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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §80 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Steiner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des F in L, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom 24. Juni 1994, Zl. 32-GA6-DMe/93, betreffend Haftung für Abgabenschuldigkeiten, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Haftungsbescheid des Finanzamtes vom 22. Juli 1992 wurde der Beschwerdeführer gemäß den §§ 9 und 80 BAO als ehemaliger Vorstand der T-AG für deren rückständige Abgabenschuldigkeiten im Gesamtbetrag von S 15,189.539,48 herangezogen.
Im Berufungsverfahren führte der Beschwerdeführer unter anderem aus, die Geldmittel der AG seien derartig begrenzt gewesen, daß eine vollständige Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger nicht möglich gewesen sei.
Verbindlichkeiten gegenüber den Dienstnehmern der AG, Lieferanten, Banken, Rechtsberatern, Energieversorgern und dem Vermieter seien aus den vorhandenen Mitteln stets nur anteilig befriedigt worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung insoweit Folge, als der Beschwerdeführer wegen seines mit Schreiben vom 30. Juni 1989 dem Landes- als Handelsgericht S erklärten Rücktrittes als Vorstand der AG für nach diesem Zeitpunkt fällig gewordene Abgabenschuldigkeit der Gesellschaft aus der Haftung entlassen wurde. Hingegen wurde die Haftungsinanspruchnahme des Beschwerdeführers für Umsatzsteuerschuldigkeiten der Monate Oktober bis Dezember 1987, Jänner bis Oktober 1988, Dezember 1988 sowie Jänner und Februar 1989 im Gesamtbetrag von S 3,121.771,-- bestätigt; dies im wesentlichen mit der Begründung, bei der Umsatzsteuer handle es sich um Beträge, die vom Unternehmen (mit den Preisen) vereinnahmt worden seien. Habe der Beschwerdeführer in seiner damaligen Funktion diese Beträge aus welchen Gründen auch immer nicht abgeführt, sondern zu anderen Zwecken verwendet, so sei darin ein abgabenrechtlich relevantes Verschulden zu erblicken.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Nach § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Im vorliegenden Fall stützt sich die Haftungsinanspruchnahme des Beschwerdeführers auf eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, von welcher dieser mit Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 18. Oktober 1995, Zlen. 91/13/0037, 0038, abgegangen ist. Nach diesem Erkenntnis - auf dessen Gründe verwiesen wird (vgl. § 43 Abs. 2 VwGG) - ist das Verschulden des Geschäftsführers im Zusammenhang mit der Haftung für Umsatzsteuer wie bei anderen Abgaben (mit Ausnahme von Lohnsteuer und Kapitalertragssteuer) zu beurteilen. Auf die Umsatzsteuer findet daher der allgemeine Grundsatz Anwendung, daß der Vertreter die Abgabenforderungen bei der Verfügung über die vorhandenen Mittel nicht benachteiligen darf (vgl. hiezu beispielsweise die hg. Erkenntnisse vom 21. März 1995, Zl. 95/14/0034, und vom 3. November 1994, Zl. 93/15/0010).
Als Folge ihrer unrichtigen Rechtsansicht hat die belangte Behörde nicht geklärt, ob der Beschwerdefüher in seiner Funktion als ehemaliger Vorstand der AG während seiner Vertretertätigkeit fällige Abgabenforderungen der Gesellschaft gegenüber anderen Verbindlichkeiten dieser Gesellschaft benachteiligt hat.
Soweit die belangte Behörde die qualifizierte Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers im Abgabenverfahren, derzufolge nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung, sondern der zur Haftung herangezogene Vertreter das Fehlen ausreichender Mittel nachzuweisen hat, ins Treffen führt, übersieht sie, daß die den Vertreter treffende Behauptungs- bzw. Nachweispflicht nicht als so weitgehend aufgefaßt werden kann, daß die Abgabenbehörde jedweder Ermittlungspflicht entbunden wäre. Die qualifizierte Mitwirkungspflicht des Vertreters im Abgabenverfahren betreffend das Fehlen der erforderlichen Mittel zur Abgabenentrichtung bzw. zu einer Nichtbenachteiligung der Abgabenforderungen entbindet die belangte Behörde nämlich dann nicht von ihrer Ermittlungs- und Feststellungspflicht, wenn sich aus dem Akteninhalt deutliche Anhaltspunkte für das Fehlen dieser Mittel ergeben (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 21. Mai 1992, Zl. 91/17/0044, und die dort zitierte Vorjudikatur). Solche Anhaltspunkte hat der Beschwerdeführer im Berufungsverfahren mit seinen oben erwähnten Ausführungen aber gegeben.
Auf Grund des Gesagten mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden. Diese Entscheidung konnte gemäß § 12 Abs.1 Z. 2 VwGG im Dreiersenat getroffen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich - im Rahmen des gestellten Antrages - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers
BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebührenersatz war nur für die zur Beschwerdeführung notwendigen Urkunden zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1994150127.X00Im RIS seit
20.11.2000