TE Bvwg Beschluss 2021/5/19 W123 2187347-3

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Veröffentlicht am 19.05.2021
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Entscheidungsdatum

19.05.2021

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §32

Spruch


W123 2187347-3/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Dr. Michael ETLINGER über den Antrag des XXXX , geb XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RA Dr. Helmut BLUM auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.01.2021, W123 2187347-2/2E, abgeschlossenen Verfahrens:

A)

Der Antrag auf Wiederaufnahme wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Antragsteller, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste unter Umgehung der Einreisebestimmungen schlepperunterstützt in das Bundesgebiet ein und stellte am 10.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen der am 11.09.2015 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchgeführten Erstbefragung gab der Antragsteller zu seinem Fluchtgrund an, dass er vor ungefähr vier Jahren bereits in Schweden um Asyl angesucht habe, jedoch abgeschoben worden sei. Nach seiner Rückkehr aus Schweden habe er sich beim Militär gemeldet und sei dort als Berufssoldat eingestellt gewesen. Dann hätte sich die Präsenz der Taliban in seiner Gegend verstärkt. Die Taliban hätten von ihm verlangt, aus dem Militär auszutreten, sie hätten ihn unter Druck gesetzt und bedroht. Der Kommandant habe wiederum von ihm verlangt, dass er unbedingt beim Militär bleibe, weil die Taliban sich vermehrt hätten. Der Beschwerdeführer sei zwischen zwei Fronten gestanden und habe nicht gewusst, was er tun solle. Daher habe er Afghanistan verlassen.

3. Am 24.10.2017 fand die Einvernahme des Antragstellers durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) statt. Zu seinem Fluchtgrund brachte er insbesondere vor, dass er von einem Kommandanten beschuldigt worden sei, ein Spion zu sein.

4. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 24.01.2018 wurde der Antrag des Antragstellers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Antragsteller nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gegen den Antragsteller wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

5. Mit Schreiben vom 22.02.2018 erhob der Antragsteller fristgerecht vollumfängliche Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens aufgrund fehlerhafter bzw. unzureichender Ermittlungen und mangelhafter Beweiswürdigung.

6. Am 30.08.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt.

7. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.09.2019, W187 2187347-1/16E, wurde die Beschwerde des Antragstellers gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 24.01.2018 als unbegründet abgewiesen.

Zum Antrag auf Asyl hielt das Bundesverwaltungsgericht in der rechtlichen Begründung zusammenfassend fest, dass der Antragsteller eine Verfolgung durch die Familie seiner ersten Ehefrau, durch die Taliban bzw. durch den Militärkommandanten nicht glaubhaft machen habe können. Zum Antrag auf subsidiären Schutz wies das Bundesverwaltungsgericht darauf hin, dass dem Antragsteller – unter Berücksichtigung der Länderberichte, seiner persönlichen Lebensumstände und der von UNHCR aufgestellten Kriterien für das Bestehen einer internen Schutzalternative für Afghanistan – eine innerstaatliche Fluchtalternative in Mazar-e Sharif zumutbar sei.

8. Gegen dieses Erkenntnis erhob der Antragsteller Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof.

9. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 28.11.2019, E 4132/2019-5, wurde die Behandlung der Beschwerde abgelehnt. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 19.02.2020, Ra 2020/14/0066-4, wurde die Revision zurückgewiesen.

10. Am 22.10.2020 stellte der Antragsteller seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Im Rahmen der am selben Tag durch die Landespolizeidirektion Oberösterreich durchgeführten Erstbefragung brachte der Antragsteller, auf die Frage warum er einen neuerlichen Asylantrag stellt, vor, dass er seine Religion geändert habe. Vorher habe der Antragsteller dem Islam angehört und seit September 2019 gehöre er dem Christentum an.

11. Am 06.11.2020 fand vor der belangten Behörde die Einvernahme des Antragstellers statt.

12. Am 18.11.2020 wurden von der belangten Behörde sämtliche seitens des Rechtsvertreters des Antragstellers beantragte Zeugen (insgesamt 9) einvernommen.

13. Am 30.11.2020 fand vor der belangten Behörde die zweite Einvernahme des Antragstellers statt.

14. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 04.12.2020, Zl. 1086592608/201038980, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten sowie der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I. und II.).

15. Mit Schriftsatz vom 21.12.2020 erhob der Antragsteller Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 04.12.2020 und brachte zusammenfassend vor, dass sein Asylfolgeantrag auf einen geänderten bzw. gänzlich neuen Sachverhalt beruhe. Auch habe der Antragsteller die ihm gestellten Fragen – mit wenigen Ausnahmen – richtig beantwortet. Es könne vom Antragsteller zudem nicht erwartet werden, über die „Wiederherstellung der Urkirchen“ Angaben zu machen. Ferner hätten 9 Zeugen angegeben, dass der Antragsteller regelmäßig den Gottesdienst besuche, sich öffentlich zum Christentum bekenne und auch an den kirchlichen Aktivitäten teilnehme. Der Antragsteller habe unter Beweis gestellt, dass er mit dem Islam „gebrochen“ habe und nunmehr als Christ lebe.

16. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.01.2021, W123 2187347-2/2E, wurde die Beschwerde des Antragstellers gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 04.12.2020 als unbegründet abgewiesen. Die Beweiswürdigung lautet auszugsweise:

„2.7. Für das Bundesverwaltungsgericht ist somit der Versuch des Beschwerdeführers, sich kurz vor der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes (vgl. AS 116, arg. „LA: Können Sie ungefähr angeben, wieviel Zeit zwischen ihren Kirchenbesuchen in XXXX und der Entscheidung des BVwG liegt. VP: Am 08.10.2020 hat mich mein Anwalt angerufen und gesagt, dass ich einen negativen Bescheid erhalten werde. LA: Das heißt ungefähr ein Monat. VP: Ja.“) bzw. sich mehr als eineinhalb Jahre nach dem negativen Bescheid der belangten Behörde (24.01.2018) einer Glaubensgemeinschaft anzunähern (offenkundig) einzig aus dem Grunde erfolgt, um sich – nach erfolglosen Versuchen, die rechtskräftige Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.09.2019 außer Kraft zu setzen (vgl. die gegenständlichen Beschlüsse der beiden Höchstgerichte im Verfahren zu W187 2187347-1) – einer drohenden Abschiebung nach Afghanistan zu entziehen. Diese Annahme findet nicht zuletzt auch im Umstand Bestätigung, dass der Beschwerdeführer selbst vorbrachte, dass sein in Österreich lebender Onkel bereits seit 8-9 Jahren die Mormonenkirche in XXXX besuche (vgl. AS 115). Warum sich dann aber der Beschwerdeführer, der sich seit Anfang September 2015 durchgehend in Österreich befindet, 4 Jahre lang Zeit lässt, um sich plötzlich im Klaren zu sein, dass er Interesse an Religionen entwickelt (vgl. AS 115, arg. „LA: Woher kam Ihr Interesse für Religionen im Allgemeinen? VP: Ich habe mich auf einmal verliebt.“), erschließt sich für das Bundesverwaltungsgericht nicht.

2.8. Aufgrund der im angefochtenen Bescheid dargelegten Gründen und der ergänzenden Ausführungen ist daher zusammenfassend festzuhalten, dass der Beschwerdeführer sein Vorbringen, aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert zu sein, nicht glaubhaft machen konnte und somit kein geänderter Sachverhalt vorliegt.“

17. Mit Schriftsatz vom 05.05.2021 stellte der Antragsteller den gegenständlichen Antrag auf Wiederaufnahme. Zur Begründung wurde zusammenfassend vorgebracht, dass der Antragsteller „mittlerweile“ in der Gemeinde XXXX im XXXX der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage getauft und konfirmiert worden sei. Bereits im nunmehr beendeten Verfahren betreffend den Folgeasylantrag habe der Antragsteller angegeben, dass er sich für den christlichen Glauben interessiere, regelmäßig an Gottesdiensten teilnehme und der neue Glaube Bestandteil seiner Identität geworden sei. Die Taufe „als Tatsache“, die sich auf die bereits vorliegenden Tatsachen im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes beziehe, sei erst später eingetreten. In diesem Sinne handle es sich um einen zulässigen Wiederaufnahmegrund. Außerdem werde die Bestätigung des Präsidenten des österreichischen Kirchenvorstandes ebenfalls als Wiederaufnahmegrund geltend gemacht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Der oben unter I. wiedergegebene Sachverhalt wird festgestellt.

1.2. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.01.2021, W123 2187347-2/2E, war der Antragsteller nicht getauft.

1.3. Mit Schreiben des Präsidenten des österreichischen Kirchenvorstandes vom 27.04.2021 wurde bestätigt, dass es sich bei dem Antragsteller ein getauftes und tätiges Mitglied der der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage handle.

2. Beweiswürdigung

Der für diese Entscheidung maßgebliche Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus der Aktenlage.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu A)

3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 59 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG, und des DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist. Mit Fuchs (in Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 § 32 VwGVG Anm. 13, Stand 1.10.2018, rdb.at) ist der Systematik des VwGVG folgend anzunehmen, dass sämtliche Entscheidungen über Wiederaufnahmeanträge - als selbstständige Entscheidungen - in Beschlussform zu erfolgen haben (ebenso Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahren der Verwaltungsgerichte2, 2017, § 32 VwGVG K 29).

3.2. § 32 VwGVG – Wiederaufnahme des Verfahrens lautet:

„(1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn

1. das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist oder

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder

3. das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder

4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.

(4) Das Verwaltungsgericht hat die Parteien des abgeschlossenen Verfahrens von der Wiederaufnahme des Verfahrens unverzüglich in Kenntnis zu setzen.

(5) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind die für seine Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Paragraphen sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.“

3.3. Wie die Materialien zum Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte 2014 (RV 2009 Blg NR 24. GP, 7) erkennen lassen, sind die Wiederaufnahmsgründe des § 32 Abs. 1 VwGVG 2014 denjenigen des § 69 Abs. 1 AVG nachgebildet. Auf das bisherige Verständnis dieser Wiederaufnahmsgründe kann folglich zurückgegriffen werden (VwGH 28.06.2016, Ra 2015/10/0136).

