TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/27 W268 2226023-1

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Veröffentlicht am 27.07.2021
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Entscheidungsdatum

27.07.2021

Norm

BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9 Abs2
B-VG Art130 Abs1 Z3
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §125
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §69 Abs2
StGB §75
StGB §83 Abs1
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §8 Abs1

Spruch


W268 2226023-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Iris GACHOWETZ als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Staatenlos, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl betreffend den Antrag vom 16.01.2019 auf Aufhebung des mit Bescheid vom 27.02.1986, XXXX , erlassenen Aufenthaltsverbotes, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht wird gemäß §§ 8 Abs. 1 i.V.m. 28 Abs. 1 VwGVG stattgegeben.

Der Antrag auf Aufhebung des erlassenen Aufenthaltsverbotes wird gemäß § 69 FPG idF BGBL. I Nr. 70/2015 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I.1. Mit Bescheid vom 27.02.1986, XXXX , der Bundespolizeidirektion Graz wurde über den BF ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Dies vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer (in weiterer Folge: BF) als Kopf der Terrororganisation Abu Nidal am 01.Mai 1981 den Stadtrat XXXX ermorden sowie im August 1981 einen Anschlag auf Besucher des jüdischen Stadttempels in Wien durchführen ließ. Der BF wurde deshalb mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 06.12.1984, wegen der Begehung des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Mordes als Beteiligter gemäß §§ 75, 15 und 12 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe im Ausmaß von 20 Jahren rechtskräftig verurteilt. Am 28.02.1995 wurde der BF bedingt aus der Haft entlassen.

I.2. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 08.08.2002 wurde der BF wegen der Begehung des Verbrechens der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen nach §§ 83 Abs. 1 und 85 Z 1 und 2 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe im Ausmaß von fünf Jahren rechtskräftig verurteilt. Hintergrund dieser Verurteilung war, dass der BF mit einem Journalisten offenbar aus politischen Gründen in Streit geriet.

I.3. Am 28.08.2012 stellte der BF einen Antrag auf Aufhebung des Bescheides der Bundespolizeidirektion Graz, XXXX , vom 27.02.1986, mit welchem gegen ihn das unbefristete Aufenthaltsverbot erlassen wurde.

I.4.Mit Bescheid der LPD Steiermark vom 26.03.2013, XXXX , wurde dieser Antrag abgewiesen.

I.5. Dagegen wurde fristgerecht Berufung erhoben.

I.6. Mit Bescheid des UVS vom 03.12.2013, GZ: XXXX , wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Begründend hielt der UVS fest, dass sich die Umstände, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes führten, nicht zugunsten BF geändert hätten. Die Berufung sei daher abzuweisen gewesen.

I.7. Gegen den bestätigenden Bescheid des UVS vom 03.12.2013 wurde fristgerecht Revision erhoben. Diese wurde mit Beschluss des VwGH vom 20.02.2014, XXXX , als unzulässig zurückgewiesen. Die Behandlung der Beschwerde wurde vom VfGH mit Beschluss vom 10.03.2015, XXXX , ebenfalls abgelehnt.

I.8. Am 10.11.2014 stellte der BF einen wiederholten Antrag auf Verlängerung seiner Karte für Geduldete. Am 22.12.2014 modifizierte der BF dieses Antragsvorbringen dahingehend, dass er in eventu die Ausstellung einer Identitätskarte für Fremde und in eventu die Ausstellung eines Fremdenpasses beantragte.

I.9. Dem Antrag wurde stattgeben und dem BF eine Karte für Geduldete am 17.01.2018 (gültig bis 16.01.2019) ausgestellt. Die Karte wurde am 26.01.2018 übernommen.

I.10. Am 16.01.2019 stellte der BF einen neuen Antrag auf Verlängerung seiner Duldungskarte sowie die Anträge auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes und auf Ausstellung eines Fremdenpasses. Zum Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes führte der BF aus, er sei 2007 aus der Haft entlassen worden. Seit Haftentlassung seien nunmehr fast 12 Jahre vergangen und seit der Anlasstat sogar mehr als 35 Jahre. Der BF gefährde somit nicht mehr die öffentliche Sicherheit. Die Gründe, die damals zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes führten, seien längst weggefallen. Der BF stelle daher den Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes gemäß § 69 Abs. 2 FPG. Unabhängig davon sei der BF staatenlos bzw. besitze keine geklärte Staatsangehörigkeit. Der BF gefährde nicht mehr die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich. Die Voraussetzungen des §§ 88ff FPG seien somit erfüllt. Dem BF sei somit ein Fremdenpass auszustellen.

