Entscheidungsdatum
09.06.2021Norm
AsylG 2005 §2 Abs1 Z15Spruch
W102 2195844-1/18E
W102 2195742-1/18E
W102 2195864-1/16E
W102 2205645-1/14E
W102 2238841-1/10E
Schriftliche Ausfertigung des am 07.04.2021 mündlich verkündeten Erkenntnisses:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Werner ANDRÄ über die Beschwerde der XXXX (BF1), geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , XXXX (BF2), geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , XXXX (BF3), geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , XXXX (BF4), geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , XXXX (BF5), geboren am XXXX gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , jeweils StA.: Afghanistan, wegen §§ 3, 8, 10, 57 AsylG 2005 sowie §§ 46, 52, und 55 FPG 2005, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
I.
Der Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, Zl. XXXX wird stattgegeben und dieser gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
II.
Der Beschwerde von XXXX , XXXX , Zl. XXXX , XXXX , geboren am XXXX , Zl. XXXX , XXXX , geboren am XXXX , Zl. XXXX und XXXX , geboren am XXXX , Zl. XXXX wird stattgegeben und diesen gemäß §§ 3 und 34 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigen zuerkannt. Gem. § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX , XXXX , XXXX und XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die Erstbeschwerdeführerin reiste mit ihrem Ehemann (dem Zweitbeschwerdeführer) und der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin, alle afghanische Staatsangehörige und Angehörige der Volksgruppe der Tadschiken, unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich ein. In der Folge stellte die Familie am 19.06.2017 erstmals im Bundesgebiet Anträge auf internationalen Schutz. Die minderjährigen Viert- und Fünftbeschwerdeführer wurden in Österreich geboren und in Folge Anträge auf internationalen Schutz für sie gestellt.
Im Rahmen der Erstbefragung am 19.06.2017 gab die Erstbeschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen im Wesentlichen an, dass sie, nachdem ihr Mann von Taliban entführt worden sei, Angst gehabt hätten, weiterhin in Afghanistan zu leben.
In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 06.03.2018 führte die Erstbeschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen auf das Wesentliche zusammengefasst aus, dass sie keine eigene Fluchtgründe habe. Sie habe Afghanistan wegen der Entführung ihres Mannes verlassen.
2. Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden vom XXXX , vom XXXX sowie vom XXXX wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführer hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.), erteilte den Beschwerdeführern keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).
3. Gegen die oben dargestellte Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl erhoben die Beschwerdeführer vollumfängliche Beschwerde.
Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 16.10.2020 wurde die gegenständliche Rechtssache der bis dahin zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und in der Folge der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen.
Das Bundesverwaltungsgericht führte zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes am 07.04.2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der die Beschwerdeführer, ihr bevollmächtigter Rechtsvertreter und eine Dolmetscherin für die Sprache Dari teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme. Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde die Erstbeschwerdeführerin zu ihrem Leben in Österreich befragt.
Mit Schreiben vom 09.04.2021 beantragte die belangte Behörde die schriftliche Ausfertigung des am 07.04.2021 mündlich verkündeten Erkenntnisses.
Die Erstbeschwerdeführerin legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:
BF1:
? Tazkira
? Fotokonvolut
? Empfehlungsschreiben XXXX vom 20.03.2018
? Teilnahmebestätigung Deutschunterricht XXXX vom 17.03.2018
? Empfehlungsschreiben XXXX vom 18.03.2018
? Heiratsurkunde
? Teilnahmebestätigung Deutsch A1 vom 24.11.2017
? Teilnahmebestätigung ÖIF Werte- und Orientierungskurs vom 17.08.2017
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zu Person und Lebensumständen im Herkunftsstaat
Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige der Islamischen Republik Afghanistan und Angehörige der Volksgruppe der Tadschiken. Sie bekennen sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Ihre Muttersprache ist Dari.
Die Erstbeschwerdeführerin trägt den im Spruch angeführten Namen und wurde am XXXX in der Provinz Parwan geboren, wo sie bis ihrem 13. Lebensjahr lebte. Anschließend lebte sie in der Stadt Kabul. Die Erstbeschwerdeführerin hat bis zu ihrer Einreise ins Bundesgebiet keine Schule besucht und ist Analphabetin. Sie war bis dahin im Haushalt und mit der Kindererziehung beschäftigt.
Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer sind verheiratet und haben drei gemeinsame Kinder (minderjährige Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer).
Der Zweitbeschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen und wurde am XXXX in Afghanistan geboren.
Die Drittbeschwerdeführerin trägt den im Spruch angeführten Namen und wurde am XXXX in Afghanistan geboren.
Der Viertbeschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen und wurde am XXXX in Österreich geboren.
Der Fünftbeschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen und wurde am XXXX in Österreich geboren.
Die ganze Familie lebt in einem gemeinsamen Haushalt und bezieht Grundversorgung.
Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer sind in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zu den Lebensumständen der Erstbeschwerdeführerin in Österreich
Seit ihrer Einreise hat die Erstbeschwerdeführerin mehrere Deutschkurse auf Niveau A1 besucht und den ÖIF Werte- und Orientierungskurs absolviert.
Die Erstbeschwerdeführerin hat in Österreich freundschaftliche Beziehungen zu benachbarten Österreicherinnen aufgebaut, mit denen sie sich auf Deutsch unterhält. Diese besuchen die Erstbeschwerdeführerin regelmäßig zu Hause oder sie besuchen gemeinsam Restaurants oder gehen ins Kino.
Kleidung für die Familie kauft die Erstbeschwerdeführerin alleine. Die Erstbeschwerdeführerin hat klare Vorstellungen für die Zukunft ihrer Familie und möchte, dass ihre Kinder zukünftig ihre Lebensentscheidungen, insbesondere die Berufswahl, selbst treffen.
Für die Zukunft hat die Erstbeschwerdeführerin den Wunsch ihre Deutschkenntnisse zu verbessern und eine Ausbildung als Krankenpflegerin zu machen, um in einem Altersheim arbeiten.
Die Erstbeschwerdeführerin hat während ihres Aufenthaltes in Österreich eine auf ein selbstbestimmtes Leben hin orientierte Lebensführung angenommen, lebt ihr Leben nicht nach afghanisch-konservativer Tradition und kann sich eine am afghanischen Frauenbild ausgerichtete Lebensführung auch nicht vorstellen. Ihre Lebensweise ist Bestandteil der Identität der Erstbeschwerdeführerin, die sie im Fall der Rückkehr nicht aufrechterhalten könnte.
Im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat würde sie aufgrund ihrer persönlichen und gelebten Werthaltung vom dortigen konservativen Umfeld als Frau angesehen, die ihren Lebensstil am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert und soziale und religiöse Normen überschreitet. Aus diesem Grund drohen der Erstbeschwerdeführerin im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat Übergriffe durch private bzw. auch staatliche Akteure.
Dass die afghanischen Behörden die Erstbeschwerdeführerin vor diesen Übergriffen schützen wollen bzw. können, ist nicht zu erwarten.
Auch durch Niederlassung in einem anderen Landesteil kann sich die Erstbeschwerdeführerin den zu erwartenden Übergriffen nicht entziehen.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu Person und Lebensumständen der Beschwerdeführer
Die Feststellungen zu Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit und Muttersprache der Beschwerdeführer ergeben sich aus deren gleichbleibenden und plausiblen Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Auch die belangte Behörde ging vom Zutreffen der diesbezüglichen Angaben aus.
Die Feststellungen zu Identität, Geburtsdaten und Geburtsorten sämtlicher Beschwerdeführer basieren auf deren gleichbleibenden Angaben im Verfahren. Die Feststellung, dass die Erstbeschwerdeführerin keine Schule besucht hat und Analphabetin war, beruht auf ihren Angaben (AS 55).
Die Feststellung, dass die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer verheiratet sind und drei gemeinsame Kinder (Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer) haben, beruht auf den durchgehend gleichbleibenden und plausiblen Angaben aller Familienmitglieder sowie der vorgelegten Heiratsurkunde (AS 111). Auch die belangte Behörde erachtete diese Angaben für glaubhaft und legte sie ihrer Entscheidung zugrunde.
Die Feststellung zum gemeinsamen Haushalt ergibt sich aus den gleichbleibenden Angaben der Beschwerdeführer sowie den diese Angaben bestätigenden aktuellen, im jeweiligen Akt einliegenden Auszügen aus dem zentralen Melderegister.
Die Feststellungen zur Unbescholtenheit der erwachsenen Beschwerdeführer ergibt sich aus den in den jeweiligen Akten einliegenden Strafregisterauszügen.
