TE Bvwg Beschluss 2021/8/26 W187 2244216-3

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Veröffentlicht am 26.08.2021
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Entscheidungsdatum

26.08.2021

Norm

BVergG 2018 §327
BVergG 2018 §328 Abs1
BVergG 2018 §333
BVergG 2018 §346
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


W187 2244216-3/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hubert REISNER als Vorsitzenden, Sabine SACHS, MAS, als fachkundige Laienrichterin der Auftraggeberseite und MMag. Dr. Günther FEUCHTINGER als fachkundigen Laienrichter der Auftragnehmerseite über die begründeten Einwendungen der Arbeitsgemeinschaft bestehend aus (1) AAAA , und (2) BBBB , vertreten durch Dr. Christian FINK, Rechtsanwalt, Salztorgasse 2/15, 1010 Wien, vom 19. Juli 2021 in dem Nachprüfungsverfahren über Antrag der Bietergemeinschaft bestehend aus 1. CCCC , 2. DDDD , vertreten durch die Huber | Berchtold Rechtsanwälte OG, Getreidemarkt 14, 1010 Wien, betreffend das Vergabeverfahren „1110 Wien, Geiselbergstraße 21-25, Funktionssanierung Bürogebäude, Generalplanersuche“ der Auftraggeberin ARE Austrian Real Estate GmbH, Hintere Zollamtsstraße 1, 1031 Wien, vertreten durch die vergebende Stelle BUNDESIMMOBILIENGESELLSCHAFT m.b.H, Trabrennstraße 2c, 1020 Wien, beschlossen:

A)

Das Bundesverwaltungsgericht weist die begründeten Einwendungen gemäß § 346 Abs 2 und 3 BVergG 2018 zurück.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.


Text


Begründung

I. Verfahrensgang

1. Mit Schriftsatz vom 9. Juli 2021 beantragte die Bietergemeinschaft bestehend aus 1. CCCC , 2. DDDD , vertreten durch die Huber | Berchtold Rechtsanwälte OG, Getreidemarkt 14, 1010 Wien, in der Folge Antragstellerin, die Nichtigerklärung der angefochtenen Ausscheidensentscheidung vom 30. Juni 2021 wegen Rechtswidrigkeit, die Einsicht in den Vergabeakt, die Ausnahme des Angebots der Antragstellerin und aller Teile, die sich auf ihr Angebot bezögen, von der Akteneinsicht, die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung und den Ersatz der Pauschalgebühr. Die Anträge betreffen das Vergabeverfahren „1110 Wien, Geiselbergstraße 21-25, Funktionssanierung Bürogebäude, Generalplanersuche“ der Auftraggeberin ARE Austrian Real Estate GmbH, Hintere Zollamtsstraße 1, 1031 Wien, vertreten durch die vergebende Stelle BUNDESIMMOBILIENGESELLSCHAFT m.b.H, Trabrennstraße 2c, 1020 Wien.

2. Am 13. Juli 2021 erhob der Vertreter der Gerichtsabteilung W279 eine Unzuständigkeitseinrede. Am selben Tag zeigte der Leiter der Gerichtsabteilung W134, dem das Verfahren zugewiesen worden war, seine Befangenheit an.

3. Mit Schriftsatz vom 14. Juli 2021 erteilte die vergebende Stelle allgemeine Auskünfte zum Vergabeverfahren, nahm zu den Anträgen auf Akteneinsicht und auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung Stellung und teilte mit, dass sie einen Zugang zum elektronischen Vergabeakt eingerichtet habe.

4. Am 14. Juli 2021 legte die vergebende Stelle dem Bundesverwaltungsgericht die Unterlagen des Vergabeverfahrens vor und übermittelte die Zugangsdaten für den elektronischen Vergabeakt.

5. Mit Schriftsatz vom 14. Juli 2021, beim Bundesverwaltungsgericht am 15. Juli 2021 eingelangt, nahm die vergebende Stelle zu dem Nachprüfungsantrag Stellung.

