TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/3 G314 2219002-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.08.2021
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Entscheidungsdatum

03.08.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch


G314 2219002-1/11E

ENDERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des slowakischen Staatsangehörigen XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .2019, Zl. XXXX , zu Recht:

A)       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang:

Nachdem über den Beschwerdeführer (BF) am XXXX 2018 die Untersuchungshaft verhängt worden war, forderte ihn das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Schreiben vom 25.10.2018 auf, sich zur beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbots zu äußern. Er erstattete keine Stellungnahme.

Nach der rechtskräftigen Verurteilung zu einer 15-monatigen Freiheitsstrafe wegen qualifizierter Diebstähle erließ das BFA gegen den BF mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I.), erteilte ihm gemäß § 70 Abs 3 FPG keinen Durchsetzungsaufschub (Spruchpunkt II.) und erkannte einer Beschwerde gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt III.). Dies wurde im Wesentlichen mit der strafgerichtlichen Verurteilung begründet. Das Verhalten des BF stelle eine Gefahr für die Grundinteressen der Gesellschaft dar; ein schützenswertes Privat- und Familienleben sei nicht feststellbar, berufliche Bindungen würden nicht existieren.

Der BF erhob dagegen eine Beschwerde, mit der er die Durchführung einer Beschwerdeverhandlung und die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt. Er strebt primär die ersatzlose Behebung des Aufenthaltsverbots an; hilfsweise beantragt er die Reduktion der Dauer des Aufenthaltsverbots und stellt einen Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag. Er begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass er sich seit XXXX 2017 in Österreich aufhalte und hier auch erwerbstätig gewesen sei. Er bereue seine Taten und habe vor, nach der Haft ein neues Leben zu beginnen. Das BFA habe ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt und den Grundsatz des Parteiengehörs verletzt, weil es dem BF lediglich eine Möglichkeit zur schriftlichen Stellungnahme eingeräumt habe, die er mangels ausreichender Deutschkenntnisse nicht nutzen konnte. Das BFA sei daher fälschlicherweise davon ausgegangen, dass er im Inland kein schützenswertes Privat- und Familienleben habe. Tatsächlich habe er aber ein enges Verhältnis zu seiner Cousine, die mit ihren Kindern in Österreich lebe und bei der er nach der Haftentlassung arbeiten könne. Das BFA habe keine nachvollziehbare Gefährdungsprognose erstellt, die fünfjährige Dauer des Aufenthaltsverbots nicht einzelfallbezogen begründet und insbesondere die bei der Strafbemessung maßgeblichen Milderungsgründe außer Acht gelassen.

Das BFA legte die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor. Mit Eingabe vom 20.05.2019 legte der BF noch zwei Einstellungszusagen vor.

Am 27.05.2019 langte der slowakische ECRIS-Auszug des BF beim BVwG ein.

Am 03.06.2019 übermittelte die Bezirkshauptmannschaft (BH) Dornbirn dem BVwG auftragsgemäß Informationen über die Verwaltungsstrafverfahren gegen den BF.

Mit dem Teilerkenntnis vom 25.06.2019 wies das BVwG die Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids) unter gleichzeitiger Zurückweisung des Antrags auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ab und erkannte der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG nicht zu.

Feststellungen:

Der am XXXX in XXXX geborene BF, ein Staatsangehöriger der Slowakei, hat einen am XXXX .2015 ausgestellten und bis XXXX .2025 gültigen slowakischen Personalausweis. Seine Muttersprache ist Slowakisch. Er hat zwei jüngere Schwestern. In seinem Herkunftsstaat, wo seine Eltern nach wie vor leben, besuchte er nach der Grundschule eine Landwirtschaftsschule und war danach in verschiedenen Branchen erwerbstätig. Er ist ledig und ohne Sorgepflichten, gesund und arbeitsfähig.

