TE Vwgh Erkenntnis 1996/11/21 95/20/0341

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Veröffentlicht am 21.11.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §16 Abs1;
AVG §45 Abs1;
AVG §45 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des K, auch N, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. Mai 1995, Zl. 4.346.363/1-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. Mai 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen des Iran, der am 24. Februar 1995 in das Bundesgebiet eingereist war und im Zuge seiner fremdenpolizeilichen Behandlung am 2. März 1995 Asyl beantragt hatte, gegen den den Asylantrag abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 5. April 1995 abgewiesen.

Der Beschwerdeführer gab anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 7. März 1995 zu seinen Fluchtgründen an:

"Ich stelle nunmehr einen Asylantrag in Österreich, da ich aus dem moslemischen Glauben ausgetreten bin und ich dem römisch-katholischen Glauben im Iran beigetreten bin.

Auf Frage, ob ich diese Behauptung in irgendeiner Weise durch irgendwelche Schreiben oder Dokumente nachweisen kann, führe ich an, daß ich solche Nachweise nicht bringen kann, da ich diese nicht erhalten habe.

Auf Frage, wieviele Gebote es im römisch-katholischen Glauben gibt, gebe ich an, daß ich darüber nichts weiß.

Auf Frage, woran die römisch-katholische Kirche glaubt, gebe ich an, daß ich dies auch nicht genau weiß.

Auf Frage, auf welche Glaubensbücher sich der römisch-katholische Glauben stützt, gebe ich an, daß ich von diesen nur die Bibel kenne. Ich in dieser Bibel nur einen Tag gelesen habe.

Auf Frage, ob mir der Begriff "Altes Testament" oder "Neues Testament" etwas sagt, gebe ich an, daß ich nicht weiß, worum es sich dabei handelt.

Mir wird nunmehr vorgehalten, daß es für einen erwachsenen Menschen unglaubwürdig erscheint, seinen Glauben zu wechseln ohne sich über den anderen Glauben ausreichend zu informieren und mir wird weiters vorgehalten, daß es sich nach Ansicht des einvernehmenden Beamten somit lediglich um eine Schutzbehauptung handelt, um nicht wieder in die Heimat zurückgeschoben zu werden.

Dazu gebe ich an, daß dies nicht stimmt und ich sonst keine Schwierigkeiten im Iran gehabt habe.

Auf Frage, wie ich zum christlichen Glauben übergetreten bin, führe ich an, daß dies in der Stadt "NUR" geschah und ich dort in einer christlichen Kirche von einem Priester in einem weißen Kleid in ein Taufbecken gestellt und getauft wurde. Daraufhin teilte er mir mit, daß ich nunmehr Christ sei.

Nach ca. drei Monaten wurde ich von einer Person des Pasdaran befragt, weshalb ich als Moslem in eine christliche Kirche gehe und ich gab an, daß ich lediglich einen Freund besucht habe.

Einige Tage später erfuhr ich vom Priester, daß zwei Personen des Pasdaran in der Kirche nach mir gefragt haben und wiederum einige Tage darauf suchten mich zwei Pasdaranangehörige bei mir zu Hause. Ich war zu diesem Zeitpunkt nicht daheim anwesend und da ich weiß, daß man, wenn einem nachgewiesen wird, daß man seinen moslemischen Glauben abgelegt und einen anderen angenommen hat, im Iran zu Tode verurteilt wird, mußte ich den Iran verlassen.

Mir wird nunmehr aufgetragen, innerhalb einer Frist von drei Wochen, also bis zum 28.03.1995 glaubwürdige Nachweise über den von mir behaupteten Glaubenswechsel nachzureichen. Da ich die Absicht hatte, zu meinem Bruder nach Schweden zu gelangen um dort um Asyl anzusuchen, habe ich erst gar nicht versucht z.B. Beamte am Flughafen in London um Schutz vor Verfolgung zu ersuchen.

Auf Frage, weshalb ich meinen Glauben gewechselt habe, führe ich an, daß dies aufgrund eines Traumes geschah, in dem mir Jesus erschienen ist und mir mitteilte, daß ich ab nun zu ihm gehöre. Ich sprach daraufhin mit einem Priester und nahm den christlichen Glauben an.

Mehr habe ich nicht anzugeben.

Ende der Niederschrift am 07.03.1995 um 11.55 Uhr.

Mir wurde der Inhalt der Niederschrift vom Dolmetsch zur Kenntnis gebracht und ich habe dem nichts mehr hinzuzufügen."