6. Am 15. Juli zeigte die Vorsitzende der Geschäftsabteilung W139, der das Verfahren zugwiesen worden war, ihre Befangenheit an. Am selben Tag wurde das Verfahren der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung W187 zugewiesen.

7. Mit Schriftsatz vom 19. Juli 2021 erhob die Arbeitsgemeinschaft bestehend aus (1) AAAA , und (2) BBBB , vertreten durch Dr. Christian FINK, Rechtsanwalt, Salztorgasse 2/15, 1010 Wien, in der Folge mitbeteiligte Partei, begründete Einwendungen. Darin führt sie im Wesentlichen aus, dass zum betreffenden Vergabeverfahren bereits zur Zahl W279 2242937-2/15Z ein Nachprüfungsverfahren anhängig gewesen sein. Dabei habe die Antragstellerin die Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung zu Gunsten der mitbeteiligten Partei beantragt. Vor der Durchführung einer mündlichen Verhandlung habe die Auftraggeberin die Zuschlagsentscheidung zurückgenommen. Offenkundig habe es Präzisierungen in der Angebotsprüfung bedurft. Die mitbeteiligte Partei habe der virtuellen Amtstafel des Bundesverwaltungsgerichts entnommen, dass am 9. Juli 2021 eine im betreffenden Verfahren ergangene Ausscheidensentscheidung angefochten worden sei. Es sei anzunehmen, dass das Angebot der Antragstellerin unmittelbar von dieser Ausscheidensentscheidung betroffen sei. Die mitbeteiligte Partei werde unmittelbar von dieser Ausscheidensentscheidung betroffen. Ein Aufrechterhalten des mutmaßlichen Ausscheidens der Antragstellerin hätte zur Folge, dass dieser eine erneute Bekämpfung einer allfälligen neuerlichen Zuschlagsentscheidung lautend auf die kommissionell erstgereihte mitbeteiligte Partei abgeschnitten werde. Zudem sei nicht auszuschließen, dass im gegenständlichen Nachprüfungsverfahren zum Ausscheiden auch Aspekte im Hinblick auf das Angebot der mitbeteiligten Partei erörtert würden. Zur Wahrung der Parteistellung erhebt die mitbeteiligte Partei binnen der in § 346 Abs 3 BVergG 2018 vorgegebenen Frist die gegenständlichen begründeten Einwendungen. Sie ersucht um Übermittlung der bisherigen Schriftsätze. Der mitbeteiligten Partei sei bewusst, dass ihr aufgrund der zu wahrenden Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse im konkreten Nachprüfungsverfahren nur eingeschränkt eine Mitwirkung möglich sei. Es sei angedacht, in enger Abstimmung mit dem Bundesverwaltungsgericht die Rolle als mitbeteiligte Partei wahrzunehmen, um die prozessuale Verfahrensabwicklung möglichst nicht zu erschweren.

8. Mit Schriftsatz vom 16. August 2021 spricht sich die Auftraggeberin grundsätzlich nicht gegen eine Parteistellung der mitbeteiligten Partei aus, sofern diese durch die von der Antragstellerin begehrten Entscheidung unmittelbar in ihren rechtlich geschützten Interessen nachteilig betroffen sein könne. Die Auftraggeberin weist der guten Ordnung halber darauf hin, dass noch keine Zuschlagsentscheidung erfolgt sei und sich das Vergabeverfahren im Stadium der Angebotsprüfung befinde.

