TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/15 W104 2211511-1

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Veröffentlicht am 15.07.2021
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Entscheidungsdatum

15.07.2021

Norm

AVG §13 Abs7
B-VG Art133 Abs4
UVP-G 2000 Anh1
UVP-G 2000 §3 Abs7
UVP-G 2000 §40 Abs1
VwGG §42 Abs3
VwGG §63 Abs1
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W104 2211511-1/110E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Christian Baumgartner über die Beschwerden von XXXX , alle vertreten durch List Rechtsanwalts GmbH, Weimarer Straße 55/1, 1180 Wien, und die Beschwerde 11. der XXXX gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 16.10.2018, Zl. 834962/2018, mit dem festgestellt wurde, dass für das Bauvorhaben „Hotel InterContinental“, „WEV“ und „Heumarktgebäude“ im 3. Wiener Gemeindebezirk keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist, zu Recht:

A)

Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit Schriftsatz vom 17.10.2017, zuletzt ergänzt mit Schriftsatz vom 6.9.2018, stellte die XXXX (Projektwerberin) einen Antrag gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 auf Feststellung, dass für das Bauvorhaben „Hotel InterContinental“, „WEV“ und „Heumarktgebäude“ keine Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVP-G 2000 durchzuführen ist.

Die Wiener Landesregierung als UVP-Behörde führte ein Feststellungsverfahren durch und entschied mit angefochtenen Bescheid vom 16.10.2018, dass für das Vorhaben keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen sei. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass trotz Lage in einem schutzwürdigen Gebiet der Kategorie D des Anhanges 2 zum UVP-G 2000 aufgrund der Nichterfüllung des Tatbestandes an sich oder der Nichterreichung von Mindestschwellenwerten keiner der infrage kommenden Tatbestände des Anhanges 1 zum UVP-G 2000 (Z 9 – Straßen, Z 17 – Freizeit-oder Vergnügungsparks, Sportstadien oder Golfplätze, Z 18 – Städtebauvorhaben, Z 19 – Einkaufszentren, Z 20 – Beherbergungsbetriebe, Z 21 – öffentlich zugängliche Parkplätze oder Parkgaragen) erfüllt sei. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass für das beantragte Projekt keine UVP durchzuführen sei, weil Tatbestandselemente nicht erfüllt bzw. die Einzelfallprüfungs- bzw. Umweltverträglichkeitsprüfungspflicht auslösenden Schwellenwerte nicht erreicht werden.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Erst- bis Zehntbeschwerdeführer/innen, sämtlich behauptete Nachbarn/Nachbarinnen, sowie die Elftbeschwerdeführerin, eine Umweltorganisation, Beschwerde.

Mit Beschwerdemitteilung vom 7.1.2019 gab das Bundesverwaltungsgericht der Projektwerberin und der belangten Behörde Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Beschwerden und teilte gleichzeitig mit, dass es davon ausgehe, dass der Tatbestand des „Städtebauvorhabens“ des Anhanges II Z 10 lit. b der UVP-Richtlinie im UVP-G 2000 unzureichend umgesetzt sei, insbesondere dadurch, dass beim Tatbestand der Z 18 lit. b des Anhanges 1 zum UVP-G 2000 kein Tatbestand in Spalte 3 betreffend schutzwürdige Gebiete der Kategorie A vorgesehen sei. Aus diesem Grund gehe das Bundesverwaltungsgericht vorläufig davon aus, dass eine Einzelfallprüfung zur Frage durchzuführen ist, ob zu erwarten ist, dass durch das Vorhaben unter Berücksichtigung des Ausmaßes und der Nachhaltigkeit der Umweltauswirkungen der Schutzzweck, für den das schutzwürdige Gebiet der Kategorie A des Anhanges 2 Welterbestätte „Historisches Zentrum von Wien“ festgelegt wurde, wesentlich beeinträchtigt wird.

Die Projektwerberin und die belangte Behörde erstatteten dazu ausführliche Stellungnahmen, in denen begründet wurde, warum sie weder die Beschwerdevorbringen noch die Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts teilten.

Mit Beschluss vom 28.1.2019 wurde ein Sachverständiger für Architektur, Denkmalschutz und Ortsbildpflege bestellt und mit der Beurteilung der Auswirkungen des Vorhabens auf einschlägige Schutzgebiete bestellt.

Mit Schreiben vom 29.1.2019 wurde für 18.3.2019 eine mündliche Verhandlung anberaumt.

Mit Schreiben vom 15.2.2019 wurde dem Bundesverwaltungsgericht von der Projektwerberin mitgeteilt, dass sie ihren Feststellungsantrag vom 17.7.2017, zuletzt ergänzt mit Schriftsatz vom 6.9.2018 zurückziehe. Mit Schreiben vom 4. und 5.3.2019 stellte sie sodann die Anträge, das Beschwerdeverfahren mit Beschluss umgehend einzustellen und den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben, die mündliche Verhandlung umgehend abzuberaumen sowie den bestellten Sachverständigen umgehend zu entheben.