Der BF lebte bis 2017 in der Slowakei. Im XXXX 2017 übersiedelte er (ohne seinen Wohnsitz in XXXX aufzugeben) nach Österreich, wo er bis XXXX 2018 als Arbeiter (Paketzusteller) bei einem Transportunternehmen in XXXX vollversichert erwerbstätig war. Am XXXX .2018 wurde ihm eine Anmeldebescheinigung als Arbeitnehmer ausgestellt.

Von XXXX .2017 bis XXXX .2019 war der BF an einer Adresse in XXXX mit Hauptwohnsitz gemeldet. Er hielt sich auch nach der Auflösung des Mietverhältnisses wegen des bevorstehenden Abbruchs des Gebäudes zum XXXX .2018 bis XXXX 2018 noch fallweise unerlaubt in der Wohnung auf, wo er gemeldet war, kehrte aber auch regelmäßig in die Slowakei zurück, wo er Einkünfte (unter anderem durch Arbeitskräftevermittlung) erzielte.

Im XXXX 2018 machte sich der BF in Österreich selbständig und meldete die Gewerbe „ XXXX “ und „ XXXX “ an. Er nahm jedoch keine Geschäftstätigkeit mit dem gegründeten Kleintransportunternehmen auf.

Am XXXX 2018 wurde der BF in der Slowakei wegen (Einbruchs-)Diebstahls zu einer für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Zwischen XXXX 2018 bis XXXX 2019 wurden über ihn durch die Bezirkshauptmannschaften XXXX und XXXX insgesamt elf Geldstrafen wegen Verwaltungsübertretungen verhängt.

Am XXXX 2018 wurde der BF im Bundesgebiet verhaftet, in Untersuchungshaft genommen und mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom 09.04.2019, XXXX , wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren und teils durch Einbruch begangenen Diebstahls (§§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1, 130 Abs 1 und Abs 2 erster und zweiter Fall, 15 StGB) rechtskräftig zu einer 15-monatigen Freiheitsstrafe verurteilt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass er von XXXX 2018 bis zu seiner Verhaftung in zahlreichen Angriffen Buntmetall und Altbatterien im Gesamtwert von über EUR 91.000 (teilweise durch Einbruch in Gebäude bzw. durch Überklettern einer Umzäunung) stahl bzw. zu stehlen versuchte. Die Beute verkaufte er großteils in Deutschland und verwendete den Erlös zur Finanzierung seiner Spielsucht. Bei der Strafbemessung wurden das Geständnis und der Umstand, dass es bei zwei Taten beim Versuch geblieben war (einmal, weil er erfolglos versucht hatte, ein Fenster auszuhebeln und einmal, weil er auf frischer Tat betreten wurde) als mildernd, die Vorstrafenbelastung, die Zureise zur Begehung einzelner Straftaten aus dem Ausland nach Österreich, die zweifache Diebstahlsqualifikation, der rasche Rückfall nach der Verurteilung in der Slowakei und die Begehung während eines dort anhängigen Strafverfahrens dagegen als erschwerend berücksichtigt. Der BF, der schon in der Slowakei Schulden von EUR 15.000 gemacht hatte, wurde im Strafurteil zum Ersatz von mehr als EUR 51.000 an mehrere durch seine Taten Geschädigte verurteilt. Der beim Verkauf des Diebesguts erzielte Erlös von insgesamt über EUR 38.000 wurden für verfallen erklärt und sein (teilweise zum Transport der Beute verwendetes) Auto konfisziert.

Die Haftstrafe verbüßte der BF – unter Berücksichtigung der angerechneten Vorhaft und diverser Ersatzfreiheitsstrafen wegen der Verwaltungsübertretungen – bis zum XXXX .2019 in der Justizanstalt XXXX . An diesem Tag wurde er nach dem Vollzug von zwei Dritteln der Haftstrafe unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt entlassen, in Schubhaft genommen und am XXXX .2019 in die Slowakei abgeschoben.

