TE Lvwg Erkenntnis 2021/9/15 LVwG-S-1766/001-2021

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Veröffentlicht am 15.09.2021
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Entscheidungsdatum

15.09.2021

Norm

KFG 1967 §45
KFG 1967 §134 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Binder als Einzelrichterin über die Beschwerde des A, **, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Tulln vom 17. Juni 2021, Zl. ***, betreffend Bestrafung nach § 45 Abs. 4 zweiter Satz Kraftfahrgesetz 1967 (KFG 1967), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) Folge gegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) eingestellt.

2.   Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

1.   Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Tulln vom 17. Juni 2021, Zl. ***, wurde dem Beschwerdeführer Folgendes zur Last gelegt:

„Sie haben folgende Verwaltungsübertretung begangen:

Zeit:            03.04.2021, 14:45 Uhr

Ort:             Gemeindegebiet ***, Fahrt von *** Richtung *** auf der ***, Anhaltung Abbiegung zur ***

Fahrzeug: ***, Personenkraftwagen

Tatbeschreibung:

Sie haben das KFZ, Type BMW 325i, welches mit dem angeführten Probefahrtkennzeichen versehen war, verwendet, obwohl es sich um keine Probefahrt gehandelt hat, da die Fahrt nach *** zum Besuch eines Freundes durchgeführt wurde.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§ 45 Abs.4 2. Satz, § 134 Abs.1 KFG 1967

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von falls diese uneinbringlich          Gemäß

ist, Ersatzfreiheitsstrafe

von

€ 110,00          22 Stunden                            § 134 Abs.1 KFG 1967

Weiters wurde der Beschuldigte zum Tragen der Kosten des verwaltungsbehördlichen Verfahrens verpflichtet.

In ihrer Begründung verwies die Strafbehörde darauf, dass die Übertretung „auf Grund der Feststellungen der Polizeiinspektion *** als erwiesen angesehen“ werden müsse und wäre die Strafe zu verhängen gewesen.

Nach Wiedergabe des § 45 Abs. 1 KFG 1967 (KFG 1967) führte die belangte Behörde (ohne weitere Begründung) den Rechtssatz des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Oktober 1983 zur GZ 83/02/0053 in ihrem Erkenntnis wie folgt an:

„Dient eine Fahrt mit einem Kraftfahrzeug auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr zwar zunächst einem der in § 45 Abs 1 zweiter Satz KFG angeführten Zwecke, erfährt in der Folge aber der funktionelle Zusammenhang des Verhaltens des Lenkers mit einem dieser Zwecke eine Unterbrechung, die nicht durch eine innerhalb angemessener Zeit vorgenommene Befriedigung von sich täglich einstellenden Lebensbedürfnissen bedingt ist, und wird das betreffende Kraftfahrzeug gleichwohl noch auf der Straße mit öffentlichem Verkehr verwendet, so liegt insoweit, weil durch die in § 45 Abs 1 zweiter Satz KFG vorgesehenen Begriffsmerkmale nicht mehr gedeckt, keine Probefahrt mehr vor.“

Bei ihrer Strafbemessung berücksichtigte die belangte Behörde weder Erschwerungsgründe noch Milderungsgründe.

2.   Zum Beschwerdevorbringen:

In seiner rechtzeitigen Beschwerde bekämpfte der Beschuldigte das Straferkenntnis vollinhaltlich und begründete sein Rechtsmittel wie folgt:

„der Hauptgrund meiner Fahrt war eine Probefahrt zwecks Kaufinteressente. Dies steht auch auf der Bescheinigung die der Polizeiinspektor mit seinem Privathandy fotografiert hat. Ich habe auch gesagt, dass die Bremsanlage komplett erneuert wurde und dass ich deshalb auch schaue ob alles in Ordnung ist. Meine Absicht war nicht mein Freund zu besuchen. Ich habe lediglich eine kurze Pause eingelegt, was gesetzlich auch erlaubt ist.

Siehe § 45 Abs. 4 :

4. das Überlassen des Fahrzeuges mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von nicht mehr als 3 500 kg an einen Kaufinteressenten für die Dauer von bis zu maximal 72 Stunden, wobei auch Fahrtunterbrechungen zulässig sind.“

3.   Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:

Am 10. September 2021 führte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, zu der die Gerichtsparteien ordnungsgemäß geladen wurden. Es wurde Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Tulln zur Zl. *** sowie in den Akt des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich mit der
Zl. LVwG-S-1766-2021. Weiters erfolgte die Einvernahme des Beschwerdeführers.