I.11. Mit „Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme“ vom 22.01.2019 wurde dem BF mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses abzuweisen, zumal dieser keinen rechtmäßigen Aufenthaltstitel in Österreich besitze.

I.12. Am 08.02.2019 brachte der BF eine Stellungnahme ein, in welcher er ausführte, dass die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Fremdenpasses den BF in seinen subjektiven Rechten auf Ausstellung eines Fremdenpasses verletzen würde. Dem BF wäre von Amts wegen ein Aufenthaltstitel nach §§ 55ff AsylG auszustellen. Die Behörde sei bisher säumig, da eine Abschiebung aus tatsächlichen, vom BF nicht zu vertretenden Gründen seit Jahrzehnten unmöglich erscheine. Überdies seien die Gründe zur Erlassung des Aufenthaltsverbots längst weggefallen.

I.13. Mit Äußerung vom 02.04.2019 präzisierte der BF sein Vorbringen. Der BF sei in Palästina geboren und habe dort auch seine Hochschulbildung (Matura) absolviert. Anschließend habe der BF Maschinenbau und Flugzeugtechnik in Kairo bis 1975 studiert und habe im Anschluss bei einer Fluggesellschaft gearbeitet. Der BF sei 1979 nach Österreich gekommen. 1981 sei der BF festgenommen worden und habe sich bis 1995 in Strafhaft befunden. Der BF habe das Studium der Politikwissenschaften an der Universität Wien (1995 bis 2000) absolviert. Von 2002 bis 2007 sei der BF wieder in Strafhaft gewesen. 2011 habe der BF das Doktorats-Studium der Politikwissenschaft (2007 bis 2011) abgeschlossen. Der BF sei seit 2009 mit einer Österreicherin verheiratet. Der BF führe mit seiner Ehefrau einen gemeinsamen Haushalt und es bestehe eine bereits sehr vertiefte Beziehung. Der BF sei bei seiner Frau gesetzlich kranken- und unfallversichert. Der BF spreche Deutsch und sei so in der Lage gewesen, zwei universitäre Lehrgänge erfolgreich abzuschließen. Der Beschwerdeführe befinde sich seit fast 40 Jahren in Österreich. Im Gegensatz dazu sei der BF staatenlos. Palästina sei ein Nichtmitgliedsstaat der Vereinten Nationen (UNO) und sei zuletzt am 29.11.2012 mit Beobachterstatus ausgestattet worden. In Palästina habe der BF Geschwister; zu diesen habe er auch telekommunikativen Kontakt. Ansonsten habe der BF keine anhaltenden Bindungen zu seinem Herkunftsstaat mehr.

I.14. Mit Schriftsatz vom 14.08.2019 erhob der BF Säumnisbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Dabei führte er aus, er habe am 16.01.2019 einen Antrag auf Verlängerung seiner Duldungskarte gestellt. Ebenso einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes und einen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses. Die Entscheidungsfrist des § 8 VwGVG sei daher bereits abgelaufen. Dem BF wurde daraufhin in Einklang mit dem Aktenvermerk vom 13.09.2019 eine Karte für Geduldete am 24.09.2019 (gültig bis 24.09.2020) ausgestellt. Diese wurde am 04.10.2019 vom BF übernommen.

I.15. Mit Bescheid vom 16.09.2019, Zl. XXXX (zugestellt am 18.09.2019), wurde der Antrag des BF auf Ausstellung eines Fremdenpasses abgewiesen. Dieser Bescheid wurde laut Rückschein am 18.09.2019 zugestellt.

I.16. Mit „Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme“ vom 18.11.2019 wurde dem BF mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, aufgrund der Schwere seiner begangenen Straftaten seinen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots abzuweisen.

1.17. Die Beschwerdevorlage langte am 02.12.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

I.18. Mit Stellungnahme vom 04.12.2019 brachte der BF ua vor, dass es die Behörde bis dato unterlassen habe, eine Gefährdungsprognose betreffend den BF zu machen. Nach einem Wohlverhalten von mehr als 12 Jahren seit seiner Entlassung könne nicht mehr davon ausgegangen werden, dass das Verhalten des BF immer noch eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstelle, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass sich die jordanische Vertretungsbehörde im Fall des BF weigere, ein Reisedokument auszustellen und sei es aus diesen Umständen auch für die Behörde nicht möglich, für den BF ein Ersatzreisedokument in Form eines HRZ zu erlangen.

