TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/3 I412 2001919-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.08.2021
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Entscheidungsdatum

03.08.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58 Abs10
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9 Abs2
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I412 2001919-3/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. NIGERIA, vertreten durch LEGAL FOCUS, Gudrunstraße 143/19, 1100 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Burgenland (BFA-B) vom 10.05.2021, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text




Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte nach illegaler Einreise am den Antrag, ihm in Österreich internationalen Schutz zu gewähren.

2. Mit Bescheid vom 16.01.2014, Zl.831919510/176708 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr.100/2005 (AsylG) idgF (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab; zugleich wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF erlassen. Weiters wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist. Die Frist für eine freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt III.). Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom , als verspätet und ein diesbezüglicher Antrag auf Wiedereinsetzung als unbegründet abgewiesen.

3. Der Beschwerdeführer verblieb im Bundesgebiet und stellte am einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz, den das Bundesamt mit Bescheid vom , Zl. , abwies; zugleich wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF erlassen. Weiters wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist. Die Frist für eine freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt III.). Die gegen diese Entscheidung erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , GZ: als unbegründet abgewiesen. Die Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.

4. Am 25.11.2019 stellte der Beschwerdeführer seinen ersten Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gem. § 55 Abs. 2 AsylG. Dieser Antrag wurde vom Bundesamt mittels Bescheid vom 14.01.2020 zurückgewiesen.

5. Am 11.02.2020 stellte der Beschwerdeführer einen erneuten Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen“ gem. § 56 Abs. 2 AsylG. Am 17.08.2020 langte von der gewillkürten Vertretung ein Zweckänderungsantrag auf § 56 AsylG bei der belangten Behörde ein. Dieser Antrag wurde ebenfalls von der belangten Behörde mittels Bescheid vom 19.01.2021 zurückgewiesen.

6. Am 16.02.2021 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gem. § 55 Abs. 1 AsylG. In seinem Antrag gab er zu seiner Integration an, dass er als Zeitungsverkäufer über eigene Mittel zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von € 240,- verfüge und verwies im Übrigen auf die vorgebrachten Integrationsunterlagen.

7. Mit dem angefochtenen Bescheid vom wurde dieser Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG nach § 58 Abs 10 AsylG als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Zugleich wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.) und gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Das Bundesamt begründete seine Entscheidung damit, dass gegen den Beschwerdeführer bereits eine Rückkehrentscheidung erlassen worden sei und aus seinem Antragsvorbringen kein maßgeblich veränderter Sachverhalt im Hinblick auf das Privat und Familienleben hervorgehe.

8. Gegen diesen Bescheid richtet sich die erhobene Beschwerde vom , in welcher vorgebracht wird, dass im Bescheid inhaltlich falsch entschieden werde bzw. eine Sachentscheidung ganz verweigert werde. Darüber hinaus sei die Verfahrensführung mangelhaft. Der Beschwerdeführer sei bereits seit 2013 in Österreich aufhältig, habe eine sehr gute Integration. Der Beschwerdeführer habe einen männlichen Lebenspartner, mit dem er wöchentlich Zeit verbringe. Auch habe der Beschwerdeführer sich in Vereinen, verschiedenen Organisationen und Ehrenämtern betätigt. Negative Aspekte seines Aufenthaltes seien nicht hervorgetreten, weshalb von einem Überwiegen seiner privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet auszugehen sei. In der Beschwerde wird beantragt, nach mündlicher Verhandlung und Durchführung der beantragten Beweise festzustellen, dass die Spruchteile „Zurückweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57, Erlassung einer Rückkehrentscheidung und Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung“ nicht zulässig seien, die bekämpfte Entscheidung zu beheben, festzustellen, dass die Ausweisung auf Dauer unzulässig sei, ebenso festzustellen, dass ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG oder iSd §55 AsylG zuzuerkennen und auszustellen sei. Für den Fall einer negativen Entscheidung werde beantragt, die ordentliche Revision an den VwGH zuzulassen.

9. Mit Schriftsatz vom legte das Bundesamt dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der angeführte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der strafrechtlich unbescholtene Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Nigerias. Seine Identität steht fest. Er ist volljährig, Angehöriger der Volksgruppe Ibo und lebte bis zu seiner Ausreise in der Stadt Port Harcourt. Vor seiner Ausreise hat er in seinem Herkunftsland sechs Jahre lang die Grundschule und vier Jahre lang die Mittelschule besucht.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen gesundheitlichen Einschränkungen. In Österreich ist der Beschwerdeführer ehrenamtlich im XXXX und als Zeitungsverkäufer tätig. Er ist nicht selbsterhaltungsfähig und lebt von Leistungen aus der Grundversorgung.