2.2. Zu den Lebensumständen der Erstbeschwerdeführerin in Österreich
Die Feststellung zum von der Erstbeschwerdeführerin besuchten Kursangebot ergibt sich aus den von ihr vorgelegten Teilnahmebestätigungen sowie ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (OZ 15, S. 6). Hervorzuheben ist, dass die Erstbeschwerdeführerin noch nie eine Schule besucht hat, Analphabetin ist und drei minderjährige Kinder hat. Dass sie dennoch die Deutschkurse besucht hat, und nach wie vor versucht, sich weiterzubilden, zeigt den starken Willen der Erstbeschwerdeführerin, dass sie trotz aller Hürden und im Rahmen ihrer Möglichkeiten um Bildung bemüht ist, am öffentlichen Leben teilnehmen möchte und hierbei den Spracherwerb als grundlegende Voraussetzung erkennt.
Die Feststellungen zum sozialen Leben der Erstbeschwerdeführerin in Österreich ergibt sich aus ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung (OZ 15, S. 6), sowie den vorgelegten Empfehlungsschreiben und dem Fotokonvolut (AS 93ff.).
Insgesamt ergibt sich daraus, dass die Erstbeschwerdeführerin sich engagiert und in das lokale öffentliche Leben einbringt und ihren Aktionsradius damit bereits deutlich über den für Frauen im Herkunftsstaat üblichen Rahmen hinaus ausgedehnt hat, auch wenn sie bedingt dadurch, dass ihr im Herkunftsstaat grundlegende Bildung verwehrt wurde, was heute noch zu Barrieren - etwa beim Spracherwerb - führt, die ihr grundsätzlich offen stehenden Möglichkeiten im Bundesgebiet noch nicht voll ausschöpfen kann.
Zur Feststellung, dass die Erstbeschwerdeführerin sich allein um die Einkäufe der Familie kümmert, ist auszuführen, dass die Erstbeschwerdeführerin dies in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht angab (OZ 15, S. 5) und dabei einen souveränen und selbstständigen Eindruck machte in dem sich insbesondere ausdrückte, dass es in ihrer Lebensführung selbstverständlich ist, dass sie sich (auch ohne ihren Mann oder ihre Kinder) in einem größeren Radius bis in die nächste Stadt bewegt, um etwa Mode einzukaufen.
Die Berufsvorstellungen der Erstbeschwerdeführerin (OZ 15, S. 5) zeigen deutlich, dass sich die Erstbeschwerdeführerin mit ihren beruflichen Chancen bereits intensiv auseinandergesetzt hat und vor dem Hintergrund ihrer Fähigkeiten und des Bedarfs am Arbeitsmarkt eine Entscheidung getroffen hat. Diesbezüglich ist zudem auszuführen, dass sie im Zuge der mündlichen Verhandlung den persönlichen Eindruck deutlich vermitteln konnte, dass ihr ihre eigene Berufstätigkeit sehr am Herzen läge, dass ihr jedoch auch ins Bewusstsein eingeschrieben ist, dass ihre fehlende Schuldbildung und ihre dadurch bedingten Schwierigkeiten beim Erwerbs der deutschen Sprache dem zumindest im Wege stehen, weswegen sie sich einerseits - wie bereits oben ausgeführt - um ihren eigenen Spracherwerb bemüht ist und andererseits den Schulbesuch all ihrer Kinder unterstützt. Vom Schulbesuch ihrer Kinder sprach die Erstbeschwerdeführerin dagegen mit Stolz und betonte auch glaubhaft, sie wolle sich in die Lebensorganisation ihrer Kinder nicht einmischen und sollen diese ihre eigenen Entscheidungen, insbesondere hinsichtlich der Berufswahl, selbst treffen (OZ 15, S. 5). Besonders die eigene und ungefährdete Bewegungsfreiheit für sich und ihre Tochter liegen der Erstbeschwerdeführerin am Herzen, was sich in der mündlichen Verhandlung darin ausdrückte, dass sie angab, in Afghanistan nie zur Schule gegangen sei. In Österreich könne sie Entscheidungen ihres Lebens selbst treffen, Termine alleine wahrnehmen und selbstständig zum Arzt, einkaufen oder spazieren gehen (OZ 15, S. 5).
