Entscheidungsdatum
02.09.2021Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W176 2223056-1/21E
Schriftliche Ausfertigung des am 14.07.2021 mündlich verkündeten Erkenntnisses:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. NEWALD als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX (auch: XXXX ), geboren am XXXX , StA. Syrien, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.07.2019, Zl. 1223607800-190295325, zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich des Spruchpunktes I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 33/2013 (VwGVG), iVm § 3 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005), als unbegründet abgewiesen.
II. Soweit sich die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides richtet, wird ihr gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX (auch: XXXX ) gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Syrien zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX (auch: XXXX ) eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte für die Dauer von einem Jahr (d.h. bis 13.07.2022) erteilt.
IV. In Erledigung der Beschwerde gegen die Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheides wird der Bescheid in diesen Spruchpunkten ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin brachte am XXXX .03.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz ein.
2. Bei ihrer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am gleichen Tag gab die Beschwerdeführerin im Wesentlichen Folgendes an: Sie sei syrische Staatsangehörige arabischer Volksgruppenzugehörigkeit und sunnitisch-islamischen Glaubens und stamme aus der Provinz Daraa. Im Jahr 2013 sei sie mit ihrer Familie wegen des Krieges in Syrien und dem Umstand, dass Daraa umzingelt und von verschiedenen Gruppierungen bombardiert worden sei, nach Jordanien geflohen und sei dann wegen einer Verlobung dort geblieben. Nach Auflösung der Verlobung sei sie zu ihrer Familie nach Österreich gereist. Nach Syrien habe sie nicht zurückkehren können, da dort Krieg herrsche, sie dort niemanden habe und als Frau alleine nicht überleben könnte.
3. Bei ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) am XXXX .06.2019 brachte die Beschwerdeführerin zusammengefasst Folgendes vor: Im Oktober 2013 habe sie den Entschluss zur Ausreise aus Syrien gefasst, da dort Krieg geherrscht habe und ihr Vater entführt worden sei. Der IS habe das Haus ihrer Familie genommen und habe daraus einen terroristischen Sitz gemacht. Sie hätten auch ein Grundstück gehabt, das von der Regierung beschlagnahmt worden sei. Deshalb und weil es keine Sicherheit und auch keine Zukunft für ihre Geschwister und sie gegeben habe, habe die Familie Syrien verlassen. Ihr Vater und ein Bruder von ihr hätten dann in Österreich Asyl erhalten und hätten die Familie nachgeholt. Die Beschwerdeführerin habe nicht mitkönnen, da sie schon über 18 Jahre alt gewesen sei; sie sei daher bei ihrer Großmutter in Jordanien geblieben. 2013 habe sie Syrien legal verlassen, 2018 sei sie einen Tag durch Syrien durchgereist, wobei sie illegal gereist, aber nicht kontrolliert worden sei.
4. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab, erteilte ihr keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.), stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Syrien zulässig sei (Spruchpunkt V.) und bestimmte eine Frist von zwei Wochen für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.).
Zu Spruchpunkt I. führte die belangte Behörde begründend im Wesentlichen aus, dass die Beschwerdeführerin eine konkret gegen sie gerichtete asylrelevante Bedrohung nicht vorgebracht habe. Die Entscheidung zu Spruchpunkt II. des Bescheides begründete sie insbesondere damit, dass nicht angenommen werden könne, dass im gesamten Staatsagebiet von Syrien eine extreme Gefahrenlage bestehe.
5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde, in der im Wesentlichen Folgendes ausgeführt wird: Die Beschwerdeführerin habe politische Verfolgung durch das syrische Regime zu befürchten, da ihr aufgrund ihrer Flucht sowie der Flucht zahlreicher Familienangehöriger von ihr eine regimefeindliche politische Gesinnung unterstellt werde. Überdies sei sie als Frau ohne familiären Rückhalt besonders vulnerabel.
6. In der Folge legte die belangte Behörde die Beschwerde samt den Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
7. Am 14.07.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche Beschwerdeverhandlung statt. Dabei wurde die Beschwerdeführerin abermals zu ihren Fluchtgründen befragt, wobei sie im Wesentlichen Folgendes angab: Sie stamme aus der in der syrischen Provinz gelegenen Stadt XXXX , wo ihre Tante ms namens XXXX , deren Mann bei der Sicherheitsbehörde arbeite, mit deren Söhnen sowie ihre Tante ms namens XXXX weiterhin lebten. Der Krieg in Syrien habe im März 2013 in XXXX begonnen, sie seien auf dem Schulweg immer von Bewaffneten aufgehalten worden und hätten viel Angst gehabt. Im Juli 2012 seien sie aus ihrem Haus hinausgeworfen worden und seien zu ihrem Ferienhaus/Bauernhof in XXXX gezogen, wo sie dann ebenfalls hinausgeworfen worden seien. Auf Vorhalt von Angaben, die sie vor der belangten Behörde getätigt hatte, gab sie dann an, dass ihr Haus ihnen von Bewaffneten, die gegen das Regime gewesen seien, weggenommen worden sei und das Ferienhaus/Bauerhof konkret vom IS. Auch brachte die Beschwerdeführerin vor, alle ihre Brüder seien aufgefordert worden, zum Militärdienst einzurücken, seien deswegen ausgeschrieben und würden auch gesucht. Überdies räumte sie ein, dass sie im Verfahren bisher insofern unrichtige Angaben gemacht habe, als sie sich ab Juli 2012 bis zur ihrer Reise nach Österreich nicht in Jordanien, sondern bei ihrer Schwester in XXXX aufgehalten habe. Sie habe Syrien damals legal verlassen und ihr sei in XXXX ein neuer Reisepass ausgestellt worden. Von ihrem Rechtsvertreter befragt, ob sie wisse, weshalb ihre älteren Brüder in Österreich Asyl erhalten hätten, führte sie (sofern hier relevant) aus, dass ihr Bruder XXXX , der zuerst nach Österreich gekommen sei, Syrien verlassen habe, da er ein oder zwei Jahre im Gefängnis gewesen sei.
