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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1968 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. Dezember 1995, Zl. 4.340.082/9-III/13/95, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei, reiste nach dem Inhalt der Beschwerde, des angefochtenen Bescheides und der dem Verwaltungsgerichtshof vom Verfassungsgerichtshof übermittelten Verwaltungsakten am 12. April 1992 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 22. April 1992 Asyl. Bei seiner Einvernahme am 31. Juli 1992 beschrieb er seine Fluchtgründe wie folgt:
"Ich bin Kurde und Alevite, gleichzeitig war ich Mitglied der HEP (= linksgerichtete Partei), welche auch die Interessen der Kurden vertritt. Zwischen 1990 und meiner Ausreise 1992 habe ich in K ein Cafe betrieben. Dieses ist noch immer mein Eigentum und ist mein Vater derzeit mein Vertreter. Ich selbst wurde glaublich 1985 oder 1986 in einem Cafe in K in eine Rauferei verwickelt. Ich wurde von türkischen Faschisten, Angehörige der MCP (= Graue Wölfe), ca. 5-7 Personen angegriffen, geschlagen und hat mich einer mit heißem Wasser übergossen. Daher stammt auch die Narbe auf der Bauchdecke. Ich wurde dabei auch am Kopf verletzt und habe ich noch eine sichtbare Narbe. Anschließend warfen sie mich auf die Straße. Es kam auch die Polizei und sagten diese, wir sollen uns wieder vertragen und war die Angelegenheit damit erledigt.
Im Jahre 1987 gab es einen weiteren Vorfall in Y. Ich wurde auf offener Straße von Faschisten angefallen und durch einen Messerstich im Bereich des linken Oberschenkels verletzt. Eine Anzeige habe ich nicht erstattet, obwohl ich sie vom Sehen her kannte, weil ich wußte, daß die Polizei bei derartigen Vorfällen (zu ergänzen: die Schuld) immer den Kurden gibt und gegen diese Leute nichts unternimmt. Ich selbst wurde aber bei der Polizei angezeigt, weil in meinem Lokal angeblich Glücksspiele gespielt werden, mit dem Ziel, daß mir die Polizei mein Lokal zusperrt. Im September 1991 mußte ich das Lokal für einen Monat zusperren, nachdem ich einmal Gästen über deren Verlangen Karten für ein Spiel gab. Als einer dieser Personen Geld kassierte, kam zufälligerweise, so sollte es aussehen, (wohl zu ergänzen: die Polizei in) das Lokal. Sie kamen auch in mein Lokal und sagten zu meinen Gästen, daß sie ihre Stimme bei der Wahl im Oktober 1991 der MCP geben sollten. Dadurch haben sie uns provoziert. Mit den Behörden hatte ich grundsätzlich keine Probleme und bekam ich auch problemlos meinen Reisepaß. Ich hatte Angst um mein Leben und beschloß ich deshalb, aus der Türkei zu fliehen."
Mit Bescheid vom 31. August 1992 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien fest, der Beschwerdeführer sei nicht Flüchtling. Die formularmäßige Begründung enthielt keine Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers.
Der Beschwerdeführer erhob folgende Berufung:
"Ich protestiere gegen Ihren negativen Bescheid und möchte dagegen berufen. Bescheidzahl: IV-85.920-AF/92. Meine Aussage ändert sich gegenüber dem ersten Mal nicht."
Mit Bescheid vom 21. Juni 1994 wies die belangte Behörde die Berufung unter Anwendung des Asylgesetzes 1991 ab. Diesen Bescheid hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 21. Februar 1995, Zl. 94/20/0512, aus den im Erkenntnis vom 13. Oktober 1994, Zl. 94/19/0235, dargelegten Gründen (rechtsirrige Anwendung des Asylgesetzes 1991 statt des Asylgesetzes, BGBl. Nr. 126/1968) auf.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung - nun unter Anwendung des Asylgesetzes (1968) - neuerlich ab.
