TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/30 G307 1248331-4

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Veröffentlicht am 30.08.2021
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Entscheidungsdatum

30.08.2021

Norm

BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs4
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1

Spruch


G307 1248331-4/20E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , StA. Kosovo, geb. am XXXX , vertreten durch RA Mag. Michael Thomas REICHENVATER in 8010 Graz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.08.2018, Zahl XXXX nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde gegen den Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Kosovo zulässig sei (Spruchpunkt II.) sowie gemäß § 53 Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von 4 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

2. Dagegen erhob der BF durch den im Spruch angeführten Rechtsvertreter (im Folgenden: RV) Beschwerde. Darin wurde beantragt, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen, den angefochtenen Bescheid in seiner Gesamtheit aufzuheben, in der Sache selbst zu entscheiden und von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung Abstand zu nehmen, sohin festzustellen, dass eine Abschiebung in den Herkunftsstaat dauerhaft unzulässig sei, sohin von der Erlassung eines Einreiseverbotes Abstand zu nehmen, in eventu den angefochtenen Bescheid aufzuheben und zur neuerlichen Entscheidungsfindung an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen.

3. Die Beschwerde samt Verwaltungsakt wurde vom BFA dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 05.09.2018 vorgelegt und ist dort am 07.09.2018 eingelangt.

4. Am 05.02.2019 fand vor dem BVwG, Außenstelle Graz eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an welcher der BF und seine RV teilnahmen.

5. Im Rahmen einer Urkundenvorlage übermittelte der RV dem BVwG mit Schriftsatz vom 15.02.2019 ein den BF betreffendes psychologisches Gutachten.

6. Mit Erkenntnis vom 02.05.2019 wurde der Beschwerde wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Dauer des Einreiseverbotes auf 2 Jahre herabgesetzt wurde. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet ab- und der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, als unzulässig zurückgewiesen.

7. Dagegen erhob der BF durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter außerordentliche Revision.

8. Mit Erkenntnis des VwGH vom 12.07.2021, Zahl Ra 2019/21/0375-8, wurde das Erkenntnis des BVwG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

9. Mit Schreiben vom 04.08.2021 wurde das Referat Aufenthalts- und Sicherheitswesen des Amtes der XXXX Landesregierung von Seiten des erkennenden Gerichts ersucht bekannt zu geben, ob diese zum Zeitpunkt der Stattgabe des jüngsten Verlängerungsantrages des BF auf Erteilung einer Rot-Weiß-Rot-Karte plus von dessen Verurteilungen Kenntnis hatte.

10. Im Antwortschreiben an das BVwG vom 19.08.2021 wurde die soeben erwähnte Anfrage durch die zuständige Abteilung des Landes Steiermark bejaht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist Staatsbürger der Republik Kosovo, führt die im Spruch angegebene Identität (Namen und Geburtsdatum) und ist somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Er ist frei von Sorgepflichten, ledig und wohnt mit Markus XXXX seit 05.09.2017 im gemeinsamen Haushalt.

1.2. Der BF wurde in XXXX geboren, hielt sich bis zu seinem 4. Lebensjahr mit seinen Eltern in Deutschland auf und begab sich mit ihnen im Jahr 2003 nach Österreich, wo er am 14.07.2003 durch seine Mutter seinen ersten Asylantrag stellte. Im selben Jahr hielt er sich mit seiner Familie für 8 Monate im Kosovo auf. Nach Abweisung des soeben erwähnten Antrags durch das Bundesasylamt (BAA) verwarf auch der Unabhängige Bundesasylsenat (UBAS) die dagegen erhobene Berufung mit Bescheid vom 18.06.2007, Zahl XXXX , welcher am 24.07.2007 in Rechtskraft erwuchs.

Am 09.10.2007 stellte der BF einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz, der vom BAA mit Bescheid vom 20.12.2007 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des UBAS vom 15.01.2008, Zahl 248.331/2E-XII/05/08 stattgegeben und der bekämpfte Bescheid des BAA behoben. Mit Folgebescheid des BAA vom 09.01.2009 wurde der Asylantrag neuerlich wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Dieses Verfahren wurde – nach gegen diesen Bescheid erhobener Beschwerde – wegen deren Zurückziehung am 08.11.2011 vom Asylgerichtshof (AGH) am 10.11.2011 eingestellt.