Am 4. April 1995 legte der Beschwerdeführer einen mit 28. März 1995 datierten Brief seines in Stockholm lebenden Bruders vor, worin dieser bestätigte, der Beschwerdeführer sei vom Islam zum Christentum übergetreten und könne nicht in den Iran zurückkehren, weil ihm dort wegen seiner nach islamischem Recht streng verbotenen Konversion die Todesstrafe drohe. Es werde auf angeschlossene Unterlagen über die im Islam für Konvertiten vorgesehene Todesstrafe verwiesen (die der per Telefax übermittelten Eingabe des Beschwerdeführers nicht beigefügt waren). Abgesehen von den Unterschriften zweier Zeugen enthielt dieses Schreiben noch die Bestätigung des schwedischen Pastors M, daß die Angaben richtig seien und der Bruder des Beschwerdeführers selbst vom Islam zum Christentum übergetreten sei, weshalb ihm Schweden Asyl gewährt habe.

In dem Bescheid vom 5. April 1995, mit dem das Bundesasylamt den Asylantrag abwies, wurde beweiswürdigend ausgeführt, die Angaben des Beschwerdeführers erschienen "keineswegs als glaubwürdig". Der Beschwerdeführer sei in keiner Weise in der Lage gewesen, seinen behaupteten Glaubenswechsel in geeigneter Form zu belegen, und habe "über die Ideologie des christlichen bzw. römisch-katholischen Glaubens keinerlei glaubwürdige Auskünfte geben" können. Das vorgelegte Schreiben vom 28. März 1995 sei "keinesfalls" ein die Behauptung des Beschwerdeführers unterstützendes Beweismittel, "zumal" es einerseits erst während des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich verfaßt worden sei und andererseits für die Behörde in keiner Weise ersichtlich sei, zu welchem Zeitpunkt der Beschwerdeführer seinen angeblichen Glaubenswechsel vollzogen habe bzw. ob und in welcher Form dies in seiner Heimat tatsächlich geschehen sein solle.

In seiner Berufung gegen diesen Bescheid rügte der Beschwerdeführer die Würdigung des von ihm vorgelegten Schreibens vom 28. März 1995 durch das Bundesasylamt u.a. mit dem Argument, schon der darin bestätigte Übertritt seines Bruders zum christlichen Glauben lege es nahe, daß auch die diesbezügliche Darstellung des Beschwerdeführers den Tatsachen entspreche. Ergänzend führte der Beschwerdeführer aus, im Zuge seines regelmäßigen brieflichen Kontaktes mit seinem Bruder sei er von diesem immer wieder aufgefordert worden, "den islamischen Glauben abzulegen, ein Christ zu werden und nach Schweden auszuwandern". Wegen der Gefahren, die nach dem Koran den zum Christentum Bekehrten drohten, habe er sich vorerst entschlossen gehabt, sich nicht taufen zu lassen und im Iran zu bleiben. Nach und nach habe er jedoch die Intoleranz des iranischen Systems erkannt und "nicht zuletzt aufgrund des Drängens meines Bruders, sowie der Erscheinung Jesu im Traum" beschlossen, sich taufen zu lassen. Da dieser Schritt jedoch "mit einem Todesurteil gleichzusetzen" sei, habe er den Iran umgehend verlassen müssen und versucht, nach Schweden zu gelangen. Die Gefahr habe sich "konkretisiert", als er von zwei Revolutionswächtern angesprochen und befragt worden sei, was er in einer christlichen Kirche täte. Da somit der iranische Staat schon auf seinen Übertritt zum christlichen Glauben aufmerksam geworden sei, sei dem Beschwerdeführer nur mehr die Flucht geblieben. Daß er über seinen Glaubenswechsel nur eine Bestätigung seines Bruders habe vorlegen können, sei mit der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit, aber auch damit zu erklären, daß nur der Bruder des Beschwerdeführers über dessen Übertritt zum christlichen Glauben informiert gewesen sei und es auch nahe liege, daß dem Beschwerdeführer die Beschaffung einer Bestätigung des Priesters, der ihn im Iran getauft habe, wegen der im Iran für den Übertritt zum christlichen Glauben angedrohten Todesstrafe nicht möglich sei. Warum seine den Vorgang der Taufe betreffende Darstellung nicht glaubwürdig sein solle, sei für den Beschwerdeführer nicht erkennbar. Weitere Informationen zu seinem neuen Glauben habe er deshalb nicht geben können, weil er noch am Anfang eines neuen Lebensabschnittes stehe und es für ihn Grund genug gewesen sei, daß es sich bei der christlichen Religion um eine im Gegensatz zum Islam sehr tolerante Glaubensgemeinschaft handle. Anläßlich der Taufe seien ihm nur wenige Informationen über das Christentum gegeben worden. Es sei ihm aber erklärt worden, daß er nun gerettet sei.

