TE Bvwg Beschluss 2021/8/16 W180 2242776-1

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Veröffentlicht am 16.08.2021
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Entscheidungsdatum

16.08.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1a
BFA-VG §52 Abs1
BFA-VG §52 Abs2
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §35 Abs1
VwGVG §8a Abs1

Spruch


W180 2242776-1/11E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Georg PECH als Einzelrichter über den Antrag von XXXX , geb. am XXXX , Staatsangehörigkeit Syrien, vertreten durch die BBU GmbH, auf Gewährung von Verfahrenshilfe für ein etwaiges Beschwerdeverfahren gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.02.2021, Zl. XXXX :

A)

I. Der Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe wird gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG iVm § 52 BFA-VG als unzulässig zurückgewiesen.

II. Der Antrag des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl auf Kostenersatz (Vorlageaufwand, Schriftsatzaufwand, gegebenenfalls Verhandlungsaufwand) wird gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

1. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1.1. Der Antragsteller (im Folgenden: ASt) versuchte am 20.02.2021 von Österreich kommend nach Deutschland einzureisen. Der ASt wies sich – den deutschen Behörden zufolge – mit einem niederländischen Asyldokument aus, welches nicht zur Einreise berechtige.

1.2. Dem ASt wurde die Einreise nach Deutschland verweigert, er wurde von der deutschen Polizei an die österreichische Polizei übergeben und aufgrund des unrechtmäßigen Aufenthaltes gemäß § 39 FPG festgenommen und niederschriftlich einvernommen.

1.3. Eine erkennungsdienstliche Behandlung ergab zwei EURODAC-Treffer, nämlich hinsichtlich den Niederlanden sowie Rumänien.

1.4. Eine Zurückschiebung des ASt durch die zuständige Landespolizeidirektion war nicht möglich, weshalb die Zuständigkeit des fremdenpolizeilichen Verfahrens zum Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) wechselte.

1.5. Es wurde ein Konsultationsverfahren mit dem zuständigen Mitgliedsstaat sowie ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme seitens des Bundesamts eingeleitet.

1.6. Mit Mandatsbescheid vom 20.02.2021 wurde über den ASt gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung iVm § 76 Abs. 2 Z 3 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Überstellungsverfahrens angeordnet. Im Übrigen wurde dem ASt mit Verfahrensanordnung vom selben Tag die im Spruch genannte Rechtsvertretung als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

1.7. Mit Bescheid vom 17.03.2021 wurde dem ASt ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.) sowie gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG gegen den ASt die Anordnung der Außerlandesbringung angeordnet und ausgesprochen, dass gemäß § 61 Abs. 2 FPG seine Abschiebung nach Rumänien zulässig sei (Spruchpunkt II.).

1.8. Am 18.03.2021 stellte der ASt im Stande der Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz. Jener Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamts vom 31.03.2021, ohne in die Sache einzutreten, gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen. Für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz sei gemäß Art. 18 Abs. 1 lit c der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 Rumänien zuständig (Spruchpunkt I.). Gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG wurde weiters gegen den ASt die Anordnung der Außerlandesbringung angeordnet und ausgesprochen, dass gemäß § 61 Abs. 2 FPG seine Abschiebung nach Rumänien zulässig sei (Spruchpunkt II.). Jenes Verfahren ist aufgrund einer Beschwerde vom 14.04.2021, welche der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung erhob, beim Bundesverwaltungsgericht anhängig.

1.9. Mit Aktenvermerken vom 19.03.2021, 15.04.2021 sowie 11.05.2021 führte das Bundesamt Schubhaftprüfungen durch.

1.10. Am 26.05.2021 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine ursprünglich an den Verfassungsgerichtshof adressierte und von diesem an das Bundesverwaltungsgericht weitergeleitete Eingabe des ASt, datiert 19.05.2021, ein. Jener Eingabe war eine (Kopie) einer Ausfertigung des Mandatsbescheids des Bundesamts vom 20.02.2021, Zl. XXXX , beigelegt.

Die Eingabe lautet wie folgt:

„WIEN, 19. MAY 2021

MR. HERRN XXXX
GEBOREN AM XXXX
STAATSANGEHÖRIGKEIT
SYRIEN, ARABISCHE REPBULIK

DEAR,
Mister Juge For Court,

I Maked Appel for this decision in your Court.

I want to take free Lawyer for gouverment faith for me this probleme.

I Hope to gate answer for your Court Quicgly.