Der Beschwerdeführer hält sich spätestens seit dem 28.12.2013 im Bundesgebiet auf.

Der Beschwerdeführer ist Mitglied in der XXXX und der „ XXXX “ in XXXX . Der Beschwerdeführer hat einen Sprachkurs im Niveau A2 positiv absolviert.

Der Beschwerdeführer ist trotz der gegen ihn seit bestehenden Rückkehrentscheidung seiner Ausreiseverpflichtung aus Österreich nicht nachgekommen.

1.2. Zur Änderung des Sachverhalts seit der Rechtskraft des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes am

Aus dem begründeten Antragsvorbringen des Beschwerdeführers geht im Vergleich zur rechtskräftigen Rückkehrentscheidung vom ein im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung erforderlich machen würde, nicht hervor.

Auch hinsichtlich der vorgebrachten Beziehung mit einem nigerianischen Staatsangehörigen ist im Vergleich zum Sachverhalt, der der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.08.2019, I415 20001919-2/18E zugrunde lag, keine Änderung eingetreten.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz.

Der zuvor unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes, des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes sowie der Einholung des dazugehörigen Aktes zum vorangegangenen Asylverfahren GZ: I415 2001919-2.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem angefochtenen Bescheid sowie dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.08.2019, GZ: I415 2001919-2/18E.

Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund des vorgelegten Reisepasses, welcher am 11.02.2021 von der nigerianischen Botschaft in Wien ausgestellt wurde, fest.

Die Feststellungen hinsichtlich seiner Integration ergaben sich aus den vorgelegten Empfehlungsschreiben, der Vorlage von Lichtbildern sowie einiger Nachweise über die Teilnahme an dem gemeinnützigen Verein „ XXXX “ und einer vorgelegten Einstellungszusage (datiert mit 14.12.2020). Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit resultiert aus einer Einsicht in das Strafregister.

2.3.

Der Großteil der vorgelegten Nachweise betreffend die Integration des Beschwerdeführers lag bereits der Entscheidung vom 23.08.2019 zu Grunde und konnte damit kein maßgeblich veränderter Sachverhalt festgestellt werden.

Zwischen dem Erkenntnis vom 23.08.2019 und der angefochtenen Entscheidung vom 10.05.2021 liegen nur knapp zwei Jahre und die bloße Verlängerung des Aufenthalts um diesen Zeitraum stellt für sich allein keine relevante Änderung dar, zumal der Beschwerdeführer verpflichtet war, Österreich zu verlassen (siehe dazu Ra 2017/22/0196).

Bereits in diesem Verfahren wurde vom Beschwerdeführer in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 12.08.2019 vorgebracht, eine Beziehung mit einem näher genannten nigerianischen Staatsangehörigen zu führen und ist auch seinem Vorbringen zu Folge keine Änderung eingetreten. Anzuführen ist, dass der Beschwerdeführer bereits in der Verhandlung am 12.08.2019 angab, mit dieser Person seit fünf Jahren zusammen zu sein, und in der Einvernahme zum gegenständlichen Antrag am 28.04.2021 ebenfalls von einer fünfjährigen Beziehungsdauer spricht.

Das Familien- und Privatleben des Beschwerdeführers wurde bereits im Rahmen der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.08.2019 hinreichend berücksichtigt. Es wurde kein weiteres Vorbringen erstattet.

Dass gegen den Beschwerdeführer eine aufrechte Rückkehrentscheidung besteht, ergibt sich aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.08.2019, GZ: I415 2001919-2/18E. Da er laut aktuellem Auszug aus dem zentralen Melderegister weiterhin einen aufrecht gemeldeten Wohnsitz in Österreich hat und nicht ausgereist ist, kam er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zur Abweisung der Beschwerde

3.1. Zur Zurückweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1. Rechtslage

Nach § 58 Abs 10 AsylG sind Anträge gemäß § 55 AsylG als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht.

Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1803 BlgNR 24. GP 50) legen zur Bestimmung des § 58 Abs 10 AsylG Folgendes dar:

"Der neue (Abs. 10) entspricht im Wesentlichen § 44b NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011. Mit der Neuerrichtung des Bundesamtes und der damit einhergehenden Verfahrensvereinfachung und organisatorischen Umstrukturierung ist die Einbindung der zuständigen Sicherheitsdirektion entfallen. Die Beurteilung bzw. Prüfung erfolgt nun durch das Bundesamt. Dementsprechend sind Anträge als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 iVm § 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Diese inhaltliche Neubewertung des Sachverhaltes hat sich lediglich auf den Zeitraum zwischen der rechtskräftigen Entscheidung nach dem FPG bis zur Entscheidung des zugrundeliegenden Antrages auf Erteilung des Aufenthaltstitels zu beziehen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass - im Rahmen einer Neubewertung - wenn ein maßgeblich geänderter Sachverhalt im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegt, ein Aufenthaltstitel zu erteilen sein wird."