Zusammen mit der Berufung legte der Beschwerdeführer eine mit 9. April 1995 datierte zweite Bestätigung seines Bruders sowie Auszüge aus einer Sammlung von Sprüchen des Propheten Mohammed und aus einem Brief eines schwedischen Universitätsprofessors vom 8. Dezember 1993, betreffend Folgen eines Glaubensübertrittes im Islam, vor.

In dem Schreiben vom 9. April 1995 bestätigte der Bruder des Beschwerdeführers erneut, daß dieser zum christlichen Glauben übergetreten sei. Der Bruder des Beschwerdeführers habe ihm erklärt, warum er zum Christentum übergetreten sei. Der Beschwerdeführer sei wie sein Bruder "gebürtiger" Moslem gewesen. Er sei nach dem Studium des persischen Neuen Testaments im Iran konvertiert und heimlich in einer katholischen Kirche in der nordiranischen Stadt Nur am ersten Sonntag des persischen Monats Avan im Jahr 1994 getauft worden. Das Schreiben enthielt darüber hinaus die Bestätigung des Pastors M, daß die Unterschrift des Bruders des Beschwerdeführers korrekt und der Bruder des Beschwerdeführers ein dem Pastor persönlich bekanntes Mitglied seiner Kirche sei.

Der Auszug aus der Sammlung von Sprüchen des Propheten Mohammed enthielt aus dem "Buch der Strafen" u.a. die Aussage, daß ein Moslem nicht getötet werden dürfe, außer er hätte Ehebruch begangen, jemand ohne gültigen Grund getötet oder den Islam verlassen (Sprüche 2533 und 2534).

Im Schreiben des schwedischen Universitätsprofessors, eines Experten auf dem Gebiet des Islam, wurde u.a. ausgeführt:

"Personen, die als Christen geboren werden und einer christlichen Familie und Genealogie angehören, geniessen einen gewissen Schutz und gelten rechtlich als Sonderfall in Übereinstimmung mit der Verfassung von 1979 (§ 13). Dies trifft jedoch nicht auf Konvertiten zu. Personen, die vom Islam zu einer anderen Religion übertreten oder sich als religionslos deklarieren, gelten als "murtadd" oder "Abtrünnige" und in der Auslegung, die im jetzigen Iran an den Gerichtshöfen vorherrscht (der jafaritischen Rechtsschule) wird irtidad oder Apostasie als Hochverrat angesehen, und da der Staat auf dem Islam basiert, gilt Apostasie auch als Staatsverbrechen.

Man folge sodann den traditionellen Gesetzen betreffend Abtrünnigen. Die Person, die als Apostat (d.h., ein vom Islam Abtrünniger) bekannt ist, muss rekonvertieren. Dem Gesetz nach wird die betreffende Person, sofern männlich, ins Gefängnis geworfen, wo man ihm eine Bedenkzeit von drei Tagen gewährt. Falls er sich nicht rückbekehrt, dann soll er mit dem Tod bestraft werden ...

Bei Frauen gilt die Regel, dass sie solange eingesperrt bleiben sollen, bis sie rekonvertieren oder sterben.

Körperliche Bestrafung kann als Druckmittel eingesetzt werden.

Das Leben des Konvertiten ist nicht geschützt und die Tötung eines Konvertiten oder einer Konvertitin hat keine gesetzlichen Folgen..."

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Begründend führte sie - nach einer Wiedergabe des Vorbringens des Beschwerdeführers in erster Instanz und im Berufungsverfahren sowie einer Darstellung der Rechtslage - im wesentlichen folgendes aus:

"Die erkennende Behörde hat sich bei der Beweiswürdigung von folgenden Erwägungen leiten lassen:

In Ihrem Fall ist besonders hervorzuheben, daß Sie in Ihrer erstinstanzlichen Einvernahme, der ein Dolmetscher beigezogen war, sodaß Verständigungsschwierigkeiten auszuschließen waren und deren Richtigkeit und Vollständigkeit Sie mit Ihrer Unterschrift bestätigt haben, angegeben haben, daß Sie Ihr Heimatland nur deshalb hätten verlassen müssen, da Sie vom Islam zum christlichen Glauben konvertiert seien.