I.19. Mit Schriftsatz vom 25.08.2020 stellte der BF einen Antrag auf Verlängerung seiner Duldungskarte. In Folge wurde dem BF eine weitere Duldungskarte mit Gültigkeit bis zum 25.09.2021 ausgestellt.

I.20. Am 29.09.2020 wurde eine mündliche Verhandlung unter Teilnahme des BF vor dem Bundesverwaltungsgericht abgehalten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.    Zur Person des BF:

Der BF ist staatenlos. Der BF wurde in Palästina geboren und absolvierte dort seine Hochschulreife (Matura). Anschließend studierte er Maschinenbau und Flugzeugtechnik in Kairo. Nach dem Studium war er bei einer Fluggesellschaft erwerbstätig. Der BF befindet sich seit 1979 in Österreich. Er absolvierte in Österreich erfolgreich ein Doktoratsstudium der Politikwissenschaften. Der BF ist seit 2009 mit einer Österreicherin verheiratet und lebt im gemeinsamen Haushalt. Die Ehefrau erzielt ein regelmäßiges Erwerbseinkommen; die Grundbedürfnisse des BF werden dadurch gedeckt. Der BF kann sich auf Deutsch im Alltag verständigen. Der BF verfügt ansonsten über gewöhnliche soziale Kontakte. Er leidet an keinen schwerwiegenden Erkrankungen.

1.2. Zu den strafgerichtlichen Verurteilungen des BF

1.2.1. Der BF wurde am 06.12.1984 von einem Geschworenengericht wegen der Verbrechen des teils vollendeten und teils versuchten Mordes als Beteiligter gemäß § 75, 15, 12 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 20 Jahren verurteilt. Diese Verurteilung erfolgte, da der BF einerseits im April 1981 zur Straftat eines Mittäters, nämlich zum Verbrechen des Mordes am damaligen Stadtrat XXXX gemäß § 75 StGB als Beteiligter gemäß § 12 3. Fall StGB durch Aufforderung hierzu beigetragen hat. Er hat weiters im August 1981 eine größere, dreißig jedenfalls übersteigende Anzahl weiterer Personen vorsätzlich zu töten versucht und zwar dadurch, dass er den Mittäter aufforderte, einen Feuerüberfall auf die Besucher eines jüdischen Stadttempels und die dort aufhältigen Polizeibeamten zu verüben.

Das Gericht berücksichtigte den bisher ordentlichen Lebenswandel des BF sowie den Umstand, dass die Taten teilweise im Versuchsstadium blieben, als mildernd, erschwerend jedoch das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit einem Vergehen, sowie die Wiederholung der Tathandlung.

1.2.2. Der BF verletzte zudem eine andere Person vorsätzlich schwer am Körper durch Faustschläge und Fußtritte. Diese Person erlitt dabei eine Prellung des linken Auges, verbunden mit einem Riss der Lederhaut, einen Verlust eines Großteils des Augapfels und eine Einblutung in denselben sowie eine Blutunterlaufung der linken Unterkieferregion mit einer Lockerung eines Schneidezahnes im linken Unterkiefer sowie eine Prellung und Blutunterlaufen im Bereich des Rückens. Die Tat hatte den Verlust des Sehvermögens am linken Auge und eine auffallende Verunstaltung zur Folge.

Mit Urteil des Oberlandesgerichts für Strafsachen Wien vom 06.12.2002, XXXX , wurde der BF aufgrund dieser Handlungen wegen des Verbrechens der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen gemäß §§ 83 Abs. 1, 85 Z 1 und 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß in der Dauer von fünf Jahren verurteilt. Das Gericht berücksichtigte das Teilgeständnis und die selbst zugefügte Verletzung als mildernd. Erschwerend die einschlägige schwere Vorstrafe, die zweifache Qualifikation der Körperverletzung nach Z 1 und Z 2 des § 85 StGB sowie die Begehung wenngleich nach Ablauf der 5-jährigen Probezeit, dennoch nach bedingter Entlassung aus einer schweren Freiheitsstrafe. Hintergrund dieser Verurteilung war, dass der Beschwerdeführer offenbar mit einem Journalisten aus politischen Gründen in Streit geriet.