4.   Feststellungen:

Der Beschwerdeführer verfügt über eine gewerberechtliche Genehmigung zur Vermittlung von Fahrzeugen und für einen Autohandel. Weiters besitzt er eine kraftfahrrechtliche Probefahrtbewilligung und wurde ihm das Probekennzeichen W 36BRB zugeteilt.

Er beabsichtigte, den PKW des B, Type BMW 325i, Baujahr 1992, der über keine Zulassung verfügte, käuflich zum Eigengebrauch zu erwerben.

Am 03. April 2021 startete er als Kaufinteressent dieses Fahrzeuges eine Probefahrt unter Verwendung des festgestellten Probekennzeichens in ***. Geplant war über *** zum Ausgangspunkt der Probefahrt zurückzukehren. Den Rückweg wählte er über *** und ***.

Ziel der Probefahrt war es, sich einen besseren Eindruck über dieses Fahrzeug zu schaffen, um eine Kaufentscheidung treffen zu können. Nach dem das Fahrzeug älteren Baujahres war, insbesondere Reparaturarbeiten zuvor an diesem verrichtet wurden, war für den Beschwerdeführer für eine Kaufentscheidung eine entsprechend lange Probefahrt notwendig. Insbesondere wollte er testen, ob keine Motorgeräusche mehr hörbar waren und ob die Bremsanlage ordnungsgemäß funktioniert.

Im Zuge dieser Fahrt machte er einen 5 bis 10-minütigen Halt in ***, ca. eine Autominute entfernt vom späteren Tatort gelegen, um kurz mit einem Freund zu plaudern. Während des Gespräches verließ er das Fahrzeug nicht.

Im Gemeindegebiet ***, auf der ***, auf Höhe der Abbiegung zur ***, wurde er um 14:45 Uhr, von Organen der öffentlichen Straßenaufsicht angehalten. Im Zuge dieser Amtshandlung konnte er die notwendige Bescheinigung gemäß § 45 Abs. 6 KFG 1967 vorweisen.

5.   Beweiswürdigung:

Zu diesen Feststellungen gelangt das Verwaltungsgericht auf Grund der glaubwürdigen und nachvollziehbaren Aussagen des Beschwerdeführers im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht. Seine Angaben entsprechen im Übrigen den Aussagen der einschreitenden Beamten in ihrer Anzeige.

Fraglich im gegenständlichen Fall ist vielmehr die Rechtsfrage, ob bei einer Probefahrt, welche auf Grund eines Kaufinteresses iSd § 45 Abs. 1 Z 4 KFG 1967 durchgeführt wird, eine Unterbrechung stattfinden darf bzw. in welchem Umfang solche Probefahrten durchgeführt werden können.

6.   Rechtslage:

Folgende Bestimmungen sind im gegenständlichen Verfahren von Relevanz:

§ 134 Abs. 1 Kraftfahrgesetz 1967 (KFG 1967) lautet wie folgt:

Wer diesem Bundesgesetz, den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen, den Artikeln 5 bis 9 und 10 Abs. 4 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006, der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 oder den Artikeln 5 bis 8 und 10 des Europäischen Übereinkommens über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR), BGBl. Nr. 518/1975 in der Fassung BGBl. Nr. 203/1993, zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 5 000 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Bei der Einbringung von Fahrzeugen in das Bundesgebiet sind solche Zuwiderhandlungen auch strafbar, wenn sie auf dem Wege von einer österreichischen Grenzabfertigungsstelle, die auf ausländischem Gebiet liegt, zur Staatsgrenze begangen werden. Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits einmal bestraft, so kann an Stelle der Geldstrafe eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen verhängt werden. Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits zweimal bestraft, so können die Geldstrafe und die Freiheitsstrafe auch nebeneinander verhängt werden. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe ist in diesen Fällen aber nur zulässig, wenn es ihrer bedarf, um den Täter von weiteren Verwaltungsübertretungen der gleichen Art abzuhalten. Auch der Versuch einer solchen Zuwiderhandlung ist strafbar.

§ 45 Kraftfahrgesetz 1967 (KFG 1967) normiert auszugsweise:

(1) Probefahrten mit nicht zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeugen oder Anhängern oder Fahrgestellen solcher Fahrzeuge dürfen auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur mit Bewilligung der Behörde durchgeführt werden, in deren örtlichem Wirkungsbereich der Ort liegt, von dem aus der Antragsteller hauptsächlich über die Verwendung der Probefahrtkennzeichen verfügt. Probefahrten sind Fahrten zur Feststellung der Gebrauchsfähigkeit oder der Leistungsfähigkeit von Fahrzeugen oder ihrer Teile oder Ausrüstungsgegenstände oder Fahrten, um Fahrzeuge vorzuführen. Als Probefahrten gelten auch

        […]

4.

das Überlassen des Fahrzeuges mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von nicht mehr als 3 500 kg an einen Kaufinteressenten für die Dauer von bis zu maximal 72 Stunden, wobei auch Fahrtunterbrechungen zulässig sind.