Am 29.11.2011 stellte der BF bei der Bezirkshauptmannschaft XXXX (BH XXXX ) einen Antrag auf Ausstellung einer Rot-Weiß-Rot-Karte plus, welcher ihm am 21.03.2012 bewilligt wurde. Seitdem verfügte der BF – vermittelt durch Verlängerungsanträge – über einen solchen Aufenthaltstitel, wobei der aktuelle bis zum 20.03.2024 gültig gewesen wäre. Wegen des unter I.1.6. erwähnten Erkenntnisses des BVwG wurde der bis 20.03.2020 gültige Titel des Landes XXXX am 22.05.2019 für ungültig erklärt. Zum Zeitpunkt der jüngsten Verlängerung des vom Amt der XXXX . Landesregierung eingeräumten Aufenthaltstitels waren diesem die Vorstrafen des BF bekannt.

1.3. Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Er hat bis dato keinen Deutschkurs absolviert, konnte jedoch in der mündlichen Verhandlung auf alle an ihn gestellten Fragen problemlos auf Deutsch antworten.

1.4. Der BF absolvierte vom 03.11.2015 bis 18.01.2016 eine Angestelltenlehre, die er abbrach. Davon abgesehen war er in der Zeitspanne vom 17.06.2015 bis zum Beginn des vorletzten Beschäftigungsverhältnisses in 4 Arbeitsverhältnissen bei insgesamt 3 Arbeitgeberin an 123 Tagen erwerbstätig. Dazwischen bezog der BF entweder Arbeitslosenunterstützung oder Krankengeld. Der Grund für die zumeist nur sehr kurze Dauer der Arbeitsverhältnisse war der mangelnden Motivation wie der Suchtmittelabhängigkeit des BF zuzuschreiben, wobei er im Alter von 14 Jahren erstmalig mit dem Drogenkonsum begann (Cannabis).

Der BF besuchte vom 11.12.2017 bis April 2019 beim Berufsförderungsinstitut XXXX den Kurs „Zerspannungstechnik mit LAP“.

Der BF begann am 01.02.2019 eine Anstellung bei der XXXX beschäftigt und hätte hiefür monatlich etwa € 1.000,00 netto ins Verdienen bringen sollen. Tatsächlich bezog er für diese Zeitspanne ein Bruttoentgelt in der Höhe von € 287,60. Bereits am 07.02.2019 wurde dieses Beschäftigungsverhältnis abermals beendet. Das jüngste Arbeitsverhältnis bei der XXXX in der XXXX in XXXX Wien begann am 03.06.2019 und dauerte bis zum 14.06.2019. Seitdem ist der BF wieder beschäftigungslos und bezieht weder ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit noch Sozialleistungen.

1.5. Der BF wurde vom Landesgericht für Strafsachen XXXX (LG XXXX ) zu XXXX , in Rechtskraft erwachsen am XXXX .2015, wegen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften und Suchmittelhandel gemäß §§ 27 Abs. 1 Z 1, 2. Fall, 27 Abs. 2 und 28a Abs. 1., 5. Fall zu einer Freiheitsstrafe von insgesamt 10 Monaten, davon 9 bedingt unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren verurteilt.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX (BG XXXX ) wurde der BF zu XXXX , in Rechtskraft erwachsen am XXXX .2017, wegen versuchten Diebstahls zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 3 Monaten unter Einräumung einer 3jährigen Probezeit verurteilt, wobei die Probezeit für die erste Verurteilung auf 5 Jahre verlängert wurde.

Zuletzt wurde der BF vom LG XXXX zu XXXX , in Rechtskraft erwachsen am XXXX .2018, wegen Suchtmittelhandels und erlaubten Umgangs mit Suchtgiften gemäß §§ 28a Abs. 1, 5. Fall, 28a Abs. 3, 1. Fall, § 15 StGB, § 28 Abs. 1., 2. Fall, §§ 27 Abs. 1 Z1, 2. Fall § 27 Abs. 2 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt.

Darin wurde der BF für schuldig befunden, er habe von Anfang April 2017 bis zu seiner Festnahme am XXXX .2018 in wiederholten Angriffen in XXXX und anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge anderen teils überlassen, in dem er insgesamt mindestens 350 Gramm Cannabiskraut (35 Gramm Delta-9-THC), und 30 Gramm Kokain (9 Gramm Kokain-Base) an 4 weitere, abgesondert verfolgte Personen sowie weitere, nicht ausgemittelte Abnehmer gewinnbringend veräußert habe und einen weiteren Interessenten versucht habe, zu verkaufen, nämlich in Mengen von 200 Gramm Cannabiskraut, 5 Gramm Kokain, 6 Gramm Cannabiskraut, 1 Gramm Kokain, 125 Gramm Cannabiskraut, 3 bis 4 Gramm Cannabiskraut, 15 Gramm Kokain sowie 10 Stück Ecstasy-Tabletten (Versuch). Dabei war der Vorsatz des BF auf eine Tatbildverwirklichung in Teilmengen gerichtet und die kontinuierliche Tatbegehung über einen längeren Deliktszeitraum sowie der daran geknüpfte Additionseffekt wie die Überschreitung der Grenzmenge des § 28b SMG mitumfasst. Der BF war zu diesem Zeitpunkt an Suchtmittel gewöhnt und beging die Straftaten vorwiegend deshalb, um sich für seinen persönlichen Gebrauch Suchtmittel zu beschaffen.