9. Mit Schriftsatz vom 16. August 2021 nahm die Antragstellerin Stellung. Darin führt sie zu den begründeten Einwendungen im Wesentlichen aus, dass bei der Beurteilung des Vorliegens rechtlich geschützter Interessen sinngemäß die in § 342 Abs 2 BVergG 2018 umschriebenen Antragsvoraussetzungen heranzuziehen seien. Es komme damit darauf an, ob ein Dritter durch die beantragte Entscheidung einen Schaden erleiden könne. Für den Fall, dass die Antragstellerin obsiege, ändere dies nichts an der Rechtsposition der vermeintlich mitbeteiligten Partei; sie erleide als „Erstgereihte“ daraus keinen Schaden. Die Sorge, dass das Angebot der mitbeteiligten Partei im gegenständlichen Nachprüfungsverfahren erörtert werden könnte, sei nicht nachvollziehbar und begründe schon deswegen keine Parteistellung. Bei der Möglichkeit eines neuerlichen Nachprüfungsverfahrens betreffend die Zuschlagsentscheidung handle es nicht um einen unmittelbar drohenden Nachteil. Die Antragstellerin spricht sich für den Fall der Zuerkennung der Parteistellung zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gegen die Offenlegung ihrer Schriftsätze, ihrer Beilagen und gegen eine Teilnahme an der Mündlichen Verhandlung aus. Sie beantragt, der mitbeteiligten Partei keine Parteistellung zuzuerkennen und die begründeten Einwendungen zurückzuweisen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen

1. Feststellungen

1.1 Die ARE Austrian Real Estate GmbH schreibt unter der Bezeichnung „1110 Wien, Geiselbergstraße 21-25, Funktionssanierung Bürogebäude, Generalplanersuche“ einen Dienstleistungsauftrag in einem Verhandlungsverfahren im Oberschwellenbereich nach dem Bestangebotsprinzip aus. Vergebende Stelle ist die Bundesimmobiliengesellschaft m.b.H. Der CPV-Code der Leistungen ist 71240000-2 – Dienstleistungen von Architektur- und Ingenieurbüros sowie planungsbezogene Leistungen. Die Ausschreibung wurde am 15. Jänner 2021 zur unionsweiten Bekanntmachung abgesandt und am 17. Jänner 2021 in Österreich bekannt gemacht.

1.2 Die Auftraggeberin öffnete am 5. Mai 2021 die Letztangebote in Abwesenheit der Bieter. (Unterlagen des Vergabeverfahrens)

1.3 Die Auftraggeberin teile allen Bietern am 21. Mai 2021 die Zuschlagsentscheidung im Wege der Vergabeplattform mit. Nach einem Antrag auf Nichtigerklärung dieser Zuschlagentscheidung nahm die Auftraggeberin diese am 21. Juni 2021 zurück. (Unterlagen des Vergabeverfahrens)

1.4 Am 30. Juni 2021 teilte die Auftraggeberin der Antragstellerin die Ausscheidensentscheidung im Wege der Vergabeplattform mit. (Unterlagen des Vergabeverfahrens)

1.5 Das Vergabeverfahren befindet sich im Stadium der Angebotsprüfung. Eine Zuschlagsentscheidung teilte die Auftraggeberin den Bietern noch nicht mit. Den Zuschlag erteilte sie noch nicht. Den Widerruf erklärte sie nicht. (Auskunft der vergebenden Stelle)

2. Beweiswürdigung

2.1 Dieser Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus den jeweils in Klammern genannten Quellen. Diese sind Veröffentlichungen und die Unterlagen des Vergabeverfahrens, sowie Auskünfte, die nur die Auftraggeberin erteilen kann. Soweit Schriftstücke von der Antragstellerin vorgelegt wurden, spricht der Anschein für ihre Echtheit.

2.2 Die Sachverhaltselemente wurden von den Verfahrensparteien übereinstimmend behauptet und nicht bestritten. Dem Bundesverwaltungsgericht sind keine Zweifel aufgekommen. Die Beweismittel sind daher echt und richtig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1 Anzuwendendes Recht

3.1.1 § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz –BVwGG), BGBl I 10/2013 idF BGBl I 87/2021, lautet:

„Einzelrichter

§ 6. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.“

3.1.2 Die einschlägigen Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl I 33/2013 idF BGBl I 109/2021, lauten:

„Erkenntnisse

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) …

Beschlüsse

§ 31. (1) Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.

