Entscheidungsdatum
23.08.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I408 2245530-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. PORTUGAL, vertreten durch: Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (BBU), gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Wien (BFA-W) vom 20.07.2021, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Der verfahrensgegenständliche Bescheid wird ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang und Feststellungen:
Der Beschwerdeführer, dessen Identität und Nationalität bisher nicht zweifelsfrei ermittelt werden konnte, wurde am 26.04.2021 festgenommen und mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 28.05.2021, XXXX , wegen der Vergehen des Diebstahls, der gefährlichen Drohung und der Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt, wobei 9 Monate davon bedingt nachgesehen wurden.
Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 20.07.2021 wurde dem Beschwerdeführer, der auf das Parteiengehör nicht reagiert hatte, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.) und eine Abschiebung in die Vereinigten Staaten für zulässig erklärt (Spruchpunkt III.). Gleichzeitig wurde ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV.), einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.) und gegen ihn ein auf die Dauer von 8 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).
Mit Haftende wurde der Beschwerdeführer am 28.07.2021 zur Sicherung der Abschiebung in Schubhaft genommen.
Mit Schriftsatz der BBU vom 17.06.2021 bekämpfte der Beschwerdeführer den verfahrensgegenständlichen Bescheid in vollem Umfang und beantragte zur Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes eine mündliche Verhandlung
Am 03.08.2021 stellte der Beschwerdeführer im Zuge der Einvernahme zur Erlangung eines Ersatzdokumentes bei der belangten Behörde einen Antrag auf internationalen Schutz und gab an, in Wirklichkeit Staatsangehöriger der Republik Kuba zu sein.
Die Beschwerde und der in fünf Tranchen als PFD-Datei eingescannte Behördenakt langte bei erkennenden Richter am 19.08.2021 ein.
2. Beweiswürdigung:
Verfahrensgang und Feststellungen beruhen auf dem unbedenklichen Inhalt des unter mehreren PDF-Dateien übermittelten Behördenakt.
Diesem ist zu entnehmen, dass sich die belangte Behörde bei Feststellung der Identität ausschließlich auf die schon aus den vorliegenden Unterlagen widersprüchlichen Angaben verlasen hat. So wird im Festnahmeauftrag vom 30.04.2021 noch von einer Staatsangehörigkeit Portugals ausgegangen, in der Verständigung vom Strafantritt des Beschwerdeführers wird als Geburtsort Havanna/KUBA und als Staatsnagehörigkeit Vereinigte Staaten angeführt und die Vollzugsinformation spricht wieder von Lissabon, Portugal. Diese Divergenz wurde von der belangten Behörde nicht abgeklärt.
Der Asylantrag ist zweifelsfrei dem Einvernahmeprotokolle vom 03.08.2021 zu entnehmen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Aus den gesetzlichen Bestimmungen geht hervor, dass zugleich mit der Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz auch eine Rückkehrentscheidung zu erfolgen hat. Bevor über einen Antrag auf internationalen Schutz abgesprochen wurde, ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung daher nicht zulässig (vgl. dazu insbesondere Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 04.08.2016, Zl. Ra 2016/21/0162-4): Nach § 10 Abs. 1 AsylG 2005 ist die Rückkehrentscheidung mit der negativen Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz "zu verbinden", nach § 52 Abs. 2 FPG hat sie "unter einem" zu ergehen; sie setzt also die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz voraus. Auch dann, wenn ein Rückkehrentscheidungsverfahren - unabhängig vom Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz - bereits anhängig ist, darf die Rückkehrentscheidung (unbeschadet eines allenfalls weiterbestehenden unrechtmäßigen Aufenthalts des Fremden) grundsätzlich nicht vor der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergehen. Zugleich mit der Rückkehrentscheidung ist nämlich die Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG zu treffen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist; dies würde aber - jedenfalls in Bezug auf den Herkunftsstaat - bedeuten, das Ergebnis des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz, in dem diese Frage erst zu klären ist, vorwegzunehmen (vgl. zum Verhältnis der Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG zu einem Abspruch nach §§ 3 und 8 AsylG 2005 das Erkenntnis des VwGH vom 16. Dezember 2015, Ra 2015/21/0119). Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung ohne eine Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG kommt hingegen - außer im Fall, dass die Feststellung aus vom Fremden zu vertretenden Gründen nicht möglich ist - auf Grund des vom Gesetzgeber seit 1. Jänner 2014 geschaffenen Systems grundsätzlich nicht in Betracht (vgl. dazu auch das Erkenntnis des VwGH vom 24. Mai 2016, Ra 2016/21/0101).
Somit ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung vor der Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz nicht zulässig. In einem solchen Fall ist ein anhängiges Rückkehrentscheidungsverfahren einzustellen bzw. eine - wie hier - bereits erlassene, mit Beschwerde bekämpfte Rückkehrentscheidung ist vom Bundesverwaltungsgericht ersatzlos zu beheben. Eine Aussetzung des Rückkehrentscheidungsverfahrens bis zur Beendigung des Verfahrens über den Folgeantrag auf internationalen Schutz kommt nicht in Betracht, weil es nach der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz jedenfalls einzustellen wäre: sei es, weil Asyl oder subsidiärer Schutz gewährt wurde, sei es, weil eine negative Entscheidung und damit einhergehend eine Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 FPG bzw. ein Ausspruch über die dauerhafte Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder ein Ausspruch nach § 8 Abs. 3a AsylG 2005 ergangen ist (vgl. dazu auch das Erkenntnis des VwGH vom 4. August 2016, Ra 2016/21/0162-4).
Das Bundesverwaltungsgericht muss daher in der gegenständlichen Situation die von der belangten Behörde erlassene Rückkehrentscheidung samt dem gemäß § 53 Abs. 1 FPG darauf aufbauenden Einreiseverbot und die weiteren damit verbundenen Aussprüche ersatzlos beheben. Darüber wird im Verfahren über den nunmehrigen Antrag auf internationalen Schutz - dann zeitaktuell - zu entscheiden sein.
Die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides ist eine Entscheidung in der Sache selbst (vgl. das VwGH-Erkenntnis vom 25. März 2015, Ro 2015/12/0003). Als verfahrensrechtliche Grundlage für eine solche Entscheidung dient daher § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG.
Im gegenständlichen Fall konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde und dem Folgeantrag geklärt erscheint. Zudem kann gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG eine Verhandlung entfallen, wenn bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Abschiebung anhängiges Verwaltungsverfahren Asylantragstellung Asylverfahren Aufenthaltstitel Behebung der Entscheidung Einreiseverbot aufgehoben ersatzlose Behebung Folgeantrag Kassation Rückkehrentscheidung behoben ZeitpunktEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:I408.2245530.1.00Im RIS seit
22.11.2021Zuletzt aktualisiert am
22.11.2021