Die Feststellung dazu, dass die Erstbeschwerdeführerin klare Vorstellungen über die Zukunft ihrer Familie hat, speist sich aus dem gesamten Eindruck, den die Erstbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht machte, wo sie dem erkennenden Richter ohne Scheu begegnete und selbstverständlich und selbstbewusst aus dem Leben der Familie berichtete, ohne etwa den Blick ihres Mannes zu suchen.
Zur Feststellung, dass die Erstbeschwerdeführerin während ihres Aufenthaltes in Österreich eine auf ein selbstbestimmtes Leben hin orientierte Lebensführung angenommen hat, dass dies Teil ihrer Identität geworden ist und dass sie sich eine am afghanischen Frauenbild ausgerichtete Lebensführung nicht vorstellen kann, ist auf die Ausführungen zu den obigen Feststellungen sowie die Feststellungen selbst zu verweisen.
Zur Feststellung, dass sie die Erstbeschwerdeführerin diese Lebensweise im Fall der Rückkehr nicht aufrechterhalten könnte, ist zunächst ein Vergleich mit den Möglichkeiten für Frauen im Herkunftsstaat anzustellen:
Das mit Ladung vom 17.03.2021 eingebrachte Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan, Gesamtaktualisierung vom 16.12.2020 (in der Folge: Länderinformationsblatt), berichtet zwar von einer Verbesserung der Lage afghanischer Frauen in den letzten 15 Jahren sowie von Bemühungen der Regierung, diese Errungenschaften zu verfestigen. Gleichzeitig wird jedoch berichtet, dass Afghanistan weiterhin als eines der gefährlichsten Länder für Frauen gilt. Insbesondere eine unnachgiebige konservative Einstellung gegenüber Frauen bestehe fort. Die theoretischen Rechte (die afghanische Verfassung verbietet etwa jegliche Form von Benachteiligung oder Bevorzugung und garantiert Gleiche Rechte und Pflichten aller Bürger - Männer wie Frauen - vor dem Gesetzt) würden in der Praxis jedoch kaum umgesetzt. So wird von einer Vielzahl von Hindernissen in Bezug auf die Berufstätigkeit von Frauen berichtet, sie seien Belästigung, Diskriminierung und Gewalt ausgesetzt und würden auch von praktischen Hürden (z.B. fehlende Arbeitserfahrung, Fachkenntnisse und [Aus]Bildung) behindert (Länderinformationsblatt, Kapitel 19.1. Frauen, Abschnitt Berufstätigkeit von Frauen). Viele Frauen vor allem im ländlichen Bereich würden aus Furcht vor sozialer Ächtung keiner Arbeit außerhalb des Hauses nachgehen und werde ein Arbeitsplatz häufig als schlechtes Umfeld für Frauen angesehen. Eine Position in der Öffentlichkeit sei für Frauen in Afghanistan noch immer keine Selbstverständlichkeit. Traditionelle Praktiken würden die Teilnahme von Frauen am politischen Geschehen und Aktivitäten außerhalb des Hauses und der Gemeinschaft weiterhin einschränken und sei der Bedarf einer männlichen Begleitung bzw. einer Arbeitserlaubnis weiterhin gängig (Abschnitt Politische Partizipation und Öffentlichkeit). Auch von einer weitgehenden Beschränkung der Reisefreiheit von Frauen, insbesondere wegen Sicherheitsbedenken, wird berichtet (Abschnitt Reisefreiheit von Frauen). Diesbezüglich sind auch dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 01.04.2021 keine wesentlichen Änderungen zu entnehmen.
Die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (in der Folge UNHCR-Richtlinien) berichten von eingeschränktem Zugang zu Bildung- und Gesundheitswesen und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 7. Frauen mit bestimmten Profilen oder Frauen, die unter bestimmten Bedingungen leben, S. 77). Sexuelle Belästigung und tief verwurzelte Diskriminierung von Frauen seien endemisch (S. 78).