Sincerely, Salutations

HERRN XXXX

[Unterschrift]“

1.11. Am 26.05.2021 brachte das Bundesverwaltungsgericht die Eingabe des BF dem Bundesamt zur Kenntnis und ersuchte um Vorlage der Verwaltungsakten.

1.12. Ebenfalls am 26.05.2021 langte der Abschiebebericht betreffend den ASt ein, demzufolge der ASt am 26.05.2021 nach Rumänien abgeschoben worden sei.

1.13. Am 27.05.2021 erfolgte seitens des Bundesamts die Aktenvorlage.

1.14. Am selben Tag langte eine Stellungnahme des Bundesamts zur Eingabe des ASt beim Bundesverwaltungsgericht ein und beantragte das Bundesamt, die „Schubhaftbeschwerde“ kostenpflichtig abzuweisen und näher genannte Kosten zuzusprechen.

1.15. Mit verfahrensleitender Anordnung des VwGH vom 27.05.2021, So 2021/21/0002-3, wurde dem Bundesverwaltungsgericht, einlangend am 07.06.2021, eine weitere Eingabe des BF mit gleichlautenden Ausführungen wie in der oben unter Pkt. 1.10. zitierten Eingabe, ebenfalls datiert mit 19.05.2021, jedoch ursprünglich an den Verwaltungsgerichtshof adressiert, übermittelt. Jener Eingabe war auch eine (Kopie) einer Ausfertigung des Mandatsbescheids des Bundesamts vom 20.02.2021, Zl. XXXX , beigelegt.

1.16. Am 15.06.2021 leitete die im Spruch genannte Rechtsvertretung eine E-Mail des ASt an das Bundesverwaltungsgericht weiter (auszugsweise, chronologisch):

ASt (12.06.2021): „Hello, Mr. XXXX , how are you
Mr. XXXX told me about my letter to the court, but I didn t understand what you mean.
Thank you for all the help you provided
have a nice day“

Rechtsvertretung (14.06.2021): Hi, the court asked me about the letter you send to the court on the day of your deportation. The court wants to know if you meant to make complaint or what the intention of your letter was. Regards“

ASt (14.06.2021): „I do not know. I write in English.. My friend wrote this letter and said he wrote.. Why do you want to deport me to Romania and I am waiting for the judge s decision and I have acceptance from Holland.. This is what he wrote“

1.17. Am 05.07.2021 langte folgender Schriftsatz des ASt durch seine im Spruch genannte Rechtsvertretung beim Bundesverwaltungsgericht samt Vollmacht ein:

„Zurückziehung der „Beschwerde“

Insofern meine schriftliche Eingabe vom 26.05.2021 vom BVwG als „Schubhaftbeschwerde“ verstanden wurde, ziehe ich diese ausdrücklich zurück und verzichte auf die Erhebung einer Beschwerde.

Soweit das BVwG meine Eingabe als „Verfahrenshilfeantrag“ verstanden hat, weise ich darauf hin, dass ich nunmehr durch die BBU vertreten werde (siehe Vollmacht anbei) und keine Verfahrenshilfe mehr benötige.

XXXX “

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der oben angeführte für die Entscheidung maßgebende Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Spruchteil A.

Eingangs ist zu beurteilen, ob es sich bei vorliegendem Anbringen um eine Schubhaftbeschwerde bzw. um einen Verfahrenshilfeantrag handelt.

Nach ständigen Rechtsprechung des VwGH sind Parteienerklärungen im Verfahren ausschließlich nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen. Entscheidend ist, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszwecks und der Aktenlage objektiv verstanden werden muss. Bei der Ermittlung von Rechtsqualität und Inhalt eines Anbringens kommt es nach der Rechtsprechung nicht auf die Bezeichnung durch den Einschreiter bzw. auf „zufällige Verbalformen“, sondern auf den Inhalt der Eingabe an, also auf das daraus erkenn- und erschließbare Ziel (Begehren) des Einschreiters. Bei antragsbedürftigen Verwaltungsakten ist es unzulässig, entgegen dem erklärten Willen der Partei ihrem Begehren eine Deutung zu geben, die aus dem Wortlaut des Begehrens nicht unmittelbar erschlossen werden kann, auch wenn das Begehren, so wie es gestellt wurde, von vornherein aussichtslos oder gar unzulässig sein mag. Es ist der Behörde nicht gestattet, einem unklaren Antrag von vornherein einen für den Antragsteller ungünstigen Inhalt zu unterstellen. Es darf im Zweifel nicht davon ausgegangen werden, dass eine Partei einen von vornherein sinnlosen oder unzulässigen Antrag gestellt hat oder einen Antrag an eine unzuständige Behörde richtet. Besondere Vorsicht ist bei der Auslegung einer Parteienerklärung dahingehend geboten, dass die Partei nicht um ihren Rechtsschutz gebracht wird. Diese ist nur dann zulässig, wenn die entsprechenden Erklärungen der Partei keine Zweifel offenlassen. Gegebenenfalls hat die Behörde auch hier eine Klarstellung durch die Partei herbeizuführen (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 13 (Stand 1.1.2014, rdb.at) Rz 38 f mwN betreffend die einschlägige Rechtsprechung des VwGH).

