TE Bvwg Beschluss 2021/7/5 W124 2238206-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.07.2021
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Entscheidungsdatum

05.07.2021

Norm

BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs4
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch


W124 2238206-2/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. FELSEISEN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Kenia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1.1. Am XXXX wurde der BF einer fremdenpolizeilichen Kontrolle unterzogen und eine Anzeige wegen unbefugten Aufenthaltes nach § 120 FPG erstattet.

2.1. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom XXXX wurde der BF gem. § 54 Abs.1 Z 2 FPG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen.

Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass der Stiefvater des BF arbeitslos sein würde und nicht damit einverstanden sei, dass dieser in dessen Wohnung wohnen würde. Die Mutter des BF habe den Angaben des Stiefvaters zufolge ohne dessen Wissen und ohne dessen Zustimmung der XXXX ihm gehörige Unterlagen vorgelegt habe. Im Zuge derer Befragung habe die Mutter des BF ausgeführt, dass sie aktuell über kein Einkommen verfüge, immer noch verheiratet sei und „keine Scheidung eingereicht worden sei“.

Im konkreten Fall sei zu prüfen gewesen, ob der BF einen Rechtsanspruch auf eine ortsübliche Unterkunft nachweisen könne. Er sei zwar mit Hauptwohnsitz an der Adresse seiner Mutter und seines Stiefvaters gemeldet. Der Stiefvater habe aber darauf hingewiesen, dass es nicht damit einverstanden sei, dass der BF in seiner Wohnung sich aufhalte. Der BF habe keinen Rechtsanspruch, weil es sich bei der im Verfahren vorgelegten Erklärung des Wohnungsinhabers lediglich um eine jederzeit widerrufbare einseitige Erklärung handle.

3.1. In der dagegen eingebrachten Beschwerde führte der VwGH im Erkenntnis Zl. 2007/21/0534-8 vom 12.10.2010 im Wesentlichen aus, dass diese Rechtsansicht allerdings dem Urteil des OGH vom 9. Mai 1985, 7 Ob 576/85 widerspreche. Die belangte Behörde habe schon aus der Erklärung des Stiefvaters, der BF, der nach den Feststellungen in der gemeinsamen Wohnung wohnhaft sei, diese Unterkunft nicht länger benützen dürfe, auf das Fehlen eines Rechtsanspruches auf eine ortsübliche Unterkunft hingewiesen. Dafür, dass es zuvor zwischen der Mutter des BF und seinem Stiefvater kein Einvernehmen gegeben hätte, den BF in deren gemeinsamen Haushalt aufzunehmen und der Stiefvater im Sinne der zitierten Rechtsprechung des OGH von Beginn an nicht damit einverstanden gewesen wäre, dass der BF bei ihm Unterkunft nehmen würde, gebe es weder den Feststellungen noch den Akteninhalt nach Nachweise. Es seien keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass der BF ein Verhalten an den Tag gelegt habe, auf Grund dessen seinen Stiefvater das weitere Zusammenleben mit ihm unzumutbar wäre. Der angefochtene Bescheid wurde in der Folge wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufgehoben.

4.1. Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX wurde der BF gem. § 83 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Wochen nach dem JGG verurteilt.

5.1. Am XXXX stellte der BF einen Antrag auf Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels bei der MA 35, Amt der Wiener Landesregierung. Nach Einholung einer fremdenpolizeilichen Stellungnahme gemäß § 25 Abs. 1 NAG wegen mangelnder Sicherung des Lebensunterhaltes und des mangelnden Vorhandenseins einer alle Risiken abdeckenden Krankenversicherung, teilte die BPD der MA 35 am XXXX mit, dass auf Grund der Länge des Aufenthaltes und der familiären Bindungen kein Verfahren gegen den BF eingeleitet werden würde. Ein Aufenthaltstitel könne erteilt werden. (AS 117).

6.1. In weiterer Folge wurden mehrmalige Aufenthaltstitel erteilt.

7.1. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX XXXX vom XXXX wären dem BF

das Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 StGB,

das Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 StGB

das Vergehen des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 STGB zuzurechnen gewesen, wenn dieser zurechnungsfähig gewesen wäre. Nach der Person des BF, nach seinem Zustand und der Taten sei zu befürchten, dass dieser unter Einfluss seiner geistigen oder seelischen Abartigkeit von höheren Grad eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen würde. Gemäß § 21 Abs. 1 StGB wurde der BF in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

8.1. Dem vom Landesgericht für Strafsachen XXXX nach eingeholten psychiatrisch-neurologischen Sachverständigengutachten vom XXXX wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass beim BF die Erkenntnisfähigkeit zum mutmaßlichen Zeitpunkt auf Grund einer wahnhaften Überzeugung mit Größenideen aufgehoben und die Steuerungsfähigkeit des Verhaltens auf Grund des von der Psychose geleiteten Handelns bei ausgeprägter Impulshaftigkeit nicht mehr gegeben war. Auch in Zukunft besteht beim BF auf Grund seiner paranoiden Schizophrenie, entsprechend einer geistigen oder höheren Abartigkeit höheren Grades, das Risiko einer mit Strafe bedrohten Handlung mit schweren Folgen. Beim BF bestehen klinische Risikofaktoren, eine chronische Wahnsymptomatik, eine fehlende Krankheitseinsicht und das wiederholte Absetzten der Medikamente nach Entlassung oder Behandlungsabbruch im Vordergrund. Da die aktuelle Krankheitsepisode noch nicht ausbehandelt sein würde, könne aus medizinischer Sicht nur eine vorläufige Gefährlichkeitsprognose durchgeführt werden und dem aktuellen Zustandsbild ausgehe.

9.1. Am XXXX teilte das BFA der Landespolizeidirektion XXXX mit, dass das BFA auf Grund der rechtskräftigen Verurteilung des BF eine aufenthaltsbeendende Maßnahme einleiten und prüfen würde. Angefragt wurde in diesem Zusammenhang u.a. ob bekannt sei, inwiefern der BF auf Grund des Umstandes, dass dieser an einer paranoiden Schizophrenie leide, einen Erwachsenenvertreter habe bzw. einen solchen benötigen würde.

10.1. Am XXXX teilte das Referat der polizeilichen Verbindungsstelle dem BFA mit, dass sich bezüglich der Erwachsenenvertretung des BF kein diesbezüglicher Vermerk in den Unterlagen befinden würde und auch eine Anfrage bei der Justizanstalt XXXX negativ verlaufen sei.

11.1. In der Folge wurde dem BF am XXXX persönlich eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme mit der Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme innerhalb von 14 Tagen übermittelt. Gleichzeitig wurde der BF zur Beurteilung seiner persönlichen Verhältnisse aufgefordert entsprechende Fragen zu beantworten bzw. entsprechende Belege zur Vorlage zu bringen.

12.1. Mit Schreiben vom XXXX wurden von Seiten des BF die Antworten der an ihn gerichteten Fragen an das BFA rückübermittelt.

13.1. Am XXXX teilte die Staatendokumentation dem BFA auf Anfrage, ob in Kenia einerseits eine paranoide Schizophrenie und Cannabisabhängigkeit behandelbar sei und andererseits vom BFA aufgezählte Medikamente bzw. Wirkstoffe in Kenia erhältlich sein würden mit, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt seriöse Informationen zu den Auswirkungen der Pandemie auf das Gesundheitswesen, auf Versorgungslage sowie auf die Bewegungs-, und Reisefreiheit der BürgerInnen nur eingeschränkt zusammengestellt werden könnten.