1.3. Zum Verfahrensgang

Mit Bescheid vom 27.02.1986, XXXX , wurde über den BF ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Der BF stellte am 16.01.2019 einen Antrag auf Verlängerung seiner Duldungskarte. Ebenso stellte der BF einen Antrag auf Aufhebung seines Aufenthaltsverbotes und Ausstellung eines Fremdenpasses. Mit Schriftsatz vom 14.08.2019 erhob der BF Säumnisbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Dem BF wurde daraufhin am 24.09.2019 eine Karte für Geduldete ausgestellt. Diese wurde am 04.10.2019 vom BF übernommen. Mit Bescheid vom 16.09.2019, XXXX , (zugestellt am 18.09.2019) wurde der Antrag des BF auf Ausstellung eines Fremdenpasses abgewiesen. Die Beschwerdevorlage des BFA an das Bundesverwaltungsgericht erfolgte am 02.12.2019 wegen des offenen Verfahrens auf Aufhebung des verhängten Aufenthaltsverbotes.

Es wird nicht festgestellt, dass die Gründe, welche zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt haben, mittlerweile weggefallen sind.

2.       Beweiswürdigung:

2.1. Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des BF, der von ihm vorgelegten Beweismittel, sowie die amtswegige Einholung von Auskünften des Zentralen Melderegisters, des Strafregisters und des Grundversorgungsdatensystems den BF betreffend.

2.2. Die Feststellungen zur Identität des BF ergeben sich aus seinen bisherigen Angaben im Verfahren und dem unbestrittenen Akteninhalt.

2.3. Die Feststellungen zur persönlichen Situation des BF ergeben sich aus seinen Angaben im Rahmen des Verfahrens vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und den vorgelegten Urkunden sowie aus Abfragen in den entsprechenden amtlichen österreichischen Registern (Zentrales Melderegister, Fremdeninformationssystem, Grundversorgungs-Informationssystem). Die Strafhandlungen des BF und nachfolgenden strafgerichtlichen Verurteilungen sind aus einem aktuellen Auszug aus dem Strafregister in Verbindung mit den im Verwaltungsakt aufliegenden Strafurteilen ersichtlich. Der BF bestritt auch zu keinem Zeitpunkt des vorliegenden Verfahrens seine strafbaren Handlungen und das Bestehen der Verurteilung. Aus dem Urteil gehen die festgestellten Strafhandlungen sowie die mildernden und erschwerenden Umstände ausreichend klar hervor.

2.4. Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem unbestrittenen Akteninhalt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zu den Säumnisbeschwerden (Fremdenpass, Duldung)

Im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art.130 Abs. 1 Z 3 B-VG kann die Behörde innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten den Bescheid (nachträglich) erlassen. Die belangte Behörde bleibt daher zunächst zur Erledigung der Sache zuständig (vgl. VwGH 19.09.2017, Ro 2017/20/0001). Mit Erlassung des beantragten Bescheides durch die belangte Behörde wird die Säumnisbeschwerde gegenstandslos. Das Säumnisbeschwerdeverfahren ist einzustellen. Die Verfahrenseinstellung obliegt bis zur Vorlage an das VwG der belangten Behörde; dabei ist alleine auf die Tatbestandsvoraussetzung der Erlassung des Bescheides abzustellen (vgl. VwGH 19.09.2017, Ro 2017/20/0001). Die Säumnisbeschwerde wurde am 14.08.2019 vom BF erhoben. Die Behörde stellte am 24.09.2019 die Karte für Geduldete aus und diese wurde am 04.10.2019 vom BF übernommen. Der Bescheid betreffend die Ablehnung des Antrags auf Ausstellung eines Fremdenpasses wurde am 16.09.2019 erlassen und am 18.09.2019 zugestellt. Beide Verwaltungsakte wurden damit innerhalb der dreimonatigen Nachfrist und vor der Beschwerdevorlage an das Bundesverwaltungsgericht (02.12.2019) nachgeholt. Die Behörde ist daher für die Einstellung des Säumnisbeschwerdeverfahrens zuständig. Dies ist auch deshalb schlüssig, weil das VwG im Falle eines nachgeholten Bescheides noch keine Kenntnis über die Einleitung eines Säumnisbeschwerdeverfahrens hatte (vgl. Dworschak/Raschauer/Wessely in Raschauer/Wessely, VwGVG § 16 Rz 7).