Mit Schreiben vom 5.3.2019 teilte das Bundesverwaltungsgericht der Projektwerberin mit, dass es zur Entscheidung über diese Anträge die Information benötige, ob die Verwirklichung des den Gegenstand des bezughabenden Feststellungverfahrens bildenden Vorhabens "Hotel InterContinental“, „WEV“ und „Heumarktgebäude“ weiterhin angestrebt wird. Sollte nicht mehr die Absicht bestehen, das Vorhaben zu verwirklichen, werde Gelegenheit geboten, dies durch entsprechende Belege (Zurückziehung der materienrechtlichen Genehmigungsanträge und entsprechende eidesstaatliche Erklärung) zu bescheinigen.

Mit Schreiben vom 6.3.2019 wurde vom Bundesverwaltungsgericht das beauftragte sachverständigen ortsbildpflegerische Gutachten an die Verfahrensparteien versendet.

Mit Beschluss vom 12.3.2019 wies das Gericht die Anträge der Projektwerberin vom 15.2.2019 ab, führte in der Folge eine mündliche Verhandlung durch und erließ sein mit 9.4.2019 datiertes Erkenntnis, mit dem den Beschwerden stattgegeben und festgestellt wurde, dass für das Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung im vereinfachten Verfahren nach dem UVP-G 2000 durchzuführen sei. Die ordentliche Revision wurde zugelassen.

Gegen dieses Erkenntnis erhoben die Projektwerberin und die Wiener Landesregierung als belangte Behörde Revision an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hob mit Erkenntnis vom 25.6.2021, Zl. Ro 2019/05/0018, das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts auf. Mit Beseitigung der verfahrensbeendenden Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 9.4.2019 befindet sich daher das Verfahren nun wieder in jener Lage, in der es sich vor Erlassung dieses Erkenntnisses befunden hat (§ 42 Abs. 3 VwGG).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Mit Schriftsatz vom 17.10.2017, zuletzt ergänzt mit Schriftsatz vom 6.9.2018, stellte die XXXX (Projektwerberin) einen Antrag gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 auf Feststellung, dass für das Bauvorhaben „Hotel InterContinental“, „WEV“ und „Heumarktgebäude“ keine Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVP-G 2000 durchzuführen ist.

Die Wiener Landesregierung als UVP-Behörde führte ein Feststellungsverfahren durch und entschied mit angefochtenen Bescheid vom 16.10.2018, dass für das Vorhaben keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen sei. Gegen diesen Bescheid erhoben die Erst- bis Zehntbeschwerdeführer/innen, sämtlich behauptete Nachbarn/Nachbarinnen, sowie die Elftbeschwerdeführerin, eine Umweltorganisation, Beschwerde.

Mit Schreiben vom 15.2.2019 zog die Projektwerberin den Feststellungsantrag zurück.

2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus den Akten des verwaltungsbehördlichen und des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und wurden von keiner Verfahrenspartei bestritten.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) begründete in seinem Erkenntnis im ersten Rechtsgang vom 9.4.2019 seine Vorgangsweise, das Beschwerdeverfahren trotz Zurückziehung des Feststellungsantrages fortzuführen, mit einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) vom 29.11.2018, Ra 2016/06/0034. Danach liegt keine Rechtsverletzung vor, wenn eine Behörde einen Feststellungsbescheid aufgrund einer zu Unrecht angenommenen Antragstellung erlassen hat, wenn die Feststellung – wie nach § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 – auch von Amts wegen getroffen werden kann. Der VwGH erachtete das Verwaltungsgericht aufgrund der von der mitbeteiligten Partei erhobenen Beschwerde daher als zuständig, der Feststellungsbescheid der UVP-Behörde war nicht als rechtswidrig aufzuheben. In diesem Fall hatte die Behörde den Feststellungsbescheid aufgrund des Antrages einer – nicht antragsberechtigten – Umweltorganisation erlassen.

Aus der angeführten Rechtsprechung leitete das BVwG ab, dass in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem eine antragsberechtigte Partei einen Feststellungsantrag gestellt hat und diesen im Beschwerdeverfahren zurückzieht, ebenfalls keine Rechtsverletzung vorliegt. Auch in diesem Fall hätte die Behörde den Bescheid von Amts wegen erlassen können und liege die Feststellung ebenfalls im öffentlichen Interesse. Ihre sachliche Rechtfertigung finde diese Auslegung insbesondere auch darin, dass nach Art. 2 der UVP-Richtlinie die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen zu setzen haben, damit vor Erteilung der Genehmigung die Projekte, bei denen unter anderem aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standortes mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden. Der beschwerdegegenständliche Bescheid der Wiener Landesregierung sei daher nicht schon aus diesem Grund rechtswidrig und das BVwG sei trotz Zurückziehung des Feststellungsantrages durch die Projektwerberin weiter zur Entscheidung über die Beschwerden zuständig. Aus diesem Grund habe weder eine ersatzlose Behebung des Bescheides noch eine Abberaumung der Verhandlung noch eine Abberufung des Sachverständigen zu erfolgen.