Der BF steht in Kontakt zu seiner Cousine XXXX und ihren beiden Kindern, die in Österreich leben. Beide Unternehmen, bei denen er zunächst für die Zeit nach der Haft einen Arbeitsplatz in Aussicht hatte, existieren nicht mehr.

Beweiswürdigung:

Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich ohne entscheidungswesentliche Widersprüche aus dem unbedenklichen Inhalt der Akten des Verwaltungsverfahrens und des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG, insbesondere aus dem Strafurteil und den Angaben des BF bei der Beschuldigtenvernehmung, sowie den Informationen aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Strafregister, dem Versicherungsdatenauszug und dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR).

Name, Geburtsdatum und Staatsangehörigkeit des BF gehen aus seinem (dem BVwG in Kopie vorgelegten) Personalausweis in Übereinstimmung mit dem übrigen Akteninhalt hervor; zusätzlich liegt dem Akt eine Führerscheinkopie bei. Muttersprachliche Slowakischkenntnisse sind aufgrund seiner Herkunft plausibel und gehen etwa aus dem Strafurteil, in dem Slowakisch als Dolmetschsprache aufscheint, hervor. Über Basiskenntnisse hinausgehende Deutschkenntnisse oder ein konkretes Sprachniveau können nicht festgestellt werden, zumal weder Prüfungszertifikate noch Bestätigungen über den Besuch von Deutschkursen vorgelegt wurden und der BF in der Beschwerde angibt, er sei der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig, um die Aufforderung des BFA vom 25.10.2018 zu verstehen oder zu beantworten.

Die Feststellungen zu Ausbildung und Erwerbstätigkeit des BF in der Slowakei folgen seinen Angaben bei der Beschuldigtenvernehmung am XXXX 2018 (Seite 57 der Verwaltungsakten). Daraus geht auch hervor, dass er zwei Schwetsern hat und dass seine Eltern in der Slowakei leben (Seite 59 der Verwaltungsakten: „In der Slowakei wohne ich noch bei meinen Eltern“). Seine familiären Verhältnisse ergeben sich daraus sowie aus den Angaben zu seiner Person im Strafurteil vom XXXX . Es gibt keine aktenkundigen Anhaltspunkte für Sorgepflichten, gesundheitliche Probleme oder Einschränkungen seiner Arbeitsfähigkeit.

Die Feststellung, dass der BF auch nach dem Umzug nach Österreich seinen Wohnsitz in XXXX beibehielt, beruht auf dem polizeilichen Abschlussbericht vom XXXX .2019, aus dem sich auch der Gesamtwert des erbeuteten Diebesguts, der Verkaufserlös und die Verwendung des Autos des BF bei den Diebstählen ergeben. Seine Erwerbstätigkeit in Österreich geht aus dem Versicherungsdatenauszug hervor; die Anmeldebescheinigung ist im IZR dokumentiert.

Aus dem ZMR geht hervor, dass der BF von XXXX .2017 bis XXXX .2019 mit Hauptwohnsitz in XXXX gemeldet war. Von XXXX .2018 bis XXXX .2019 bestand eine Nebenwohnsitzmeldung in der Justizanstalt XXXX und danach bis XXXX .2019 im Polizeianhaltezentrum XXXX . Die Feststellungen, dass er sich trotz des bevorstehenden Abbruchs seines Wohngebäudes fallweise weiterhin dort aufhielt, sonst aber in die Slowakei zurückkehrte bzw. im Inland unsteten Aufenthalts war, basieren auf den Angaben des BF bei der Beschuldigtenvernehmung. Auch laut dem Strafurteil war er vor der Inhaftierung zuletzt unsteten Aufenthalts.