3.2. Zur Säumnisbeschwerde (Aufenthaltsverbot)

Der BF stellte am 16.01.2019 einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes. Er erhob am 14.08.2018 diesbezüglich Säumnisbeschwerde. Ein Bescheid wurde bis dato nicht erlassen. Die Behörde legte den Verwaltungsakt am 02.12.2019 dem BVwG vor. Mit der Vorlage des offenen Antrages auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes, erlischt die Zuständigkeit des BFA zur Erledigung der Sache und wird eine solche des VwG begründet (vgl. VwGH vom 27.05.2015, Ra 2015/19/0075). Die Beschwerde ist zulässig iSd § 8 VwGVG und begründet, zumal keine Anhaltspunkte hervorkamen, wonach die Säumnis des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl nicht auf ein überwiegendes Verschulden dieser Verwaltungsbehörde zurückzuführen wäre. Die Säumnisbeschwerde wurde zu Recht erhoben, sodass die Zuständigkeit auf das Bundesverwaltungsgericht übergegangen ist und dieses in der Sache selbst zu entscheiden hat.

3.3. Zur beantragten Aufhebung des unbefristeten Aufenthaltsverbots

3.3.1. Über den BF wurde mit Bescheid vom 27.02.1986 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot gemäß § 4 FPG idF 75/1954 verhängt. Gemäß § 125 Abs. 3 FPG gelten Aufenthaltsverbote, deren Gültigkeitsdauer bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes BGBL. I Nr. 100/2005 noch nicht abgelaufen ist, als nach diesem Bundesgesetz erlassene Aufenthaltsverbote mit derselben Gültigkeitsdauer (vgl. VwGH 19.03.2009, 2007/18/0126). Gemäß § 125 Abs. 16 FPG gelten jene Aufenthaltsverbote auch nach BGBL. I. Nr. 38/2011 als solche weiter und können nicht in Einreiseverbote umgedeutet werden (vgl. VwGH vom 28.08.2012 2012/21/0159). Nach dem 31.12.2013 können sie jedoch gemäß § 69 FPG in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012 aufgehoben werden oder außer Kraft treten (vgl. § 125 Abs. 25 FPG idgF und VwGH vom 20.12.2018 Ra 2018/21/0156). Die Aufhebung des verfahrensgegenständlichen Aufenthaltsverbotes ist daher am § 69 FPG zu messen.

3.3.2. § 69 FPG idF BGBL. I Nr. 87/2012 lautet:

§ 69. (2) Ein Aufenthaltsverbot ist auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind.
(3) Das Aufenthaltsverbot tritt außer Kraft, wenn einem EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigten Drittstaatsangehörigen der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann somit ein Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes nur dann erfolgreich sein, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung der Maßnahme eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahmen sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist (vgl. VwGH vom 24.01.2012, 2011/18/0267). Liegen also gegenwärtig die Voraussetzungen für die Verhängung einer entsprechenden aufenthaltsbeendenden Maßnahme nicht mehr vor, so wäre einem Aufhebungsantrag nach § 69 Abs. 2 stattzugeben (vgl. VwGH vom 20.12.2018 Ra 2018/21/0156). Es ist daher zu prüfen, ob aus derzeitiger Sicht eine Rückkehrentscheidung mit Einreiseverbot ergehen dürfte. In diesem Fall wäre das Aufhebungsbegehren abzuweisen (vgl. VwGH vom 30.06.2016 Ra 2016/21/0050). An diesem Prüfungsmaßstab ändert auch die mit FrÄG 2011 eingeführte neue Rechtslage nichts. Im konkreten Fall ist sogar ein unbefristetes Aufenthaltsverbot weiterhin zulässig (vgl. § 67 Abs. 2 FPG in der Fassung BGBL. I Nr. 38/2011). Der BF wurde nämlich zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren verurteilt. Ist also eine Gefährdung nach wie vor zu bejahen und die gesetzliche höchstzulässige Dauer (noch) nicht überschritten, wäre der Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes abzuweisen. Eine Verkürzung kommt nicht in Betracht (vgl. VwGH vom 24.01.2012 2011/18/0267).