Im Anschluss an die Beschwerdeverhandlung wurde das gegenständliche Erkenntnis mündlich verkündet.
8. In der Folge stellte die Beschwerdeführerin fristgerecht einen Antrag auf schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Beschwerdeführerin:
1.1. Die in XXXX , Provinz Daraa, aufgewachsene Beschwerdeführerin ist syrische Staatsangehörige arabischer Volksgruppenzugehörigkeit und sunnitisch-moslemischen Glaubens und hat Syrien 2012 legal verlassen. Ihre Tante ms namens XXXX , deren Mann bei der Sicherheitsbehörde arbeitet, lebt ebenso wie ihre Tante ms namens XXXX weiterhin in XXXX .
1.2. Die Beschwerdeführerin läuft weder in Hinblick auf den Gefängnisaufenthalt ihres Bruders vor dessen Ausreise aus Syrien noch in Hinblick auf eine allfällige Wehrdienstverweigerung von Familienangehörigen von ihr noch mit Blick auf ihre Asylantragstellung in Österreich mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr, Verfolgungshandlung der syrischen Behörden von hier interessierender Intensität ausgesetzt zu sein.
1.3. Die Beschwerdeführerin läuft weiters auch als Frau nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr, in Syrien Übergriffen von hier interessierender Intensität zu werden.
1.2. Hinsichtlich der Lage in Syrien:
Politische Lage
Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit 1970, als Hafez al-Assad sich durch einen Staatsstreich zum Herrscher Syriens machte. Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad, diese Position. Die beiden Assad-Regime hielten die Macht durch ein kompliziertes Gefüge aus ba’athistischer Ideologie, repressivem Zwang, Anreize für wirtschaftliche Eliten und der Kultivierung eines Gefühls des Schutzes für religiöse Minderheiten.
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein
Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba’ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt. Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weit verbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen.
Durch massive syrische und russische Luftangriffe und das Eingreifen Irans bzw. durch Iran unterstützter Milizen hat das syrische Regime mittlerweile alle Landesteile außer Teile des Nordwestens, Nordens und Nordostens von der bewaffneten Opposition zurückerobert.
Die Anzahl der Kampfhandlungen ist nach Rückeroberung weiter Landesteile zurückgegangen, jedoch besteht die Absicht des syrischen Regimes, das gesamte Staatsgebiet zurückerobern und „terroristische“ Kräfte vernichten zu wollen, unverändert fort. Zuletzt erklärte Assad im August 2020 bei einer Rede vor dem syrischen Parlament die „Befreiung“ aller syrischen Gebiete zum prioritären Ziel. Trotz der großen Gebietsgewinne durch das Regime besteht die Fragmentierung des Landes in Gebiete, in denen die territoriale Kontrolle von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt wird, fort. Dies gilt insbesondere für den Nordwesten und Nordosten des Landes. Die Präsenz ausländischer Streitkräfte, die ihren politischen Willen geltend machen, untergräbt weiterhin die staatliche Souveränität, und Zusammenstöße zwischen bewaffneten regimefreundlichen Gruppen deuten darauf hin, dass die Regierung nicht in der Lage ist, die Akteure vor Ort zu kontrollieren. Darüber hinaus hat eine aufstrebende Klasse wohlhabender Kriegsprofiteure begonnen, ihren wirts chaftlichen Einfluss und den Einfluss von ihnen finanzierter Milizen zu nutzen, und innerhalb der staatlichen Strukturen nach legitimen Positionen zu streben.
Durch die Eskalation des Syrien-Konfliktes verlagerte sich die Macht zu regieren in den von der syrischen Regierung kontrollierten Gebieten zunehmend auf die Sicherheitskräfte. In Gebieten außerhalb der Kontrolle der Regierung ist dies nicht anders. Extremistische Rebellengruppierungen, darunter vor allem Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS), haben die Vorherrschaft in Idlib. Lokalräte werden von militärischen Einheiten beherrscht, die momentan unter der Kontrolle von HTS stehen. In den kurdischen Gebieten in Nordsyrien dominiert die Partei der Demokratischen Union (PYD). Obwohl es Lippenbekenntnisse zur Integration arabischer Vertreter in Raqqa und Deir ez-Zour gibt, ist die Dominanz der PYD bei der Entscheidungsfindung offensichtlich.
(Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 30.06.2021, S. 9 ff)
Sicherheitslage
Die militärische Intervention Russlands und die damit einhergehende Luftunterstützung für Assads Streitkräfte sowie die erheblich ausgeweitete indirekte Bodenintervention Irans in Form eines Einsatzes ausländischer Milizen konnten 2015 den Zusammenbruch des syrischen Regimes abwenden. Mitte des Jahres 2016 kontrollierte die syrische Regierung ca. ein Drittel des syrischen Staatsgebietes, inklusive der „wichtigsten“ Städte im Westen, in denen der Großteil der Syrer lebt. Durch massive syrische und russische Luftangriffe und das Eingreifen Irans bzw. durch Iran unterstützter Milizen hat das syrische Regime mittlerweile alle Landesteile außer Teile des Nordwestens, Nordens und Nordostens von der bewaffneten Opposition zurückerobert. Trotz weitreichender militärischer Erfolge des syrischen Regimes und seiner Unterstützer sind Teile Syriens noch immer von Kampfhandlungen betroffen. Seit März 2020 sind Kampfhandlungen reduziert, dauern jedoch in mehreren Frontgebieten nach wie vor an. Der Menschrenrechtsmonitor Syrian Network for Human Rights spricht sogar von einem Rückgang an Militäroperationen von 85%, wobei die verbleibenden Militäroperationen sich hauptsächlich auf Bodenoffensiven konzentrieren, bei denen es jedoch nicht mehr zu maßgeblichem Vorrücken kommt.