Ferner wurde dem BF im Zuge dieser Entscheidung angelastet, er habe Suchtgift in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge (§ 28b SMG) mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, indem er am XXXX .2017 221 Gramm Cannabiskraut (rund 23 Gramm Delta-9-THC) zum Zwecke des gewinnbringenden Verkaufs verpackt in 10 Portionen bei sich geführt habe.

Schließlich wurde ihm darin vorgeworfen, er habe Suchtgift ausschließlich zum persönlichen Gebrauch besessen, indem er von Jänner 2017 bis zum XXXX .2018 unbekannte Mengen an Cannabiskraut und Kokain zum Konsum sowie am 30.01.2018 geringe Mengen Kokain bis zur Sicherstellung innegehabt hatte. Als mildernd wurden hiebei die Tatbegehung vor Vollendung des 21. Lebensjahres, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist sowie die geständige Verantwortung, als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen, die Tatbegehung teilweise wegen anhängigen Strafverfahrens, das Zusammentreffen mehrerer Vergehen, die Tatbegehung im raschen Rückfall sowie die Tatbegehung während zweier offener Probezeiten gewertet.

Es wird festgestellt, dass der BF die beschriebenen Taten begangen sowie das angeführte Verhalten gesetzt hat.

1.5.1. Mit Beschluss des LG XXXX vom XXXX .2018, XXXX wurde dem BF Strafaufschub bis zum XXXX .2020 gewährt. Beginnend mit XXXX .2018 nahm der BF bis XXXX .2019 eine stationäre Drogentherapie beim XXXX in XXXX wahr. Alle während dieser Zeitspanne durchgeführten Alko- und Drogentests verliefen negativ. Bei Durchführung der Arbeitstherapie zeigte sich der BF motiviert und gewissenhaft. Ferner fand er sich sehr gut in die therapeutische Gemeinschaft ein. Seit Jänner des Jahres 2019 steht er in ambulanter Nachbetreuung, die er unter anderem beim „ XXXX “ in XXXX absolviert.

1.5.2. Der BF setzte sich bis zu seinem 20igsten Lebensjahr wenig bis gar nicht mit seiner Suchtproblematik und Kriminalitätsentwicklung auseinander.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

2.2. Der oben festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht und auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und wird in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zu Identität, Staatsbürgerschaft, Obsorgefreiheit, gemeinsame Haushaltsführung mit XXXX und Familienstand des BF getroffen wurden, ergeben sich diese aus dem unstrittigen Akteninhalt wie dem Inhalt des auf den Namen des BF lautenden ZMR-Auszuges.

Der BF legte einen auf seinen Namen ausgestellten kosovarischen Reisepass vor, an dessen Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel aufgekommen sind.

Die in Deutschland verbrachte Zeit, die erfolglos gestellten Asylanträge in Österreich, die kurzfristige Rückkehr in den Kosovo und die schlussendliche Zurückziehung der Beschwerde im jüngsten Asylverfahren im Jahr 2011 folgen dem Inhalt der im Akt einliegenden Bescheide, Niederschriften und Aktenvermerke des BAA, UBAS und AGH sowie jenem der Befragung in der Verhandlung vor dem BVwG. Die Erstantragstellung auf Erteilung einer Rot-Weiß-Rot-Karte-Plus und deren Bewilligung sowie die gestellten Verlängerungsanträge ergeben sich aus dem Auszug des Zentralen Fremdenregisters (ZFR).

Die Kenntnis des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung von den Vorstrafen des BF zum Zeitpunkt der aktuellsten Verlängerung des dem BF eingeräumten Aufenthaltstitels wie die Ungültigerklärung dieses Titels am 22.05.2019 sind aus dem diesbezüglichen, an das BVwG gerichtete Schreiben des dortigen Amtes vom 19.08.2021 ersichtlich.

Die bisherigen Beschäftigungsverhältnisse sowie die aktuelle Arbeitslosigkeit sind dem Inhalt des auf den Namen des BF lautenden Sozialversicherungsdatenauszuges zu entnehmen. Dass einige Arbeitsverhältnisse nur von sehr kurzer Dauer waren, hat der BF in der Verhandlung mit damals mangelnder Motivation und das Abdriften in die Suchtmittelabhängigkeit begründet.

Der absolvierte Zerspannungstechnikerkurs ist aus der vorgelegten Bestätigung des bfi ersichtlich.