(2) An seine Beschlüsse ist das Verwaltungsgericht insoweit gebunden, als sie nicht nur verfahrensleitend sind.

(3) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind § 29 Abs. 1 zweiter Satz, 2a, 2b, 4 und 5, § 30, § 38a Abs. 3 und § 50 Abs. 3 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.

Inkrafttreten

§ 59. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 2014 in Kraft.

(2) Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt.

(3) § 3 samt Überschrift, § 13 Abs. 4 und § 15 Abs. 2 erster Satz in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 122/2013 treten mit 1. Jänner 2014 in Kraft. Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt.

(4) …“

3.1.3 Die einschlägigen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2018 – BVergG 2018), BGBl I 65/2018 idF BGBl II 91/2019, lauten:

„Anzuwendendes Verfahrensrecht

§ 333. Soweit in diesem Bundesgesetz und im Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, nichts anderes bestimmt ist, sind die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles in den Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach diesem Bundesgesetz sinngemäß anzuwenden.

Parteien des Nachprüfungsverfahrens

§ 346. (1) Parteien des Nachprüfungsverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht sind jedenfalls der Antragsteller und der Auftraggeber. …

(2) Parteien des Nachprüfungsverfahrens sind ferner jene Unternehmer, die durch die vom Antragsteller begehrte Entscheidung unmittelbar in ihren rechtlich geschützten Interessen nachteilig betroffen sein können (Antragsgegner); insbesondere ist im Falle der Bekämpfung der Zuschlagsentscheidung der für den Zuschlag in Aussicht genommene Bieter Partei des Nachprüfungsverfahrens.

(3) Der in einer Zuschlagsentscheidung für den Zuschlag in Aussicht genommene Bieter verliert seine Parteistellung, wenn er seine begründeten Einwendungen gegen die vom Antragsteller begehrte Entscheidung nicht binnen zehn Tagen ab Zustellung der Verständigung über die Einleitung des Nachprüfungsverfahrens erhebt. Andere Parteien im Sinne des Abs. 2 verlieren ihre Parteistellung, wenn sie ihre begründeten Einwendungen gegen die vom Antragsteller begehrte Entscheidung nicht binnen zehn Tagen ab Bekanntmachung der Verfahrenseinleitung nach § 345 Abs. 1 erheben. Sofern eine mündliche Verhandlung vor Ablauf dieser Fristen stattfindet, können die Einwendungen spätestens in der mündlichen Verhandlung erhoben werden. § 42 Abs. 3 AVG gilt sinngemäß.

(4) …“

3.2 Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und Zulässigkeit des Antrags

3.2.1 Da es sich bei der Auftraggeberin um eine öffentliche Auftraggeberin handelt, deren Auftragsvergaben gemäß Art 14b Abs 2 Z 1 lit c B-VG in den Vollziehungsbereich des Bundes fallen (zB BVwG 17. 9. 2015, W123 2112177-1/21E; 2. 9. 2020, W187 2233221-2/27E; 10. 3. 2021, W273 2238848-2/41E), ist das Bundesverwaltungsgericht gemäß Art 132 Abs 2 Z 2 B-VG in Verbindung mit § 327 BVergG 2018 sachlich und örtlich zuständig. Gemäß § 328 Abs 1 BVergG 2018 in Verbindung mit § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat.

3.2.2 Gemäß § 346 Abs 3 BVergG 2018 kann ein Unternehmer, der eine bereits entstandene Parteistellung in einem Nachprüfungsverfahren vor dem Bundesverwaltungericht erhalten will, begründete Einwendungen erheben.