(1a) Wird ein Fahrzeug mit Probekennzeichen im Zuge einer Probefahrtunterbrechung (Abs. 1 Z 4) auf Straßen mit öffentlichem Verkehr abgestellt, so muss der Lenker oder der Besitzer der Bewilligung zur Durchführung von Probefahrten die Bescheinigung gemäß § 102 Abs. 5 lit. c so im Fahrzeug hinterlegen, dass diese bei mehrspurigen Kraftfahrzeugen hinter der Windschutzscheibe und durch diese gut erkennbar ist. Bei anderen Fahrzeugen ist diese Bescheinigung an einer sonst geeigneten Stelle gut wahrnehmbar anzubringen.

[…]

(4) Bei der Erteilung der im Abs. 1 angeführten Bewilligung ist auch auszusprechen, welche Kennzeichen bei den Probefahrten zu führen sind. Diese Kennzeichen sind Probefahrtkennzeichen (§ 48 Abs. 3) und dürfen nur bei Probefahrten geführt werden. Über die Erteilung der im Abs. 1 angeführten Bewilligung ist dem Antragsteller eine Bescheinigung, der Probefahrtschein, auszustellen.

Ausgedehnte Fahrten mit einem zur Reparatur übernommenen Fahrzeug, die im Hinblick auf den mit den Reparaturarbeiten verbundenen Zweck nicht notwendig sind, sind rechtswidrig und können auch nicht als bloß unwesentliche Überschreitung jener Gebrauchsbegrenzung gewertet werden, die durch (konkludente) Einwilligung des Berechtigten zur Vornahme bei üblichen Probefahrten gegeben ist (OGH 8.6.1982, 9 Os 49/82). Im gegenständlichen Fall wurde die Fahrt jedoch nicht mit einem zur Reparatur übernommenen Fahrzeug vorgenommen.

Dient eine Fahrt zwar zunächst einem der im Abs. 1 angeführten Zwecke, erfährt in der Folge der funktionelle Zusammenhang des Verhaltens des Lenkers mit einem dieser Zwecke eine Unterbrechung, die nicht durch eine innerhalb angemessener Zeit vorgenommene Befriedigung von sich täglich einstellenden Lebensbedürfnissen bedingt ist, und wird das betreffende Fahrzeug gleichwohl noch auf der Straße mit öffentlichen Verkehr verwendet, so liegt insofern keine Probefahrt mehr vor. Seit der 21. Novelle sind gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 KFG 1967 und Abs. 1a Fahrtunter-brechungen bei Überlassen eines Kraftfahrzeuges von nicht mehr als 3.500 kg Höchstgewicht an einen Kaufinteressenten jedenfalls zulässig (siehe Grundtner/Pürstl, KFG 19679, § 45 E 3).

Bezogen auf den klar normierten Umfang der Erlaubnis in § 45 Abs. 1 Z 4 KFG 1967, insbesondere, dass die Überlassung eines Fahrzeuges an einen Kaufinteressenten für die Dauer von bis zu max. 72 Stunden zulässig ist, wobei auch Fahrtunterbrechungen durchgeführt werden dürfen, ergibt sich für das erkennende Gericht eindeutig, dass im gegenständlichen Fall die verfahrensrelevante Probefahrt noch im gesetzlich gedeckten Umfang stattgefunden hat.

Im Ergebnis war sohin das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren im Hinblick darauf, dass die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Tat von diesem nicht zu verantworten ist, gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG einzustellen. Da der Beschwerde Folge gegeben wurde, ist nach § 52 Abs. 8 VwGVG kein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens vorzuschreiben.

7.   Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil die Entscheidung einerseits nicht von der oben zitierten und einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, sich andererseits auf den eindeutigen und klaren Gesetzeswortlaut stützen kann (vgl. aus der stRsp zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision in derartigen Fällen z.B. VwGH 29.07.2015, Ra 2015/07/0095) und überdies lediglich eine einzelfallbezogene Beurteilung vorzunehmen war, zu deren Überprüfung der Verwaltungsgerichtshof im Allgemeinen nicht berufen ist (vgl. z.B. VwGH 17.10.2016, Ro 2015/03/0035).

Schlagworte

Verkehrsrecht; Kraftfahrrecht; Verwaltungsstrafe; Probefahrt; Probefahrtkennzeichen;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.S.1766.001.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.11.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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