Den nachfolgend zitierten Quellen sei zu entnehmen, dass stationäre Behandlung durch einen Psychiater, psychiatrische ambulante Langzeitbehandlung durch einen Psychiater, psychiatrische Behandlung der Drogenabhängigkeit (ambulante Versorgung), psychiatrische Behandlung der Drogenabhängigkeit in einer spezialisierten Klinik (Rehab) und psychiatrische klinische Langzeitbehandlung (z.B. für chronisch psychotische Patienten) verfügbar seien. Ebenso würden alle angefragten Wirkstoffe und diverse Alternativen verfügbar sein.

14.1. Mit gegenständlich angefochtenen Bescheid des BFA wurde gegen den BF gemäß § 52 Abs. 4 FPG idgF, iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Kenia zulässig sei (Spruchpunkt II.) und dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für seine freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt III.). Gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV), sowie gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein befristetes Einreiseverbot für die Dauer von 7 Jahren erlassen.

Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass der BF in Österreich vom Landesgericht für Strafsachen XXXX schuldig gesprochen worden sei und er wegen dem Verbrechen der schweren Körperverletzung und Widerstand gegen die Staatsgewalt verurteilt worden sei. Der BF habe dadurch die Grundinteressen der Gesellschaft am Schutz der Gesundheit, des persönlichen Eigentums und Wahrung des sozialen Friedens massiv verletzt. Auf Grund der strafrechtlichen Verurteilung stehe der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 NAG entgegen. Aus dem Gesamtverhalten sei der Schluss zu ziehen, dass vom BF eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr ausgehe, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre und ein Verbleib im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung der Republik nachhaltig und maßgeblich gefährden würde.

Soweit durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat-, oder Familienleben des Fremden eingegriffen werden würde, sei die Erlassung gem. § 9 Abs. 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sein würde. Der BF würde seit dem XXXX über eine behördliche Meldung verfügen und sich seit dem XXXX rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und seit vielen Jahren über eine Niederlassungsbewilligung als Familienangehöriger verfügen.

In Österreich habe der BF kein ausgeprägtes Familienleben, sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Seine Mutter, die bereits vor Jahren nach Österreich eingereist sei, würde sich im Bundesgebiet aufhalten. Dieser stehe es im Falle der Rückkehr des BF nach Kenia frei ihn dort zu besuchen. Außerdem könne diese über die sozialen Medien mit ihm in Kontakt bleiben. Weitere Angehörige würden außerhalb von Österreich leben. Eine Integration habe ebenso wenig festgestellt werden können, nachdem der BF hierzu keine Beweismittel in Vorlage gebracht habe. Da der BF weder einer dauerhaften Erwerbstätigkeit nachgehen würde noch versichert sein würde und über keine Existenzmittel verfügen könne, müsse davon ausgegangen werden, dass keine Integration bestehe, die einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würde.

Auf Grund seiner rechtmäßigen Aufenthaltsdauer habe zweifelsohne ein Privatleben aus sozialen Bindungen und anderen Interessen bestanden. Dieses würde jedoch durch das Vergehen des BF relativiert. Das Privatleben würde in Anbetracht der Schwere der Straftat des BF in den Hintergrund treten. Integrationsleistungen (Deutschkenntnisse, Beruf, Familie) habe der BF nicht in Vorlage gebracht. Auf dem Arbeitsmarkt habe der BF nicht nachhaltig Fuß fassen können. Engere bzw. unauflösliche familiäre Bindungen habe der BF nicht angeführt. Er sei weder sozial noch kulturell integriert. Seine Bindungen zum Herkunftsstaat, in welchen er die meiste Zeit seines Lebens verbracht habe, würden daher überwiegen. Er spreche nach wie vor die Landessprache seines Herkunftslandes und habe sich wiederholt in den Jahren 2011 und XXXX in der Heimat zu Urlaubszwecken aufgehalten.

Zwar habe der BF sein Privat-, und Familienleben in einer Zeit begründet, in welcher der BF bereits sein Aufenthaltsrecht in Österreich gehabt habe. Dem BF habe jedoch stets klar sein müssen, dass massives strafrechtliches Fehlverhalten zu einem Verlust des Aufenthaltsrechtes führen könne und er Österreich unter Umständen wieder verlassen müsse, wenn entsprechend schwerwiegendes Fehlverhalten gesetzt worden sei.

Rechtlich wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der EGMR eine Übersiedelung des Fremden in seinen Heimatstaat nicht als übermäßige Härte für die Familienangehörigen erachten würde, solange der Kontakt des Fremden zu seinen Familienangehörigen auch von seinem Heimatland aus aufrechterhalten werden könnten (Urteil EGMR 11.4.2006, Nr. 61292/00, Useinov gegen Niederlande; VwGH 7.7.2009, 2009/18/0215).

Nachdem der BF ledig sein würde und bis auf seine Mutter keine weiteren Angehörigen bekannt sein würden, bestehe kein Eingriff in sein Familienleben, der einer Rückkehrentscheidung entgegenstünden würde. Im Falle des BF sei dieser Eingriff zulässig und notwendig. Zudem bestehe in keinster Weise ein Abhängigkeitsverhältnis und würde der BF als erwachsener Mann rechtlich und existenzmäßig nicht auf die Anwesenheit anderer angewiesen sein.

Der VwGH gehe in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen sei (vgl. VwGH vom 26.01.2017, Ra 2016/21/0168). Umgekehrt habe der VwGH in mehreren Entscheidungen zum Ausdruck gebracht, dass ungeachtet eines mehr als zehnjährigen Aufenthaltes und des Vorhandenseins gewisser integrationsbegründender Merkmale auch gegen ein Überwiegen der persönlichen Interessen bzw. für ein größeres öffentliches Interesse an der Verweigerung eines Aufenthaltstitels sprechende Umstände in Anschlage gebracht werden könnten. Dazu zählen das Vorliegen einer strafgerichtlichen Verurteilung (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 30. Juni 2916, Ra 2016/21/0165 und vom 10. November 2015, Ro 2015/19/0001), Verstöße gegen Verwaltungsvorschriften (wie etwa AuslBG; Erk. vom 16. Oktober 2012, 2012/18/0062), eine zweifache Asylantragstellung (vgl. den Beschluss vom 20. Juli 2016, Ra 2016/22/0039), unrichtige Identitätsangaben, sofern diese für die lange Aufenthaltsdauer kausal waren (vgl. die zitierten Erkenntnisse Ra 2015/21/0249 bis 0253 sowie Ra 2016/21/0165) sowie die Missachtung melderechtlicher Vorschriften (vgl. Erkenntnis vom 31. Jänner 2013, 2012/23/0006).

