TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/10 W285 2213724-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.06.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

10.06.2021

Norm

BFA-VG §18 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch


W285 2213724-1/14E

Schriftliche Ausfertigung des am 09.04.2021 mündlich verkündeten Erkenntnisses:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Eva WENDLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: Rumänien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (BBU), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.01.2019, Zahl: 75358203-170689448, betreffend die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.04.2021 zu Recht erkannt:

A)       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Regionaldirektion Niederösterreich, wurde gegen den sich im Stande der Strafhaft befindenden Beschwerdeführer gemäß § 67 Abs. 1 bis 3 FPG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs. 3 FPG wurde ein Durchsetzungsaufschub nicht erteilt (Spruchprunkt II.) und es wurde einer Beschwerde gegen das Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer sei ein im Bundesgebiet nicht niedergelassener rumänischer Staatsbürger, welcher lediglich im Zeitraum von 01.03.2007 bis 23.09.2009 über eine behördliche Meldung im Inland verfügt hätte und gegenwärtig infolge zweier rechtskräftiger Verurteilungen eine Strafhaft verbüße. Dieser sei wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten sowie wegen des Verbrechens des versuchten Mordes zu einer Freiheitsstrafe in Dauer von 13 Jahren verurteilt worden. Der Beschwerdeführer, welcher verheiratet sei und Sorgepflichten für zwei Kinder hätte, habe im Bundesgebiet keine sozialen, beruflichen oder privaten Bindungen. Dieser sei offensichtlich ausschließlich zur Begehung von Straftaten ins Bundesgebiet eingereist und es ergebe sich aus seinem bisherigen Verhalten eine negative Zukunftsprognose, welche die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes als gerechtfertigt und dringend notwendig erscheinen ließe. Aufgrund der Schwere seines Fehlverhaltens sei unter Bedachtnahme auf sein Gesamtverhalten die Annahme, dass er eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle, gerechtfertigt. Da die sofortige Umsetzung der Maßnahme im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit geboten wäre, sei ein Durchsetzungsaufschub nicht zu erteilen und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung abzuerkennen gewesen.

Mit dem am 25.01.2019 per E-Mail bei der belangten Behörde eingelangten Schriftsatz der (damals) bevollmächtigten Rechtsvertretung des Beschwerdeführers vom gleichen Datum wurde gegen den oben angeführten Bescheid fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben. Darin wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge den bekämpften Bescheid wegen Rechtswidrigkeit gänzlich beheben, in eventu das Aufenthaltsverbot verkürzen, in eventu den Bescheid beheben und zur Verfahrensergänzung an die belangte Behörde zurückverweisen, eine mündliche Verhandlung durchführen, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkennen und in eventu die ordentliche Revision zulassen.

Die Beschwerdevorlage und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 29.01.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein, welches mit Aktenvermerk vom 30.01.2019 festhielt, dass der Beschwerde nach einer Grobprüfung die aufschiebende Wirkung nicht zuzuerkennen sei.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 09.04.2021 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an welcher der in der Justizanstalt XXXX befindliche Beschwerdeführer und sein nunmehriger Rechtvertreter per Videokonferenz, sowie eine Dolmetscherin für die rumänische Sprache teilgenommen haben. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hatte bereits im Vorfeld schriftlich mitgeteilt, auf eine Teilnahme an der Verhandlung zu verzichten.

Auf Befragen der erkennenden Richterin gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, er habe ein Studium im Bereich der Umwelt und Ökologie abgeschlossen und in den letzten Jahren in Rumänien als LKW-Fahrer auf internationalen Routen gearbeitet. Ungefähr alle drei Monate sei er nach Hause nach Rumänien in den Urlaub gefahren; die letzten drei Jahre habe er in Italien für eine rumänische Firma gearbeitet, die für XXXX nach Italien gefahren sei. Er habe immer mit rumänischen Firmen gearbeitet. Seine Frau und seine Tochter würden seit etwa fünf Jahren in Österreich leben und arbeiten. Er selbst sei seit etwa vier Jahren hier. Sein Sohn arbeite als Arzt in Großbritannien. Seine Frau und Tochter hätten ihn vor Corona besucht, jetzt sei dies anders.