3.3.3. Im Verfahren über einen Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes ist eine Interessenabwägung vorzunehmen, wenn durch das Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Betroffenen eingegriffen wird. Dabei ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführer in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Für die Beurteilung des Privat- und Familienlebens sind dabei gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist, zu berücksichtigen.

Ein Antrag nach § 69 Abs. 2 FPG auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes kann nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung der Maßnahme eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. (vgl. VwGH 30.06.2016, Ra 2016/21/0050).

Die Entscheidung über die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes kann nur nach Einzelfallbeurteilung erfolgen, weshalb insoweit die abstrakte allgemeine Festlegung eines Wohlverhaltenszeitraums nicht in Betracht kommt. Dass es aber grundsätzlich eines Zeitraums des Wohlverhaltens – regelmäßig in Freiheit – bedarf, um von einem Wegfall oder einer wesentlichen Minderung der vom Fremden ausgehenden Gefährlichkeit ausgehen zu können, was grundsätzlich Voraussetzung für die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes ist, kann nicht mit Erfolg in Zweifel gezogen werden (Hinweis auf VwGH 22.01.2013, 2012/18/0185; 22.05.2013, 2013/18/0041); ebenso wenig, dass dieser Zeitraum üblicherweise umso länger anzusetzen sein wird, je nachdrücklicher sich die für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes maßgebliche Gefährlichkeit manifestiert hat (vgl. VwGH 22.01.2015, Ra 2014/21/0009).

3.3.4. Den gegenständlichen Antrag auf Aufhebung des unbefristeten Aufenthaltsverbotes begründete der Beschwerdeführer damit, dass nach einem Wohlverhalten von mehr als 12 Jahren seit seiner Entlassung nicht mehr davon ausgegangen werden könne, dass das Verhalten des BF immer noch eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstelle, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass sich die jordanische Vertretungsbehörde im Fall des BF weigere, ein Reisedokument auszustellen und sei es aus diesen Umständen auch für die Behörde nicht möglich, für den BF ein Ersatzreisedokument in Form eines HRZ zu erlangen.

Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes haben sich die Umstände nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht in einer Weise zugunsten des BF geändert, sodass die Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt haben, weggefallen wären.

Einerseits ist zu berücksichtigen, dass der BF nunmehr verheiratet ist und sich das Wohlverhalten des BF außerhalb der Anhaltung in Strafhaft auf einen Zeitraum von 1995 bis 2002 bzw. von 2007 bis dato erstreckt. Andererseits ist auch berücksichtigen, dass der BF insgesamt drei schwere Straftaten begangen hat, die sich alle gegen die körperliche Integrität von Personen gerichtet haben und aus politischen Motiven stattfanden.

Im Rahmen einer Beurteilung einer möglichen Aufhebung des Aufenthaltsverbots wurde vom damaligen UVS für die Steiermark in einem Bescheid vom 03.12.2013 ua folgendes ausgeführt:

„Angesichts der gravierenden terroristischen Straftaten, die der BF Anfang der 80er Jahre verübt hat, fällt vor allem ins Auge, dass sich aus der umfangreichen Aktenlage nicht ein einziges Wort entnehmen lässt, dass sich der BF in irgendeiner Weise kritisch mit seinem damaligen Verhalten auseinandergesetzt hätte. Im Gegenteil, so ist es offenbar 2002, sieben Jahre nach Entlassung aus der Strafhaft bzw. 20 Jahre nach Tatbegehung offenbar wieder aus Meinungsverschiedenheiten zu einer gravierenden Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit einer anderen Person mit sogar schweren Dauerfolgen gekommen.“

Obwohl diese Einschätzung schon aus dem Jahre 2013 stammt, ist diese nach Ansicht der erkennenden Richterin weiterhin zutreffend. So ergab sich im Rahmen der am 29.09.2020 durchgeführten Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, dass der BF bis dato seine Straftaten wenig bereut und diese sogar beschwichtigte, indem er angab, dass er lediglich als Beitragstäter angeklagt war. So brachte er befragt zur Verurteilung aufgrund der Beihilfe zum Mord an Stadtrat XXXX hervor:
„BF: Ich war ungewollt verwickelt in diese Sache. Es wurden bei mir Waffen gefunden, diese wurden bei mir deponiert und ähnliche Waffen wurden bei einem Überfall benutzt und deswegen wurde ich als Beitragstäter angeklagt.