Da der Zurückweisungsgrund gemäß § 58 Abs. 10 AsylG (vormals § 44b Abs. 1 Z 1 NAG) der Zurückweisung wegen entschiedener Sache (§ 68 Abs. 1 AVG) nachgebildet ist, können die zu § 68 Abs. 1 AVG entwickelten Grundsätze für die Beurteilung, wann eine Änderung des Sachverhaltes als wesentlich anzusehen ist, auch für die Frage herangezogen werden, wann eine maßgebliche Sachverhaltsänderung iSd § 58 Abs. 10 AsylG vorliegt. Demnach ist eine Sachverhaltsänderung dann wesentlich, wenn sie für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die rechtskräftige Entscheidung gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann. Die Erlassung eines inhaltlich anderslautenden Bescheides (bezogen auf § 58 Abs. 10 AsylG: eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK) muss also zumindest möglich sein; in dieser Hinsicht hat die Behörde eine Prognose zu treffen. Dabei ist die Wesentlichkeit der Sachverhaltsänderung nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen Entscheidung erfahren hat. Für diese Prognose ist eine Gesamtbetrachtung anzustellen (vgl. VwGH 09.09.2013, 2013/22/0161; 09.09.2013, 2013/22/0215, mwN).

Ist Sache der Entscheidung der Rechtsmittelbehörde nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, darf sie demnach nur über die Frage entscheiden, ob die Zurückweisung durch die Vorinstanz zu Recht erfolgt ist oder nicht, und hat dementsprechend - bei einer Zurückweisung wegen entschiedener Sache - entweder (im Falle des Vorliegens entschiedener Sache) das Rechtsmittel abzuweisen oder (im Falle der Unrichtigkeit dieser Auffassung) den bekämpften Bescheid ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, dass die erstinstanzliche Behörde in Bindung an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde den Antrag jedenfalls nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Es ist der Rechtsmittelbehörde aber verwehrt, über den Antrag selbst meritorisch zu entscheiden (vgl. VwGH 30. 5. 1995, 93/08/0207). Der dahin gerichtete Beschwerdeantrag blieb daher unberücksichtigt.

3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Da das Bundesamt mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK zurückgewiesen hat, ist Prozessgegenstand der vorliegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes nur die Frage, ob die Zurückweisung des Antrags nach § 58 Abs. 10 AsylG zu Recht erfolgte.

Gegen den Beschwerdeführer besteht seit dem eine Rückkehrentscheidung und die von ihm geltend gemachten Umstände im Rahmen des Verfahrens über den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK zeigen keine maßgebliche Sachverhaltsänderung in Hinblick auf das Privat und Familienleben auf, die eine Neubeurteilung auf der Grundlage des Art. 8 EMRK erfordert.

Eine Sachverhaltsänderung iSd § 58 Abs. 10 AsylG ist dann als wesentlich anzusehen, wenn sie für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass eine andere Beurteilung als in der bereits ergangenen rechtskräftigen Entscheidung nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101 mit Hinweisen auf VwGH 22.07.2011, 2011/22/0127; 05.05.2015, Ra 2014/22/0115). Die Erlassung eines inhaltlich anders lautenden Bescheides müsste also zumindest möglich sein. Ein maßgeblich geänderter Sachverhalt liegt demnach dann nicht vor, wenn die geltend gemachten Umstände von vornherein keine solche Bedeutung aufweisen, die eine neue Beurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK erforderlich machen. Es wird in der Beschwerde allerdings unterlassen aufzuzeigen, inwieweit in den neu vorgebrachten Umständen eine wesentliche Sachverhaltsänderung erkannt werden könnte.

Die in der Beschwerde aufgezeigte, bloße Verlängerung des Inlandsaufenthaltes des Beschwerdeführers (im konkreten Fall um nicht ganz zwei Jahre zwischen der rezenten Rückkehrentscheidung vom 23.08.2019 und dem angefochtenen Bescheid vom 10.05.2021) kann nicht als wesentliche Änderung angesehen werden, da damit weder die nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung relevante "Zehn-Jahres-Grenze" erreicht wird, noch dieser Aufenthalt rechtmäßig war.