Aus dieser Berichtslage ergibt sich bereits, dass die Erstbeschwerdeführerin die Lebensweise, die sie nunmehr im Bundesgebiet pflegt, nicht weiterführen könnte, so wäre die eigenständige Teilnahme am öffentliche Leben im Herkunftsstaat den oben zitierten Berichten zufolge nicht möglich. Auch der Bewegungsradius, wie ihn die Erstbeschwerdeführerin aktuell lebt, indem sie etwa in die nächste größere Stadt zum Einkaufen fährt, würde im Rückkehrfall nicht aufrechterhalten werden können. Weiter könnte es zur Verwirklichung ihres Wunsches nach Berufstätigkeit kaum kommen und ich ihre Alphabetisierungsbestrebungen müsste die Erstbeschwerdeführerin angesichts des schlechten Zugangs zu Bildung für Frauen voraussichtlich aufgeben.
Für Frauen, die sich an die oben beschriebenen Beschränkungen (Einschränkung der Bewegungsfreiheit, in Erscheinung treten in der Öffentlichkeit nur in männlicher Begleitung) nicht halten, berichten die UNHCR-Richtlinien von gesellschaftlicher Stigmatisierung und Diskriminierung sowie von einer Gefährdung ihrer Sicherheit (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 8. Frauen und Männer, die vermeintlich gegen die sozialen Sitten verstoßen, S. 87). So kommt es auch zu Bestrafungen aufgrund von Verletzungen des afghanischen Gewohnheitsrechts oder der Scharia, etwa wegen dem Erscheinen ohne angemessene Begleitung etc. (S. 88-89). Einem Großteil der in Afghanistan inhaftierter Frauen wurden den UNHCR-Richtlinien zufolge derartige Verstöße gegen die Sittlichkeit zur Last gelegt. Die Inhaftierten sind sodann häufig wieder Tätlichkeiten sowie sexueller Belästigung und Missbrauch ausgesetzt (S. 89-90).
Aus dieser Berichtslage ergibt sich klar, dass der Erstbeschwerdeführerin im Fall der Rückkehr Übergriffe durch private bzw. staatliche Akteure drohen, wenn sie ihre (neue) Lebensweise im Rückkehrfall beibehält. Daher wurde die entsprechende Feststellung getroffen.
Die Feststellung, dass die Erstbeschwerdeführerin mit Schutz vor den ihr für den Fall der Rückkehr drohenden Übergriffen durch die afghanischen Behörden nicht rechnen kann, speist sich insbesondere aus den UNHCR-Richtlinien (Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 7. Frauen mit bestimmten Profilen oder Frauen, die unter bestimmten Bedingungen leben S. 78), wo berichtet wird, das Gewaltakte gegen Frauen sehr oft straflose blieben sowie von der mangelhaften Umsetzung von Gesetzen zum Schutz von Frauen und der von der Verfassung garantierten Gleichberechtigung. Frauen hätten nur in geringem Maße Zugang zur Justiz (S. 79-80; siehe auch S. 84 und Länderinformationsblatt, Kapitel 19.1. Frauen).
Die Feststellung, dass die Erstbeschwerdeführerin sich dem nicht durch Niederlassung in einem anderen Landesteil entziehen kann, basiert etwa auf den UNHCR-Richtlinien (Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 7. Frauen mit bestimmten Profilen oder Frauen, die unter bestimmten Bedingungen leben, S. 80), wo berichtet wird, dass die beschriebenen Menschenrechtsprobleme (siehe oben) für Frauen und Mädchen das gesamte Land betreffen).
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zur Stattgebung der Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Asyl)
Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht, dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat.
Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht einer Person, wenn sie sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
"Verfolgung" im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs als ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005 umschreibt "Verfolgung" als jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 Statusrichtlinie, worunter - unter anderem - Handlungen fallen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 MRK keine Abweichung zulässig ist. Dazu gehören insbesondere das durch Art. 2 MRK geschützte Recht auf Leben und das in Art. 3 MRK niedergelegte Verbot der Folter (zuletzt VwGH 31.07.2018 mwN).
Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierung ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0010 mwN).
3.1.1. Zur westlichen Orientierung der Erstbeschwerdeführerin
Nach § 3 Abs. 2 AsylG kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).
§ 3 Abs. 2 AsylG 2005 ist Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über die Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes Abl L 337/9 vom 20.12.2011 (Statusrichtlinie), nachgebildet. Nach Art. 5 Abs. 2 Statusrichtlinie kann die begründete Furcht vor Verfolgung oder die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, auf Aktivitäten des Antragstellers nach Verlassen seines Herkunftslandes beruhen, insbesondere wenn die Aktivitäten, auf die er sich stützt, nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind.