R: Sie sehen es so, dass Sie keine Schuld trifft?

BF: Ja, ich kann es sogar beweisen. Nach Verbüßung der Hälfte der Strafe, habe ich eine Entlassung beantragt, das war 1991. Das erste Gericht in Krems hat diesen Antrag abgelehnt und ich glaube zum ersten Mal in der Geschichte der Justiz hat nicht nur mein Anwalt einen Einspruch erhoben, sondern auch der Staatsanwalt in Krems. Der Staatsanwalt war der Meinung, dass ich entlassen werden soll.

R: Sie waren aber 13 Jahre im Gefängnis, finden Sie, dass Sie 13 Jahre unschuldig im Gefängnis waren?

BF: Man hat bei mir Waffen gefunden und die höchste Strafe für Waffen beträgt 3 Jahre. Ich habe niemanden getötet und auch niemanden verletzt. Auch das Urteil, wenn Sie das lesen, müssen Sie der deutschen Sprache mächtig sein, um das übersetzen zu können.“ (Vgl. Seiten 4ff des Verhandlungsprotokolls)

Auch wenn der BF „lediglich“ wegen Beihilfe zum Mord bzw. Mordversuch verurteilt wurde, so ist die Beteiligung des BF an diesen schwerwiegenden Straftaten, unbestritten, galt dieser doch als „Führungsoffizier für Mitteleuropa“ der Abu-Nidal-Organisation. Seine Verbindung zu dieser Organisation bestritt der Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Verhandlung ebenso wie seine politische Tätigkeit. Vgl. Seiten. 6 und 7 und des Verhandlungsprotokolls:

„R: Sind Sie noch politisch aktiv?

BF: Ich war nie politisch aktiv. Ich habe Kommunikationswissenschaften und Politikwissenschaft und Orientalistik studiert.

R: Ihre Straftaten hatten einen politischen Hintergrund oder?

BF: Nein.

RV: Der Herr Dr. wurde nie als Haupttäter angeklagt oder verurteilt. Er wurde bloß als Beitragstäter verurteilt.“

„R: Wie war Ihre Verbindung zur Abu-Nidal Organisation?

BF: Ich hatte keine Verbindung zu dieser Organisation.“

Die Tatsache, dass der BF im letztendlich dritten Rechtsgang mit nur einer Mehrstimme schuldig gesprochen wurde, ist nicht zu berücksichtigen, zumal der Zweck des nunmehrigen Verfahrens nicht eine neuerliche Aufrollung des damaligen Strafprozesses ist und sich das Bundesverwaltungsgericht zudem letztendlich auf die Urteilsbegründung in den im Akt aufliegenden Urteilen stützen muss, jedoch nicht darauf eingehen kann, mit welcher Mehrheit von Geschworenen der BF im Strafprozess schuldig gesprochen wurde.

Dass der BF zudem in der Vergangenheit nicht nur als „einfacher“ Beitragstäter agierte, sondern durchaus auch persönlich Gewaltbereitschaft zeigte, geht aus seiner weiteren Verurteilung wegen des Verbrechens der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen hervor, wo der BF auf extrem brutale Weise agierte, was sogar den Verlust des Sehvermögens am linken Auge und eine auffallende Verunstaltung seines Opfers zur Folge hatte.

Auch im Hinblick auf diese Straftat fühlte sich der BF von den Gerichten unfair behandelt und leugnete seine Schuld daran. Siehe S. 5 des Verhandlungsprotokolls:

„R: Was ist mit Ihrer zweiten Straftat? Da ging es um schwere Körperverletzung.

BF: Ja, das war ein Raufhandel. Ich war dabei und aufgrund meiner Vorstrafe wurde ich schwerer verurteilt.

R: Aber es war immerhin eine schwere Körperverletzung. Jemand hat sein Augenlicht verloren.

BF: Es war aber nicht meine Schuld. Es gibt eine Tonbandaufnahme, wo derjenige sagt, dass es nicht durch meine Schuld war.“

In weiterer Folge der Verhandlung gab zwar der BF seine Schuld an den begangenen Straftaten zu, gab aber ebenso zugleich an, dass die Strafen übertrieben gewesen wären. Die Frage nach einer allfälligen Reue seiner Straftaten bejahte er nicht direkt, sondern gab lediglich ausweichend an, dass er bereue, überhaupt dabei gewesen zu sein.