Der Verwaltungsgerichtshof ging in seiner Entscheidung vom 27.01.2015, Ra 2014/22/0094, davon aus, dass weder ein Zeitablauf von ca. zwei Jahren zwischen der rechtskräftigen Ausweisung und dem Zurückweisungsbeschluss der Behörde noch verbesserte Deutschkenntnisse oder eine Einstellungszusage eine maßgebliche Sachverhaltsänderung iSd § 44b NAG 2005 idF vor 2012/I/097 darstellen. Die Bestimmung des § 58 Abs. 10 AsylG entspricht im Wesentlichen dem § 44b NAG idF BGBl I Nr. 38/2011, weshalb die in Bezug auf die genannte Vorgängerbestimmung ergangene höchstgerichtliche Judikatur auch im gegenständlichen Fall anzuwenden ist (vgl. Filzwieser et al, Asyl- und Fremdenrecht, § 58 E11; mwN).

Auch hinsichtlich des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers sind seit der letzten Rückkehrentscheidung keine relevanten Änderungen eingetreten.

Die Zurückweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK durch die belangte Behörde nach § 58 Abs. 10 AsylG erfolgte daher zu Recht.

3.2. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

3.2.1. Rechtslage

Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist nach § 10 Abs 3 AsylG diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

Gemäß § 52 Abs 3 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

3.2.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Mit Erkenntnis vom 23.08.2020, GZ: I415 2001919-2/18E, wurde rechtskräftig entschieden, dass eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Nigeria verhältnismäßig ist und keine Verletzung des Art. 8 EMRK darstellt. Wie bereits dargelegt, hat sich seit dieser Entscheidung keine wesentliche Sachverhaltsänderung beim Privat und Familienleben des Beschwerdeführers ergeben.

Es ist auch darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer nach der Entscheidung über seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz illegal im Bundesgebiet verblieb und kurz nach der negativen Entscheidung über den Antrag einen weiteren unberechtigten Asylantrag stellte und der vorliegende Antrag bereits sein dritter Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 bzw. 56 AsylG 2005 ist. Darüber hinaus entstanden seine privaten Kontakte in einem Zeitpunkt, in dem er nicht davon ausgehen konnte, in Österreich bleiben zu können, insbesondere da bereits im Jänner 2014 eine erste Rückkehrentscheidung nach Nigeria erging.

Die öffentlichen Interessen an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens als Teil der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, des wirtschaftlichen Wohls des Landes durch Vermeidung unkontrollierter Zuwanderung wiegen im gegenständlichen Fall insgesamt höher als die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet. Allein ein durch Missachtung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften erwirkter Aufenthalt kann nämlich keinen Rechtsanspruch aus Art. 8 EMRK bewirken. Eine andere Auffassung würde zu einer Bevorzugung von rechtsmissbräuchlichem Verhalten führen und Personen, die sich rechtskonform verhalten, schlechter stellen.

Insgesamt ergibt sich ein deutliches Überwiegen der öffentlichen Interessen iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK, insbesondere zur Erreichung eines geordneten Vollzuges des Fremdenwesens und zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, sodass der Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers rechtmäßig ist und hat die belangte Behörde zu Recht eine Rückkehrentscheidung, gestützt auf §52 Abs 3 FPG erlassen.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides abzuweisen war.

3.3. Zum Ausspruch über die Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.08.2020, GZ: I415 2001919-2/18E, wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria zulässig ist und dass ihm der Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist. In dem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs. 1 AsylG (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs. 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ausgeschlossen ist, was es verunmöglicht, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (vgl. dazu etwa VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119 und auch die Beschlüsse vom 19.02.2015, Ra 2015/21/0005 und vom 30.06.2015, Ra 2015/21/0059 – 0062).

Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.

3.4. Frist zur freiwilligen Ausreise (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 55 Abs 1 FPG wird mit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt gemäß § 55 Abs 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Dem Beschwerdeführer wurden 14 Tage als Frist für die freiwillige Ausreise gewährt und besondere Umstände sind weder hervorgekommen noch vorgebracht worden. Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.

4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Da der verfahrenseinleitende Antrag zurückzuweisen war, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG unterbleiben. Der für die Zurückweisung maßgebliche Sachverhalt war zudem iSd § 21 Abs. 7 BFA-VG auf Grund der Aktenlage hinreichend geklärt. Im Übrigen sieht § 21 Abs. 6a BFA-VG vor, dass das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen zurückweisende Entscheidungen – eine solche liegt gegenständlich vor – ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung entscheiden kann.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung zur Zurückweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK bei einer aufrechten Rückkehrentscheidung und keiner maßgeblichen Änderung des Privat- und Familienlebens, noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.´

Schlagworte

Abschiebung Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK Ausreiseverpflichtung entschiedene Sache freiwillige Ausreise Frist geänderte Verhältnisse Identität der Sache Integration Interessenabwägung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen Rechtskraft der Entscheidung Rechtskraftwirkung res iudicata Rückkehrentscheidung wesentliche Änderung wesentliche Sachverhaltsänderung Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I412.2001919.3.00

Im RIS seit

22.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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