Zur Verurteilung wegen versuchten Mordes gab der Beschwerdeführer an, nach der Verhandlung realisiert zu haben, was passiert sei; er habe einen Verfahrenshelfer gehabt, welcher eine Woche vorher zu ihm gekommen sei und er habe mit diesem nicht sprechen können. Seine Tat sei gefilmt worden. Auf der Aufnahme sei der Moment, in welchem der Beschwerdeführer geschlagen worden sei, nicht zu sehen. Der Bodyguard von diesem Club habe den Beschwerdeführer geschlagen. Hätte man die ganze Aufnahme gesehen, hätte man erkannt, dass der Bodyguard ihn provoziert hätte. Der Beschwerdeführer habe sich dann gewehrt und zurückgeschlagen. „Er“ habe in der Verhandlung nicht einmal zugegeben, dort als Bodyguard gearbeitet zu haben und sei nicht befragt worden, weshalb er den Beschwerdeführer provoziert bzw. geschlagen hätte. In der Verhandlung hätte er behauptet, dass EUR 10.000,- in der Handtasche gewesen wären; nicht einmal der Beschwerdeführer habe gewusst, wie viel drinnen gewesen wäre. Seine Intention sei es gewesen, den Beschwerdeführer zu berauben.

Nach Schluss der Verhandlung wurde das gegenständliche Erkenntnis samt wesentlichen Entscheidungsgründen gemäß § 29 Abs. 2 VwGVG verkündet und eine Rechtsmittelbelehrung erteilt.

Sodann beantragte der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Rechtsvertretung die schriftliche Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der Beschwerdeführer ist rumänischer Staatsangehöriger und führt die im Spruch ersichtlichen Personalien. Seine Identität steht fest (vgl. Kopien rumänischer Personalausweis und Führerschein, AS 9, 15)

Mit Beschluss des Landesgerichts XXXX vom XXXX 2017 wurde über diesen wegen des dringenden Verdachts der Begehung (u.a.) des Verbrechens des versuchten Mordes die Untersuchungshaft verhängt, nachdem dieser am 09.06.2017 im Bundesgebiet festgenommen worden war. Zuvor war der Beschwerdeführer im Bundesgebiet nicht behördlich gemeldet. Abgesehen von der behördlichen Meldung ab 11.06.2017 bis dato in Justizanstalten, liegt eine Hauptwohnsitzmeldung in Österreich von 01.03.2007 bis 23.09.2009 vor (vgl. Vollzugsinformation, AS 1; Beschluss Landesgericht XXXX AS 27 ff; Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 09.04.2021).

Der Beschwerdeführer ist bis dato keiner Beschäftigung im Bundesgebiet nachgegangen und auch nicht in Österreich versichert (vgl. Sozialversicherungsdatenauszug vom 09.04.2021).

Hinsichtlich des Beschwerdeführers liegen in Österreich zwei rechtskräftige nicht getilgte strafgerichtliche Verurteilungen vor:

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX 2018, Zl. XXXX , rechtskräftig am XXXX 2018, wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des schweren Einbruchsdiebstahls nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z 5, 129 Abs. 1 Z 1, 129 Abs. 2 Z 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer mit einem Mittäter am 19.05.2017 in ein Einfamilienhaus nach Einschlagen eines Fensters eingestiegen ist und Bargeld in der Höhe von EUR 9.500,- gestohlen hat.

Bei der Strafzumessung wertete das Landesgericht den bisher ordentlichen Lebenswandel des Beschwerdeführers als mildernd und keinen Umstand als erschwerend (vgl. Kopie Urteil XXXX 2018, AS 73 ff).

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX 2018, Zl. XXXX , rechtskräftig am XXXX 2018, wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten verurteilt (die ursprünglich durch das Landesgericht festgesetzte Freiheitsstrafe in der Dauer von 13 Jahren wurde im Rechtsmittelverfahren mit Urteil des Oberlandesgerichts XXXX auf 12 Jahre und sechs Monate herabgesetzt).