Aus der Eingabe vom 26.05.2021, welcher eine (Kopie) der Ausfertigung des Schubhaftbescheids vom 20.02.2021, angeschlossen ist, ergibt sich einerseits insbesondere das Vorbringen, dass der ASt eine Beschwerde gegen „diese“ Entscheidung eingelegt habe („… I Maked Appel for this decision in your Court …“ – gemeint wohl „made“, siehe auch unten zur von der Rechtsvertretung weitergeleiteten E-Mail). Anzumerken ist vorweg, dass eine Beschwerde hinsichtlich jenes Schubhaftbescheids zu dem Zeitpunkt nicht anhängig war. Hingegen wurde am 14.04.2021, wie sich unbestritten aus dem Verfahrensgang ergibt, Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamts vom 31.03.2021 erhoben. Jener Entscheidung zufolge sei für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz gemäß Art. 18 Abs. 1 lit c der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 Rumänien zuständig und wurde u.a. gegen den ASt die Anordnung der Außerlandesbringung angeordnet, demzufolge sei gemäß § 61 Abs. 2 FPG seine Abschiebung nach Rumänien zulässig. Aus der von der Rechtsvertretung weitergeleiteten E-Mail des ASt ergibt sich insbesondere, dass sich der ASt in seiner Eingabe offenbar darauf bezog, dass seiner Meinung nach eine Zustimmung seitens der Niederlande vorliege sowie dass er mit einer Abschiebung nach Rumänien nicht einverstanden sei und auf eine richterliche Entscheidung warte. Unter der erwähnten Entscheidung in der Eingabe vom 26.05.2021 ist, insbesondere vor dem Hintergrund jener Klarstellungen seitens des ASt, sohin der Bescheid des Bundesamtes vom 31.03.2021 zu verstehen, gegen den auch tatsächlich am 14.04.2021 Beschwerde durch die Rechtsvertretung des ASt erhoben wurde. Die Klarstellungen des ASt erlauben den Schluss, dass sich jener betreffend die erwähnte Beschwerde nicht auf die Sicherungsmaßnahmen an sich, sondern auf das in Beschwerde („Appel“ gemeint wohl „appeal“) befindliche Verfahren bezieht, welches erstinstanzlich u.a. ergeben hat, dass Rumänien und nicht die Niederlande für den ASt zuständig sei, sowie dass eine Abschiebung des ASt nach Rumänien zulässig sei. Eine Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid vom 20.02.2021 lässt deshalb jene Eingabe nicht erkennen, zumal insbesondere auch ein auf den Schubhaftbescheid vom 20.02.2021 gerichtetes Beschwerdebegehren in keiner Weise in der Eingabe erkennbar ist.

Vielmehr ergibt sich aus der Eingabe vom 26.05.2021 ausdrücklich, dass der ASt einen kostenlosen Rechtsbeistand für „dieses“ Problem erhalten wolle. Da dies unter einem mit der Übermittlung einer (Kopie) einer Ausfertigung des Schubhaftbescheids vom 20.02.2021 vorgebracht wird, ist davon auszugehen, dass der ASt nunmehr für ein etwaiges Beschwerdeverfahren gegen den Schubhaftbescheid vom 20.02.2021 die unentgeltliche Beigebung eines Verfahrenshelfers (Rechtsanwalts) durch das Gericht wünscht.

Gegenständlich deutet das Bundesverwaltungsgericht vorliegende Eingabe sohin als Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe für ein etwaiges Beschwerdeverfahren gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 20.02.2021, Zl. XXXX durch unentgeltliche Beigebung eines Rechtsanwalts bzw. Rechtsanwältin.