Im gegenständlichen Fall sei zwar die Aufenthaltsdauer von zehn Jahren überschritten, nachdem der BF laut Auszug des ZMR seit XXXX im Bundesgebiet gemeldet sein würde. Es würden jedoch schwerwiegende strafrechtliche Verurteilungen überwiegen und habe der BF keine Integrationsschritte gesetzt. Der BF würde weder einer Arbeit nachgehen noch versichert sein. Es hätten kaum Integrationsbemühungen festgestellt werden können und habe dieser auch keine in Vorlage gebracht. Am Arbeitsmarkt sei der BF nicht integriert, da er den überwiegenden Teil seines Aufenthaltes Arbeitslosengeld und Notstandshilfe bezogen habe. Zudem sei der BF rechtskräftig verurteilt worden.

Festgestellt werden müsse, dass es auch Aufgabe der Behörde sei die legale Migration zu schützen und gegen all diejenigen vorzugehen sei, die ihre Niederlassung zur Begehung von Straftaten missbrauchen würden. Im Hinblick auf den Umstand, dass der BF den prägenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht habe, dort sozialisiert worden und zur Schule gegangen sei, sei davon auszugehen, dass anhaltende Bindungen zum Herkunftsstaat bestehen würden, zumal er die Sprache von diesem beherrschen würde. In Abwägung sei dem Interesse der Öffentlichkeit an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens und der öffentlichen Ordnung und Sicherheit mehr Gewicht einzuräumen als einen bloß höchst oberflächlichen privaten Interessen.

Weder aus den Feststellungen zur Lage im Zielstaat noch aus seinem Vorbringen hätte sich eine Gefährdung im Sinne des Art 2 oder 3 EMRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe ergeben. Der BF sei in Kenia geboren und habe dort die prägenden Lebensjahre verbracht. Er sei dort „erstsozialisiert“ worden und würde der BF mit den Gepflogenheiten des Landes vertraut sein. Bindungen nach Kenia würden nach wie vor vorhanden sein, sodass von keiner totalen „Entfremdung“ oder „Entwurzelung“ ausgegangen werden könne.

Gemäß § 50 Abs. 2 FPG würde eine Abschiebung auch dann unzulässig sein, wenn dem Fremden die Flüchtlingseigenschaft zukommen hätte sollen. Der BF habe keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt und würden derartige Gründe auch nicht ersichtlich sein. Es sei auch keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme der Unzulässigkeit einer Abschiebung durch den EGMR ergangen.

Es sei somit auszusprechen, dass im Falle der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung sowie bei Vorliegen der in § 46 Abs. 1 Z 1 bis 4 FPG genannten Voraussetzungen ihre Abschiebung nach „Bosnien und Herzegowina“ zulässig sei. Es würden keine Gründe vorgebracht, welche eine Abschiebung in sein Herkunftsland unzulässig erscheinen lassen würden.

Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG gegen eine Beschwerde einer Rückkehrentscheidung würde sich im gegenständlichen Fall auf § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG stützen. Begründend wurde dies insbesondere damit, dass der BF weder vor Rechtsgütern anderer Personen noch vor deren Unversehrtheit zurückschrecken würde. Der BF habe die Verletzung anderer Personen billigend in Kauf genommen. Zudem würde es sich bei schwerer Körperverletzung und Bedrohung von Leib und Leben um ein besonders schwerwiegendes Verbrechen handeln, bei dem die Wiederholungsgefahr besonders hoch sein würde und einer großen „Sozialschädlichkeit“ anhaften würde. Das Motiv dafür müsse als besonders verwerflich angesehen werden. Es sei zur Aufbesserung der Finanzen begangen worden, anstatt sich eine dauerhafte und ordentlich bezahlte Anstellung zu suchen. Im Falle des BF bestehe die Gefahr, dass der BF zur Finanzierung seines Lebensunterhaltes wieder Straftaten begehen würde. Es sei nicht ersichtlich, weshalb sich sein bisheriges Fehlverhalten in Zukunft ändern bzw. bessern solle. Die Ausreise sei im überwiegenden öffentlichen Interesse ohne unnötigen zeitlichen Aufschub vorzunehmen und stelle ein unkalkulierbares Risiko dar. Dies würde bedeuten, dass der BF mit dem Zeitpunkt der Durchführbarkeit dieser Rückkehrentscheidung zur unverzüglichen freiwilligen Ausreise verpflichtet sein würde. Komme er dieser Verpflichtung nicht zeitgerecht nach, so könne der BF auch unter den in § 46 Abs. 1 Z 1 bis 4 FPG genannten Voraussetzungen zur Ausreise verhalten werden.

15.1. Gegen diesen Bescheid des BFA wurde fristgerecht durch den Vertreter des BF Beschwerde erhoben. Hierin wurde zusammenfassend ausgeführt, dass dem BF am XXXX eine Aufforderung zur Stellungnahme zur beabsichtigen Vorgehensweise und zum Privat-, und Familienleben geschickt worden sei und der BF dieser Aufforderung nachgekommen sei. Angemerkt wurde des weiteres, dass sich der BF seit dem Jahr XXXX im Bundesgebiet aufhalten würde und ihm am XXXX erstmals ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte Plus“ von der MA 35 erteilt und in weiterer Folge mehrmals verlängert worden sei. Dem BF sei der Aufenthaltstitel zuletzt am XXXX ausgestellt worden. Seine Mutter und zwei Kinder würden in Österreich leben. Der BF habe ein sehr gutes und enges Verhältnis mit seiner Mutter. Die Tatsache, dass er zwei Kinder in Österreich habe sei im Bescheid weder erwähnt noch berücksichtigt worden. Der Lebensmittelpunkt des BF würde sich in Österreich befinden. Er habe die Hauptschule positiv abgeschlossen und habe nach dieser keine Arbeitserlaubnis gehabt. Als der BF dann den entsprechenden Aufenthaltstitel gehabt hätte, sei seine psychische Erkrankung zum Vorschein gekommen. Seit ca. 15 Jahre würde er in Österreich leben und nur zu Urlaubszwecken nach Kenia reisen. Von einer Verfestigung in Kenia könne nicht gesprochen werden.

Die Abschiebung nach Kenia und das mit 7 Jahren befristete Einreiseverbot würden einen massiven Eingriff in das Privat-, und Familienleben iSd Art 8 EMRK des BF darstellen, zumal das Einreiseverbot mit der zwingenden Eintragung in das SIS einhergehe. Zur Höhe des Einreiseverbotes wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass eine solche erhebliche Gefahr vom BF nicht ausgehe, dass dieser mit einem auf Dauer von 7 Jahren befristeten Einreiseverbot entgegenzuwirken sei. Die belangte Behörde habe unzureichend begründet, warum die Erlassung eines Einreiseverbotes in der Dauer von sieben Jahren gerechtfertigt und notwendig sei. Es berufe sich lediglich auf die Verurteilung des BF.

Dieser würde sein Verhalten bereuen und sich im Maßnahmenvollzug befinden. Schrittweise würde dieser in das therapeutische Angebot eingebunden sein und würde sich laut dem sozialen Dienst absolut „compliant“ verhalten. Der BF würde in Zukunft auf die richtige Medikation sowie auf ein unterstützendes, stabilisierendes Betreuungssetting angewiesen sein. Ein geeignetes, strukturiertes und notwendiges „Nachsorgesetting“ könne die vorhandenen Risikofaktoren kompensieren und damit die Gefährlichkeit abbauen.