Die Verurteilungen des BF samt Entscheidungsgründen des aktuellsten Urteils ergeben sich aus dem Amtswissen des BVwG durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich sowie dem im Akt einliegenden jüngsten Urteil des LG XXXX .

Der gewährte Strafaufschub ergibt sich aus dem Inhalt des unter I.1.5.2. erwähnten Beschlusses.

Die absolvierte Therapie beim XXXX und deren Verlauf sind aus der dahingehend vorgelegten Bestätigung vom 25.01.2019 ersichtlich.

Die fehlende Auseinandersetzung des BF mit seiner Suchtproblematik und der Kriminalitätsentwicklung ist aus dem forensisch-psychologischen Gutachten der XXXX XXXX vom 01.07.2018 ersichtlich. Darin ist auch die 6monatige stationäre Therapie, der der BF dann auch wahrgenommen hat, empfohlen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem unter I.1.8. erwähnten Erkenntnis unter anderem erwogen:

Das BFA ist in seinem Bescheid vom 13. August 2018 noch davon ausgegangen, dass der Revisionswerber am 20. März 2018 bei der zuständigen Niederlassungsbehörde in Bezug auf den ihm davor erteilten Aufenthaltstitel einen Verlängerungsantrag eingebracht hatte, über den bis zum Zeitpunkt seiner Entscheidung noch nicht entschieden worden sei. Dementsprechend prüfte es das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 4 Z 4 FPG. In seiner dagegen erhobenen Beschwerde brachte der Revisionswerber vor, dass ihm zwischenzeitig, nämlich im Juli 2018, der Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ verlängert worden sei. Dem folgte das Bundesverwaltungsgericht der Sache nach, indem es feststellte, dass „der aktuelle [Aufenthaltstitel] bis zum 20.03.2024 gültig“ sei. Davon ausgehend wäre aber für das Bundesverwaltungsgericht nach der in seinem Entscheidungszeitpunkt maßgeblichen Sach- und Rechtslage nunmehr § 52 Abs. 4 Z 1 FPG einschlägig und daran die Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung zu messen gewesen.

Gemäß § 52 Abs. 4 Z 1 FPG ist gegen einen rechtmäßig aufhältigen Drittstaatsangehörigen eine Rückkehrentscheidung (nur) zu erlassen, wenn nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre. Demnach ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen einen auf Grund eines gültigen Aufenthaltstitels rechtmäßig aufhältigen Drittstaatsangehörigen - und damit auch die Erlassung eines mit der Rückkehrentscheidung zu verbindenden Einreiseverbots nach § 53 FPG - aufgrund eines Sachverhaltes, der die Versagung des dem Drittstaatsangehörigen zuletzt erteilten Aufenthaltstitels gerechtfertigt hätte, nur zulässig, wenn dieser Sachverhalt erst nach Erteilung des Titels eingetreten oder zwar zuvor eingetreten, der Niederlassungsbehörde aber erst nachträglich bekannt geworden ist (vgl. dazu VwGH 29.9.2020, Ra 2020/21/0230, Rn. 12, mwN).

Das angefochtene Erkenntnis enthält aber keine Feststellungen dazu, ob die Niederlassungsbehörde - etwa durch einen Strafregisterauszug - zum Zeitpunkt der letzten Verlängerung des Aufenthaltstitels über die vom Revisionswerber begangenen, nun als Versagungsgrund nach § 11 Abs. 2 Z 1 iVm Abs. 4 Z 1 NAG angesehenen Straftaten und die deshalb erfolgten strafgerichtlichen Verurteilungen informiert war. Derartige Feststellungen wären jedoch erforderlich gewesen, weil nach dem oben Gesagten die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung und des Einreiseverbotes davon abhängt, ob die Erteilung des Aufenthaltstitels in Form der Stattgabe des letzten Verlängerungsantrages in Kenntnis des zur Begründung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme herangezogenen Sachverhalts erfolgt war, zumal keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass dieser Sachverhalt nicht schon damals einen Versagungsgrund dargestellt hätte (vgl. VwGH 4.3.2020, Ra 2019/21/0403, Rn. 19).

Vor dem Hintergrund dieses Erkenntnisses war der Bescheid des BFA aufzuheben und der Beschwerde stattzugeben, zumal das Amt der XXXX Landesregierung im Zeitpunkt der Stattgabe des jüngsten Verlängerungsantrages (Rot-Weiß-Rot-Karte-plus) von den Vorstrafen des BF Kenntnis hatte.

3.2. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung mangelnder Anknüpfungspunkt Privat- und Familienleben Rückkehrentscheidung strafrechtliche Verurteilung Suchtmitteldelikt Versagungsgrund Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:G307.1248331.4.00

Im RIS seit

22.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.11.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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