Der Verurteilung lag zugrunde, dass er am 26.05.2017 mit seinen beiden Mittätern den C.D.F. aus einem Bordell in Niederösterreich auf den Parkplatz zerrte, dann schlugen die beiden Mittäter auf Kopf und Oberkörper des C.D.F ein. Der Beschwerdeführer schleuderte dann mit einem Mittäter C.D.F zu Boden, welcher dort bewusstlos liegen blieb. Dennoch versetzte der Beschwerdeführer mit seinem Mittäter dem C.D.F weitere Faustschläge und Fußtritte. C.D.F erlitt eine an sich schwere Verletzung und eine mehr als 24 Tage übersteigende Gesundheitsschädigung mit Berufsunfähigkeit, nämlich ein Schädel-Hirn-Trauma mit Einblutungen in der Schädelhöhle, einen Bruch des Felsenbeins des rechten Ohres mit Blutung in den Gehörgang und das Mittelohr, eine Schwellung und Blutunterlaufung der rechten Schädelhälfte, Rissquetschwunden und Prellungen an der Stirn, des rechten Augenober- und Unterlides, eine Prellung des rechten Augapfels mit Blutung, eine Bruch der Innenwand der rechten Augenhöhle, einen mehrfachen, offenen Bruch des Nasenbeines, eine Brustkorbprellung mit Blutunterlaufungen und eine Prellung des Bauches.

Bei der Strafzumessung wertete das Landesgericht als mildernd, dass es beim Versuch geblieben sei sowie als erschwerend die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Vorstrafe und die rücksichtslose und brutale Vorgehensweise gegen ein bewusstloses Opfer (vgl. Kopie Urteil XXXX 2018, AS 149 ff).

Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer die den zitierten strafgerichtlichen Urteilen zugrundliegenden Straftaten begangen und das je umschriebene Verhalten gesetzt hat.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Der Beschwerdeführer hat in Rumänien ein Studium im Bereich Umwelt und Ökologie abgeschlossen. Er arbeitete in den letzten Jahren als LKW-Fahrer für eine rumänische Firma, die Fahrten für XXXX in ganz Europa durchgeführt hat. In diesem Zusammenhang war der Beschwerdeführer in Italien, Spanien, Belgien und Deutschland unterwegs. Seine Gattin und seine volljährige Tochter, welche ebenfalls die rumänische Staatsbürgerschaft besitzen, leben in Österreich. Tochter und Gattin verfügen seit 27.12.2018 über eine Anmeldebescheinigung in Österreich, sie sind auch im Bundesgebiet gemeldet. Die Gattin des Beschwerdeführers, welche erstmals ab dem 10.07.2018 als Arbeiterin im Bundesgebiet beschäftigt war, geht derzeit einer aufrechten Beschäftigung im Bundesgebiet nach. Die Tochter des Beschwerdeführers war von 04.10.2019 bis 15.03.2020 als Arbeiterin im Bundesgebiet beschäftigt. Der Beschwerdeführer hat mit diesen regelmäßig telefonischen Kontakt, vor der Pandemie waren die beiden auch regelmäßig zu Besuch beim Beschwerdeführer in der Haft.

(vgl. Sozialversicherungsdatenauszüge sowie Auszüge aus dem Zentralen Fremdenregister zur Ehefrau und Tochter des Beschwerdeführers vom 09.04.2021; Niederschrift Beschwerdeverhandlung 09.04.2021, 3 f).

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes sowie des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Darüber hinaus sind der Besitz eines rumänischen Personalausweises, eines rumänischen Führerscheins und einer italienischen Identitätskarte aktenkundig.

Das Bundesverwaltungsgericht holte einen Zentralmelderegisterauszug und einen Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister sowie einen Auszug aus dem Schengener Informationssystem, aus dem Strafregister sowie den Sozialversicherungsdaten des Beschwerdeführers ein. Überdies wurden Auszüge aus dem Zentralen Melderegister und dem Zentralen Fremdenregister betreffend die Ehefrau und die volljährige Tochter des Beschwerdeführers eingeholt.