3.2. Diese Sichtweise wurde vom VwGH verworfen.

In seinem Erkenntnis vom 25.6.2021, Zl. Ro 2019/05/0018, legte er dar, dass gemäß § 13 Abs. 7 AVG Anbringen in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden können; dies gelte auch für den Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000.

Die Zurückziehung sei so lange zulässig, als der Antrag noch unerledigt ist. Die Zurückziehung des ursprünglichen verfahrenseinleitenden Antrages während des anhängigen Beschwerdeverfahrens bewirke den Wegfall der Zuständigkeit der Behörde zur Erlassung des Bescheides und damit nachträglich die Rechtswidrigkeit des Bescheides. Das Verwaltungsgericht habe in einem solchen Fall den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos zu beheben, andernfalls es seine Entscheidung mit Rechtswidrigkeit belaste. Eine inhaltliche Erledigung des verfahrenseinleitenden Antrages sei mit dessen rechtzeitiger und zulässiger Zurückziehung ausgeschlossen.

Dies gelte auch in einer Konstellation wie der vorliegenden, in der § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 auch die Möglichkeit der amtswegigen Einleitung eines Feststellungsverfahrens vorsieht:

Ein amtswegiges Feststellungsverfahren durch die zuständige UVP-Behörde habe nicht stattgefunden und das BVwG habe davon während der bei ihm anhängigen Beschwerdeverfahren auch nicht ausgehen dürfen, da die UVP-Behörde zur Einleitung eines amtswegigen Feststellungsverfahrens nicht verpflichtet sei und die Einleitung eines amtswegigen Verfahrens jedenfalls einen entsprechenden Willensakt voraussetze, welcher der zuständigen Behörde zuzurechnen ist und seinem Inhalt nach - objektiv betrachtet - darauf abzielt, den Sachverhalt bezüglich der Voraussetzungen für den beabsichtigten Verwaltungsakt zu klären. Fallbezogen habe sich schon in den Beschwerdeverfahren (anders als in dem vom BVwG angeführten Zurückweisungsbeschluss des VwGH zu Ra 2016/06/0034 vom 29. 11. 2018, in dem ein Feststellungsbescheid aufgrund einer zu Unrecht angenommenen Antragslegitimation erlassen und dies nicht beim BVwG, sondern erstmals im Revisionsverfahren angesprochen worden war) die Frage nach einem allfällig von der UVP-Behörde auch von Amts wegen eingeleiteten Feststellungsverfahren, das seinen Abschluss (ebenfalls) in dem vor dem BVwG bekämpften Bescheid hätte gefunden haben können, gestellt. In einer Betrachtung des Verfahrensablaufes hätten allerdings bereits während der Beschwerdeverfahren vor dem BVwG jegliche Anhaltspunkte dafür gefehlt, dass das gegenständliche Feststellungsverfahren - in Verfahrensunion - auch über amtswegige Einleitung der zuständigen UVP-Behörde geführt worden sein könnte. Dass das Feststellungsverfahren auch von Amts wegen - durch die zuständige Behörde - hätte geführt werden können, sei in einer Sachverhaltskonstellation wie der vorliegenden, in der der verfahrenseinleitende Antrag durch die Antragstellerin zurückgezogen wurde und der Bescheid der Verwaltungsbehörde daher nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ersatzlos zu beheben ist, für die weitere Zuständigkeit des BVwG zur Entscheidung über die Beschwerden in der Sache nicht ausreichend.

Auch die amtswegige Einleitung eines Feststellungsverfahrens durch das BVwG selbst scheide aus.

Bei alldem spiele keine Rolle, ob allfällige materienrechtliche Genehmigungsanträge zurückgezogen würden oder nicht.

Das BVwG sei daher ab dem Zeitpunkt der Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrages durch die Projektwerberin zur inhaltlichen Entscheidung über die Beschwerden nicht mehr zuständig gewesen und hätte den Bescheid der erstinstanzlichen Behörde wegen dessen (nachträglicher) Rechtswidrigkeit aufzuheben gehabt.

3.3. Gemäß § 63 Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG sind dann, wenn der VwGH einer Revision stattgegeben hat, die Verwaltungsgerichte und die Verwaltungsbehörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache unverzüglich den der Rechtsanschauung des VwGH entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

Nach der oben dargestellten Rechtsprechung bewirkt die Zurückziehung des Feststellungsantrages den Wegfall der Zuständigkeit der Behörde zur Erlassung des Bescheides und damit nachträglich dessen Rechtswidrigkeit. Das BVwG ist daher verpflichtet, den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben.

3.4. Revision

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung von Rechtsfragen abhängt, denen grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung allerdings von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Vielmehr setzt das vorliegende Erkenntnis die in der konkreten Rechtssache ergangene Rechtsprechung um. Da auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen, kann die Revision nicht zugelassen werden.

Schlagworte

Amtswegigkeit Antragszurückziehung Behebung der Entscheidung Ersatzentscheidung ersatzlose Behebung Feststellungsantrag Feststellungsverfahren Kassation Rechtswidrigkeit Umweltverträglichkeitsprüfung Unzuständigkeit BVwG Zurückziehung Zurückziehung Antrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W104.2211511.1.00

Im RIS seit

26.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

26.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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