Angesichts der insgesamt drei Delikte, die alle von einem sehr schweren Eingriff in die körperliche Integrität von Menschen in Zusammenhang geprägt sind, verbunden mit dem beim BF nur gering ausgeprägten Schuldbewusstsein für diese Taten, lässt sich nicht von einer positiven Gefährdungsprognose für diesen trotz der nunmehr schon lang andauernden Unbescholtenheit von etwa 14 Jahren nach seiner letzten Entlassung aus der Strafhaft ausgehen. Hinzu kommt, dass bei allen Delikten ein politischer Hintergrund vorliegt und letztendlich nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass der BF zu seinem damaligen Umfeld gar keinen persönlichen Kontakt mehr pflegt.

Die vom BF verübten Straftaten bewirken eine erhebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und sind derart schwerwiegend, dass auch allfällige stark ausgeprägte private und familiäre Interessen zurücktreten müssen (vgl. VwGH vom 08.02.1996, 95/18/009 und VwGH vom 24.03.2000 99/21/0201). Ein Teil der strafrechtlichen Verurteilungen erfolgte sogar nach Erlass des Aufenthaltsverbotes. Dieser Umstand bildet gesondert ein besonderes starkes Indiz dafür, dass der Fremde die öffentliche Sicherheit gefährdet. Die insistierenden Verstöße gegen die österreichische Rechtsordnung sind Ausdruck besonderer Gleichgültigkeit gegenüber der in Österreich rechtlich geschützten Werte (vgl. VwGH vom 19.02.2009, 2006/18/0164).

Demgegenüber tritt die allfällig vorliegende Ausreiseunmöglichkeit nahezu verschwindend in den Hintergrund, nicht zuletzt deswegen, da aus der Aktenlage auch nicht ersichtlich ist, dass sich der BF tatsächlich um ein Reisedokument oder um eine Staatsbürgerschaft bemüht hätte.

Hinsichtlich der oben geschilderten Umstände fällt daher auch die Eheschließung des BF im Jahr 2009 nicht in einer Weise ins Gewicht, welche die Aufhebung des unbefristeten Aufenthaltsverbotes rechtfertigen könnte und die auch schon zum Zeitpunkt der damaligen Überprüfung einer möglichen Aufhebung des Aufenthaltsverbots durch den UVS und nachfolgend die Höchstgerichte vorlegen ist. Weitere spezifische Integrationsbemühungen des BF sind seit diesem Zeitpunkt nicht dazugekommen. So gab er selbst an, über keine Freunde in Österreich zu verfügen und gab auch selbst keine Tatsachen an, die auf eine besondere Integrationsverfestigung, wie etwa ehrenamtliche Tätigkeiten, Mitgliedschaft in Vereinen, etc hindeuten würden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Aufenthalt des BF immer nur geduldet war. Der Aufenthalt war somit nicht rechtmäßig (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschofer Asyl- und Fremdenrecht § 46a FPG K26). Die vorliegenden Integrationsschritte wurden damit zu einem Zeitpunkt gesetzt, in denen sich der BF seines unsicheren Aufenthaltsstatus im Bundesgebiet und damit auch der Vorläufigkeit bewusst sein musste. Besondere außergewöhnliche Umstände, die dennoch ausnahmsweise auf ein künftiges Wohlverhalten hindeuten, sind im Verfahren somit nicht hervorgekommen (vgl. VwGH vom 19.02.2009, 2006/18/0164). Die Trennung von seiner Ehefrau ist somit in öffentlichem Interesse in Kauf zu nehmen, wobei hier darauf hinzuweisen ist, dass der BF weiterhin mit einem Duldungsstatus im Bundesgebiet aufhältig ist. Der Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes war daher abzuweisen.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot Aufhebung Aufenthaltsverbot Entscheidungspflicht Frist geänderte Verhältnisse Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose Gewalttätigkeit Haft Haftstrafe Interessenabwägung Körperverletzung Mord öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit öffentliches Interesse Privat- und Familienleben private Interessen reumütiges Geständnis Säumnis Säumnisbeschwerde schwere Straftat Verbrechen Voraussetzungen Wegfall der Gründe Zeitablauf

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W268.2226023.1.00

Im RIS seit

24.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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