Die Feststellungen zur im Vorfeld der Festnahme fehlenden behördlichen Meldung des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und der nie vorgelegenen Beschäftigung ergeben sich aus den Feststellungen des angefochtenen Bescheides sowie der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, das Zentrale Fremdenregister und einen Sozialversicherungsdatenauszug.

Die zitierten strafgerichtlichen Urteile des Landesgerichtes XXXX sind aktenkundig und werden diese dem gegenständlichen Erkenntnis in freier Beweiswürdigung zugrunde gelegt.

Die übrigen Feststellungen ergeben sich aus den im Verwaltungs- bzw. Gerichtsakt einliegenden Beweismitteln und insbesondere den im gesamten Verfahren vom Beschwerdeführer gemachten eigenen Angaben in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchteil A) Abweisung der Beschwerde:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Rumäniens und somit EWR-Bürger gemäß § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.

§ 67 FPG lautet:

„§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.

(Anm.: Abs. 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)“

Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG lautet wie folgt:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“

Da vom Beschwerdeführer, der aufgrund seiner rumänischen Staatsangehörigkeit in den persönlichen Anwendungsbereich von §§ 66 und 67 FPG fällt, die Voraussetzung eines Aufenthalts im Bundesgebiet seit fünf bzw. zehn Jahren nicht erfüllt ist, kommt für diesen der Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1 Satz 2 FPG zur Anwendung. Dass der Beschwerdeführer ein unionrechtliches Daueraufenthaltsrecht gemäß §53a NAG erworben hat, hat sich nicht ergeben.

Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0091 mwN; 20.09.2020, Ra 2020/21/0112).

Nun ist im Sinne des § 67 FPG das persönliche Verhalten des Betroffenen zu beurteilen und insbesondere auf die durch die konkreten Straftaten bewirkten Eingriffe in die öffentliche Ordnung, die genauen Tatumstände und Begleitumstände der Taten und auch sonstige Besonderheiten Bedacht zu nehmen. Es ist in weiterer Folge abzuwägen, ob das Allgemeininteresse an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes schwerer wiegt als andere relativierende Momente, wie etwa auch das Familien- und Privatleben des Betroffenen.

Für die Frage, ob ein Aufenthaltsverbot erlassen werden darf, ist vom VwG auf den Zeitpunkt seiner Durchsetzbarkeit abzustellen (vgl. VwGH 22.05.2014, Ra 2014/21/0014; VwGH 15.12.2011, 2011/21/0237). Gemäß § 70 Abs. 1 zweiter Satz FrPolG 2005 ist der Eintritt der Durchsetzbarkeit eines Aufenthaltsverbotes aber für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde (vgl. VwGH 29.09.2020, Ra 2020/21/0297).

Bei der zum Beschwerdeführer zu erstellenden Gefährdungsprognose stehen seine strafgerichtlichen Verurteilungen bzw. das diesen zugrundeliegende Verhalten im Mittelpunkt.

Dazu ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer wegen schwerwiegender strafbarer Handlungen gegen die körperliche Unversehrtheit von Menschen, konkret wegen des Verbrechens des versuchten Mordes, sowie darüber hinausgehend wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch verurteilt wurde und gegenwärtig eine Freiheitsstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten im Bundesgebiet verbüßt.

Die besondere Gefährlichkeit des Beschwerdeführers resultiert aus den festgestellten Tatumständen. Der Beschwerdeführer wurde zunächst wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z 5, 129 Abs. 1 Z 1, Abs. 2 Z 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, da er am 19.05.2017 gemeinsam mit zwei Mittätern durch Einschlagen eines Fensters in ein Einfamilienhaus einstieg und Bargeld in Höhe von EUR 9.500,- an sich nahm. Die Verhinderung von Eigentumsdelikten stellt jedenfalls ein Grundinteresse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar, das dargestellte Verhalten des Beschwerdeführers ist diesem Grundinteresse massiv zuwidergelaufen.