Der gegenständliche Antrag zielt darauf ab, das mit dem oben angeführten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts rechtskräftig abgeschlossene vorangegangene Verfahren des Antragsteller aufgrund neuer Tatsachen bzw. Beweismittel iSd § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG wieder aufzunehmen.

Es muss sich dabei um Tatsachen und Beweismittel handeln, die beim Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens schon vorhanden waren, deren Verwertung der Partei aber ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich wurde ("nova reperta"), nicht aber um erst nach Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens neu entstandene Tatsachen und Beweismittel ("nova producta" bzw. "nova causa superveniens").

Gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG rechtfertigen neu hervorgekommene Tatsachen und Beweismittel (also solche, die bereits zur Zeit des früheren Verfahrens bestanden haben, aber erst später bekannt wurden) - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - eine Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn sie die Richtigkeit des angenommenen Sachverhalts in einem wesentlichen Punkt als zweifelhaft erscheinen lassen; gleiches gilt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für neu entstandene Beweismittel, sofern sie sich auf "alte" - d.h. nicht ebenfalls erst nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens entstandene - Tatsachen beziehen. Hingegen ist bei Sachverhaltsänderungen, die nach der Entscheidung eingetreten sind, kein Antrag auf Wiederaufnahme, sondern ein neuer Antrag zu stellen, weil in diesem Fall einem auf der Basis des geänderten Sachverhaltes gestellten Antrag die Rechtskraft bereits erlassener Bescheide nicht entgegensteht (vgl. VwGH vom 25.02.2019, Ra 2018/19/0611-8, mwN).

3.4. Daraus folgt für den gegenständlichen Sachverhalt:

Der Antragsteller weist im Schriftsatz vom 05.05.2021 selbst darauf hin, dass es sich um „Tatsachen und Beweismittel handeln muss“, die beim Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens „schon vorhanden waren“ (vgl. Seite 2 des Schriftsatzes). Gerade die „Tatsache“ der Taufe des Antragstellers lag im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.01.2021, W123 2187347-2/2E
(= wiederaufzunehmendes Verfahren) unstrittig nicht vor. Bei der Taufe handelt es sich daher nicht um eine neu hervorgekommene Tatsache, die schon zum Zeitpunkt der Entscheidung über das erste Asylverfahren bestanden hat.

Abgesehen davon ist der Akt der Taufe nicht als abschließender Beweis der inneren religiösen Überzeugung zu werten. In diesem Zusammenhang führt der Verwaltungsgerichtshof aus: „Ob die Taufe durchgeführt oder bloß beabsichtigt ist, ist für die Frage der inneren Konversion bedeutungslos.“ (vgl. VwGH 23.1.2019, Ra 2018/19/0453). Darüber hinaus hält der Verwaltungsgerichthof in ständiger Rechtsprechung fest, dass es bei der Beurteilung der Ernsthaftigkeit des inneren Entschlusses sich dem Christentum zuzuwenden, nicht darauf ankommt, ob eine Taufe schon vorgenommen wurde, sondern allein darauf, ob die religiöse Einstellung des Antragstellers auf internationalen Schutz mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu einer asylrelevanten Verfolgung führen wird (vgl. etwa VwGH vom 21.12.2006, Ra 2005/20/0624 mwN). Diese Frage hat das Bundesverwaltungsgericht allerdings mit Erkenntnis vom 05.01.2021 verneint, da der Antragsteller seine behauptete innere Zuwendung zum Christentum nicht glaubhaft machen konnte (vgl. die Beweiswürdigung im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.01.2021, W123 2187347-2/2E; vgl. dazu auch oben, I., 16.).

Die nachträgliche Taufe des Antragstellers, bestätigt im Schreiben des Präsidenten des österreichischen Kirchenvorstandes vom 27.04.2021, ist somit nicht geeignet, die im Erkenntnis vom 05.01.2021 getroffene Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich der fehlenden Glaubwürdigkeit des Antragstellers über seinen inneren Entschluss, sich dem Christentum zuzuwenden, zu relativieren.

3.5. Die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG sind somit nicht erfüllt und war daher der Antrag auf Wiederaufnahme abzuweisen.

3.6. Da der Sachverhalt aus der Aktenlage als geklärt anzusehen ist und es sich bei der Einordnung, ob die Eignung eines vorgebrachten Wiederaufnahmegrundes vorliegt, um eine Rechtsfrage handelt (vgl. VwGH 19.04.2007, 2004/09/0159; Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 32 VwGVG Anm. 9), konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben (vgl. VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018; VfGH 14.03.2012, U 466/11 ua.).

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. die unter A) zitierte Judikatur); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Schlagworte

Asylverfahren Folgeantrag Konversion nova producta Taufe Wiederaufnahmeantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W123.2187347.3.00

Im RIS seit

24.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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