Entscheidungsdatum
06.08.2021Norm
AsylG 2005 §11Spruch
W129 2236365-1/16E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter DDr. Markus GERHOLD über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.09.2020, 1256845201/200010068, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte am 04.01.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz, zu dem er am nächsten Tag niederschriftlich erstbefragt wurde. Zum Fluchtgrund befragt, führte er aus, dass er wegen des Krieges sein Heimatland verlassen habe.
2. Am 05.06.2020 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen.
Der Beschwerdeführer brachte anlässlich jener Einvernahme vor, dass er zuletzt in der Stadt Ar-Raqqa in Syrien gelebt habe. Zum Fluchtgrund befragt, gab er an, dass die Stadt Ar-Raqqa von IS-Kämpfern besetzt gewesen sei. Sie seien von den IS-Kämpfern aufgefordert worden, mitzukämpfen. Er habe nicht kämpfen wollen, deswegen sei er vom IS gesucht worden. Wenn ihn der IS erwischt hätte, wäre er enthauptet worden. Die Stadt Ar-Raqqa sei in weiterer Folge durch die Alliierten und Kurden vom IS befreit worden und so seien die Kurden an die Macht gekommen. Die Kurden hätten von ihm auch verlangt, eine Waffe zu tragen. Er habe keine Waffe tragen wollen, deshalb sei er auch von den Kurden gesucht worden. Aus diesem Grund habe er Syrien verlassen. Das seien seine Flucht- und Asylgründe, weitere habe er nicht. Befragt, ob ihm im Falle der Rückkehr und Abschiebung in seiner Heimat eine Verfolgung, eine unmenschliche Behandlung oder die Todesstrafe drohe, bejahte er dies und führte aus, dass er vom IS, von den Kurden und vom syrischen Staat gesucht werde.
3. Mit nunmehr angefochtenem Bescheid wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) ab. In Spruchpunkt II. wurde ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AslyG für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).
Der Begründung ist sinngemäß und zusammengefasst zu entnehmen, dass seine Identität feststehe. Er sei syrischer Staatsangehöriger, muslimischen Glaubens und gehöre der arabischen Volksgruppe an. Nicht festgestellt werden habe können, dass ihm in Syrien Verfolgung aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten gedroht habe bzw. drohen würde. Im Übrigen wurde ausgeführt, dass er im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr ausgesetzt sein würde, in seinen Rechten nach Art 3 EMRK verletzt zu werden. Eine Rückkehr nach Syrien erscheine daher aufgrund des Bürgerkrieges derzeit unter den dargelegten Umständen als unzumutbar.
4. Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde eingebracht, die sich ausschließlich gegen Spruchpunkt I. richtet. In dieser wurde zusammengefasst und sinngemäß ausgeführt, dass der Beschwerdeführer Syrien verlassen habe, weil er weder auf Seiten der syrischen Armee noch auf Seiten der kurdischen Einheiten kämpfen wolle. Er wolle weder Menschen im Zuge von Kampfhandlungen umbringen noch wolle er selbst umgebracht werden. Der Beschwerdeführer sei aktuell im typischen wehrfähigen Alter und wäre verpflichtet, den Wehrdienst in Syrien abzuleisten. Dies könne bereits den Länderfeststellungen der belangten Behörde entnommen werden. Eine Wehrdienstverweigerung würde mit Haftstrafen, Folter und Todesstrafen geahndet werden. Dem Beschwerdeführer drohe mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Zwangsrekrutierung oder einer Inhaftierung bzw. einer Folter wegen Wehrdienstverweigerung und sei ihm daher der Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG zu gewähren.
5. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 27.10.2020 mitsamt den bezughabenden Verwaltungsakten beim Bundesverwaltungsgericht ein.
6. Am 28.04.2021 stellte der Beschwerdeführer einen Fristsetzungsantrag.
7. Mit verfahrensleitender Anordnung des Verwaltungsgerichtshofes wurde das Bundesverwaltungsgericht aufgefordert, binnen drei Monaten die Entscheidung zu erlassen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt.
8. Am 08.06.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durch, in der die Beschwerdesache ausführlich erörtert wurde.
9. Am 11.06.2021 stellte das Bundesverwaltungsgericht eine Anfrage an die Staatendokumentation. Am 12.07.2021 langten zwei Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person und zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Syrien und Angehöriger der Volksgruppe der Araber. Er bekennt sich zum muslimischen Glauben. Einen Wehrdienst hat er noch nicht geleistet.
Der Beschwerdeführer stellte am 04.01.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Der Beschwerdeführer stammt aus Ar-Raqqa, das unter kurdischer Kontrolle steht.