Bereits sieben Tage nach der beschriebenen Tat wurde der Beschwerdeführer erneut massiv straffällig, wobei er erheblich in die körperliche Unversehrtheit einer Person eingriff. Wie festgestellt, hat der Beschwerdeführer am 26.05.2017 mit seinen beiden Mittätern einen Mann aus einem Bordell in Niederösterreich auf den Parkplatz gezerrt, dann schlugen die beiden Mittäter auf Kopf und Oberkörper des Mannes ein. Der Beschwerdeführer schleuderte dann mit einem Mittäter den Mann zu Boden, welcher dort bewusst los liegen blieb. Dennoch versetzte der Beschwerdeführer mit seinem Mittäter dem Mann weitere Faustschläge und Fußtritte. Der Mann erlitt eine an sich schwere Verletzung und eine mehr als 24 Tage übersteigende Gesundheitsschädigung mit Berufsunfähigkeit, nämlich ein Schädel-Hirn-Trauma mit Einblutungen in der Schädelhöhle, einen Bruch des Felsenbeins des rechten Ohres mit Blutung in den Gehörgang und das Mittelohr, eine Schwellung und Blutunterlaufung der rechten Schädelhälfte, Rissquetschwunden und Prellungen an der Stirn, des rechten Augenober- und Unterlides, eine Prellung des rechten Augapfels mit Blutung, eine Bruch der Innenwand der rechten Augenhöhle, einen mehrfachen, offenen Bruch des Nasenbeines, eine Brustkorbprellung mit Blutunterlaufungen und eine Prellung des Bauches.

Die Ausführungen des Beschwerdeführers anlässlich der Beschwerdeverhandlung zeigten, dass dieser das Unrecht seiner Tat offensichtlich weiterhin nicht eingesehen hat und sein Verhalten zu verharmlosen bzw. zu rechtfertigen versuchte, indem er auf eine vermeintliche Provokation durch das Opfer der Tat verwies, welche im Strafverfahren nicht gewürdigt worden wäre. Da jedoch feststeht, dass der Beschwerdeführer das im rechtskräftigen Strafurteil umschriebene Verhalten objektiv zu verantworten hat und keine Hinweise auf eine allfällige Notwehrsituation oder sonstige Rechtfertigungs- bzw. Schuldausschlussgründe hervorgekommen sind – was auch insbesondere durch die Tatsache verdeutlicht wird, dass der Beschwerdeführer dem Opfer der Tat, als dieses bereits bewusstlos am Boden lag, noch eine Vielzahl an Faustschlägen und Fußtritten gegen den Oberkörper, den Bauchbereich und den Kopf versetzte – kann seinen Ausführungen in der Beschwerdeverhandlung nicht gefolgt werden. Vielmehr verdeutlicht die im Strafurteil festgestellte Vorgehensweise des Beschwerdeführers dessen überaus hohe Gewaltbereitschaft. Dem Rechtsgut von Leib und Leben steht der Beschwerdeführer offenbar gleichgültig gegenüber. Die beschriebene Vorgangsweise zeigt, dass der Beschwerdeführer mit großer Brutalität vorgegangen ist und er auch - entsprechend des konkreten Straftatbestandes - die Absicht hatte, das Opfer zu töten. Das dargestellte Verhalten des Beschwerdeführers ist somit den genannten Grundinteressen der Gesellschaft massiv zuwidergelaufen, weshalb auch die Erheblichkeit der von ihm ausgehenden Gefahr evident ist. Es bleibt diesbezüglich nochmals festzuhalten, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ein großes öffentliches Interesse an der Verhinderung von strafbaren Handlungen, insbesondere der Gewalt- und Eigentumskriminalität, besteht (VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0474).

Zu beurteilen bleibt schließlich noch die Frage der Gegenwärtigkeit der Gefahr im Sinne des § 67 FPG, welche kumulativ mit der Erheblichkeit und Tatsächlichkeit vorliegen muss. Der Gesinnungswandel eines Straftäters ist grundsätzlich daran zu prüfen, ob und wie lange er sich in Freiheit wohlverhalten hat (VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0276). Der Beschwerdeführer befindet sich nach vor in Haft und hat in der Beschwerdeverhandlung, wie angesprochen, keinerlei Bedauern für seine Tat erkennen lassen, weshalb auch die Gegenwärtigkeit der von ihm ausgehenden Gefährdung vorliegt.