Der VfGH hat ausgesprochen, dass asylrelevante Verfolgung gemäß § 3 Abs. 2 AsylG 2005 auch auf Aktivitäten beruhen kann, die der Fremde seit dem Verlassen des Herkunftsstaats gesetzt hat (VfGH 12.12.2013, U 2272/2012).
Auch der VwGH hat bereits erkannt, dass diese neuen - in Österreich eingetretenen - Umstände, mit denen ein Asylwerber seine Furcht vor Verfolgung nunmehr begründet, grundsätzlich zur Asylgewährung führen können. Sie sind daher zu überprüfen, wenn sie geeignet sind, die Annahme "wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung" zu rechtfertigen (VwGH 18.09.1997, 96/20/0323).
Die Erstbeschwerdeführerin macht mit ihrem Vorbringen einer Verfolgungsgefahr wegen "westlicher" Orientierung einen subjektiven Nachfluchtgrund geltend.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können Frauen Asyl beanspruchen, die aufgrund eines gelebten "westlich" orientierten Lebensstils bei Rückkehr in ihren Herkunftsstaat verfolgt würden (vgl. etwa VwGH vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017-0018, mwN). Gemeint ist damit eine von ihnen angenommene Lebensweise, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt. Voraussetzung ist, dass diese Lebensführung zu einem solch wesentlichen Bestandteil der Identität der Frauen geworden ist, dass von ihnen nicht erwartet werden kann, dieses Verhalten im Heimatland zu unterdrücken, um einer drohenden Verfolgung wegen Nichtbeachtung der herrschenden politischen und/oder religiösen Normen zu entgehen (zuletzt VwGH 28.06.2018, Ra 2017/19/0579). Dabei führt nicht jede Änderung in der Lebensführung während ihres Aufenthaltes in Österreich, die im Fall der Rückkehr nicht mehr aufrechterhalten werden könnte, dazu, dass der Asylwerberin internationaler Schutz gewährt werden muss, sondern nur eine grundlegende und auch entsprechend verfestigte Änderung der Lebensführung, in der die Inanspruchnahme oder Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt und die im Herkunftsstaat nicht gelebt werden könnte (zuletzt VwGH 06.09.2018, Ra 2018/18/0315).
Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt, konnte die Erstbeschwerdeführerin glaubhaft machen, dass sie eine Lebensweise angenommen hat, in der sie Bewegungsfreiheit, Teilnahme am öffentlichen Leben, Bildung und Berufstätigkeit und damit die Ausübung ihrer Grundrechte für sich beansprucht und diesen Anspruch in ihrer Lebensführung umsetzt. Weiter lässt sich den Feststellungen entnehmen, dass die Erstbeschwerdeführerin im Rückkehrfall mit Übergriffen von staatlicher und privater Seite zu rechnen hat, was sich wie beweiswürdigend ausgeführt, aus der allgemeinen, Frauen, die als soziale und religiöse Normen überschreitend wahrgenommen werden, betreffenden Lage im Herkunftsstaat ergibt. Die Erstbeschwerdeführerin hat diese Art der Lebensführung seit ihrer Einreise im Bundesgebiet aufgebaut und in diesem Zeitraum von etwa fünf Jahren zweifellos so weit verfestigt, dass von einer nachhaltigen Änderung der Lebensführung auszugehen ist. Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt geht die Übergriffsgefahr nicht nur von privater Seite sondern auch von staatlichen Akteuren aus und hat die Erstbeschwerdeführerin mit staatlichem Schutz vor diesen Übergriffen nicht zu rechnen. Damit konnte die Erstbeschwerdeführerin für den Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat im Sinne der oben zitierten Judikatur eine asylrelevante Verfolgungsgefahr wegen ihres "westlich" orientierten Lebensstils glaubhaft machen.
3.1.2. Zum Nichtvorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative
Nach § 3 Abs. 3 Z 1 AsylG ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht.
Gemäß § 11 Abs. 1 AsylG ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen, wenn Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann.
Wie festgestellt bezieht sich die Verfolgungsgefahr auf das gesamte Staatsgebiet des Herkunftsstaates, weswegen der Erstbeschwerdeführerin eine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG nicht zur Verfügung steht.
Der Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin gegen den angefochtenen Bescheid war damit stattzugeben, ihr spruchgemäß der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG festzustellen, dass ihr damit Flüchtlingseigenschaft zukommt.