Die faktische Ausübung der Kontrolle durch das syrische Regime unterscheidet sich stark von Gebiet zu Gebiet. Die verbleibenden Gebiete unterliegen keiner oder nur teilweiser Kontrolle des syrischen Regimes: Im Nordwesten werden Teile der Gouvernements Lattakia, Idlib und Aleppo durch die von den Vereinten Nationen als Terrororganisation eingestufte bewaffnete Oppositionsgruppe Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) sowie Türkei-nahe bewaffnete Gruppierungen kontrolliert. Gebiete im Norden und Nordosten entlang der Grenze zur Türkei werden durch die Türkei und ihr nahestehende bewaffnete Gruppierungen kontrolliert. Weitere Gebiete in Nord- und Nordost-Syrien werden durch die kurdisch dominierten Syrian Democratic Forces (SDF) sowie punktuell durch das syrische Regime kontrolliert. Das Assad-Regime hat wiederholt öffentlich erklärt, dass die militärische Rückeroberung des gesamten Staatsgebietes weiterhin sein erklärtes Ziel sei.
Auch in Landesteilen, in denen Kampfhandlungen mittlerweile abgenommen haben, besteht weiterhin ein hohes Risiko, Opfer von Gewalt und Übergriffen zu werden. Dies gilt auch für vermeintlich friedlichere Landesteile im äußersten Westen Syriens sowie die Hauptstadt Damaskus.
43% der besiedelten Gebiete Syriens gelten als mit Minen und Fundmunition kontaminiert. Die Großstädte Aleppo, Raqqa, Homs, Dara‘a und Deir ez-Zour sowie zahlreiche Vororte von Damaskus sind hiervon nach wie vor besonders stark betroffen. Es kommt immer wieder zu Zwischenfällen mit derartigen Hinterlassenschaften des bewaffneten Konfliktes. An Orten wie den Provinzen Aleppo, Dara’a, dem Umland von Damaskus, Idlib, Raqqa und Deir ez-Zour führt die Explosionsgefahr zu Verletzungen und Todesfällen, sie schränkt den sicheren Zugang zu Dienstleistungen ein und behindert die Bereitstellung humanitärer Hilfe. Mit Stand Juni 2020 leben 11,5 Millionen Menschen in den 2.562 Gemeinden, die in den letzten zwei Jahren von einer Kontamination durch Minen und explosive Hinterlassenschaften des Konflikts berichtet haben.
Der sogenannte Islamische Staat (IS) kontrollierte im Sommer 2014 große Teile Syriens und des Irak (FAZ 10.3.2019). Ende März 2019 wurde mit Baghouz die letzte Bastion des IS von den oppositionellen Syrian Democratic Forces (SDF) erobert. Im Oktober 2019 wurde der Gründer und Anführer des IS, Abu Bakr Al-Baghdadi, bei einem U.S.-Spezialkräfteeinsatz in Nordwest-Syrien getötet. Der IS ist zwar zerschlagen, verfügt aber noch immer über militärische Einheiten, die sich in den Wüstengebieten Syriens und des Irak versteckt halten, und ist im Untergrund aktiv. Nach dem Verlust der territorialen Kontrolle verlagerte der IS seine Strategie hin zu aufständischen Methoden, wie gezielte Angriffe, u.a. Autobomben, Überfälle, und Attentate. Schläferzellen des IS sind sowohl im Irak als auch in Syrien weiterhin aktiv, sowohl in syrischen Städten als auch in ländlichen Gebieten, besonders in den von der Regierung kontrollierten Gebieten. Im Untergrund sollen mehr als 20.000 IS-Kämpfer auf eine Gelegenheit zur Rückkehr warten. Generell nimmt die Präsenz des IS in Syrien wieder zu, auch in Landesteilen unter Regimekontrolle. Es sind zuletzt Berichte über Anschläge in Damaskus, Idlib, Homs sowie dem Süden und Südwesten des Landes und der zentralsyrischen Wüste bekannt geworden. Der Schwerpunkt der Anschläge liegt im Nordosten des Landes. Mitte 2020 gehörten zu den Zielpersonen des IS vor allem lokale Behörden und Personen, die mit den Behörden, Kräften und Gruppen, die gegen den IS kämpfen, zusammenarbeiten oder als mit ihnen kooperierend wahrgenommen werden. Der IS profitierte von einem Sicherheitsvakuum, das dadurch entstand, dass die verschiedenen militärischen Kräfte ihre Aktivitäten aufgrund der COVID-19-Pandemie reduzierten.
Laut Daten des Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED) gab es im Jahr 2020 für die syrischen Provinzen folgende Zahlen an Vorfällen und Todesopfern:
Quelle: ACLED/ACCORD 25.3.2021
Der Großteil der von ACLED gesammelten Daten basiert auf öffentlich zugänglichen Sekundärquellen. Die Daten können daher das Ausmaß an Vorfällen unterschätzen. Insbesondere Daten zur Anzahl an Todesopfern sind den Gefahren der Verzerrung und der ungenauen Berichterstattung ausgesetzt. ACLED gibt an, konservative Schätzungen zu verwenden.
(Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 30.06.2021, S. 16 ff)
Die syrischen Streitkräfte – Wehr- und Reservedienst
Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes von zwei Jahren gesetzlich verpflichtend. Nach dem Ausbruch des Konfliktes stellte die syrische Regierung die Abrüstung von Rekruten, welche den verpflichtenden Wehrdienst geleistet hatten, ein. 2018 wurde mit der Entlassung der ältesten Rekrutenklassen begonnen, welche seit 2011 im Dienst waren. Zahlreiche Männer leisten ihren Wehrdienst jedoch auch weiterhin über den verpflichtenden Zeitraum hinaus ab.
Gemäß Artikel 15 des Gesetzesdekrets Nr. 30 von 2007 bleibt ein syrischer Mann nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes, wenn er sich gegen einen Eintritt in den Militärdienst als Berufssoldat entscheidet, Reservist und kann bis zum Alter von 42 Jahren in den aktiven Dienst einberufen werden. Es liegen einzelne Berichte vor, denen zufolge die Altersgrenze für den Reservedienst erhöht wird, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat (das gilt z.B. für Ärzte, Panzerfahrer, Luftwaffenpersonal, Artilleriespezialisten und Ingenieure für Kampfausrüstung). Manche Personen werden wieder zum aktiven Dienst einberufen, andere wiederum nicht, was von vielen verschiedenen Faktoren abhängt. Es ist sehr schwierig zu sagen, ob jemand tatsächlich zum Reservedienst einberufen wird.