Der BF habe entgegen der Meinung der belangten Behörde weder Arbeitslosengeld noch Notstandshilfe bezogen. Für den Lebensunterhalt habe immer die Mutter des BF gesorgt. Diese sei auch wieder bereit dem BF Unterkunft zu geben und für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, solange es ihm gesundheitlich nicht gut gehen würde. Beim BF handle es sich um die erste Verurteilung des BF in Österreich. Die belangte Behörde habe sich hinsichtlich der zu erstellenden Zukunftsprognose nicht ausreichend auseinandergesetzt. In eventu würde die angemessene Herabsetzung der Höhe des Einreiseverbotes beantragt.

Des weiteres wurde auf die Judikatur des VwGH vom 25.01.2018, Ra 2017/0200, verwiesen, wonach bei Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zukommt und zwar sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung der nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände (vgl. etwa VwGH 25.01.2018, Ra 2017/0200).

2.1. Mit Beschluss des BVwG vom XXXX wurde der angefochtene Bescheid des BFA aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen.

In den Feststellungen wurde im Wesentlichen festgehalten, dass das BFA keine ausreichenden Ermittlungen getroffen habe, inwieweit der BF auf Grund seiner medizinisch indizierten Krankheit der paranoiden Schizophrenie und Cannabisabhängigkeit über die entsprechende Prozessfähigkeit verfüge Verfahrenshandlungen durchzuführen ohne einen Erwachsenenvertreter bestellen zu müssen.

Das BFA habe keine ausreichenden Ermittlungen betreffend der privaten bzw. familiären Verhältnisse des BF in Österreich vorgenommen. Insbesondere sei das BFA davon ausgegangen, dass im Falle des BF keine Gründe vorliegen würden, die Art. 2 oder Art 3 der EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder 13 zur Konvention zum Schutz der Menschrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzen würden.

Das BFA habe es im durchgeführten Ermittlungsverfahren diesbezüglich verabsäumt die entsprechende Grundlage für eine umfassende abschließende Beurteilung entsprechend zu hinterfragen. Darüber hinaus habe das BFA die persönlichen Verhältnisse des BF nicht vollständig ermittelt und seine Entscheidung in wesentlichen Punkten auf diesbezüglich unvollständige und nicht schlüssige Ermittlungsergebnisse gestützt.

Aufgrund des Inhaltes des vorliegenden Verwaltungsaktes könne im gegenständlichen Beschwerdeverfahren nicht geklärt werden, ob eine Außerlandesbringung des BF einen unzulässigen Eingriff in besonders durch Art. 2,3 und 8 EMRK geschützte Rechte darstellt.

2.2. Zur Beweiswürdigung wurde ausgeführt, dass sich der angeführte entscheidungswesentliche Sachverhalt auf den Inhalt der Akten der belangten Behörde und des BVwG. Stützen würde. Zweifel an der Richtigkeit dessen seien nicht hervorgekommen bzw. vorgebracht worden.

Dass der BF bereits einmal in Österreich straffällig geworden sei und er nunmehr wegen der §§83 Abs.1, 15; 83 Abs. 1, 84 Abs. 2, 15; 15, 269 Abs. 1; 127; 125 StGB verurteilt worden sei und gleichzeitig in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs. 1 StGB eingewiesen worden sei, ergebe sich aus dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX .

2.3. Die belangte Behörde habe im gegenständlichen Fall in wesentlichen Punkten geeignete Ermittlungen unterlassen und nur ansatzweise ermittelt. Abgesehen davon, dass die Behörde dem BF die Feststellungen zur Lage in seinem Herkunftsstaat, wie schon im Verfahrensgang erwähnt, zu keinem Zeitpunkt vorgehalten habe, womit diese §§ 43 Abs. 3 und 45 Abs. 3 AVG außer Acht gelassen habe, begnüge sich das BFA in ihren Feststellungen im angefochtenen Bescheid diesbezüglich mit Länderinformationen, welche schon seit längeren nicht mehr dem aktuellen Stand entsprechen würden.

Aus den dem BFA vom XXXX vorgelegten psychiatrisch-neurologischen Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie ergebe sich, dass der BF aus psychiatrischer Sicht an einer paranoiden Schizophrenie (F 20.0 nach ICD 10) und einer Cannabisabhängigkeit (F12.2 nach ICD 10), welche mit religiös wahnhafter Realitätsverarbeitung, Antriebssteigerung und erhöhter Impulsivität und dysphorischer Stimmungslage gepaart sei, leide. Prognostisch würden bei dem BF klinische Risikofaktoren, Abhängigkeit von Cannabis, chronische Wahnsymptomatik, fehlende Krankeneinsicht und das wiederholte Absetzen von Medikamenten nach Entlassung im Vordergrund stehen. Die aktuelle Krankheitsepisode könne nicht als ausbehandelt angesehen werden. Es könne nur eine vorläufige Gefährlichkeitsprognose durchgeführt werden und keine abschließende Aussage getroffen werden.

Zwar sei offenbar am XXXX im Hinblick des Ergebnisses dieses psychiatrischen Gutachtens vom XXXX eine Anfrage an die polizeiliche Verbindungsstelle der Justizanstalt XXXX ob dieser bekannt sei, ob der BF einen sogenannten „Erwachsenenvertreter“ benötige oder über einen solchen bereits verfügen würde, getätigt worden. Aus dem entsprechenden Antwortschreiben, dass sich den Unterlagen nach kein diesbezüglicher Vermerk entnehmen lassen würde und auch eine Anfrage bei der JA XXXX negativ verlaufen wäre, habe sich allerdings nicht zweifelfrei entnehmen lassen, inwiefern dafür die Notwendigkeit der Bestellung eines solchen bestehe bzw. von einer solchen trotz der von der Sachverständigen festgestellten Krankheit abgesehen werden habe können und dieser in der Lage sei Verfahrenshandlungen selbst vorzunehmen.

Das Fehlen der Prozessfähigkeit sei nach § 9 AVG jedenfalls als Vorfrage in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen. Die Behörde habe somit bei Zweifeln über die Handlungsfähigkeit des Betroffenen die Frage von Amts wegen zu prüfen, ein entsprechendes Ermittlungsverfahren zu führen- idR durch Einholung eines Sachverständigengutachtens- und entsprechende begründete Feststellungen zu treffen, dies bezogen auf die verfahrensrelevanten Zeiträume. Je nach dem Ergebnis dieser Prüfung habe die Behörde nach § 11 AVG vorzugehen oder das Verfahren mit der betreffenden Person durchzuführen (Hinweis Erkenntnisse vom 6. Juli 2015, Ra 2014/02/0095, vom 14. Dezember 2012, 2011/02/0053, sowie vom 13. Oktober 2005, 2004/18/0221).

Dem Akteninhalt nach könne jedenfalls nicht entnommen werden, dass in der Zeit zwischen der Erstellung des psychiatrischen Gutachtens vom XXXX und der Erlassung des gegenständlichen Bescheides des BFA ein entsprechendes Sachverständigengutachten eingeholt worden sei, welches eine Aussage darüber zugelassen hätte, dass der BF trotz seiner medizinisch indizierten Krankheit entsprechend handlungsfähig gewesen wäre bzw. an der Handlungsfähigkeit soweit eingeschränkt gewesen wäre entsprechende Verfahrenshandlungen vorzunehmen.