Die dem BF in Österreich erteilten Gewerbeberechtigungen ergeben sich aus dem Gewerbeinformationssystem Austria (GISA). Beide sind demnach seit XXXX .2019 beendet. Die Feststellung, dass das vom BF gegründete Unternehmen nie aktiv wurde, geht ebenso wie die in der Slowakei durch Arbeitskräfteüberlassung erzielten Einkünfte aus seinen Angaben bei der Beschuldigtenvernehmung hervor.

Die strafgerichtliche Verurteilung des BF in der Slowakei, die im Strafurteil vom XXXX XXXX als erschwerend berücksichtigt wurde, ergibt sich aus dem ECRIS-Auszug. Die Verwaltungsstrafen werden anhand der Vollzugsinformation in Zusammenschau mit der Auskunft der BH XXXX vom 03.06.2019 festgestellt.

Die Feststellungen zur strafgerichtlichen Verurteilung des BF in Österreich, den zugrundeliegenden Taten und den Strafbemessungsgründen basieren auf dem Strafurteil vom XXXX und dem Strafregister. Der Verkauf des Diebesguts in Deutschland und die Verwendung des Erlöses für Glücksspiele ergeben sich aus den Angaben des BF bei der Beschuldigtenvernehmung. Der Vollzug der Freiheitsstrafe (samt angerechneter Vorhaft und diverser Ersatzfreiheitsstrafen wegen Verwaltungsübertretungen) geht aus dem Strafurteil, der Vollzugsinformation und der Wohnsitzmeldung des BF in der Justizanstalt XXXX hervor. Die bedingte Entlassung (die offenbar gemäß § 148 Abs 2 StVG am Freitag, den 06.09.2019, erfolgte) ist im Strafregister dokumentiert, die anschließende Schubhaft und die Abschiebung in die Slowakei ergeben sich aus dem IZR.

Die vom BF angegebenen Kontakte zu seiner Cousine und deren Kindern, die in XXXX mit Hauptwohnsitz gemeldet sind, sind glaubhaft, zumal ihm laut Vollzugsinformation Tischbesuche mit ihr bewilligt wurden. Eine wechselseitige Abhängigkeit zwischen den volljährigen Seitenverwandten hat das Verfahren nicht ergeben.

Der BF legte Einstellungszusagen der XXXX und des XXXX hervor. Seine Cousine, die Prokuristin der XXXX war, ist laut ZMR an derselben Adresse wie XXXX gemeldet. Die XXXX wurde nach Aufhebung des Konkurses mangels Kostendeckung am XXXX wegen Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht. Über das Vermögen des XXXX wurde laut Insolvenzdatei mit dem Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX zu XXXX das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet, was die endgültige Beendigung seiner unternehmerischen Tätigkeit belegt. Der BF hat somit aktuell keinen konkreten Arbeitsplatz im Bundesgebiet in Aussicht.

Rechtliche Beurteilung:

Zur behaupteten Verletzung des Parteiengehörs:

Das Recht des BF auf Parteiengehör wurde entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht verletzt, zumal er im Rahmen der schriftlichen Äußerungsmöglichkeit laut Schreiben vom 25.10.2018 (allenfalls mit Hilfe einer sprachkundigen Person) eine Stellungnahme hätte erstatten können und auch im Rahmen der Beschwerde eine ausreichende Möglichkeit zur Stellungnahme bestand.

Zu den Spruchpunkten I. und II. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 67 Abs 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den BF als EWR-Bürger iSd § 2 Abs 4 Z 8 FPG zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist. Das Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können diese Maßnahmen nicht ohne weiteres begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen EWR-Bürger, die den Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch den Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.

Gemäß § 67 Abs 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Bei einer besonders schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit kann das Aufenthaltsverbot gemäß § 67 Abs 3 FPG auch unbefristet erlassen werden, so z.B. bei einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren (§ 67 Abs 3 Z 1 FPG).

Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung oder Bestrafung, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen oder verwaltungsrechtliche Bestrafungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (siehe z.B. VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0091).