Die syrische Armee hat durch Verluste, Desertion und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen. Die syrische Regierung hat das syrische Militärdienstgesetz während des Konflikts mehrfach geändert, um die Zahl der Rekruten zu erhöhen. Der Personalbedarf des syrischen Militärs bleibt unverändert hoch, und seit Dezember 2018 haben sich die Rekrutierungsbemühungen aufgrund dessen sogar noch. Während ein Abkommen zwischen den überwiegend kurdischen Syrian Democratic Forces (SDF) und der syrischen Regierung vom November 2019 die Stationierung von Truppen der syrischen Streitkräfte in vormals kurdisch kontrollierten Gebieten vorsieht, hat die syrische Regierung aufgrund von mangelnder Verwaltungskompetenz bislang keinen verpflichtenden Wehrdienst in diesen Gebieten wiedereingeführt.
Bei der Einberufung neuer Rekruten sendet die Regierung Wehrdienstbescheide mit der Aufforderung, sich zum Militärdienst anzumelden, an Männer, die das wehrfähige Alter erreicht haben. Die Namen der einberufenen Männer werden in einer zentralen Datenbank erfasst. Männer, die sich beispielsweise im Libanon aufhalten, können mittels Bezahlung von Bestechungsgeldern vor ihrer Rückkehr nach Syrien überprüfen, ob sich ihr Name in der Datenbank befindet.
Die Regierung hat in vormals unter der Kontrolle der Oppositionskräfte stehenden Gebieten, wie zum Beispiel Ost-Ghouta, Zweigstellen zur Rekrutierung geschaffen. Wehrdienstverweigerer und Deserteure können sich in diesen Rekrutierungszentren melden, um nicht länger von den Sicherheitskräften gesucht zu werden. In vormaligen Oppositionsgebieten werden Listen mit Namen von Personen, welche zur Rekrutierung gesucht werden, an lokale Behörden und Sicherheitskräfte an Checkpoints verteilt. Ein „Herausfiltern“ von Militärdienstpflichtigen im Rahmen von Straßenkontrollen oder an einem der zahlreichen Checkpoints ist weit verbreitet. So errichtet die Militärpolizei beispielsweise in Homs stichprobenartig und nicht vorhersehbar Straßenkontrollen. Die intensiven Kontrollen erhöhen das Risiko für Militärdienstverweigerer, verhaftet zu werden. Rekrutierungen finden auch in Ämtern statt, beispielsweise wenn junge Männer Dokumente erneuern wollen, sowie an Universitäten, in Spitälern und an Grenzübergängen, wo die Beamten Zugang zur zentralen Datenbank mit den Namen der für den Wehrdienst gesuchten Männer haben. Nach Angaben einer Quelle fürchten auch Männer im wehrfähigen Alter, welche vom Militärdienst laut Gesetz ausgenommen sind oder von einer zeitweisen Amnestie vom Wehrdienst Gebrauch machen wollen, an der Grenze eingezogen zu werden. Während manche Quellen davon ausgehen, dass insbesondere in vormaligen Oppositionsgebieten (z.B. dem Umland von Damaskus, Aleppo, Dara‘a und Homs) immer noch Rekrutierungen mittels Hausdurchsuchungen stattfinden, berichten andere Quellen, dass die Regierung nun weitgehend davon absieht, um erneute Aufstände zu vermeiden.
Die Behörden ziehen vornehmlich Männer bis zu einem Alter von 27 Jahren ein, während Ältere sich eher auf Ausnahmen berufen können. Dennoch wurden die Altersgrenzen fallweise angehoben und auch Männer bis zu einem Alter von 55 Jahren eingezogen, bzw. konnten Männer nach Erreichen des 42. Lebensjahres die Armee nicht. Die Altersgrenze hängt laut Experten eher von lokalen Entwicklungen und den Mobilisierungsbemühungen der Regierung ab, als von allgemeinen Einberufungsregelungen. Generell hat sich das Maß der Willkür in Syrien im Zuge des Konfliktes erhöht. Manche Quellen berichten, dass ihnen keine Fälle von Rekrutierungen über-42-Jähriger nach 2016 bzw. 2018 bekannt seien. Gemäß anderen Quellen soll es jedoch zu Einberufungen von über-42-jährigen Rückkehrern aus dem Libanon und Jordanien als Reservisten gekommen sein, wobei es sich nicht um Zwangsrekrutierungen handelte.
Mitte Oktober 2018 berichteten regierungsnahe Medien, dass etwa 800.000 Männer nicht mehr für den Reservedienst benötigt werden. Eine Reihe Syrer kehrten daraufhin nach Syrien zurück, wobei manche über Beziehungen in der Heimat ihren Wehrdienststatus überprüfen ließen und sich versicherten, dass sie tatsächlich nicht mehr gesucht werden. Zumindest manche der Rückkehrer wurden wenige Wochen später eingezogen, nachdem das Verteidigungsministerium im Dezember 2018 neue Einberufungslisten für den Reservedienst veröffentlichte und so die vorherige Entscheidung aufhob. Die Gründe für diese Verkettung von Ereignissen ist jedoch laut International Crisis Group schwer zu ermitteln.
Die syrische Armee hat durch Verluste, Desertion und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen. Wehrdienstverweigerer werden laut Gesetz in Friedenszeiten mit ein bis sechs Monaten Haft bestraft (Anm.: die Wehrpflicht besteht dabei weiterhin fort). In Kriegszeiten wird Wehrdienstverweigerung laut Gesetz, je nach Umständen, mit Gefängnisstrafe von bis zu fünf Jahren bestraft. Bezüglich der Konsequenzen einer Wehrdienstverweigerung gehen die Meinungen der Quellen auseinander. Während manche die Ergreifung eines Wehrdienstverweigerers mit Foltergarantie und Todesurteil gleichsetzen, sagen andere, dass Betroffene sofort eingezogen würden, was von einer Quelle mit dem Bedarf der syrischen Regierung nach Verstärkung in Verbindung gebracht wird. Quellen berichten jedoch auch, dass gefasste Wehrdienstverweigerer riskieren, von den syrischen Behörden vor der Einberufung inhaftiert zu werden. Die Konsequenzen hängen offenbar vom Einzelfall ab. Berichten zufolge betrachtet die Regierung Wehrdienstverweigerung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen „terroristische“ Bedrohungen zu schützen.