Dementsprechend geht vom Beschwerdeführer eine erhebliche, tatsächliche und auch gegenwärtige Gefahr iSd § 67 FPG aus. Dies auch unter Zugrundelegung des voraussichtlichen Zeitpunkts der Entlassung aus dem Freiheitsentzug im Jahr 2030, zumal unter Berücksichtigung seiner massiven Straffälligkeit keine Umstände vorliegen, die auf eine Änderung bzw. einen Wegfall der von ihm ausgehenden Gefährdung in diesem Zeitraum schließen lassen würden.

Auch im Lichte der nach § 9 BFA-VG gebotenen Abwägung der privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers mit den entgegenstehenden öffentlichen Interessen ist keine Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes geboten.

Der Beschwerdeführer hat im Vorfeld seiner Festnahme im Bundesgebiet im Mai 2017 und der seitherigen Untersuchungs- und Strafhaft über keinen Wohnsitz im Bundesgebiet verfügt, er war hier nie beruflich tätig und hat keine Kenntnisse der deutschen Sprache. Im Bundesgebiet leben seit einigen Jahren die Ehefrau und die volljährige Tochter des Beschwerdeführers, welche ebenfalls Staatsangehörige Rumäniens sind, wobei die Ehegattin aktuell einer beruflichen Tätigkeit nachgeht. Der Beschwerdeführer hat jedoch mit den Genannten in der Vergangenheit kein gemeinsames Familienleben in Österreich geführt (zumal eine gemeinsame Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet nie vorlag) und befindet sich seit 09.06.2017 durchgehend in Haft. Der Beschwerdeführer wurde im Vorfeld der durch die Covid-19-Pandemie bedingten Einschränkungen fallweise von seiner Ehefrau und Tochter in der Haft besucht, seither liegt lediglich ein telefonischer Kontakt vor. Aufgrund der Schwere des vom Beschwerdeführer gesetzten Fehlverhaltens und seiner massiven Gefährlichkeit müssen dessen persönliche Interessen an einem künftigen gemeinsamen Aufenthalt mit seiner Ehefrau und seiner Tochter im Bundesgebiet gegenüber den öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung jedenfalls zurücktreten. Der Beschwerdeführer befindet sich voraussichtlich noch bis zum Jahr 2030 in Strafhaft und es steht seiner Ehefrau und Tochter offen, den allfälligen Wunsch nach einem künftigen gemeinsamen Familienleben im gemeinsamen Herkunftsstaat Rumänien fortzusetzen. Ebenso müssen die vom Beschwerdeführer genannten Interessen an einer Wiedereinreise in Österreich in Zusammenhang mit seiner früher ausgeübten Tätigkeit für ein rumänisches Speditions-Unternehmen gegenüber den öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung zurücktreten.

Bei der Beurteilung, ob im Falle der Erlassung einer Rückkehrentscheidung (bzw. auch einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes) in das durch Art. 8 MRK geschützte Privat- und Familienleben des oder der Fremden eingegriffen wird, ist eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die auf alle Umstände des Einzelfalls Bedacht nimmt. Bei dieser Abwägung kommt auch dem Umstand Bedeutung zu, dass eine medizinische Behandlung in Österreich vorgenommen wird, die im Einzelfall zu einer maßgeblichen Verstärkung des persönlichen Interesses an einem Verbleib in Österreich führen kann (VwGH 29.2.2012, 2010/21/0310 bis 0314 und 2010/21/0366, mwN).

In Anbetracht der Gesamtumstände im konkreten Einzelfall, nämlich der massiven Straffälligkeit des Beschwerdeführers, welcher die Verbrechen des schweren Diebstahls durch Einbruch sowie des versuchten Mordes binnen weniger Tage verübte, durch die letztgenannte Tat beim Opfer massive Verletzungsfolgen hervorrief, und ansonsten keine maßgeblichen Bindungen im Bundesgebiet aufweist, sowie der verhängten erheblichen unbedingten Freiheitsstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten, kann der Ansicht der Behörde, dass im konkreten Einzelfall die Verhängung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes dringend notwendig ist, um der von seiner Person ausgehenden Gefährdung zu begegnen, auch nach dem in der Beschwerdeverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck nicht entgegengetreten werden.