Die Frage der Handlungsfähigkeit und somit auch jene der Prozessfähigkeit sei nach der Rechtsprechung des VwGH aber von der Behörde als Vorfrage (iSd § 38 AVG) zu beurteilen (Hinweis E vom 13. Oktober 2005, 2004/18/0221, mwN). Einen Mangel der Prozessfähigkeit habe sie in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen (Hinweis E vom 20. Februar 2013, 2010/11/0062). Mangelt es einem Adressaten einer Verfahrenshandlung (insbesondere auch eines Bescheides) in Bezug auf den Verfahrensgegenstand an der Prozessfähigkeit, so gehe die Verfahrenshandlung insofern ins Leere, als sie diesem Adressaten gegenüber keinerlei Rechtswirkungen entfaltet Die Behörde könne diesfalls Verfahrenshandlungen rechtswirksam nur gegenüber dem gesetzlichen Vertreter setzen.

Im gegenständlichen Fall sei dem BF in der Folge persönlich am XXXX eine Verständigung der Beweisaufnahme und Fragen zu seinen persönlichen Verhältnissen mit der Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme innerhalb von 14 Tagen übermittelt worden, welche mit Antwortschreiben vom XXXX dem BFA rückübermittelt worden seien. Inwiefern der BF sowohl im Zeitpunkt der Zustellung des Parteiengehörs als auch bei der diesbezüglichen Beantwortung über die notwendige Dispositionsfähigkiet verfügt habe, habe sich mangels entsprechenden Sachverständigengutachten nicht beurteilen lassen.

Unabhängig von der Frage der Prozessfähigkeit des BF sei in der eingebrachten Beschwerde zu Recht darauf hingewiesen worden, dass der VwGH in seiner Rechtsprechung wiederholt ausgeführt habe, dass bei Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zukomme und zwar sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung der nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände (vgl. etwa VwGH 25.01.2018, Ra 2017/21/0200). Im gegenständlichen Fall sei nicht erkennbar aus welchen Gründen von einer niederschriftlichen Einvernahme abgesehen worden sei und habe sich dieses darauf beschränkt das Ergebnis der Beweisaufnahme zu übermitteln und dem BF schriftlich Fragen zu seinem Privat-, und Familienleben zu stellen.

In diesem Zusammenhang sei festzuhalten, dass die Behörde im Rahmen der rechtlichen Beurteilung der erlassenen Rückkehrentscheidung u.a. ausgeführt habe, dass der BF in Österreich nicht die Zeit genutzt habe sich gut zu integrieren und keine Integrationsbemühungen festgestellt werden hätten können bzw. dieser auch keine Nachweise in Vorlage gebracht habe. Am Arbeitsmarkt würde der BF nicht integriert sein, da er den überwiegenden Teil seines Aufenthaltes Arbeitslosengeld und Notstandshilfe bezogen habe. Zudem sei der BF bereits rechtskräftig strafrechtlich verurteilt worden. Den genannten persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt in Österreich würde die daraus resultierende Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen gegenüberstehen. In Abwägung dessen sei dem Interesse der Öffentlichkeit an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens und der öffentlichen Ordnung und Sicherheit mehr Gewicht einzuräumen als den bloß oberflächlichen privaten Interessen des BF.

Zwar schließe das BVwG nicht aus, dass es bei einer entsprechend vorzunehmenden Abwägung im Entscheidungszeitpunkt zu dem in der Begründung des gegenständlichen Bescheides beschriebenen Ergebnis kommen könne. Dies entledige die Behörde allerdings grundsätzlich nicht (unter der Voraussetzung der Prozessfähigkeit des BF) von einer Einvernahme des BF abzusehen, als dies von entscheidungsrelevanter Bedeutung sein könne. Die Frage der Intensität der privaten und familiären Bindungen in Österreich könne nach der Judikatur des VwGH nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen reduziert werden, sondern komme der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände besondere Bedeutung zu (zuletzt Ra 2017/22/0007 vom 27.07.2017 mit Hinweis auf Ra 2014/22/0181 vom 23. Juni 2015).

Unstimmigkeiten hätten sich überdies auch im Hinblick der vom BFA herangezogenen Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom XXXX hinsichtlich der Behandelbarkeit der paranoiden Schizophrenie und Cannabisabhängigkeit des BF in seinem Herkunftsstaat ergeben. Einerseits sei darin zu entnehmen, dass stationäre Behandlungen durch einen Psychiater bzw. psychiatrische klinische Langzeitbehandlungen im Herkunftsstaat des BF verfügbar sein würden, anderseits würde darin ausgeführt werden, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine seriösen Informationen zu den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf das Gesundheitswesen sowie auf die Bewegungs-, und Reisefreiheit gemacht werden könnten. Insofern würde im gegenständlichen Fall offen bleiben, ob dem BF tatsächlich eine entsprechende Unterbringung in einer adäquaten Einrichtung zu Teil kommen würde und würden diesbezüglich ergänzende Ermittlungen einzuholen sein.

Zwar habe kein Fremder ein Recht in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leiden würde. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig sei, schwerer zugänglich oder kostenintensiver sei, sei unerheblich, allerdings müsse der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sei (Urteil des EGMR vom 13. Dezember 2016, Nr. 41738/10, Papshvilli gegen Belgien, Rz 189 ff). Insofern würden im gegenständlichen Fall die im Urteil angeführten Parameter noch einer näheren Erörterung bedürfen, um eine abschließende Beurteilung im Sinne der Judikatur des EGMR vornehmen zu können.

Im Übrigen sei auch der vom BFA gezogene Schluss, dass der BF nach wie vor anhaltende Bindungen zum Herkunftsstaat habe, weil er den prägenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht habe, dort sozialisiert worden und zur Schule gegangen sei, nicht nachvollziehbar. Eigenen Feststellungen des BVwG zum Aufenthalt des BF nach befinde sich dieser bereits seit dem Jahr XXXX in Österreich, sodass alleine der Umstand, dass der BF nach wie vor die Sprache des Herkunftsstaates beherrsche, noch keinen abschließenden Rückschluss auf entsprechende Bindungen zulasse und daher ebenso einer eingehenden Erörterung mit dem BF bedürfe.

Unstimmigkeiten würden sich überdies auch hinsichtlich der Feststellung der mangelnden Integrationsleistungen auf Grund der fehlenden Vorlage entsprechender Nachweise ergeben. Abgesehen davon, dass im Verfahren nicht hervorgekommen sei, inwieweit der BF auf Grund seiner derzeitigen Anhaltung daran gehindert gewesen sei entsprechende Unterlagen vorzulegen bzw. diese anderweitig beigeschafft werden hätten können, hätte sich das BFA in einer niederschriftlichen Einvernahme einen persönlichen Eindruck darüber verschaffen können, inwieweit dieser die deutsche Sprache beherrschen würde, als der BF u.a. im Zuge der Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme auf die guten Deutschkenntnisse im Hinblick seines Schulabschlusses verwiesen habe. Überdies würde in den rechtlichen Ausführungen angenommen werden, dass der BF als erwachsener Mann sowohl rechtlich und existenzmäßig nicht auf die Anwesenheit anderer Personen angewiesen sein würde, was aber das BFA nicht davon entbunden habe sich mit den aktuellen familiären Verhältnissen genauer auseinanderzusetzen. Im Zuge einer fremdenpolizeilichen Anfrage der MA 35, Amt der Wiener Landesregierung, im Jahr XXXX , habe die Bundespolizeidirektion XXXX bereits seinerzeit u.a. wegen der Länge der Aufenthaltsdauer des BF in Österreich und der familiären Bindungen von aufenthaltsbeenden Maßnahmen des BF abgesehen, wenngleich zu dem damaligen Zeitpunkt noch keine strafgerichtlichen Verurteilungen im Ausmaß zum jetzigen Zeitpunkt vorgelegen seien.