Dem Beschwerdeführer droht in Syrien bei einer nunmehrigen Rückkehr die reale Gefahr, als 24jähriger gesunder Mann in Ar-Raqqa von der SDF zwangsrekrutiert zu werden. Im Falle einer Weigerung, dem Befehl Folge zu leisten, droht ihm eine Inhaftierung.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:
Die kurdischen Volksverteidigungskräfte (YPG/YPJ)
Letzte Änderung: 28.06.2021
Die kurdischen Volksverteidigungskräfte (YPG) sind die bewaffneten Einheiten der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) (TNA 17.6.2020; vgl. DZO 13.1.2019). Seit 2014 gibt es in den Gebieten unter Kontrolle der PYD eine gesetzliche Verordnung zum verpflichtenden Wehrdienst für Männer von 18 bis 30 Jahren (MOFANL 7.2019; vgl. EB 7.12.2019). Die Sanktionen für die Wehrdienstverweigerung ähneln denen im von der Regierung kontrollierten Teil und umfassen Haftstrafen sowie eine Verlängerung des Wehrdienstes. Es kommt zu Überprüfungen von möglichen Wehrpflichtigen an Kontrollposten und auch zu Ausforschungen. Die Autonomiebehörden dürften laut der Österreichischen Botschaft Damaskus eine Verweigerung aber nicht als Ausdruck einer bestimmten politischen Gesinnung sehen (ÖB 29.9.2020). Laut UNHCR kann die Weigerung, den YPG beizutreten, Berichten zufolge schwerwiegende Konsequenzen haben, einschließlich Entführung, Inhaftierung und Misshandlung der inhaftierten Personen sowie Zwangsrekrutierung, da die Verweigerung des Kampfes als Ausdruck der Unterstützung des sogenannten Islamischen Staates oder als Opposition zu PYD/YPG interpretiert werden kann (UNHCR 3.11.2017).
Mehrfach ist es zu Fällen gekommen, in denen Männer von der YPG rekrutiert werden, die älter als 30 Jahre waren. Dabei handelte es sich um Personen, die PYD-kritisch politisch aktiv waren, und die mit hoher Wahrscheinlichkeit durch die Rekrutierung abgestraft werden sollten (Savelsberg 3.11.2017).
Frauen können freiwilligen Militärdienst in den kurdischen Einheiten [YPJ - Frauenverteidigungseinheiten] leisten (AA 4.12.2020), wobei es gleichzeitig Berichte von Zwangsrekrutierungen von Frauen (AA 4.12.2020; vgl. SNHR 26.1.2021) und minderjährigen Mädchen gibt (Savelsberg 3.11.2017; vgl. HRW 11.10.2019, UNGASC 20.6.2019). Darüber hinaus sind Fälle bekannt, in denen kurdische Frauen, die der YPG zunächst freiwillig beitraten, daran gehindert wurden, diese wieder zu verlassen (IWPR 29.3.2018; vgl. Savelsberg 3.11.2017).
Die Wehrpflicht hat seit Anfang des Jahres 2021 in verschiedenen Teilen Nordostsyriens, insbesondere in den östlichen ländlichen Gouvernements Deir ez-Zour und Raqqa, Proteste ausgelöst. Lehrer haben sich besonders gegen die Einberufungskampagnen der Syrian Democratic Forces (SDF) gewehrt, was zur Verhaftung und Entlassung einer großen Anzahl von Pädagogen durch die Sicherheitskräfte der SDF geführt hat. Der Militärdienst ist jedoch nur einer von vielen Missständen. Die unzureichende Bereitstellung von Dienstleistungen und die Korruption oder Unfähigkeit der autonomen Verwaltungseinheiten haben ebenfalls zu lokaler Unzufriedenheit geführt (COAR 7.6.2021).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.12.2020): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://milo.bamf.de/milop/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/683300/684459/684542/6038295/22065632/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt,_Bericht_%C3%BCber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_(Stand_November_2020),_04.12.2020.pdf?nodeid=22479918&vernum=-2, Zugriff 18.1.2021
? COAR – Center for Operational Analysis and Research (7.6.2021): Deadly SDF Crackdown as Conscription Sparks Menbij Unrest, https://coar-global.org/2021/06/07/deadly-sdf-crackdown-as-conscription-sparks-menbij-unrest/, Zugriff 14.6.2021
? DZO – Die Zeit Online (13.1.2019): Assad ist der lachende Dritte, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-01/ypg-syrien-russland-baschar-al-assad/komplettansicht, Zugriff 7.9.2020
? EB – Enab Baladi (7.12.2019): Compulsory military recruitment in Jazira Region: SDF imposing their authority, https://english.enabbaladi.net/archives/2019/07/compulsory-military-recruitment-in-jazira-region-sdf-imposing-their-authority/#, Zugriff 7.9.2020
? HRW – Human Rights Watch (11.10.2019): Turkey/Syria: Civilians at Risk in Syria Operation, https://www.hrw.org/news/2019/10/11/turkey/syria-civilians-risk-syria-operation, Zugriff 7.9.2020