Hier hat sich der BF weder seit zehn Jahren im Bundesgebiet aufgehalten noch das unionsrechtliche Recht auf Daueraufenthalt erworben, das gemäß § 53a NAG idR (von hier nicht maßgeblichen Ausnahmefällen abgesehen) einen fünfjährigen rechtmäßigen und kontinuierlichen Aufenthalt voraussetzt. Der Erwerb des Daueraufenthaltsrechts ist schon deshalb zu verneinen, weil der BF bereits kurz nach der Einreise nach Österreich Vermögensdelikte beging, sodass unter Berücksichtigung der strafgerichtlichen Sanktion, die gegen ihn in der Slowakei verhängt wurde, von einer Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit iSd § 55 Abs 3 NAG auszugehen ist, die dem Fortbestand des Aufenthaltsrechts gemäß § 51 Abs 1 NAG und somit dem Erlangen eines Daueraufenthaltsrechts nach § 53a NAG entgegen steht (vgl. VwGH 16.07.2020, Ra 2019/21/0247). Daher ist der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs 1 zweiter bis vierter Satz FPG („tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt“) anzuwenden.

Das persönliche Verhalten des BF stellt eine solche Gefahr dar, die Grundinteressen der Gesellschaft iSd Art 8 Abs 2 EMRK (an der Verteidigung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, der Verhinderung von strafbaren Handlungen sowie zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer und der Moral) berührt. Der BF wurde – offenbar völlig unbeeindruckt vom dem gegen ihn in der Slowakei geführten Strafverfahren und seiner Verurteilung zu einer bedingten Haftstrafe – auch in Österreich straffällig, beging zahlreiche Diebstähle (teils durch Einbruch) und verwendete den Erlös des Diebesguts, dessen Gesamtwert über EUR 91.000 betrug, zur Finanzierung von Glücksspielen. Dies führte dazu, dass das Landesgericht XXXX zwar mit einer im unteren Drittel des Strafrahmens gelegenen Freiheitsstrafe das Auslangen fand, die jedoch zur Gänze unbedingt ausgesprochen wurde.

Die kurze Erwerbstätigkeit des BF im Bundesgebiet führt ebensowenig wie die Kontakte zu seiner Cousine und deren Familie sowie die erhöhte spezialpräventive Wirkung des Erstvollzugs dazu, dass in einer gebotenen Gesamtschau für ihn eine positive Zukunftsprognose erstellt werden kann, zumal er in Österreich auch noch diverse Verwaltungsübertretungen beging. Die vorgelegten Einstellungszusagen wirken sich nicht maßgeblich zu seinen Gunsten aus, zumal die potentiellen Arbeitgeber aus dem Umfeld seiner Cousine mittlerweile gar nicht mehr existieren.

Da die nach fremdenrechtlichen Vorschriften vorzunehmende Gefährdungsprognose grundsätzlich unabhängig von den Erwägungen des Strafgerichts erfolgt, ist die bedingte Entlassung des BF im XXXX 2019 vom Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme losgelöst zu betrachten (siehe VwGH 17.12.2020, Ra 2020/18/0279). Auch die bei der Strafbemessung berücksichtigten Milderungsgründe, auf die die Beschwerde hinweist, führen zu keiner anderen Beurteilung, zumal der neben dem Geständnis herangezogene Umstand des teilweisen Versuchs den Handlungs- und Gesinnungsunwert nicht wesentlich reduziert, weil der BF nicht von sich aus von einer Tatvollendung Abstand nahm, sondern in einem Fall, weil der Versuch, ein Fenster auszuhebeln, scheiterte, und er in einem anderen Fall auf frischer Tat betreten wurde. Demgegenüber lagen auch mehrere gewichtige Erschwerungsgründe vor, wobei der rasche Rückfall und die Begehung während des in der Slowakei anhängigen Strafverfahrens in Zusammenschau mit der prekären finanziellen Situation des BF und seinem problematischen Spielverhalten für eine eklatante Wiederholungsgefahr sprechen.