2.4. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX wurde das sogenannte Erwachsenenschutzverfahren hinsichtlich des BF eingestellt. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass die Voraussetzungen für die Fortführung des Verfahrens nicht vorliegen würden. Der BF sei auf Grund des derzeit bestehenden stabilen Zustandsbildes, welches auf die regelmäßige Medikamenteneinnahme, welche vom BF akzeptiert werden würde, zurückzuführen sei, entscheidungsfähig. Darüber hinaus könne er mit der ihm zur Verfügung stehenden Unterstützung, welche er annehmen würde, seine Angelegenheiten selbständig erledigen. Da der BF derzeit mit Unterstützung seine Angelegenheiten erledigen könne, sei unter Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips, wonach ein Erwachsenenvertreter nicht tätig werden dürfe, wenn die betroffene Person entsprechend unterstützt werden würde, das Erwachsenenschutzverfahren (neuerlich) einzustellen.

2.5. Mit Bescheid vom XXXX wurde gegenüber dem BF gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Kenia zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt III.). Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG idgF, die aufschiebende Wirkung aberkannt. (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den BF die Dauer von 7 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. (Spruchpunkt V).

2.6. In der dagegen eingebrachten Beschwerde wurde angeregt die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Begründet wurde die Beschwerde u.a. damit, dass mit Beschluss des BVwG vom XXXX , der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen worden sei.

Des weiteres wurde darauf verwiesen, dass im Beschluss des BVwG angeführt worden sei, dass keine ausreichenden Ermittlungen getroffen worden seien, inwieweit der BF auf Grund seiner medizinisch indizierten Krankheit der paranoiden Schizophrenie und Cannabisabhängigkeit über die entsprechende Prozessfähigkeit verfügen würde. Es seien keine ausreichenden Ermittlungen betreffend der privaten und familiären Verhältnisse des BF in Österreich vorgenommen worden. Außerdem seien keine ausreichenden Ermittlungen über das Vorliegen von Gründen, die Art 2 oder 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe angestrengt worden und keine aktuellen Länderinformationen vorgehalten worden. Man habe keine persönliche Einvernahme durchgeführt, um sich für die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen persönlichen Eindruck zu verschaffen. Nicht ermittelt worden sei, ob dem BF tatsächlich eine entsprechende Unterbringung in einer adäquaten Einrichtung in Kenia zu Teil kommen würde, weshalb diesbezüglich ergänzende Ermittlungen einzuholen seien.

Das BFA habe im fortgesetzten Verfahren lediglich veranlasst, dass das BG XXXX in einem „Pflegschaftsverfahren“ über das „Zur-Seite-Stellen“ eines Erwachsenenvertreters abgesprochen habe. Mit Beschluss des BG XXXX sei das Verfahren eingestellt worden, da der BF als selbständig entscheidungsfähig eingestuft worden sei. Die restlichen im Beschluss des BVwG vom XXXX erwähnten ergänzenden Ermittlungsschritte seien vom BFA im fortgesetzten Verfahren schlichtweg ignoriert worden. Stattdessen sei mit Bescheid vom XXXX von der Erstbehörde ein praktisch inhaltsgleicher Bescheid erlassen worden und gegen den BF eine Rückkehrentscheidung, die die Abschiebung nach Kenia für zulässig erklärt habe und ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen worden.

Dem BF sei erstmals am XXXX ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte Plus“ von der Magistratsabteilung 35 erteilt und in weiterer Folge mehrfach verlängert worden. Die Mutter des BF und dessen zwei Kinder würden in Österreich leben. Mit seiner Mutter habe er ein sehr gutes und enges Verhältnis. Zweimal in der Woche würde mit dieser telefoniert werden und diese ihn vor Erlassung der Covid-Schutz-Maßnahmen auch persönlich in der Haft besucht haben. Die Tatsache, dass der BF zwei Kinder in Österreich habe, sei auch im zweiten Bescheid weder erwähnt noch berücksichtigt worden.

Der VwGH gehe in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen sei (vgl. VwGH vom 26.01.2017, Ra 2016/21/0168).

Hinsichtlich der behaupteten „besonderen Verwerflichkeit der Tat“ sei darauf hinzuweisen, dass der BF die Tat in einem die Zurechenbarkeit ausschließenden Zustand begangen habe, weshalb auch eine Anhaltung im Maßnahmenvollzug verfügt worden sei. Der BF sei nun im „klaren Zustand“ seiner Schuld und des Unrechts seiner Tat bewusst und würde dies zutiefst bereuen. Er habe sich im Zuge des Maßnahmenvollzugs stets kooperativ gezeigt und sehr gut entwickelt und sei in Erwartung der nächsten Lockerungsstufe.

Eine vom BFA angenommene erhebliche Gefahr, mit der mit einem siebenjährigen Einreiseverbot entgegenzuwirken sei, gehe vom BF nicht aus. Das BFA habe unzureichend begründet, warum die Erlassung eines Einreiseverbotes in dieser Dauer gerechtfertigt sein würde. Außerdem gehe das BFA aktenwidriger Weise von einer mehrfachen Vorstrafe des BF aus.

Der BF würde sich laut dem sozialen Dienst absolut „compliant“ verhalten. Der BF würde in Zukunft dauerhaft auf die richtige Medikation, sowie auf ein unterstützendes, stabilisierendes Betreuungssetting angewiesen sein. Eine derartige Nachbehandlungsmöglichkeit würde in Kenia nicht verfügbar sein.

Entgegen der Meinung des BFA habe der BF weder Arbeitslosengeld noch Notstandshilfe bezogen. Der Lebensunterhalt sei immer von der Mutter des BF, als seine wichtigste Bezugsperson, geleistet worden. Die Mutter des BF sei auch bereit diesem wieder Unterkunft zu geben und für seinen Lebensunterhalt solange zu sorgen, solange es ihm gesundheitlich nicht gut gehen würde.

Für den Fall, dass dennoch vom Vorliegen der Voraussetzungen für die Verhängung eines Einreiseverbotes ausgegangen werden würde, beantrage der BF in eventu die Höhe des BF angemessen herunterzusetzen. Der VwGH habe in seiner Rechtsprechung wiederholt darauf hingewiesen, dass bei Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen der Verschaffung des persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zukomme und zwar sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die Abwägung der nach Art 8 EMRK relevanten Umstände (vgl. etwa VwGH 25.01.2018, Ra 2017/0200).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Das BFA hat den entsprechenden Rechtszustand des Verwaltungsgerichtes unter Berücksichtigung des ergangenen Beschlusses des BVwG vom XXXX nicht hergestellt.