Repressalien gegenüber Familienmitglieder können insbesondere bei Familien von „high-profile“-Deserteuren der Fall sein, also z.B. solche Deserteure, die Soldaten oder Offiziere getötet oder sich der bewaffneten Opposition angeschlossen haben. Weitere Einflussfaktoren sind der Rang des Deserteurs, Wohnort der Familie, der für dieses Gebiet zuständige Geheimdienst und zuständige Offizier sowie die Religionszugehörigkeit der Familie.
(Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 30.06.2021, S. 43 ff)
Opposition/Zuschreibung einer oppositionellen Gesinnung
Ein besonderes Merkmal des Konflikts in Syrien ist, dass verschiedene Konfliktparteien häufig größeren Gruppen von Menschen, einschließlich Familien, Stämmen, religiösen oder ethnischen Gruppen oder ganzen Städten, Dörfern oder Nachbarschaften, durch Assoziation eine politische Meinung zuschreiben. Als solche können Mitglieder einer größeren Einheit, ohne individuell herausgegriffen zu werden, zum Ziel von Repressalien durch verschiedene Akteure aufgrund von tatsächlicher oder vermeintlicher Unterstützung einer anderen Konfliktpartei werden. Die Wahrnehmung einer politischen Meinung oder Zugehörigkeit zu einer Konfliktpartei basiert oft auf wenig mehr als der physischen Präsenz einer Person in einem bestimmten Gebiet (oder der Tatsache, dass sie aus einem bestimmten Gebiet stammt) oder ihrem ethnischen oder religiösen Hintergrund.
(Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 30.06.2021, S. 63)
Frauen
Frauen in Syrien haben eine relativ lange Historie der Emanzipation. Vor dem Konflikt war Syrien eines der vergleichsweise fortschrittlicheren Länder der Arabischen Welt in Bezug auf Frauenrechte. Dennoch werden Frauen – teilweise aufgrund der Interpretationen der religiösen Gesetze – von verschiedenen Teilen des Familien- und Strafrechts und der Gesetze zu Personenstand, Arbeit, Erbschaft, Pensionierung, sozialer Sicherheit und Staatsbürgerschaft diskriminiert. Syrische Frauen übernehmen zunehmend Aufgaben, die über ihre traditionellen Rollen hinausgehen, während die vorherrschenden Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern und die damit einhergehenden geschlechtsspezifischen Benachteiligungen ihre grundlegenden Menschenrechte weiterhin untergraben.
Das syrische Familienbild und die Rolle der Frau sind tief in sozialen, religiösen und lokalen patriarchalischen Traditionen verwurzelt. Durch den anhaltenden Konflikt und die damit einhergehende Instabilität sowie sich verschlechternde wirtschaftliche Situation hat sich die Situation der Frauen zunehmend erschwert.
Da Frauen immer wieder Opfer unterschiedlicher Gewalthandlungen der verschiedenen Konfliktparteien werden, zögern Familien, Frauen und Mädchen das Verlassen des Hauses zu erlauben. Sie nehmen diese aus der Schule, was zur Minderung der Rolle von Frauen und zu ihrer Isolation in der Gesellschaft führt. Die Einschränkung der Bewegungsfreiheit aus Angst vor sexueller Gewalt kann auch selbstauferlegt sein. Vor dem Konflikt nahmen 13% der Frauen am Arbeitsmarkt teil, verglichen mit 73% der Männer. Aufgrund von Unsicherheit und Gewalt können weiterhin Millionen nicht am Arbeitsmarkt teilnehmen. Zuletzt ist in einigen Gebieten, wie in Damaskus, Raqqa und Dara‘a, die Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt wieder gestiegen, da viele Männer ihre Familien derzeit nicht unterstützen können.
Außerhalb der Gebiete, die unter der Kontrolle des Regimes stehen, unterscheiden sich die Bedingungen für Frauen sehr stark voneinander. Sie reichen von sexueller Versklavung und erdrückenden Kleidungsvorschriften in Gebieten unter Kontrolle von Extremisten, bis hin zu formaler Gleichberechtigung in den Gebieten unter Kontrolle der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD), wo Regierungssitze immer von einer Frau und einem Mann besetzt sind.
Alleinstehende Frauen
Alleinstehende Frauen sind in Syrien aufgrund des Konfliktes einem besonderen Risiko von Gewalt oder Schikane ausgesetzt, jedoch hängt dies von der sozialen Schicht und der Position der Frau bzw. ihrer Familie ab. Man kann die gesellschaftliche Akzeptanz von alleinstehenden Frauen aber in keinem Fall mit europäischen Standards vergleichen, und Frauen sind potentiell Belästigungen ausgesetzt, Vor dem Hintergrund der Geschlechterungleichheit versetzen Armut, Vertreibung, die Tatsache ein weiblicher Haushaltsvorstand oder jung und außerhalb der elterlichen Aufsicht zu sein, Frauen und Mädchen in eine „Position reduzierter Macht“ und erhöhen damit das Risiko von sexueller Ausbeutung. Unverheiratete Mädchen, Witwen und geschiedene Frauen sind diesbezüglich besonders vulnerabel.
In Syrien ist es fast undenkbar als Frau alleine zu leben, da eine Frau ohne Familie keine gesellschaftlichen und sozialen Schutzmechanismen besitzt. Beispielsweise würde nach einer Scheidung eine Frau in den meisten Fällen wieder zurück zu ihrer Familie ziehen. Vor dem Konflikt war es für Frauen unter bestimmten Umständen möglich alleine zu leben, z.B. für berufstätige Frauen in urbanen Gebieten.
Der Zugang von alleinstehenden Frauen zu Dokumenten hängt von deren Bildungsgrad, individueller Situation und bisherigen Erfahrungen ab. Beispielsweise werden ältere Frauen, die immer zu Hause waren, mangels vorhandener Begleitperson und behördlicher Erfahrung nur schwer Zugang zu Dokumenten bekommen können. Die Wahrnehmung von alleinstehenden Frauen durch die Gesellschaft unterscheidet sich von Gebiet zu Gebiet. Damaskus-Stadt ist weniger konservativ als andere Gebiete und es wird von Frauen berichtet, die dort in der Vergangenheit alleine lebten. In konservativen Gegenden bekommen alleinlebende Frauen jedoch „einen gewissen Ruf“.
Ein- und Ausreise, Situation an Grenzübergängen
Die syrische Regierung kann die Ausstellung von Reisepässen oder anderen wichtigen Dokumenten aufgrund der politischen Einstellung einer Person, deren Verbindung zu oppositionellen Gruppen oder der Verbindung zu einem von der Opposition dominierten geographischen Gebiet, verweigern. Das syrische Regime verlangt außerdem ein Ausreisevisum und schließt regelmäßig den Flughafen Damaskus und Grenzübergänge, angeblich aus Sicherheitsgründen. Grenzen sind zum Teil für den Personenverkehr geschlossen bzw. können ohne Vorankündigung kurzfristig geschlossen werden und eine Ausreise aus Syrien unmöglich machen. Die Regierung verbietet durchgängig die Ausreise von Mitgliedern der Opposition. Viele Personen erfahren erst von einem Ausreiseverbot, wenn ihnen die Ausreise verweigert wird. Berichten zufolge verhängt das Regime Reiseverbote ohne Erklärung oder explizite Nennung der Dauer.
(Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 30.06.2021, S. 83 ff)
Rückkehr
Über die Zustände, in welche die Flüchtlinge zurückkehren und die Mechanismen des Rück-kehrprozesses ist wenig bekannt. Da Präsident Assad die Kontrolle über große Gebiete wiedererlangt, sind immer weniger Informationen verfügbar. Die Behandlung von Einreisenden ist stark vom Einzelfall abhängig und über den genauen Wissensstand der syrischen Behörden über einzelne Rückkehrer gibt es keine gesicherten Kenntnisse. Es liegen widersprüchliche Informationen vor, ob Personen, die nach Syrien zurückkehren möchten, eine Sicherheitsüberprüfung durchlaufen müssen, oder nicht. Laut deutschem Auswärtigen Amt müssen syrische Flüchtlinge, unabhängig von politischer Ausrichtung, vor ihrer Rückkehr weiterhin eine Überprüfung durch die syrischen Sicherheitsdienste durchlaufen. Auch laut International Crisis Group (ICG) stellt unabhängig davon, welchen administrativen Weg ein rückkehrwilliger Flüchtling wählt, die Sicherheitsfreigabe durch den zentralen Geheimdienstapparat in Damaskus (oder die Verweigerung einer solchen) das endgültige Urteil dar, ob es einem Flüchtling möglich ist sicher nach Hause zurückzukehren. Im Gegensatz dazu berichtet der Danish Immigration Service (DIS) auf Basis von Interviews, dass Syrer, die außerhalb Syriens wohnen und nicht von der syrischen Regierung gesucht werden, keine Sicherheitsfreigabe benötigen, um nach Syrien zurückzukehren. Weiters berichtete Syria Direct gegenüber DIS, dass lediglich Syrer im Libanon, die über „organisierte Gruppenrückkehr“ nach Syrien zurückkehren möchten, eine Sicherheitsfreigabe benötigen.
Es gibt Berichte, denen zufolge Rückkehrer trotz positiver Sicherheitsüberprüfung Opfer willkürlicher Verhaftung, Folter oder Verschwindenlassens geworden und vereinzelt in Haft ums Leben gekommen sein sollen. Der Sicherheitssektor kontrolliert den Rückkehrprozess in Syrien. Die Sicherheitsdienste institutionalisieren ein System der Selbstbeschuldigung und Informationsweitergabe über Dritte, um große Datenbanken mit Informationen über reale und wahrgenommene Bedrohungen aus der syrischen Bevölkerung aufzubauen.
Gesetz Nr. 18 von 2014 sieht eine Strafverfolgung für illegale Ausreise in der Form von Bußgeldern oder Haftstrafen vor. Entsprechend einem Rundschreiben wurde die Bestrafung für illegale Ausreise jedoch aufgehoben und Grenzbeamte sind angehalten, Personen, die illegal ausgereist sind, „bei der Einreise gut zu behandeln“.
Es ist schwierig, Informationen über die Lage von Rückkehrern in Syrien zu erhalten. Regierungsfreundliche Medien berichten über die Freude der Rückkehrer, oppositionelle Medien berichten über Inhaftierungen und willkürliche Tötungen von Rückkehrern. Zur Situation von rückkehrenden Flüchtlingen aus Europa gibt es, wohl auch aufgrund deren geringen Zahl, keine Angaben.
Die syrische Regierung führt Listen mit Namen von Personen, die als in irgendeiner Form regierungsfeindlich angesehen werden. Die Aufnahme in diese Listen kann aus sehr unterschiedlichen Gründen erfolgen und sogar vollkommen willkürlich sein. Zum Beispiel kann die Behandlung einer Person an einer Kontrollstelle, wie einem Checkpoint, von unterschiedlichen Faktoren abhängen, darunter die Willkür des Personals am Kontrollpunkt oder praktische Probleme, wie die Namensgleichheit mit einer von der Regierung gesuchten Person. Personen, die als regierungsfeindlich angesehen werden, können unterschiedliche Konsequenzen von Regierungsseite zu gewärtigen haben, wie Festnahme und im Zuge dessen auch Folter. Es wurde regelmäßig von Verhaftungen von und Anklagen gegen Rückkehrer gemäß der Anti-Terror-Gesetzgebung berichtet, wenn diesen Regimegegnerschaft unterstellt wird. Es gibt Berichte über Menschenrechtsverletzungen gegenüber Personen, die nach Syrien zurückgekehrt waren. Hunderte syrische Flüchtlinge wurden nach ihrer Rückkehr verhaftet und verhört – inklusive Geflüchteten, die aus dem Ausland nach Syrien zurückkehrten, IDPs aus von der Opposition kontrollierten Gebieten, und Personen, die in durch die Regierung wiedereroberten Gebieten ein Versöhnungsabkommen mit der Regierung unterschrieben haben. Sie wurden gezwungen, Aussagen über Familienmitglieder zu machen und in manchen Fällen wurden sie gefoltert.
(Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 30.06.2021, S. 96 ff)
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin, dem Aufenthalt von Familienangehörigen von ihr in ihrem Herkunftsort sowie der Beschäftigung des Ehemanns einer Tante von ihr bei der syrischen Sicherheitsbehörde ergeben sich aus ihren glaubwürdigen Angaben.
2.2. Die Feststellung zu 1.2. stützt sich auf folgende Erwägungen:
Wie vorab festzuhalten ist, hat die Beschwerdeführerin im Verfahren – zusätzlich zu dem Umstand, dass sie sich entgegen ihres ursprünglichen Vorbringens nach ihrer Ausreise aus Syrien in XXXX und nicht in Jordanien aufgehalten hat und auch nicht wieder nach Syrien eingereist ist – auch zur Frage, weshalb sie und ihre Familie Syrien verlassen hätten widersprüchliche Angaben gemacht: Hatte sie bei ihrer Erstbefragung dazu noch angegeben, dass Daraa umzingelt und von verschiedenen Gruppierungen bombardiert worden sei, begründete sie in die Ausreise aus Syrien vor der belangten Behörde wesentlich damit, dass ihr Vater entführt worden sei, was sie in der Beschwerdeverhandlung (auch auf Vorhalt) hingegen nicht mehr vorbrachte. Auch fällt auf, dass sie vor der belangten Behörde davon sprach, der IS habe ihrer Familie das Haus weggenommen und ein (anderes) Grundstück, das ihnen gehört habe, sei von der Regierung beschlagnahmt worden, während ihrem Vorbringen in der Beschwerdeverhandlung, wonach das Haus ihrer Familie von Bewaffneten, die gegen das Regime gewesen seien, und das Ferienhaus/Bauerhof konkret vom IS weggenommen worden sei, die Beschlagnahme eines Grundstücks seitens der syrischen Regierung nicht entnommen werden kann.
Auch kann entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht angenommen werden, dass diese wegen ihr zumindest unterstellter regimekritischer Gesinnung im Fall einer Rückkehr nach Syrien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgung zu gewärtigen hätte:
So spricht gegen die Annahme, dass der Beschwerdeführerin von den syrischen Behörden kraft Assoziation eine regimekritische Gesinnung unterstellt wird, dass sie legal aus Syrien ausreisen konnte und ihr in der Folge von den syrischen Vertretungsbehörden ein neuer Reisepass ausgestellt wurde sowie dass der Mann einer ihrer Tanten, die weiterhin im Herkunftsort der Beschwerdeführerin lebt, bei der syrischen Sicherheitsbehörde arbeitet.
Was die vorgebrachte Gefährdung in Hinblick auf die Wehrdienstverweigerung ihrer Brüder angeht, ist der Herkunftsländerinformation zwar zu entnehmen, dass es in der Vergangenheit Fälle gab, in denen Familienmitglieder von Wehrdienstverweigerern oder Deserteuren Vergeltungsmaßnahmen wie Unterdrucksetzung und Inhaftierung ausgesetzt waren. Es ist jedoch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass die Beschwerdeführerin davon betroffen sein würde, da in der Herkunftsländerinformation auch abzulesen ist, dass dies im Wesentlichen bei Familien von „high profile“-Deserteuren der Fall sein kann, also z.B. Deserteure, die Soldaten oder Offiziere getötet oder sich der bewaffneten Opposition angeschlossen haben. Da sich im Verfahren weder vorgebracht wurde, dass Derartiges für die Brüder der Beschwerdeführerin zutreffen würde, noch sich diesbezüglich Hinweise ergeben haben, würde es somit an der erforderlichen maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer solchen Gefährdung fehlen. Übedies ergibt sich aus der Berichtslage (vgl. etwa die Stellungnahme von Amnesty International vom 20.09.2018 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof), dass es zwar Fälle gegeben, in denen auch Frauen, Kinder und ältere Menschen willkürlich inhaftiert worden seien, ihr ist aber zu entnehmen, dass es vor allem Männer in den 20er und 30er Jahren sind, die einer solchen Gefährdung ausgesetzt sind.
Weiters ist die Übermittlung personenbezogener Daten eines Asylwerbers von österreichischen Behörden an die Behörden des Herkunftsstaates des Asylwerbers nicht zulässig, weshalb auch nicht davon auszugehen ist, dass die syrischen Behörden Kenntnis von der Asylantragstellung der Beschwerdeführerin haben.
2.3. Dass die Beschwerdeführerin – wie unter Punkt 1.3. festgestellt, in Syrien nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in Hinblick auf ihre Geschlechtszugehörigkeit asylrelevant verfolgt würde, basiert darauf, dass in Hinblick auf ihre familiären Anknüpfungspunkte in ihrem Herkunftsort XXXX – entgegen ihrem Vorbringen – nicht gesagt werden kann, dass sie dort auf sich allein gestellt wäre.
2.4. Die Feststellungen zur Situation in Syrien stützen sich auf das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, sowie die UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 5. Fassung, November 2017. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Auch zeichnen die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Berichte kein wesentlich anderes Bild der Lage.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu Spruchpunkt AI.):
3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung i.S.d. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.
Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK (i.d.F. des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, 2006/-20/0771). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.