? IWPR – Institute for War and Peace Reporting (29.3.2018): Underage Girls Recruited to Kurdish Forces, https://iwpr.net/global-voices/underage-girls-recruited-kurdish-forces, Zugriff 7.9.2020
? MOFANL - Ministry of Foreign Affairs of the Netherlands – Department for Country of Origin Information Reports [Niederlande] (7.2019): Country of Origin Information Report Syria – The security situation, per E-Mail am 27.8.2019
? ÖB – Österreichische Botschaft Damaskus [Österreich] (29.9.2020): Asylländerbericht Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2038328/Asyländerbericht+2020+(Stand+29092020)+.pdf, Zugriff 12.10.2020
? Savelsberg, Eva [Vorsitzende des Europäischen Zentrum für Kurdische Studien] (3.11.2017): Informationen per E-Mail
? SNHR – Syrian Network for Human Rights (26.1.2021): The Bleeding Decade - Tenth Annual Report: The Most Notable Human Rights Violations in Syria in 2020, https://sn4hr.org/wp-content/pdf/english/Tenth_Annual_Report_The_Most_Notable_Human_Rights_Violations_in_Syria_in_2020_en.pdf, Zugriff 3.2.2021
? TNA – The New Arab (17.6.2020): Turkey sends reinforcements into northern Syria, anticipating reprisal attacks from Kurdish militias, https://english.alaraby.co.uk/english/news/2020/6/17/turkey-bolsters-reinforcements-in-northern-syria, Zugriff 11.8.2020
? UNGASC – United Nations General Assembly (20.6.2019): Report of the Secretary-General [A/73/907–S/2019/509], https://www.ecoi.net/en/file/local/2013574/A_73_907_E.pdf, Zugriff 7.9.2020
? UNHCR – United Nations High Commissioner for Refugees (3.11.2017): International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Syrian Arab Republic; Update V, https://english.alaraby.co.uk/english/news/2020/6/17/turkey-bolsters-reinforcements-in-northern-syria, Zugriff 9.10.2020
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und zu seinem Fluchtvorbringen:
Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers, seiner Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit und seiner Religionsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglich glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers sowie auf die von ihm im Verfahren vorgelegten Dokumente (Kopien des syrischen Reisepasses [AS 69 ff] sowie das Ergebnis der diesbezüglichen Echtheitsprüfung vom 06.02.2020, demnach nach dem derzeitigen Wissensstand keine Anhaltspunkte für eine Fälschung oder Verfälschung festgestellt wurden [AS 207]).
Dass der Beschwerdeführer aus Ar-Raqqa kommt, ergibt sich aus seinen unbedenklichen Angaben. Die Feststellung hinsichtlich der Kontrolle über Ar-Raqqa ergibt sich aus einer Nachschau unter: Bürgerkrieg in Syrien - Syrische Nachrichten - syria.liveuamap.com/de (abgerufen am 05.08.2021).
Das Datum der Antragstellung ergibt sich aus dem Akteninhalt.
Dass der Beschwerdeführer gesund ist und keinen Wehrdienst absolviert hat, ergibt sich aus dessen diesbezüglich unbedenklichen Angaben in der mündlichen Verhandlung (VH-Protokoll S. 3 und S. 6)
Die Feststellung, dass dem Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit im Falle einer Rückkehr nach Syrien die Einziehung zum Dienst bei der SDF droht, stützt sich auf die eingeholte Anfragenbeantwortung zu Syrien: Provinz Ar-Raqqa: Zwangsrekrutierungen durch PKK, syrische Armee oder sonstige Gruppierungen, insbesondere Angehörige der arabischen Volksgruppe betreffend, Einsatz der Rekruten vom 09.07.2021, die vom erkennenden Richter nach anfänglicher Zweifel hinsichtlich der Rückkehrbefürchtungen des Beschwerdeführers eingeholt wurde, und die Befürchtungen einer Zwangsrekrutierung vollinhaltlich bestätigten. Zunächst ist festzuhalten, dass sich aus den angeführten unterschiedlichen Berichten ein übereinstimmender Gesamteindruck betreffend die Zwangsrekrutierung durch die SDF in Ar-Raqqa ergibt. So kann der unbedenklichen Anfragebeantwortung insbesondere entnommen werden, dass die SDF seit 28. Mai in mehreren Städten, unter anderem Ar-Raqqa, versuchen würde, junge Männer und Frauen, die zwischen 2003 und 1990 geboren seien, zwangsweise zu rekrutieren. Die SDF würden junge Männer in ihren Häusern aufsuchen und sie verhaften, wenn sie sich weigern würden, dem Befehl Folge zu leisten. Auch geht hervor, dass die SDF Berichten zufolge am 27. Mai 150 Männer in der Stadt Ar-Raqqa und in den umliegenden Dörfern festgenommen hätten, weil sie sich der Wehrpflicht entzogen hätten. Im Übrigen kann dieser entnommen werden, dass die Einberufungskampagnen sich gegen Araber richten würden.