Dagegen richtet sich die vorliegende, nach der Ablehnung durch den Verfassungsgerichtshof und der Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof ergänzte Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Als inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides rügt der Beschwerdeführer (unter wörtlicher Übernahme seiner diesbezüglichen Ausführungen in der zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde) die Anwendung des Asylgesetzes (1968) statt des Asylgesetzes 1991. Hatte der Beschwerdeführer vor dem Verfassungsgerichtshof die Schlußfolgerung gezogen, dieser sei "aufgerufen, die Divergenz zwischen der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach seit dem 1. Juni 1992 materiell das Asylgesetz 1991 Anwendung findet, und derjenigen des Verwaltungsgerichtshofes, welcher von der weiteren Anwendung des AsylG 1968 ausgeht, zu bereinigen", so behauptet er nun, durch die Anwendung des Asylgesetzes (1968) in seinem Recht auf Asylgewährung gemäß § 2 Abs. 1 Asylgesetz 1991 verletzt zu sein. Den Unterschied zwischen den beiden Rechtslagen sieht er, soweit es die verfahrensgegenständliche Beurteilung seiner Flüchtlingseigenschaft anlangt, im Fehlen des seiner Meinung nach erst aus dem Ausschlußgrund der Verfolgungssicherheit in einem Drittstaat (§ 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991) entwickelten "Versagungsgrundes" der "sogenannten innerstaatlichen Fluchtalternative" im Asylgesetz (1968).
Auf diese - in mehrfacher Hinsicht verfehlten - Ausführungen ist nicht näher einzugehen, weil der Verwaltungsgerichtshof an die im Erkenntnis vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0831, ausführlich begründete und dem aufhebenden Erkenntnis vom 21. Februar 1995, Zl. 94/20/0512, zugrundegelegte Rechtsansicht, in Fällen wie dem vorliegenden, in denen das erstinstanzliche Verfahren am 1. Juni 1992 anhängig war, sei das Verfahren nach dem Asylgesetz (1968) zu Ende zu führen, im zweiten Rechtsgang selbst gebunden ist (vgl. dazu die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Aufl., S. 731 ff, wiedergegebene Rechtsprechung).
Der Rest der Beschwerdeausführungen erschöpft sich in Behauptungen darüber, daß die belangte Behörde die vom Beschwerdeführer beschriebenen Beeinträchtigungen falsch beurteilt habe und nach einer ergänzenden Vernehmung des Beschwerdeführers "über die Verhaltensweise der türkischen Behörden gegenüber einerseits Mitgliedern der HEP und andererseits der faschistischen Organisation der Grauen Wölfe, MCP" bescheidmäßig festzustellen gewesen wäre, "daß die türkische staatliche Macht mich wegen meiner politischen Gesinnung und meiner Rasse dadurch verfolgte, politisch motivierte Gewalttaten gegen mich nicht zu ahnden, und meine wirtschaftliche Existenz zugrunde zu richten beabsichtigte".
Dem steht entgegen, daß die behaupteten Vorfälle von "1985 oder 1986" und 1987 selbst dann, wenn man in ihnen eine politisch motivierte Verweigerung staatlichen Schutzes sehen wollte, im Zeitpunkt der Ausreise des Beschwerdeführers zu lange zurücklagen, um einen noch aktuellen Anlaß für wohlbegründete Furcht vor Verfolgung zu bilden, und der völlig andersartige Vorfall, der sich nach den Angaben des Beschwerdeführers im September 1991 zutrug, von der Intensität der erlittenen Beeinträchtigung her nicht geeignet war, den Beschwerdeführer - wie im Verwaltungsverfahren behauptet - um sein Leben fürchten zu lassen. Auch eine ernsthafte Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz des Beschwerdeführers ist aus diesem Vorfall nicht ableitbar.
Damit steht schon vor der Einleitung des Vorverfahrens fest, daß die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen. Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996200378.X00Im RIS seit
20.11.2000