Dazu ist auszuführen, daß Ihren diesbezüglichen Angaben keinesfalls die nötige Glaubwürdigkeit zukommen kann, zumal Sie nicht einmal die Grundkenntnisse des christlichen Glaubens dartun konnten. Im Rahmen der erstinstanzlichen Einvernahme sind mehrere Fragen über den christlichen Glauben an Sie gerichtet worden, die sicherlich zu den elementaren Grundkenntnissen zu zählen sind. Ein Wechsel des Glaubens ist sicherlich ein tiefgreifender psychischer Vorgang. Dies vor allem dann, wenn man sich zeitlebens mit dieser Religion auseinandersetzt oder auseinandersetzen muß. Ein Wechsel zu einer anderen Religion kann sicherlich nur aus einer besonders tiefen religiösen Überzeugung vollzogen werden. Dazu gehört allerdings, daß die Religion, zu der diese Person überwechseln will, sie durch ihren Inhalt so überzeugt, daß der Glaube, mit dem diese Person aufgewachsen ist, in den Hintergrund rückt. Es ist sicherlich davon auszugehen, daß zumindest die Grundkenntnisse der neuen Religion - wenn auch nicht bis ins Detail - bekannt sind, zumal sonst eine nachvollziehbare "Beurteilung im Vergleich" nicht möglich ist.

Darüber hinaus haben Sie im gesamten Verfahren keine gegen Sie gerichteten konkreten Verfolgungshandlungen seitens der iranischen Behörden behauptet.

Keinesfalls kann die bloße Behauptung asylbegründender Tatsachen als ausreichend angesehen werden. Würde es bereits genügen, wenn das Vorliegen der asylbegründenden Tatsachen abstrakt möglich wäre, also nicht mit Sicherheit ausgeschlossen ist, so könnte von Beweiswürdigung im eigentlichen Sinn wohl kaum gesprochen werden.

Diese Ausführungen beziehen sich insbesondere auf die von Ihnen behauptete "Nachforschung" (zu ergänzen: durch) die Pasdaran nach dem Kirchenbesuch. Grundsätzlich ist anzumerken, daß der erkennenden Behörde bekannt ist, daß im Iran Konvertiten der Tod droht. Dies ist offensichtlich auch Ihnen bekannt und werden die diesbezüglichen Auszüge aus dem Koran samt Übersetzung, von Ihnen im Rahmen des Berufungsverfahrens vorgelegt, nicht angezweifelt, doch genügt die alleinige Behauptung des Vorliegens von asylrechtlich relevanten Umständen nicht für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Das Vorbringen muß GLAUBHAFT gemacht werden und gelang dies in Ermangelung von elementaren Grundkenntnissen jedenfalls nicht.

Ihrem Berufungsantrag legten Sie unter anderem eine Bestätigung bei, in dem Ihr Bruder, der sich in Schweden aufhält, bestätigt, daß Sie zum christlichen Glauben konvertiert seien. Der Inhalt dieser Bestätigung kann sicherlich nicht relevant für dieses Verfahren sein, zumal diese lediglich von Ihrem Bruder und auf Ihr Begehren hin ausgestellt worden und somit nicht als öffentliche Urkunde zu betrachten ist. Auch kann Ihr Bruder nur Ihre Behauptung, daß Sie zum Christentum konvertiert seien, auf Grund Ihrer Angaben bestätigen. Auch die Unterschrift des Pfarrers in Schweden, daß er Ihren Bruder kenne und er Mitglied seiner Kirche sei, ist sicherlich nicht Gegenstand dieses Verfahrens, da dies nicht Rückschluß auf Ihre Konvertierung zum christlichen Glauben zuläßt.

Nach Würdigung aller entscheidungsrelevanten Umstände gelangte die erkennende Behörde zu dem Schluß, daß sich ein Eingehen auf die von Ihnen angeführten Beweise erübrigt, da dies nicht zu einem im wesentlichen anderslautenden Bescheid geführt hätte. Da nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Verweis auf allgemeine Berichte nicht genügt und Sie in der erstinstanzlichen Befragung ausreichend Gelegenheit hatten, alle zweckdienlichen Angaben für den von Ihnen gewünschten Verfahrensausgang zu machen, war die Befolgung entbehrlich."

Gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 sei auf das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers nicht näher einzugehen gewesen. Da der Beschwerdeführer keine Verfolgung aus den im § 1 Z. 1 AsylG 1991 genannten Gründen zu gewärtigen gehabt habe bzw. im Falle einer Rückkehr in seine Heimat zu befürchten hätte, sei er nicht Flüchtling, wodurch die Asylgewährung zwingend ausgeschlossen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde zieht nicht in Zweifel, daß dem Beschwerdeführer, wenn er, wie von ihm behauptet, vom Islam zum Christentum übergetreten ist, im Iran die Todesstrafe und somit eine religiös motivierte Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 droht. Die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers wird von der belangten Behörde vielmehr mit dem Argument verneint, daß die Behauptung des Beschwerdeführers, er sei zum Christentum übergetreten, nicht glaubwürdig sei.

Die Argumente zur Beweiswürdigung, aus denen die belangte Behörde dies ableitet, halten der Schlüssigkeitsprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof (vgl. dazu die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 548 ff, wiedergegebene Rechtsprechung) nicht stand. Es entspricht nicht der Lebenserfahrung, daß ein Glaubenswechsel "sicherlich nur aus einer besonders tiefen religiösen Überzeugung vollzogen werden" und eine solche Überzeugung sich nur auf die Kenntnis bestimmter Glaubensinhalte und deren "Beurteilung im Vergleich" gründen könne. Derartige Beweggründe für einen Glaubenswechsel, wie sie im angefochtenen Bescheid als die einzig möglichen hingestellt werden, mögen zumindest theoretisch am nächsten liegen. Fehlen sie, so erlaubt dies aber nicht den Verzicht auf eine ernsthafte Auseinandersetzung mit anderen Gründen, die der Asylwerber für den behaupteten Glaubenswechsel ins Treffen führt.

Im vorliegenden Fall war der Beschwerdeführer gefragt worden, "wie viele Gebote" es "im römisch-katholischen Glauben" gebe, was er nicht gewußt hatte, und "woran die römisch-katholische Kirche glaubt", wozu er angegeben hatte, es "nicht genau" zu wissen. Schließlich hatte er auf die Frage, auf welche "Glaubensbücher" sich der römisch-katholische Glaube stütze, noch angegeben, er kenne "von diesen nur die Bibel", in der er "nur einen Tag" lang gelesen habe, und die Begriffe "Altes Testament" und "Neues Testament" seien ihm unbekannt. Diese Antworten würdigte die belangte Behörde nicht etwa unter dem Gesichtspunkt, daß kein katholischer Priester einen Moslem mit so geringem Wissen um die christliche Religion taufen würde. Ohne konkrete Feststellungen über die Bedingungen der christlichen Mission im Iran - im besonderen darüber, inwieweit der Erwachsenentaufe eines Moslem in einem Staat, in dem Konversion mit der Todesstrafe bedroht ist, ein Taufunterricht vorangehen kann - hätte sich ein solcher Schluß auch nicht ziehen lassen. Die belangte Behörde ging nur davon aus, mangels ausreichender Kenntnisse des christlichen Glaubens habe der Beschwerdeführer kein glaubwürdiges Motiv für den Religionswechsel haben können. Diese Überlegung ist, wie dargestellt, nicht zwingend. Eine Beweiswürdigung, die sich mit den nach Lage des Falles in Betracht kommenden Alternativen nicht auseinandersetzt, ist nicht schlüssig.

Im vorliegenden Fall hatte der Beschwerdeführer angegeben, Jesus sei ihm im Traum erschienen und habe ihm mitgeteilt, daß er "ab nun zu ihm gehöre". Diese Erklärung mag für sich genommen nicht als ausreichend erscheinen und vor allem zu der Frage herausfordern, aufgrund welcher weiteren Umstände der Beschwerdeführer einer solchen - offenbar einmaligen - Traumerscheinung wegen dazu bereit gewesen sein soll, die mit dem Glaubenswechsel verbundenen Gefahren auf sich zu nehmen. Inwieweit die belangte Behörde im Unterbleiben einer näheren Befragung zu diesem Thema im Verfahren erster Instanz trotz des in der Niederschrift enthaltenen Satzes, der Beschwerdeführer habe "mehr nicht anzugeben", einen Verfahrensmangel zu erkennen gehabt hätte, ist für die Entscheidung im vorliegenden Beschwerdefall aber nicht von Bedeutung. Die belangte Behörde hat ihren Bescheid nämlich schon deshalb mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weil sie den vom Beschwerdeführer angegebenen Grund für seinen behaupteten Glaubenswechsel aufgrund der eingangs dargestellten nicht schlüssigen Prämisse, andere Motive als ein Vergleich von Glaubensinhalten seien nicht denkbar, nicht in ihre Beweiswürdigung einbezog, sondern sich darüber mit Stillschweigen hinwegsetzte. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde, die vom Beschwerdeführer behauptete Konversion sei nicht glaubwürdig, ist schon aus diesem Grund nicht schlüssig.