3.2. Zur Asylgewährung an die Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist unter anderem Familienangehöriger wer Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers ist, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise bestanden hat.
Der Zweitbeschwerdeführer ist daher als Ehegatte, wobei die Ehe bereits vor der Einreise bestand und die Dritt- und Fünftbeschwerdeführer als im Zeitpunkt der Antragstellung minderjährige Kinder der Erstbeschwerdeführerin Familienangehörige iSd § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005.
Gemäß § 34 Abs. 4 iVm Abs. 5 AsylG 2005 hat das Bundesverwaltungsgericht Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen. Die Verfahren sind unter einem zu führen. Unter den Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 AsylG 2005 erhalten alle Familienangehörigen den Status des oder der Asylberechtigten.
Gemäß § 34 Abs. 2 iVm Abs. 5 AsylG hat das Bundesverwaltungsgericht aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn, dieser nicht straffällig geworden ist (Z 1) und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (Z 3).
Nachdem gegenteilige Anhaltspunkte im Verfahren nicht hervorgekommen sind, war den Beschwerden der Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer daher stattzugeben, ihnen spruchgemäß im Familienverfahren Asyl zu gewähren und festzustellen, dass ihnen somit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
3.3. Zum Fluchtvorbringen der Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer
Nach der Rechtsprechung des VwGH besteht kein "Recht auf originäre Zuerkennung des Status des Asylberechtigen." Weder kennt das Gesetz einen "originären" Status des Asylberechtigten, noch spricht das Gesetz in § 34 Abs. 4 AsylG davon, dass im Familienverfahren ein anderer, nur "abgeleiteter" Status zuzuerkennen ist. Im Gegenteil spricht der zweite Satz des § 34 Abs. 4 AsylG ausdrücklich davon, dass "der" Status des Asylberechtigten zuzuerkennen ist, was nur bedeuten kann, dass der Status des Asylberechtigten an sich (ohne weitere Differenzierung) zuzuerkennen ist. Auch der Status-Richtlinie 2011/95/EU lässt sich eine solche Differenzierung bei der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht entnehmen. Daher erübrigt sich in diesem Fall auch die Prüfung eigener Fluchtgründe, wenn einem Familienangehörigen ohnedies der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen ist (VwGH 30.04.2018, Ra 2017/01/0418).
Nachdem der Erstbeschwerdeführerin als Ehefrau des Zweitbeschwerdeführers und Mutter der minderjährigen Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer mit gegenständlichem Erkenntnis der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde und damit auch (wie unter 3.2. ausgeführt) den Zweit- bis Fünftbeschwerdeführern im Familienverfahren der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen war, ist nach der oben zitierten Judikatur eine Auseinandersetzung mit deren eigenem Fluchtvorbringen nicht erforderlich und erfolgt eine solche auch nicht. Insbesondere auf das Fluchtvorbringen des Zweitbeschwerdeführers wurde daher nicht eingegangen.
4. Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliegt. In seiner rechtlichen Beurteilung der Asylrelevanz einer möglichen "westlichen" Orientierung folgt das Bundesverwaltungsgericht der unter 3.1.1. zitierten eindeutigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017-0018, mwN; VwGH 28.06.2018, Ra 2017/19/0579; VwGH 06.09.2018, Ra 2018/18/0315) mit der dieser die rechtlich relevanten Merkmale der "westlichen" Orientierung Schritt für Schritt konkretisiert hat. Für die Feststellung des erforderlichen Tatsachensubstrates waren dagegen beweiswürdigende Erwägungen maßgeblich. Auch das eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Fluchtvorbringen der Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer angesichts des ihnen im Familienverfahren zu gewährenden Status des Asylberechtigten nicht erforderlich war, ergibt sich klar aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, der zu Folge es ein "originäres" Recht auf Asyl nicht gibt (VwGH 30.04.2018, Ra 2017/01/0418).
Schlagworte
Asyl auf Zeit Asylgewährung von Familienangehörigen Asylverfahren befristete Aufenthaltsberechtigung Familienangehöriger Familienverfahren Flüchtlingseigenschaft mündliche Verhandlung mündliche Verkündung schriftliche AusfertigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W102.2195742.1.01Im RIS seit
24.11.2021Zuletzt aktualisiert am
24.11.2021