendes Begehren des Kammermitglieds – ebenfalls bescheidmäßig über die Höhe der Beiträge zum Wohlfahrtsfonds abzusprechen ist.
2.1.3. Deutung des Antrags vom 29. März 2019:
2.1.3.1. Bei der Ermittlung von Rechtsqualität und Inhalt eines Anbringens kommt es nicht auf die Bezeichnung durch den Einschreiter, sondern auf den Inhalt der Eingabe, also auf das daraus erkenn- und erschließbare Ziel des Einschreiters an. Entscheidend ist, wie das Erklärte, also der Wortlaut des Anbringens unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszwecks und der Aktenlage objektiv verstanden werden muss. Im Zweifel darf nicht davon ausgegangen werden, dass eine Partei einen von vornherein sinnlosen oder unzulässigen Antrag gestellt hat (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 13 Rz 38 [Stand 1.1.2014, rdb.at], mit zahlreichen Hinweisen auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs).
2.1.3.2. Nach dem Vorgesagten kann der Antrag vom 29. März 2019 nicht als Antrag auf „Ermäßigung der Wohlfahrtsfondsbeiträge ab Juni 2018“ gedeutet werden. Vielmehr muss vor der aus diesem Antrag klar hervorleuchtenden Absicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer einen bescheidmäßigen Abspruch über die Höhe der von ihm zu entrichtenden Wohlfahrtsfondsbeiträge gestellt hat:
Dies schon vor dem Hintergrund des Wortlauts des Antrags, der weiteren Äußerungen sowie der übermittelten Stellenbeschreibung, womit der Beschwerdeführer – eindeutig erkennbar – die Auffassung vertritt, dass nicht sein gesamtes Gehalt aus „Einnahmen aus ärztlicher Tätigkeit“ darstellt und insofern nicht das gesamte Gehalt als Berechnungsgrundlage der Beiträge hergezogen werden dürfe.
Die Deutung als „Antrag auf Ermäßigung der Beiträge“ wegen berücksichtigungswürdiger Umstände verbietet sich abgesehen davon auch deshalb, da berücksichtigungswürdige Umstände, wie sie § 15 Abs. 2 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich erwähnt (und die eine Ermäßigung der Beiträge iSd Bestimmung ermöglichen), nur dann vorliegen, wenn ein Fondsmitglied durch krankheitsbedingt erheblich zurückgegangene Einnahmen aus seiner ärztlichen Tätigkeit (bei Fehlen von Vermögensreserven, die zur Entrichtung der Beiträge herangezogen werden können) die Kosten der Lebensführung für sich und seine ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Familienangehörigen nicht mehr bestreiten kann und sich im Verhältnis von Einkommen und Kosten der Lebensführung eine Deckungslücke von mehreren Tausend Euro ergibt (zB VwGH vom 15. Februar 2021, Ra 2018/11/0208).
Eine Bezugnahme auf derartige „außergewöhnliche Umstände außerhalb der Einflusssphäre des Fondsmitglieds“ (vgl. VwGH vom 26. Jänner 2017, Ro 2014/11/0052) ist weder dem Antrag noch den sonstigen Äußerungen des Beschwerdeführers und auch der Beschwerde nicht im Ansatz zu entnehmen; ein derartiger Antrag wäre daher von vorneherein aussichtslos. Wie oben dargestellt, darf aber nicht einmal im (hier ohnehin nicht gegebenen) Zweifelsfall davon ausgegangen werden, dass eine Partei einen von vornherein sinnlosen oder unzulässigen Antrag gestellt hat.
2.1.3.3. In einem antragsbedürftigen Verfahren bestimmt der Antragsteller den Gegenstand bzw. die „Sache“ des Genehmigungsverfahrens bestimmt (zB VwGH 29. Oktober 2015, 2015/07/0019, oder auch VwGH 12. September 2016, Ro 2016/04/0014).
Der Beschwerdeführer hat mit seinem Antrag vom 29. März 2019 erkennbar einen bescheidmäßigen Abspruch über die Höhe seiner Wohlfahrtsfondsbeiträge verlangt, dies mit dem Argument, dass nicht alle seine Einnahme solche aus ärztlicher Tätigkeit darstellen.
Indem die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers als einen solchen auf „Ermäßigung der Beiträge“ deutete und diesen abwies, entscheid sie über einen nicht gestellten Antrag.
2.1.3.4. Das Verwaltungsgericht hat (u.a.) dann mit ersatzloser Behebung vorzugehen, wenn in einem antragsbedürftigen Verfahren im Bescheid fälschlicherweise über etwas anderes abgesprochen wurde als beantragt worden war. Ein solches Erkenntnis des Verwaltungsgericht erledigt dabei nur diese fälschlich entschiedene Sache. Damit ist der eigentlich gestellte Antrag wieder offen, sodass die Verwaltungsbehörde in der Folge erstmals über diese „richtige“ (beantragte) Sache abzusprechen hat (Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG §28 VwGVG Rz 76 [Stand 15.2.2017, rdb.at]).
2.1.4. Ergebnis:
Der angefochtene Bescheid ist daher – gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG unter Entfall einer Verhandlung – bereits aufgrund der Aktenlage aufzuheben.
2.2. Zur Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist nicht zulässig, da sich die Entscheidung auf die zitierte und einheitliche Rechtsprechung bzw. die klare und eindeutige Rechtslage stützt (zur Unzulässigkeit der Revision bei klarer Rechtslage zB VwGH vom 15. Mai 2019, Ro 2019/01/0006). Die in vertretbarer Weise vorgenommene fallbezogene Auslegung von Parteierklärungen (hier: des Antrags des Beschwerdeführers vom 29. März 2019) kommt ebenfalls keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (zB VwGH vom 28. April 2021, Ra 2019/04/0138).
Schlagworte
Freie Berufe; Ärzte; Wohlfahrtsfondsbeiträge; Antrag; Inhalt; Bescheid;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.AV.1363.001.2019Zuletzt aktualisiert am
22.11.2021