3.1.1. Spruchpunkt I. – Zurückweisung des Antrags auf Gewährung von Verfahrenshilfe

Der mit „Verfahrenshilfe“ betitelte § 8a Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, idgF, lautet:

„§ 8a. (1) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Juristischen Personen ist Verfahrenshilfe sinngemäß mit der Maßgabe zu bewilligen, dass an die Stelle des Bestreitens der Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts das Aufbringen der zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel durch die Partei oder die an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten tritt.

(2) Soweit in diesem Paragraphen nicht anderes bestimmt ist, sind die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung – ZPO, RGBl. Nr. 113/1895, zu beurteilen. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe schließt das Recht ein, dass der Partei ohne weiteres Begehren zur Abfassung und Einbringung der Beschwerde, des Vorlageantrags, des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder zur Vertretung bei der Verhandlung ein Rechtsanwalt beigegeben wird.

(3) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist schriftlich zu stellen. Der Antrag ist bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde und ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht einzubringen; ein ab Vorlage der Beschwerde vor Zustellung der Mitteilung über deren Vorlage an das Verwaltungsgericht bei der Behörde gestellter Antrag gilt als beim Verwaltungsgericht gestellt und ist diesem unverzüglich vorzulegen. Für Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG ist der Antrag unmittelbar beim Verwaltungsgericht einzubringen.

(4) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe kann ab Erlassung des Bescheides bzw. ab dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat, gestellt werden. Wird die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer Säumnisbeschwerde beantragt, kann dieser Antrag erst nach Ablauf der Entscheidungsfrist gestellt werden. Sobald eine Partei Säumnisbeschwerde erhoben hat, kann der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe auch von den anderen Parteien gestellt werden.

(5) In dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist die Rechtssache bestimmt zu bezeichnen, für die die Bewilligung der Verfahrenshilfe begehrt wird.

(6) Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und die Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Hat das Verwaltungsgericht die Bewilligung der Verfahrenshilfe beschlossen, so hat es den Ausschuss der zuständigen Rechtsanwaltskammer zu benachrichtigen, damit der Ausschuss einen Rechtsanwalt zum Vertreter bestelle. Dabei hat der Ausschuss Wünschen der Partei zur Auswahl der Person des Vertreters im Einvernehmen mit dem namhaft gemachten Rechtsanwalt nach Möglichkeit zu entsprechen.

(7) Hat die Partei innerhalb der Beschwerdefrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt, so beginnt für sie die Beschwerdefrist mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Beschluss über die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter und der anzufechtende Bescheid diesem zugestellt sind. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag abgewiesen, so beginnt die Beschwerdefrist mit der Zustellung des abweisenden Beschlusses an die Partei zu laufen. Entsprechendes gilt für die Fristen, die sich auf die sonstigen in Abs. 2 genannten Anträge beziehen.

(8) Die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter erlischt mit dem Einschreiten eines Bevollmächtigten.

(9) In Verfahrenshilfesachen ist die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zulässig.

(10) Der Aufwand ist von jenem Rechtsträger zu tragen, in dessen Namen das Verwaltungsgericht in der Angelegenheit handelt.“

Der mit „Rechtsberatung vor dem Bundesverwaltungsgericht“ betitelte § 52 BFA-Verfahrensgesetz– BFA-VG, idgF, lautet:

„§ 52. (1) Das Bundesamt hat den Fremden oder Asylwerber bei Erlassung einer Entscheidung, ausgenommen Entscheidungen nach § 53 BFA-VG, §§ 19, 76 bis 78 AVG, §§ 46 Abs. 2 bis 2b, 60 Abs. 1 und 2, 69 Abs. 2, 88 bis 94 FPG und nach dem VVG, oder einer Aktenvorlage gemäß § 16 Abs. 2 VwGVG, schriftlich darüber zu informieren, dass ihm kostenlos ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt wird. Zugleich hat das Bundesamt den bestellten Rechtsberater oder die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit beschränkter Haftung davon in Kenntnis zu setzen.