Zwar ist zwischenzeitig mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX das sogenannte Erwachsenenschutzverfahren eingestellt worden und wird dem BF gegenwärtig insoweit zugebilligt seine Angelegenheit mit entsprechender Unterstützung selbst durchführen zu können, doch bleiben unabhängig davon die darüber hinaus aufgetragenen Ermittlungen betreffend der privaten bzw. familiären Verhältnisse des BF in Österreich offen. Insbesondere ist das BFA davon ausgegangen, dass im Falle des BF keine Gründe vorliegen, die Art. 2 oder Art 3 der EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder 13 zur Konvention zum Schutz der Menschrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe vorliegen.

Das BFA hat es im durchgeführten Ermittlungsverfahren diesbezüglich weiterhin verabsäumt die entsprechende Grundlage für eine umfassende abschließende Beurteilung entsprechend zu hinterfragen. Darüber hinaus hat das BFA weiterhin die persönlichen Verhältnisse des BF nicht vollständig ermittelt und seine Entscheidung in wesentlichen Punkten auf diesbezüglich unvollständige und nicht schlüssige Ermittlungsergebnisse gestützt.

Aufgrund des Inhaltes des vorliegenden Verwaltungsaktes kann im gegenständlichen Beschwerdeverfahren weiterhin nicht geklärt werden, ob eine Außerlandesbringung des BF einen unzulässigen Eingriff in besonders durch Art. 2,3 und 8 EMRK geschützte Rechte darstellt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der angeführte entscheidungswesentliche Sachverhalt gründet sich auf den Inhalt der Akten der belangten Behörde und des BVwG. Zweifel an der Richtigkeit dessen sind nicht hervorgekommen bzw. vorgebracht worden.

Dass der BF bereits einmal in Österreich straffällig geworden ist und er nunmehr wegen der §§83 Abs.1, 15; 83 Abs. 1, 84 Abs. 2, 15; 15, 269 Abs. 1; 127; 125 StGB verurteilt worden ist und gleichzeitig in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs. 1 StGB eingewiesen wird, ergibt sich aus dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX .

2.2. Die belangte Behörde hat im gegenständlichen Fall in wesentlichen Punkten weiterhin geeignete Ermittlungen unterlassen bzw. nur ansatzweise ermittelt. Abgesehen davon, dass die Behörde dem BF die Feststellungen zur Lage in seinem Herkunftsstaat, wie schon im vorangegangenen Beschluss des BVwG erwähnt, nach wie vor zu keinem Zeitpunkt vorgehalten hat, womit diese §§ 43 Abs. 3 und 45 Abs. 3 AVG außer Acht gelassen hat, begnügte sich das BFA in ihren Feststellungen auch im nunmehr angefochtenen Bescheid diesbezüglich neuerlich mit Länderinformationen, welche zumindest zum Teil schon seit längeren nicht mehr dem aktuellen Stand entsprechen.

Aus den dem BFA vom XXXX vorgelegten psychiatrisch-neurologischen Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie ergibt sich, dass der BF aus psychiatrischer Sicht an einer paranoiden Schizophrenie (F 20.0 nach ICD 10) und einer Cannabisabhängigkeit (F12.2 nach ICD 10), welche mit religiös wahnhafter Realitätsverarbeitung, Antriebssteigerung und erhöhter Impulsivität und dysphorischer Stimmungslage gepaart ist, leidet. Prognostisch bestehen bei dem BF klinische Risikofaktoren, Abhängigkeit von Cannabis, chronische Wahnsymptomatik, fehlende Krankeneinsicht und das wiederholte Absetzen von Medikamenten nach Entlassung im Vordergrund. Die aktuelle Krankheitsepisode konnte nicht als ausbehandelt angesehen werden. Es konnte nur eine vorläufige Gefährlichkeitsprognose durchgeführt werden und keine abschließende Aussage getroffen werden.

Das in der Zeit, zwischen dem erlassenen Beschluss des BVwG vom XXXX und den nunmehr gegenständlichen Bescheid des BFA vom XXXX , das Erwachsenschutzverfahren eingestellt wurde, ergibt sich aus den am XXXX ergangenen Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX . Demnach wird ein stabiles Zustandsbild des BF angenommen und diesem eingeräumt seine Angelegenheiten jedenfalls mit entsprechender Unterstützung bewerkstelligen zu können.

Unabhängig von der ursprünglichen Frage der Prozessfähigkeit des BF kommt allerdings, wie auch bereits im vorangegangenen Beschluss des BVwG vom XXXX ausgeführt, bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zu und zwar sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung der nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände (vgl. etwa VwGH 25.01.2018, Ra 2017/21/0200).

Im gegenständlichen Fall ist nicht erkennbar aus welchen Gründen von einer niederschriftlichen Einvernahme abgesehen wurde und hat sich das BFA seinerzeit darauf beschränkt das Ergebnis der Beweisaufnahme zu übermitteln und dem BF schriftlich Fragen zu seinem Privat-, und Familienleben zu stellen.

In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Behörde im Rahmen der Feststellungen zum Privat-, und Familienleben ausführt, dass der BF bis auf seine Mutter keine Angehörigen im Bundesgebiet habe und seine Angehörigen in seiner Heimat bzw. außerhalb von Österreich leben würden. Demgegenüber steht die bereits in der Beschwerde vom XXXX getätigte Ausführung, wonach vom BFA nicht berücksichtigt worden sei, dass der BF zwei Kinder in Österreich haben würde, entgegen. Es bleibt daher diesbezüglich offen, ob tatsächlich Kinder vom BF in Österreich leben und gegebenenfalls er zu diesen in welchem Verhältnis steht bzw. dieses ausgestaltet ist. Damit ist auch der entsprechende Hintergrund im Hinblick der vom BFA getroffenen Feststellung der mangelnden Sorgfaltspflicht des BF entsprechend zu erörtern.

Des weiteres wurde im Rahmen des Privat-, und Familienleben, wie bereits im Bescheid des BFA vom XXXX , neuerlich festgestellt, dass der BF weder Nachweise für in Österreich absolvierte Kurse noch sonst Integrationsnachweise erbracht habe. Widersprüchlichkeiten ergeben sich überdies aus der Feststellung, dass der BF am Arbeitsmarkt nicht integriert sein würde, als vom BFA einerseits ausgeführt wird, dass der BF den überwiegenden Teil seines Aufenthaltes Arbeitslosengeld und Notstandshilfe bezogen habe, andererseits aber nie legal beschäftigt gewesen sein soll.

Zusammenfassend führt das BFA aus, dass den genannten persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt in Österreich die daraus resultierende Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen gegenüberstehen würde. In Abwägung dessen sei dem Interesse der Öffentlichkeit an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens und der öffentlichen Ordnung und Sicherheit mehr Gewicht einzuräumen als den bloß oberflächlichen privaten Interessen des BF.

Zwar schließt das BVwG weiterhin nicht aus, dass es bei einer entsprechend vorzunehmenden Abwägung im Entscheidungszeitpunkt zu dem in der Begründung des gegenständlichen Bescheides beschriebenen Ergebnis kommen kann. Dies entledigt die Behörde allerdings grundsätzlich nicht von einer Einvernahme des BF, gegebenenfalls auch unter zeugenschaftlicher Einvernahme der Familienangehörigen, abzusehen, als dies von entscheidungsrelevanter Bedeutung sein kann. Die Frage der Intensität der privaten und familiären Bindungen in Österreich kann nach der Judikatur des VwGH nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen reduziert werden, sondern kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände besondere Bedeutung zu (zuletzt Ra 2017/22/0007 vom 27.07.2017 mit Hinweis auf Ra 2014/22/0181 vom 23. Juni 2015).