Gemäß § 3 Abs. 3 Z. 1 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Asylantrag abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK vorliegen kann (vgl. zur Rechtslage vor dem AsylG 2005 z.B. VwGH 15.3.2001, 99/20/0036; 15.3.2001, 99/20/0134, wonach Asylsuchende nicht des Schutzes durch Asyl bedürfen, wenn sie in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen). Damit ist - wie der Verwaltungsgerichtshof zur GFK judiziert - nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "inländischen Flucht- oder Schutzalternative" (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal wirtschaftliche Benachteiligungen auch dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 8.9.1999, 98/01/0614, 29.3.2001, 2000/20/0539).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.3.1995, 95/19/0041; 27.6.1995, 94/20/0836; 23.7.1999, 99/20/0208; 21.9.2000, 99/20/0373; 26.2.2002, 99/20/0509 m.w.N.; 12.9.2002, 99/20/0505; 17.9.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.3.2000, 99/01/0256 m.w.N.).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.3.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichen Schutzes einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.3.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law, 2. Auflage [1996] 73; weiters VwGH 26.2.2002, 99/20/0509 m.w.N.; 20.9.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert wird. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.2.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.3.2000, 99/01/0256; 13.11.2008, 2006/01/0191).
3.1.2. Es ist der Beschwerdeführerin nicht gelungen, eine drohende Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK glaubhaft zu machen:
Denn – wie sich aus den oben getroffenen Feststellungen ergibt – kann nicht angenommen werden, dass sie im Falle einer Rückkehr nach Syrien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevanten Verfolgungshandlungen von hinreichender Intensität ausgesetzt wäre.
3.1.3. Die Beschwerde war daher, soweit sie sich gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides richtet, spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt AII.):
3.2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr („a sufficiently real risk“) möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus. Gemäß der Judikatur des VwGH erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des „real risk“, wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH jeweils vom 31.03.2005, 2002/20/0582, 2005/20/0095).
Die Anerkennung des Vorliegens einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person, die als Zivilperson die Gewährung von subsidiärem Schutz beantragt, setzt nicht voraus, dass sie beweist, dass sie aufgrund von ihrer persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist. Eine solche Bedrohung liegt auch dann vor, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH 17.02.2009, Elgafaji, C-465/07, Slg. 2009, I-0000, Rn 45).
3.2.2. Wie sich aus der Herkunftsländerinformation ergibt, befindet sich Syrien noch immer im Bürgerkrieg, der im März 2011 begonnene Aufstand gegen das Regime ist in eine komplexe militärische Auseinandersetzung umgeschlagen ist, die grundsätzlich alle Städte und Regionen betrifft. Nahezu täglich werden landesweit Tote und Verletzte gemeldet. Die staatlichen Strukturen sind in zahlreichen Orten zerfallen und das allgemeine Gewaltrisiko ist sehr hoch. Die faktische Ausübung der Kontrolle durch das syrische Regime unterscheidet sich stark von Gebiet zu Gebiet. Die verbleibenden Gebiete unterliegen keiner oder nur teilweiser Kontrolle des syrischen Regimes. Auch in Landesteilen, in denen Kampfhandlungen mittlerweile abgenommen haben, besteht weiterhin ein hohes Risiko, Opfer von Gewalt und Übergriffen zu werden. Dies gilt auch für vermeintlich friedlichere Landesteile im äußersten Westen Syriens sowie die Hauptstadt Damaskus und umso mehr für die für die Heimatprovinz der Beschwerdeführerin Daraa, die nach der im aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien auf S 20 ersichtlichen Übersicht zu Konfliktvorfällen per Provinz im Vergleichszeitraum 705 Vorfälle und 326 Vorfälle mit Todesfällen aufwies, während die Provinz Damaskus 44 bzw. 30 solche Vorfälle aufwies.
Vor diesem Hintergrund muss davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach Syrien einer Bedrohung iSd § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ausgesetzt wäre: Denn es kann nicht mit der notwendigen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass siw in Syrien dem realen Risiko einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre, sodass eine Abschiebung eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde.
Selbst im Fall, dass man davon auszugehen hätte, dass die Lage in Damaskus und den westlichsten Teilen Syriens hinreichend sicher sind, stünde der Beschwerdeführerin eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht offen, da ihr eine Relokation in diese Gebiete mangels dortiger familiärer oder sozialer Verwurzelung nicht möglich erschiene.
Ausschlussgründe nach § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 liegen nicht vor, weil sie einerseits nicht hervorgekommen sind (Z 1 und Z 2) und die Beschwerdeführerin andererseits unbescholten ist (Z 3).
3.2.3. Der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides war daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 stattzugeben.
3.3. Zu Spruchpunkt AIII.):
3.3.1. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Fall des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.
3.3.2. Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerdeführerin in Spruchpunkt AII.) des gegenständlichen Erkenntnisses den Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, sodass ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung in der Dauer von einem Jahr zu erteilen ist.
3.4. Zu Spruchpunkt AIV.):
Aufgrund der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten an die Beschwerdeführerin waren die Spruchpunkte III. bis V. des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben.
3.5. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
3.5.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
3.5.2. Die vorliegende Entscheidung hängt nicht von der Lösung einer Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich im konkreten Fall eine Rechtsfrage stellt, die über den (hier vorliegenden konkreten) Einzelfall hinaus Bedeutung entfaltet. Ausgehend davon kann eine Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG von grundsätzlicher Bedeutung auch insofern nicht bejaht werden (vgl. etwa VwGH 25.09.2015, Ra 2015/16/0085, mwN). Es war daher auszusprechen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig ist.
Schlagworte
Asylantragstellung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren befristete Aufenthaltsberechtigung begründete Furcht vor Verfolgung Bürgerkrieg ersatzlose Behebung Fluchtgründe Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit Kassation mündliche Verhandlung mündliche Verkündung politische Gesinnung real risk reale Gefahr Rückkehrentscheidung behoben schriftliche Ausfertigung Sippenhaftung Spruchpunktbehebung subsidiärer Schutz unterstellte politische Gesinnung Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung Wehrdienstverweigerung wohlbegründete FurchtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W176.2223056.1.00Im RIS seit
26.11.2021Zuletzt aktualisiert am
26.11.2021