3.3 Zu Spruchpunkt A) – Abweisung der begründeten Einwendungen

3.3.1 Die mitbeteiligte Partei behauptet eine Parteistellung in dem Nachprüfungsverfahren, dass das Bundesverwaltungsgericht zur Zahl W187 2244216-1 führt. Die Antragstellerin bekämpft darin die gegen sie bzw ihr Angebot gerichtete Ausscheidensentscheidung.

3.3.2 Zur Begründung ihrer Betroffenheit in rechtlich geschützten Interessen bei Stattgabe des Nachprüfungsantrags macht die Antragstellerin im Wesentlichen die Möglichkeit der Anfechtung einer zukünftigen Zuschlagsentscheidung durch die Antragstellerin und die Erörterung ihres Angebots in dem Nachprüfungsverfahren geltend.

3.3.3 Bei begründeten Einwendungen gemäß § 346 Abs 3 BVergG 2018 handelt es sich um eine Erklärung einer Verfahrenspartei gemäß § 346 Abs 2 BVergG 2018, die das Ziel verfolgt, ihre bereits im Zeitpunkt der Einleitung des Nachprüfungsverfahrens bestehende Parteistellung zu erhalten. Daher ist das Bestehen einer Parteistellung gemäß § 346 Abs 2 BVergG 2018 Voraussetzung für deren Verlängerung und damit für die Zulässigkeit von begründeten Einwendungen. Das Verfahren über die Parteistellung ist ein Verfahren, das nur mit jener Partei zu führen ist, die die Zuerkennung der Parteistellung begehrt.

3.3.4 Neben dem Antragsteller und dem Auftraggeber sind jene Unternehmer Parteien des Nachprüfungsverfahrens, die die durch die vom Antragsteller begehrte Entscheidung unmittelbar in ihren rechtlich geschützten Interessen nachteilig betroffen sein können. Die Antragstellerin begehrt die Nichtigerklärung der sie selbst betreffenden Ausscheidensentscheidung. Daher hat sie in erster Linie ein Interesse an der Prüfung der Ausscheidensentscheidung und zur Klärung dieser Frage jedenfalls Antragslegitimation (zB VwGH 25. 1. 2011, 2009/04/0302; BVwG 16. 4. 2014, W187 2003334-1/25E; 10. 7. 2020, W139 2228671-2/36E). Es ist der mitbeteiligten Partei zwar zuzubilligen, dass sie ein rechtlich geschütztes Interesse am Ausscheiden auszuscheidender Angebot hat (zB EuGH 4. 7. 2013, C-100/12, Fastweb, Rn 33; 5. 4. 2016, C-689/13, PFE, Rn 27; 24. 3. 2021, C-771/19, NAMA ua, Rn 31). Dieses Recht steht ihr gegen die Auftraggeberin zu, da nur ein Auftraggeber Angebote ausscheiden kann. Ihr steht es jedoch nicht zu, bei einem Auftraggeber an der Prüfung des Angebots eines Mitbewerbers mitzuwirken, die im Ergebnis zum Ausscheiden des Angebots führen kann. Durch die Mitteilung der Ausscheidensentscheidung hat die Auftraggeberin dieses Interesse der Antragstellerin bereits erfüllt. Im nun zu führenden Nachprüfungsverfahren ist ausschließlich die Rechtmäßigkeit dieser angefochtenen Entscheidung zu prüfen. Erkennt das Bundesverwaltungsgericht, dass die von der Auftraggeberin genannten Ausscheidensgründe nicht vorliegen und auch keine anderer, in der Ausscheidensentscheidung nicht genannter Ausscheidensgrund die Ausscheidensentscheidung trägt (zB VwGH 30. 4. 2019, Ra 2018/04/0196), war die Ausscheidensentscheidung rechtswidrig, die Antragstellerin hat das Recht, an dem Vergabeverfahren teilzunehmen, und die mitbeteiligte Partei ist in keinem rechtlich geschützten Interesse beeinträchtigt, da ihr kein Recht auf Ausscheiden eines nicht auszuscheidenden Angebots zukommt. Weist das Bundesverwaltungsgericht den Nachprüfungsantrag ab, war die Ausscheidensentscheidung rechtmäßig. Der mitbeteiligten Partei kommt jedenfalls kein rechtlich geschütztes Interesse zu, dass eine zu ihren Gunsten ergehende Zuschlagsentscheidung nicht angefochten wird, wenn die Voraussetzungen für einen entsprechenden Nachprüfungsantrag vorliegen. Die mitbeteiligte Partei ist daher nicht unmittelbar in ihren rechtlich geschützten Interessen betroffen.