Unstimmigkeiten ergeben sich des weiteres überdies auch im Hinblick der vom BFA herangezogenen Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom XXXX hinsichtlich der Behandelbarkeit der paranoiden Schizophrenie und Cannabisabhängigkeit des BF in seinem Herkunftsstaat. Einerseits ist darin zu entnehmen, dass stationäre Behandlungen durch einen Psychiater bzw. psychiatrische klinische Langzeitbehandlungen im Herkunftsstaat des BF verfügbar sein würden, anderseits wird darin ausgeführt, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine seriösen Informationen zu den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf das Gesundheitswesen sowie auf die Bewegungs-, und Reisefreiheit gemacht werden könnten. Insofern bleibt im gegenständlichen Fall weiterhin offen, ob dem BF tatsächlich eine entsprechende Unterbringung in einer adäquaten Einrichtung zu Teil kommen könne. Es entledige daher das BFA nicht sich damit entsprechend auseinanderzusetzen und würden diesbezüglich ergänzende Ermittlungen einzuholen sein, um auf Grundlage dieser eine abschließende entsprechende Entscheidung treffen zu können.

Zwar habe kein Fremder ein Recht in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leide. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver sei, sei unerheblich, allerdings müsse der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sein würden (Urteil des EGMR vom 13. Dezember 2016, Nr. 41738/10, Papshvilli gegen Belgien, Rz 189 ff). Insofern werden im gegenständlichen Fall die im vorangegangenen Urteil angeführten Parameter im Zuge einer niederschriftlichen Einvernahme noch einer näheren Erörterung bedürfen, um eine diesbezüglich abschließende Beurteilung im Sinne der Judikatur des EGMR vornehmen zu können.

Im Übrigen ist auch der vom BFA gezogene Schluss, dass der BF nach wie vor anhaltende Bindungen zum Herkunftsstaat habe, weil er den prägenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht habe, dort sozialisiert worden und zur Schule gegangen sei, nicht nachvollziehbar. Eigenen Feststellungen des BVwG zum Aufenthalt des BF nach befinde sich dieser bereits seit dem Jahr XXXX in Österreich, sodass alleine der Umstand, dass der BF nach wie vor die Sprache des Herkunftsstaates beherrsche, noch keinen abschließenden Rückschluss auf entsprechende Bindungen zu und lasse daher ebenso eine eingehende Erörterung mit dem BF nötig erscheinen.

Unstimmigkeiten ergeben sich überdies auch weiterhin hinsichtlich der Feststellung der mangelnden Integrationsleistungen auf Grund der fehlenden Vorlage entsprechender Nachweise. Abgesehen davon, dass im Verfahren nach wie vor nicht hervorgekommen ist, inwieweit der BF auf Grund seiner derzeitigen Anhaltung daran gehindert gewesen sei entsprechende Unterlagen vorzulegen bzw. diese anderweitig beigeschafft werden hätten können, hätte sich das BFA in einer niederschriftlichen Einvernahme einen persönlichen Eindruck darüber verschaffen können, inwieweit dieser die deutsche Sprache beherrsche, als der BF u.a. im Zuge der seinerzeitigen Stellungnahme (AS 275) zum Ergebnis der Beweisaufnahme auf die guten Deutschkenntnisse im Hinblick seines Schulabschlusses verwiesen habe.

Überdies wird in den rechtlichen Ausführungen angenommen, dass der BF als erwachsener Mann sowohl rechtlich und existenzmäßig nicht auf die Anwesenheit anderer Personen angewiesen sei, was aber das BFA nicht davon entbunden habe sich mit den aktuellen familiären Verhältnissen genauer auseinanderzusetzen. Im Zuge einer fremdenpolizeilichen Anfrage der MA 35, Amt der Wiener Landesregierung, im Jahr XXXX , hat die Bundespolizeidirektion XXXX bereits seinerzeit u.a. wegen der Länge der Aufenthaltsdauer des BF in Österreich und der familiären Bindungen von aufenthaltsbeenden Maßnahmen des BF abgesehen, wenngleich zu dem damaligen Zeitpunkt noch keine strafgerichtlichen Verurteilungen im Ausmaß zum jetzigen Zeitpunkt vorgelegen sind.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

1.1. Gemäß § 7 BFA-VG idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes ist daher im vorliegenden Beschwerdeverfahren gegeben.

Zu A) Zurückverweisung der Beschwerde

1.2. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, allerdings mit dem Unterschied, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht erforderlich ist (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren 2013, § 28 VwGVG, Anm. 11.)

§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.

Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu der vergleichbaren Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG ergibt sich, dass nur Mängel der Sachverhaltsfeststellung d.h. im Tatsachenbereich zur Behebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit berechtigen (vgl. VwGH 19.11.2009, 2008/07/0168).

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit den Erkenntnissen vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315 und Zl. 2000/20/0084, grundsätzliche Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG im Asylverfahren im Allgemeinen und durch den Unabhängigen Bundesasylsenat im Besonderen getätigt. Dabei hat er im letztgenannten insbesondere ausgeführt:

"Bei der Abwägung der für und gegen eine Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG sprechenden Gesichtspunkte muss nämlich auch berücksichtigt werden, dass das Asylverfahren nicht nur möglichst kurz sein soll. Zur Sicherung seiner Qualität hat der Gesetzgeber einen Instanzenzug vorgesehen, der zur belangten Behörde und somit zu einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens führt (vgl. bereits das Erkenntnis vom 16. April 2002, Zl. 99/20/0430). Die der belangten Behörde in dieser Funktion schon nach der Verfassung zukommenden Rolle einer obersten Berufungsbehörde (Art. 129c 1 B-VG) wird aber ausgehöhlt und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert, wenn sich das Asylverfahren einem eininstanzlichen Verfahren vor der Berufungsbehörde nähert, weil es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen. Diese über die Unvollständigkeit der Einvernahme hinaus gehenden Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens sprechen auch bei Bedachtnahme auf die mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens unter dem Gesichtspunkt, dass eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst bei der "obersten Berufungsbehörde" beginnen und zugleich - abgesehen von der im Sachverhalt beschränkten Kontrolle der letztinstanzlichen Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof - bei derselben Behörde enden soll, für die mit der Amtsbeschwerde bekämpfte Entscheidung."

1.3. Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof, in nunmehr ständiger Rechtsprechung (vgl. Erkenntnis vom 24.02.2009, Zl. U 179/08-14 u. a.) ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit dem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhalts (vgl. VfSlg.15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001). Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 m.w.N., 14.421/1996, 15.743/2000).

2. In seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063-4 hat der Verwaltungsgerichtshof zuletzt in Hinblick auf die nach § 28 Abs. 3 VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit ausgesprochen, dass prinzipiell eine meritorische Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte bestehe und von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen beziehungsweise besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden könne. Diesbezüglich führte er aus, dass eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen insbesondere dann in Betracht komme, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gelte, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.

3. Die belangte Behörde hat die von der Rechtsprechung der

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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