Die Rückkehrbefürchtungen des Beschwerdeführers stellen sich daher – vor dem Hintergrund der dem gegenständlichen Verfahren zugrunde gelegten Anfragebeantwortung – als plausibel dar.
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus einem im Akt befindlichen Strafregisterauszug.
2.2. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen, insbesondere auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation generiert am 05.08.2021, (Version 3), das dem aktuellen Stand entspricht. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchpunkt A)
Zu A)
Gemäß § 3 AsylG, ist Asylwerbern auf Antrag der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft gemacht wurde, dass diesen im Herkunftsstaat - das ist gemäß § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt, oder im Falle der Staatenlosigkeit, der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes und hier zweifellos Syrien - Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK, droht und dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat. Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, droht einer Person, die sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; ebenso droht entsprechende Verfolgung einer Person, die staatenlos ist und sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes ihres gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in den Herkunftsstaat zurückzukehren. Es ist entscheidend, ob glaubhaft ist, dass den Fremden in ihrem Herkunftsstaat Verfolgung droht. Dies ist dann der Fall, wenn sich eine mit Vernunft begabte Person in der konkreten Situation der Asylwerber unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat fürchten würde (VwGH 24.06.2010, 2007/01/1199).
In der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wird ausgeführt, dass drohende Bestrafung wegen der Weigerung der Teilnahme an einem von der Völkergemeinschaft verurteilten Kriegseinsatz dann zur Asylgewährung führen könne, wenn dem jeweiligen Asylwerber eine feindliche politische Gesinnung unterstellt werde (siehe etwa VwGH 21.12.2000, 2000/01/0072). Der Verwaltungsgerichtshof vertritt darüber hinaus ausdrücklich die Auffassung, dass unter dem Gesichtspunkt des Zwangs zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen - etwa gegen die Zivilbevölkerung - auch eine bloße Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung darstellen kann (VwGH 25.03.2003, 2001/01/0009). Dies ist auch in Art. 9 Abs. 2 lit e der Richtlinie 2011/95/EU ausdrücklich festgehalten. Daher wäre eine (drohende) Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich der Ausschlussklauseln des Artikels 12 Absatz 2 der genannten Richtlinie fallen, eine (drohende) asylrelevante Verfolgung.
Dies ist nach den Feststellungen der Fall. Es ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in Ar-Raqqa durch die SDF zwangsrekrutiert werden könnte. Es besteht das reale Risiko, dass der Beschwerdeführer im Rahmen dieses Dienstes zu menschen- und völkerrechtswidrigen Handlungen gezwungen und ihm im Falle einer Weigerung eine Haft drohen würde. Daher liegt nach der oben dargestellten Judikatur des VwGH jedenfalls eine dem Beschwerdeführer objektiv drohende asylrelevante Verfolgung vor.
Die rechtskräftige Gewährung von subsidiärem Schutz durch das Bundesamt steht mangels einer diesbezüglichen relevanten Änderung der Rechts- oder Tatsachenlage einer Prüfung einer innerstaatlichen Fluchtalternative entgegen (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/18/0054).
Hinweise auf das Vorliegen eines Asylausschlussgrundes sind nicht hervorgekommen.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 ist die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder aufgrund eines Antrages auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Der Beschwerde ist daher stattzugeben und festzustellen, dass dem Beschwerdeführer kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz am 04.01.2020 gestellt wurde, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 24/2016 („Asyl auf Zeit“) gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im konkreten Fall Anwendung finden.
Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 kommt einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung zu. Diese Aufenthaltsberechtigung verlängert sich kraft Gesetzes nach Ablauf dieser Zeit auf eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Aberkennungsverfahrens nicht vorliegen oder ein Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Dementsprechend verfügt der Beschwerdeführer nun über eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung.
Zu Spruchpunkt B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen.
Schlagworte
Asyl auf Zeit Asylgewährung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren befristete Aufenthaltsberechtigung begründete Furcht vor Verfolgung Desertion Fluchtgründe Flüchtlingseigenschaft Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit inländische Schutzalternative innerstaatliche Fluchtalternative Militärdienst mündliche Verhandlung politische Gesinnung unterstellte politische Gesinnung Verbrechen gegen die Menschlichkeit Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung Wehrdienst wohlbegründete Furcht ZwangsrekrutierungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W129.2236365.1.00Im RIS seit
24.11.2021Zuletzt aktualisiert am
24.11.2021