3.3.5 Die Erörterung des Angebots der Antragstellerin, die dem Bundesverwaltungsgericht als zur Lösung der im zugrunde liegenden Nachprüfungsverfahren aufgeworfenen Rechtsfragen nicht erforderlich erscheint, weil es sich ausschließlich um Fragen betreffend die Antragstellerin und ihr Angebot ohne Bezug zur mitbeteiligten Partei und ihr Angebot handelt, vermag eine Beeinträchtigung von rechtlich geschützten Interessen der mitbeteiligten Partei nicht erkennen zu lassen. Das Bundesverwaltungsgericht muss Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse von Amts wegen schützen. Darüber hinaus hat vergebende Stelle die Ausnahme aller vorgelegten Unterlagen beantragt, die andere Bewerber und Bieter betreffen. Es liegt zwar am Bundesverwaltungsgericht diese im Zuge der Vorlage von Unterlagen gemäß § 337 BVergG 2018 geltend gemachte vertrauliche Behandlung zu entscheiden. Es muss jedoch das berechtigte Vorbringen der vergebenden Stelle bei seiner Beurteilung berücksichtigen und sich nicht ohne Grund darüber hinwegsetzen (zB VfGH 23. 6. 2020, E 706-707/2020; VwGH 30. 1. 2019, Ra 2018/04/0001, 0002). Da jedoch die zu entscheidenden Rechtsfragen keinerlei Bezug zu dem Angebot der mitbeteiligten Partei haben, können ihre rechtlich geschützten Interessen dadurch nicht beeinträchtigt sein.

3.3.6 Wie oben dargestellt kann die mitbeteiligte Partei durch die Stattgabe nicht in rechtlich geschützten Interessen beeinträchtigt sein. Die Situation ist auch nicht mit der der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zugrunde liegenden Situation vergleichbar, da es in diesem Fall um eine Anfechtung der Ausschreibung und damit die Bedingungen für das weitere Vergabeverfahren ging (VwGH 27. 2. 2019, Ra 2016/04/0131). Im Übrigen entspricht die Nichtzuerkennung der Parteistellung an einen weiteren Bieter in einem Nachprüfungsverfahren über die Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (zB BVwG 4. 11. 2016, W131 2138394-1/3E; 15. 7. 2020, W131 2229809-3/9E; 7. 1. 2021, W131 2238132-3/11E).

3.4 Zu Spruchpunkt B) –Zulässigkeit der Revision

3.4.1 Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.4.2 Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehlt, ob die präventive Vermeidung der Möglichkeit der Anfechtung einer erst in der Zukunft zu treffenden Zuschlagsentscheidung ein rechtlich geschütztes Interesse im Sinn des § 346 Abs 2 BVergG 2018 darstellt und damit die Parteistellung in einem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren zur Prüfung einer Ausscheidensentscheidung begründet.

Schlagworte

Antragslegimitation Ausscheidensentscheidung Betroffenheit Bietergemeinschaft Dienstleistungsauftrag Einwendungen Nachprüfungsantrag Nachprüfungsverfahren Nichtigerklärung Parteistellung rechtliches Interesse Revision zulässig Vergabeverfahren Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W187.2244216.3.00

Im RIS seit

22.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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