Die vom BF im Inland geknüpften sozialen und beruflichen Kontakte begründen vor dem Hintergrund seiner gravierenden Straffälligkeit ein vergleichsweise geringes persönliches Interesse an einem Verbleib im Bundesgebiet. Der Gesinnungswandel eines Straftäters ist grundsätzlich daran zu messen, ob und wie lange er sich (nach dem Vollzug einer Haftstrafe) in Freiheit wohlverhalten hat (siehe etwa VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233), wobei der Beobachtungszeitraum seit XXXX 2019 noch nicht ausreicht, um einen Wegfall oder eine maßgebliche Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr anzunehmen.

Eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten Interessen des BF, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs 3 BFA-VG ergebenden Wertungen in Form einer Gesamtbetrachtung ergibt, dass der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in sein Privatleben verhältnismäßig ist. Die Verbindung zu seiner Cousine und ihren Kindern kann der BF über Kommunikationsmittel wie Telefon und Internet sowie durch Treffen außerhalb Österreichs aufrechterhalten, zumal die Österreich umgebenden Staaten nur ein geringes epidemiologisches Risiko hinsichtlich COVID-19 aufweisen (siehe hierzu https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reisewarnungen/, Zugriff am 30.07.20121). Da sich der BF bis Oktober 2017 überwiegend in seinem Herkunftsstaat aufhielt, seinen Wohnsitz dort nie aufgab und regelmäßig dorthin zurückkehrte, weil er dort Einkünfte erzielte, kann davon ausgegangen werden, dass ihm die Sicherung seiner Existenz in der Slowakei möglich ist.

Das Aufenthaltsverbot wurde somit dem Grunde nach zu Recht erlassen. Auch dessen vom BFA mit fünf Jahren festgelegte Dauer ist angesichts der zahlreichen Tathandlungen und dem erheblichen Wert des Diebesguts in Zusammenschau mit der Vorstrafe in der Slowakei nicht korrekturbedürftig, zumal ein bis zu zehnjähriges Aufenthaltsverbot möglich gewesen wäre. Auch die privaten und familiären Anknüpfungen des BF im Inland führen angesichts der starken Bindungen zu seinem Heimatstaat nicht dazu, dass ein mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot unverhältnismäßig wäre.

Gemäß § 70 Abs 3 FPG ist EWR-Bürgern bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbots von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich. Gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Über Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids wurde bereits mit dem Teilerkenntnis vom 25.06.2019 entschieden. Da der Beschwerde demnach die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt wurde, ist auch die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubs gemäß § 70 Abs 3 FPG nicht zu beanstanden, zumal angesichts der gewerbsmäßigen Diebstähle und der prekären finanziellen Situation des BF die sofortige Ausreise nach dem Strafvollzug im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit notwendig war. Die Beschwerde ist somit auch in Bezug auf Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids als unbegründet abzuweisen.

Da der relevante Sachverhalt aus der Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen geklärt werden konnte und auch bei einem positiven Eindruck vom BF bei einer mündlichen Verhandlung eine Herabsetzung der Dauer oder gar ein Entfall des Aufenthaltsverbots nicht möglich wäre, unterbleibt die beantragte Beschwerdeverhandlung gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG, von deren Durchführung keine weitere Klärung der Angelegenheit zu erwarten ist.

Die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose, die Interessenabwägung gemäß § 9 BFA-VG und die Bemessung der Dauer eines Aufenthaltsverbots sind im Allgemeinen nicht revisibel (siehe VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0284, 01.03.2018, Ra 2018/19/0014 und 10.07.2019, Ra 2019/19/0186). Die Revision ist nicht zuzulassen, weil sich das BVwG an der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüberhinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen war.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot EU-Bürger individuelle Verhältnisse Interessenabwägung öffentliche Interessen strafrechtliche Verurteilung Unionsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:G314.2219002.1.00

Im RIS seit

22.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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