Zur Versagung des Durchsetzungsaufschubes und Aberkennung der aufschiebenden Wirkung:

Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid weiters gemäß § 70 Abs. 3 FPG keinen Durchsetzungsaufschub erteilt und gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG der Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot die aufschiebende Wirkung aberkannt.

In diesem Zusammenhang genügt es nicht, auf eine – die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtfertigende – Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Fremden zu verweisen, sondern es ist darüber hinaus darzutun, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort – ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens – zu erfolgen hat. Dazu ist es nicht ausreichend, jene Überlegungen ins Treffen zu führen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme selbst maßgeblich gewesen sind. Dies gilt sinngemäß auch für die unter den (im Wesentlichen) inhaltsgleichen Voraussetzungen gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG 2014 mögliche Aberkennung der aufschiebenden Wirkung in Bezug auf die Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot. Es bedarf daher einer über die Erwägungen für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nach § 67 FrPolG 2005 hinausgehenden besonderen Begründung, weshalb die Annahme gerechtfertigt ist, der weitere Aufenthalt des Fremden während der Dauer des Beschwerdeverfahrens gefährde die öffentliche Ordnung oder Sicherheit derart, dass die sofortige Ausreise bzw. Abschiebung des Fremden schon nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides – ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens – erforderlich ist (VwGH 16.01.2020, Ra 2019/21/0360).

Befindet sich der Fremde - voraussichtlich noch für längere Zeit - in Strafhaft, sodass der Eintritt der Durchsetzbarkeit des gegen ihn erlassenen Aufenthaltsverbotes gemäß § 70 Abs. 1 zweiter Satz FPG vorerst für die Dauer des Freiheitsentzuges aufgeschoben ist, so ist darauf Bedacht zu nehmen. Die Frage, ob dem Fremden ein Durchsetzungsaufschub zu gewähren ist oder ob es im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit der sofortigen Ausreise des Fremden bedarf, ist daher bezogen auf den Zeitpunkt der Entlassung aus der Strafhaft zu beantworten (VwGH 12.09.2013, 2013/21/0094).

Zur Nichterteilung des Durchsetzungsaufschubes hat die belangte Behörde im Ergebnis zu Recht ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in Österreich über keine maßgeblichen Bindungen und keine eigene Unterkunft verfügt. Er ging auch keiner Beschäftigung nach und hat somit keine persönlichen Verhältnisse zu regeln. Weiters befindet sich der Beschwerdeführer voraussichtlich bis zum Jahr 2030 in Strafhaft. Ein Wegfall der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung ist, wie an anderer Stelle dargelegt, nicht zu prognostizieren.

Im Ergebnis wurde der Durchsetzungsaufschub zu Recht nicht zuerkannt.

Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer durch die im Bundesgebiet gesetzten strafbaren Handlungen eine hohe Gewaltbereitschaft und Brutalität gezeigt hat, deren Wegfall nicht zu prognostizieren ist. Die im Bundesgebiet vorliegenden familiären Bindungen sowie das vorgebrachte berufliche Interesse an der Möglichkeit zur Einreise vermochten den Beschwerdeführer nicht von der beschriebenen schwerwiegenden Straffälligkeit abzuhalten. Die sofortige Ausreise (nach Ende des Freiheitsentzuges) ist daher im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich, weshalb der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde ebenfalls zu Recht erfolgt ist.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen, umfangreichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch ist diese Rechtsprechung als uneinheitlich zu bewerten. Vielmehr hat sich das Bundesverwaltungsgericht bei der Beurteilung des gegenständlichen Falles an der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aber auch des Europäischen Gerichtshofes orientiert und diese – soweit erforderlich – auch in der Entscheidungsbegründung zitiert. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der gegenständlich zu lösenden Rechtsfragen liegen nicht vor.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot EU-Bürger individuelle Verhältnisse Interessenabwägung öffentliche Interessen strafrechtliche Verurteilung Unionsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W285.2213724.1.00

Im RIS seit

22.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten