Entscheidungsdatum
23.08.2021Norm
B-VG Art132 Abs1 Z1Spruch
W157 2241605-1/6E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Margret KRONEGGER über die Beschwerde der Stadtgemeinde XXXX , vertreten durch die Bürgermeisterin XXXX , gegen Spruchpunkt II. des Bescheides der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus vom XXXX , GZ. XXXX :
A)
Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. VERFAHRENSGANG
1. Mit Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides vom XXXX , GZ. XXXX , erteilte die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus (im Folgenden: „belangte Behörde“) der XXXX die Bewilligung zur Herstellung (Errichtung) einer Bergbauanlage im Tagebau „ XXXX “ auf den Grundstücken XXXX , alle KG XXXX , Stadtgemeinde XXXX , politischer Bezirk XXXX , Bundesland XXXX ; an die Bewilligung wurden mehrere Auflagen geknüpft.
2. Die Bürgermeisterin der Stadtgemeinde XXXX (im Folgenden nur: „Stadtgemeinde“), XXXX (im Folgenden nur: „Bürgermeisterin“), erhob dagegen am XXXX Beschwerde.
Im Rechtmittel wurden u.a. die Einwendungen der Stadtgemeinde, die bereits in der mündlichen Verhandlung vom XXXX durch XXXX mittels einer Stellungnahme angezeigt wurden, wiederholt. Durch die geplante Steinbrucherweiterung seien einerseits indirekte Einwirkungen durch Staub- und Lärmbelästigungen auf das Naherholungsgebiet „ XXXX “ sowie den Geschützten Landschaftsteil „ XXXX “ zu erwarten, andererseits sei mit einer Störung des Wasserhaushaltes des Feuchtgebietes „ XXXX “ zu rechnen.
3. Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde am XXXX , eingelangt am XXXX , vor.
In der Beschwerdevorlage wies die belangte Behörde darauf hin, davon auszugehen, dass das Rechtsmittel von der Bürgermeisterin in Vertretung der Stadtgemeinde erhoben worden sei. Der Stadtgemeinde komme jedoch keine Parteistellung gemäß § 119 Abs. 6 MinroG im Verfahren zur Bewilligung der Herstellung (Errichtung) der Bergbauanlage im Tagebau „ XXXX “ zu. Diese habe weder geltend gemacht, Inhaberin einer Einrichtung im Sinne des § 119 Abs. 6 Z 3 dritter Satz MinroG zu sein, noch eine Gefährdung ihres Eigentums oder ihrer sonstigen dinglichen Rechte zu befürchten. Ferner könne eine politische Gemeinde als juristische Person nicht in ihrem Leben oder ihrer Gesundheit gefährdet oder unzumutbar belästigt werden.
4. Das Bundesverwaltungsgericht gab der Bürgermeisterin mit Parteiengehör vom XXXX die Möglichkeit, zur Beschwerdevorlage vom XXXX Stellung zu beziehen. Diese kam der Aufforderung mit Äußerung vom XXXX nach und trug vor, dass die Stadtgemeinde Pächterin des Geschützten Landschaftsteiles „ XXXX “ sei, der sich im unmittelbaren Nahbereich zur Bergbauanlage befinde. Aufgrund des Pachtverhältnisses bestehe ein dingliches Recht und werde dieses durch die Bergbauanlage gefährdet (indirekte Einwirkungen durch Staub- und Lärmbelästigungen und Beeinträchtigung des Wasserhaushaltes).
5. Nach In-Kenntnis-Setzung über die Replik der Bürgermeisterin vom XXXX am XXXX erörterte die belangte Behörde in einem weiteren Schreiben vom XXXX , dass ein Pachtverhältnis kein dingliches Recht sei und damit der Stadtgemeinde keine Parteistellung zukomme. Selbst wenn ihr ein solches Recht zustehen würde, wäre eine Gefährdung nur dann anzunehmen, wenn eine bestimmungsgemäße Nutzung auf Dauer unmöglich wäre; ein solches Ausmaß der Gefährdung sei nicht dargelegt worden. Abgesehen davon hätte die Stadtgemeinde eine allfällige Pateistellung bereits durch (Teil-)Präklusion verloren, zumal in der mündlichen Verhandlung vom XXXX lediglich Einwendungen gegen den mit Spruchpunkt I. des angefochten Bescheides erledigten Antrag erhoben worden seien.
Im Übrigen sei auf der Beschwerde, die im Hinblick auf das Vorbringen wohl für die Stadtgemeinde eingebracht werden sollte, als Beschwerdeführerin ausdrücklich die „Bürgermeisterin der Stadtgemeinde XXXX “ angeführt worden. Diese ausdrückliche Bezeichnung führe nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu einer Zurückweisung des Rechtsmittels (VwGH 19.12.2017, Ra 2017/16/0151). Das spätere Umstellen in der Stellungnahme vom XXXX vermöge die Unzulässigkeit nicht zu sanieren. Außerdem sei nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes für die Erhebung einer Beschwerde durch einen Bürgermeister ein Beschluss darüber herbeizuführen, andernfalls die Beschwerde zurückzuweisen sei (VfGH 06.03.1995, B 2798/94). Der in den Einwendungen genannte Gemeinderatsbeschluss vom XXXX erteile bloß ein Mandat zur Einbringung von Einwendungen bei der mündlichen Verhandlung des Projekts.
II. DAS BUNDESVERWALTUNGSGERICHT HAT ERWOGEN:
1. FESTSTELLUNGEN
1.1. Die belangte Behörde bewilligte mit Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides vom XXXX , GZ. XXXX , unter Vorschreibung mehrerer Auflagen die Herstellung (Errichtung) einer Bergbauanlage im Tagebau „ XXXX “ auf den Grundstücken XXXX , alle KG XXXX , Stadtgemeinde XXXX , politischer Bezirk XXXX , Bundesland XXXX .
1.2. Gegen diese Entscheidung erhob die Bürgermeisterin der Stadtgemeinde am XXXX Beschwerde.
1.3. Die Stadtgemeinde ist Pächterin von Grundstücken im Geschützten Landschaftsteil „ XXXX “, der sich im unmittelbaren Nahbereich zur Bergbauanlage befindet.
2. BEWEISWÜRDIGUNG
Die Feststellungen ergeben sich aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Verfahrensakt, insbesondere dem angefochtenen Bescheid und der verfahrensgegenständlichen Beschwerde, sowie dem Schriftwechsel zwischen der belangten Behörde und der Bürgermeisterin vor dem Bundesverwaltungsgericht.
3. RECHTLICHE BEURTEILUNG
ZU A)
3.1. RECHTSGRUNDLAGEN
3.1.1. Die im vorliegenden Fall relevante Regelungen des Bundesgesetzes über mineralische Rohstoffe (Mineralrohstoffgesetz – MinroG), BGBl. I Nr. 38/1999 idF BGBl. I Nr. 86/2021, lautet auszugsweise wie folgt:
„Bewilligung von Bergbauanlagen
§ 119. […]
(6) Parteien im Bewilligungsverfahren sind:
1. der Bewilligungswerber,
2. die Eigentümer der Grundstücke, auf deren Oberfläche oder in deren oberflächennahem Bereich die Bergbauanlage errichtet und betrieben wird,
3. Nachbarn: das sind im Sinne dieser Bestimmung alle Personen, die durch die Herstellung (Errichtung) oder den Betrieb (die Benützung) der Bergbauanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten. Als Nachbarn gelten nicht Personen, die sich vorübergehend in der Nähe der Bergbauanlage aufhalten und nicht im Sinne des vorherigen Satzes dinglich berechtigt sind. Als Nachbarn gelten jedoch die Inhaber von Einrichtungen, in denen sich, wie etwa in Beherbergungsbetrieben, Krankenanstalten und Heimen, regelmäßig Personen vorübergehend aufhalten, hinsichtlich des Schutzes dieser Personen und die Erhalter von Schulen hinsichtlich des Schutzes der Schüler, der Lehrer und der sonst in Schulen ständig beschäftigten Personen.
4. Bergbauberechtigte, soweit sie durch die Bergbauanlage in der Ausübung der Bergbauberechtigungen behindert werden könnten.
[…]“
3.1.2. Die im vorliegenden Fall relevanten Regelungen des Gesetzes vom 21. März 2001 über die Regelung des Gemeindewesens in Tirol (Tiroler Gemeindeordnung 2001 – TGO), LGBl. Nr. 36/2001 idF LGBl. Nr. 116/2020, lauten auszugsweise wie folgt:
„§ 30
Aufgaben des Gemeinderates
(1) Der Gemeinderat ist das oberste Organ der Gemeinde. Er hat über alle Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden und die Geschäftsführung der übrigen Gemeindeorgane zu überwachen. Der Gemeinderat entscheidet neben den ihm gesetzlich sonst noch zugewiesenen Angelegenheiten insbesondere über
a) die Erlassung von Verordnungen,
b) den Abschluss einer Vereinbarung über die Vereinigung zu einer neuen Gemeinde und über die Änderung der Gemeindegrenzen,
c) die Änderung des Namens der Gemeinde und ihrer Ortschaften,
d) die Ehrung von Personen sowie deren Widerruf,
e) einen Antrag auf Übertragung einzelner Angelegenheiten auf eine staatliche Behörde,
f) die nachträgliche Genehmigung von dringenden Verfügungen des Bürgermeisters,
g) die Einrichtung eines Ortsvorstehers und eines Ortsausschusses,
h) den Dienstpostenplan und den Stellenplan sowie die Begründung oder Beendigung von Dienst-, Arbeits- und Ausbildungsverhältnissen, deren Dauer sechs Monate übersteigt,
i) die Einleitung einer Volksbefragung,
j) den Erwerb, die Veräußerung und die Belastung von Liegenschaften,
k) die Umlegung der Lasten des Gemeindegutes,
l) die Errichtung von und wesentliche Änderungen an wirtschaftlichen Unternehmen, die Beteiligung an wirtschaftlichen Unternehmen, die Einrichtung von Betrieben mit marktbestimmter Tätigkeit, die Erlassung einer Satzung für wirtschaftliche Unternehmen und Betriebe mit marktbestimmter Tätigkeit, den Erwerb und die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen sowie die Entsendung von Vertretern der Gemeinde in Organe von juristischen Personen, an denen die Gemeinde beteiligt ist,
m) die Verwirklichung und Finanzierung außerordentlicher Vorhaben,
n) die Anlegung und Auflösung von Rücklagen,
o) die Aufnahme von Krediten, die Ermächtigung zur Aufnahme eines Kontokorrentkredites, den Abschluss von Leasingverträgen über unbewegliche Sachen, die Gewährung von Krediten, die Übernahme von Haftungen, die Übernahme und Umwandlung von Schulden und die Gewährung von verlorenen Zuschüssen,
p) unbeschadet der lit. j, m und o die Abgabe und Annahme von Erklärungen, den Abschluss von Vereinbarungen, insbesondere den Erwerb und die Veräußerung beweglicher Sachen und die Vergabe von Leistungen, wenn der Wert dieser Rechtsgeschäfte in der Gesamtabrechnung, oder bei regelmäßig wiederkehrenden Vergaben der Jahresbetrag, 5 v. H. der Einnahmen des ordentlichen Haushaltes übersteigt,
q) die Festsetzung des Voranschlages und die Genehmigung des Rechnungsabschlusses und
r) die Bildung eines Gemeindeverbandes, den Austritt aus einem Gemeindeverband und die Satzung des Gemeindeverbandes.
[…]“
„§ 50
Aufgaben des Bürgermeisters
(1) Der Bürgermeister führt die Geschäfte der Gemeinde. Ihm obliegt die Entscheidung in allen Angelegenheiten, die nicht einem anderen Gemeindeorgan übertragen sind. Der Bürgermeister kann jedoch in jeder Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde die Meinung des Gemeinderates einholen.
[…]“
„§ 55
Vertretung der Gemeinde nach außen
(1) Der Bürgermeister vertritt die Gemeinde nach außen.
[…]“
3.2. FEHLENDE BESCHWERDELEGITIMATION
3.2.1. Eine Beschwerde ist nur dann zulässig, wenn sämtliche Prozessvoraussetzungen erfüllt sind, damit über den geltend gemachten Anspruch (in der Hauptsache) meritorisch abgesprochen werden kann.
Zu diesen Zulässigkeitsvoraussetzungen zählt die Beschwerdelegitimation (prozessuale Berechtigung zur Erhebung einer Beschwerde). Die Beschwerdelegitimation gegen Bescheide einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit ist in Art. 132 Abs. 1 BV-G geregelt und betrifft u.a. denjenigen, der durch den angefochtenen Bescheid in seinen subjektiven öffentlichen Interessen verletzt zu sein behauptet. Demnach können nur diejenigen natürlichen oder juristischen Personen eine solche Beeinträchtigung von Rechten mit Beschwerde bei einem Verwaltungsgericht geltend machen, denen in einem vorangegangenen Verwaltungsverfahren Parteistellung zukam oder zuerkannt wurde. Parteistellung im Verwaltungsverfahren und die Befugnis zur Beschwerdeerhebung an ein Verwaltungsgericht hängen somit nach der innerstaatlichen Rechtslage unmittelbar zusammen (VwGH 30.09.2020, Ra 2019/10/0070).
3.2.2. § 119 Abs. 6 MinroG trifft eine umfassende und abschließende Regelung über den Kreis der Parteien in einem Bewilligungsverfahren von Bergbauanlagen.
Während die Bürgermeisterin die Ansicht vertritt, die Stadtgemeinde könne als „Nachbarin“ gemäß § 119 Abs. 6 Z 3 MinroG die erteilte Genehmigung zur Herstellung (Errichtung) einer Bergbauanlage im Tagebau „ XXXX “ bekämpfen, negiert die belangte Behörde das Vorliegen einer solchen Stellung und spricht sich für eine Zurückweisung der Beschwerde aus.
3.2.3. Bevor vom Bundesverwaltungsgericht auf diese Streitfrage einzugehen ist, ist – nachdem entsprechende Bedenken seitens der belangten Behörde am XXXX geäußert wurden – zunächst in einem Zwischenschritt abzuklären, wem die verfahrensgegenständliche Beschwerde zuzurechnen ist (der Bürgermeisterin oder der Stadtgemeinde) und für den Fall, dass das Rechtsmittel für die Stadtgemeinde als Rechtssubjekt erhoben wurde, ob die Bürgermeisterin das für die Organhandlung zuständige Gemeindeorgan war bzw. ohne Einbindung anderer Gemeindeorgane einschreiten durfte. Daraus könnte sich nämlich schon vorrangig eine Unzulässigkeit der Beschwerde ergeben.
3.2.4. In der Beschwerde wird zwar tatsächlich im Kopf die „Bürgermeisterin der Stadtgemeinde XXXX “ als Beschwerdeführerin angeführt, aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes steht jedoch nach dem gesamten Beschwerdeinhalt – wie selbst die belangte Behörde in ihrer Mitteilung vom XXXX zugestand – in Zusammenschau mit dem Logo „ XXXX “ und dem Stempel „ XXXX “ außer Zweifel, dass es offenkundig der Wille der Bürgermeisterin war, als Vertreterin der Stadtgemeinde und nicht für sich selbst aufzutreten. Es handelt sich daher um ein bloßes Vergreifen im Ausdruck.
Dieser Beurteilung steht auch nicht das Judikat des Verwaltungsgerichtshofes vom 19.12.2017, Ra 2017/16/0151, entgegen, dem sich gerade nicht entnehmen lässt, dass die fehlerhafte Bezeichnung eines Nicht-Berechtigten als Revisionswerber in einer Rechtsmittelschrift automatisch zu einer Zurückweisung des Rechtsmittels führt. In der zitierten Entscheidung war vielmehr das Kernproblem, dass alle, nur nicht das zur Revisionserhebung konkret berechtigte Gemeindeorgan im Schriftsatz Erwähnung fanden (dies sollte durch das Herausschreiben sämtlicher Passagen aus der Revisionsschrift mit Bezug zu Gemeindeorganen bzw. der Gemeinde selbst verdeutlicht werden).
3.2.5. Welches Gemeindeorgan dazu berufen ist, die Stadtgemeinde bei der Wahrnehmung ihrer Parteirechte nach außen zu vertreten, regelt § 55 Abs. 1 TGO; demnach ist dies Aufgabe des Bürgermeisters. Ob Vertretungshandlungen des Bürgermeisters im Außenverhältnis von einer entsprechenden Willensbildung im Gemeinderat abhängen und – bejahendenfalls – welche rechtlichen Konsequenzen es für die Wirksamkeit dieser Vertretungshandlungen hat, wenn der Gemeinderat einen solchen Beschluss nicht gefasst hat, besteht eine Judikaturdivergenz zwischen den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes:
Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist die Erhebung einer Beschwerde nach Art. 144 B-VG grundsätzlich dem Gemeinderat vorbehalten, der innerhalb der Beschwerdefrist einen entsprechenden Beschluss zu fassen hat. Wird dem Verfassungsgerichtshof (allenfalls nach einem Mängelbehebungsauftrag) ein solcher Beschluss nicht vorgelegt, ist die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen (VfSlg 13.161/1992 und 14.063/1995; zur TGO 1966 ergangen).
Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes können zwar ordnungsgemäß kundgemachte Organisationsvorschriften für juristische Personen des öffentlichen Rechts nach außen Handlungsbeschränkungen der zur Vertretung berufenen Organe vorsehen; sprechen diese Vorschriften jedoch (wie in § 55 Abs. 1 TGO) von einer Vertretung nach außen schlechthin, so kann nicht auf anderweitige, bloß die Willensbildung im Innenverhältnis behandelnde Normen zurückgegriffen werden. Unter diesen Voraussetzungen führt selbst der Umstand, dass der Erhebung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde keine Beschlussfassung des im Innenverhältnis zuständigen Gemeindeorgans zugrunde liegt, nicht zu einer Zurückweisung der Beschwerde mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung (VwGH 31.01.2007, 2003/12/0184; zur TGO 2001 ergangen).
Auf die Erhebung einer Beschwerde an ein Verwaltungsgericht wird die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes umzulegen sein, die sich – anders als jene des Verfassungsgerichtshofes – auf die geltende TGO aus dem Jahr 2011 bezieht und damit die Änderung hinsichtlich der Entscheidungskompetenz des Gemeinderates berücksichtigt (VwGH 09.11.2006, 2005/07/0123; noch zur Berufung ergangen):
„Wie sich aus den Erläuternden Bemerkungen zur TGO 2001 ergibt, sollte es durch diese zu einer Entflechtung zwischen dem Amt des Bürgermeisters und der Tätigkeit des Gemeinderates und zu einer Stärkung der Kontrollrechte des Gemeinderates kommen. War der Gemeinderat nach § 26 der Tiroler Gemeindeordnung 1966, LGBl. Nr. 4/1966 (TGO 1966), noch zur Beschlussfassung und Überwachung der Vollziehung in allen Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde berufen, soweit die Beschlussfassung nicht durch Gesetz ausdrücklich einem anderen Organ zugewiesen war, so beschränkt nunmehr § 30 Abs. 1 TGO 2001 die Entscheidungskompetenz des Gemeinderates auf (demonstrativ aufgezählte) Angelegenheiten grundsätzlicher Bedeutung. Dem Bürgermeister, dem nach § 41 Abs. 2 TGO 1966 lediglich die verantwortliche Vollziehung der Beschlüsse der Gemeindeorgane und aller die laufende Geschäftsführung der Gemeindeverwaltung regelnden gesetzlichen Vorschriften oblag, kommt durch § 50 Abs. 1 TGO 2001, der bestimmt, dass der Bürgermeister in allen Angelegenheiten entscheidet, die nicht einem anderen Gemeindeorgan übertragen sind, nunmehr die früher beim Gemeinderat liegende subsidiäre Allzuständigkeit zu.
Zur Beantwortung der Frage, ob es für die Erhebung der Berufungen und der damit einhergehenden Bevollmächtigung des Beschwerdeführervertreters eines Gemeinderatsbeschlusses bedurft hätte, ist zu klären, ob es sich bei diesen Angelegenheiten um solche grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 30 Abs. 1 TGO 2001 handelt.
Dafür, dass eine Berufung eine Angelegenheit grundsätzlicher Bedeutung ist, bieten die TGO 2001 und die diesbezüglichen Gesetzesmaterialien keinen Anhaltspunkt. So ist die Erhebung einer Berufung weder in der demonstrativen Aufzählung des § 30 Abs. 1 leg. cit. genannt noch ist diese mit einer der dort detailliert aufgezählten Angelegenheiten vergleichbar, geschweige denn zuordenbar.
[…]
Da die Erhebung eines Rechtsmittels bzw. eines Rechtsbehelfes durch eine Gemeinde aber durchaus keine Seltenheit ist und von der Frage, wer zu ihrer Erhebung berechtigt ist, ihre Zulässigkeit abhängt, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber, wenn er dafür eine Beschlussfassung des Gemeinderates erforderlich erachtet hätte, diese in den Katalog des § 30 Abs. 1 TGO 2001 aufgenommen hätte.
Für dieses Ergebnis spricht zudem auch oben zitierte, in den Materialien zum Ausdruck kommende Intention des Gesetzgebers, die Kompetenzen des Gemeinderates und des Bürgermeisters zu entflechten sowie die mit zwei Wochen relativ kurz bemessene Frist, in der eine Berufung erhoben werden muss. Zwar könnte der Bürgermeister in einem solchen Fall allenfalls auch auf seine Notanordnungskompetenz (§ 51) zurückgreifen; dem Gesetzgeber kann aber nicht unterstellt werden, dass er den Bürgermeister dauernd auf diese Kompetenz verweisen wollte.“
Die Beschwerdeerhebung durch die Bürgermeisterin im Namen der Stadtgemeinde ist deshalb – unabhängig vom Umstand, ob es einen Gemeinderatsbeschluss gibt – nicht zu beanstanden.
3.2.6. Die Bürgermeisterin behauptet nun, die Stadtgemeinde könne sich auf eine Parteistellung als „Nachbarin“ stützen.
Nach § 119 Abs. 6 Z 3 erster Satz MinroG ist „Nachbar“ jede Person, die durch die Herstellung (Errichtung) oder den Betrieb (die Benützung) der Bergbauanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten. Dieser weite Nachbarbegriff wird durch den zweiten Satz insoweit eingeschränkt, als nur jene Personen als Nachbarn gelten, die entweder dinglich berechtigt sind oder aber sich nicht bloß vorübergehend in der Nähe der Betriebsanlage aufhalten. Gemäß dem dritten Satz gelten schließlich als „Nachbar“ auch die Inhaber von Einrichtungen, in denen sich, wie etwa in Beherbergungsbetrieben, Krankenanstalten und Heimen, regelmäßig Personen vorübergehend aufhalten, hinsichtlich des Schutzes dieser Personen und die Erhalter von Schulen hinsichtlich des Schutzes der Schüler, der Lehrer und der sonst in Schulen ständig beschäftigten Personen.
Im vorliegenden Fall argumentiert die Bürgermeisterin die Position der Stadtgemeinde als „Nachbarin“ damit, dass diese Pächterin von Grundstücken, die sich im Geschützten Landschaftsteil „ XXXX “ befinden würden, sei, d.h. diese sohin in einem dinglichen Recht beeinträchtigt werde.
Mit diesem Vorbringen wurde jedoch kein dingliches Rechtes der Stadtgemeinde dargetan, zumal es sich bei einem Pachtverhältnis lediglich um einen schuldrechtlichen Rechtsanspruch handelt (vgl. dazu auch VwGH 20.12.2005, 2003/05/0098: „[…] ein Pachtverhältnis [begründet] kein dingliches Recht […]“).
Da auch sonst keine Anhaltspunkte für eine Gefährdung von Eigentum der Stadtgemeinde oder für die Innehabung einer Einrichtung im Sinne des § 119 Abs. 6 Z 3 dritter Satz MinroG hervorkamen und die Stadtgemeinde als juristische Person auch nicht in ihrem Leben oder in ihrer Gesundheit gefährdet oder unzumutbar belästigt sein kann (VwGH 12.09.2007, 2005/04/0115), kann diese in keinem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt sein.
3.2.7. Im Ergebnis war daher die Beschwerde mangels Beschwerdelegitimation als unzulässig zurückzuweisen.
3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder von Amts wegen eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann die Verhandlung etwa dann entfallen, wenn die Beschwerde zurückzuweisen ist.
Dies trifft hier zu: Die vorliegende Beschwerde ist zurückzuweisen. Eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht konnte daher unterbleiben.
ZU B)
3.4. UNZULÄSSIGKEIT DER REVISION
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (s. dazu die unter A) zitierte Judikatur), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Schlagworte
Beschwerdelegimitation Beschwerderecht Bewilligung Bürgermeister Immissionen Lärmbelastung Nachbarrechte Pacht Parteistellung Präklusion Prozessvoraussetzung Stadtgemeinde Staubentwicklung subjektive Rechte Unzulässigkeit der Beschwerde Vertretungsbefugnis Zurechenbarkeit ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W157.2241605.1.00Im RIS seit
26.11.2021Zuletzt aktualisiert am
26.11.2021