Was die vom Beschwerdeführer behaupteten Nachforschungen von Revolutionswächtern in der Zeit unmittelbar vor seiner Ausreise anlangt, so begegnet die belangte Behörde dieser Darstellung mit dem Argument, die "bloße Behauptung" asylbegründender Tatsachen könne "keinesfalls ... als ausreichend angesehen werden", und es könnte "von Beweiswürdigung im eigentlichen Sinne wohl kaum gesprochen werden", würde es bereits genügen, "wenn das Vorliegen der asylbegründenden Tatsachen abstrakt möglich wäre". Daß und weshalb der Darstellung des Beschwerdeführers in bezug auf die äußeren Vorgänge sowohl im Zusammenhang mit der behaupteten Taufe als auch im Anschluß daran nicht zu folgen sei, ist aus diesen - auch Tat- und Rechtsfrage in unzulässiger Weise vermischenden - Formulierungen nicht ableitbar. Daß die Aussage der Partei ein zulässiges, auch für sich allein genommen nicht ungeeignetes und das im Asylverfahren in der Regel sogar ausschlaggebende Beweismittel ist, steht außer Frage.

Die belangte Behörde hat sich aber auch mit der vom Beschwerdeführer schon in erster Instanz vorgelegten Bestätigung seines Bruders vom 28. März 1995 nicht auseinandergesetzt. Die Ausführungen zu der mit der Berufung vorgelegten zweiten (die erwähnte Bestätigung im wesentlichen nur wiederholenden) Bestätigung vom 9. April 1995 dienen nur der Begründung, warum darauf gar nicht einzugehen sei, und greifen (bezogen auf die in erster Instanz vorgelegte Urkunde) zu kurz, weil einerseits nicht nur öffentliche Urkunden im Verwaltungsverfahren "relevant" sind und andererseits die Bestätigung eines nahen Angehörigen, der Asylwerber habe die asylbegründenden Tatsachen auch ihm gegenüber erwähnt, nicht ohne Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Glaubwürdigkeit für unbeachtlich erklärt werden kann. Kann die Glaubwürdigkeit der Bestätigung nicht in Abrede gestellt werden - was die belangte Behörde im vorliegenden Fall nicht versucht -, so kommt es vielmehr darauf an, ob vom Asylwerber nach den zur Beurteilung dieser Frage heranzuziehenden Umständen anzunehmen ist, er habe auch seine nahen Angehörigen belogen, um sich im Asylverfahren Vorteile zu verschaffen. Die Begründung dieser Annahme wäre ein notwendiger Bestandteil der Beweiswürdigung. Die Gedankenführung der belangten Behörde, welche dies nicht erkannt hat, ist auch in diesem Punkt fehlerhaft.

Verfehlt ist schließlich auch das Argument, die Konversion des Bruders des Beschwerdeführers sei "sicherlich nicht Gegenstand dieses Verfahrens", weil sie keinen Rückschluß auf eine Konversion des Beschwerdeführers selbst zulasse. In einem Verfahren, in dem die Glaubwürdigkeit des Asylwerbers nur deshalb, weil ihm mangels ausreichender Kenntnisse über Glaubensinhalte ein Motiv zum Glaubenswechsel gefehlt habe, verneint werden soll, kann der erwiesene Glaubenswechsel eines nahen Angehörigen nicht als völlig unerheblich hingestellt werden. Den Umstand, daß der Beschwerdeführer nach dem Inhalt der in erster Instanz vorgelegten Urkunde dem Beispiel seines Bruders folgte, hätte die belangte Behörde in ihrer Beweiswürdigung daher zu berücksichtigen gehabt.

Der angefochtene Bescheid stützt sich somit in der rechtlich entscheidenden Frage auf eine in mehrfacher Hinsicht lückenhafte und unschlüssige Beweiswürdigung. Gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG war er daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der Ersatz von Stempelmarken war nur in dem Ausmaß, in dem es ihres Aufwandes bedurfte, zuzusprechen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995200341.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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