(2) Rechtsberater unterstützen und beraten Fremde oder Asylwerber jedenfalls beim Einbringen einer Beschwerde und im Beschwerdeverfahren gemäß Abs. 1 vor dem Bundesverwaltungsgericht, sowie bei der Beischaffung eines Dolmetschers. Rechtsberater haben ihre Beratungstätigkeit objektiv und nach bestem Wissen durchzuführen und den Beratenen die Erfolgsaussicht ihrer Beschwerde darzulegen. Auf deren Ersuchen haben sie die betreffenden Fremden oder Asylwerber auch im Verfahren, einschließlich einer mündlichen Verhandlung, zu vertreten. Im Fall der Erlassung eines Schubhaftbescheides bezieht sich die Beratung und Vertretung durch den Rechtsberater auch auf die unmittelbar vorangegangene Festnahme und Anhaltung nach diesem Bundesgesetz.“

Bei der Bewilligung der Verfahrenshilfe nach § 8a Abs. 1 VwGVG handelt es sich um eine subsidiäre Regelung. Sie soll nur dann zur Anwendung gelangen, wenn durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, also dann, wenn das sogenannte "Materiengesetz" keine Regelung enthält, deren Gegenstand der Verfahrenshilfe entspricht (vgl. ErläutRV 1255 BlgNR 25. GP 2). Die Bestellung eines Rechtsanwalts zum Verfahrenshelfer kommt in Anbetracht der Regelung des § 52 BFA-VG nicht in Betracht. Das ist auch aus unionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden (vgl. VwGH 30.08.2018, Ra 2018/21/0073 unter Hinweis auf VwGH 23.2.2017, Ra 2016/21/0152).

Im vorliegenden Fall wurde dem ASt mit Verfahrensanordnung vom 20.02.2021 ein Rechtsberater gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG zur Seite gestellt. Damit kommt § 8a VwGVG nicht zur Anwendung, weshalb der Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe unzulässig ist.

Obgleich in einem Schubhaftbeschwerdeverfahren – so die Voraussetzungen nach § 8a Abs. 1 VwGVG im jeweiligen Einzelfall vorliegen – die Bewilligung der Verfahrenshilfe in Bezug auf die Befreiung von der Pauschalgebühr für die in § 2 BuLVwG-EGebV genannten Eingaben in Betracht käme (vgl. VwGH vom 31.08.2017, Ro 2017/21/0004 Rn. 37), ist der Vollständigkeit halber zu erwähnen, dass ein darauf abzielender Antrag nicht gestellt wurde.

Da aus dem mit „Zurückziehung der „Beschwerde“ betitelten Schriftsatz vom 05.07.2021 hinsichtlich des Verfahrenshilfeantrages – im Gegensatz zu den unter einem vorgebrachten Ausführungen betreffend eine etwaige Schubhaftbeschwerde – nicht ausdrücklich hervorgeht, dass jener Verfahrenshilfeantrag zurückgezogen wird, geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass jener Antrag zum Entscheidungszeitpunkt noch aufrecht ist (vgl. zur für die Zurückziehung eines Antrages erforderlichen ausdrücklichen diesbezüglichen Willenserklärung etwa VwGH vom 24.07.2014, Ro 2014/07/0031).

Der Verfahrenshilfeantrag war daher als unzulässig zurückzuweisen.

3.1.2. Spruchpunkt II. – Zurückweisung des Kostenbegehrens des Bundesamts

Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) lautet auszugsweise:

㤠22a.

[ … ]

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

[ … ]“

Der mit „Kosten im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt“ betitelte § 35 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG lautet:

„§ 35. (1) Die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.

(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

(3a) § 47 Abs. 5 VwGG ist sinngemäß anzuwenden.

(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:

1. die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,

2. die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie

3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.

(5) Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.

(6) Die §§ 52 bis 54 VwGG sind auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

(7) Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.“

Nach dem klaren Wortlaut des § 35 VwGVG besteht ein Anspruch der obsiegenden Partei auf Ersatz der Aufwendungen durch die unterlegene Partei in Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG). Da gegenständlich ein solches Verfahren nicht vorliegt, sondern ein Verfahren betreffend Verfahrenshilfe gemäß § 8a VwGVG, war der Antrag des Bundesamts als unzulässig zurückzuweisen.

3.2. Zu Spruchteil B. - Revision

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dies ist der Fall, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im gegenständlichen Fall ist die Entscheidung nicht von einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängig; auch fehlt es nicht an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu hier relevanten Rechtsfragen.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Kostenersatz - Antrag objektiver Erklärungswert Rechtsbeistand Rechtsberater subsidiärer Rechtsbehelf unzulässiger Antrag Verfahrenshilfeantrag Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W180.2242776.1.00

Im RIS seit

22.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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