Entscheidungsdatum
06.09.2021Norm
ÄrzteG 1998 §27Spruch
W170 2244137-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch CERHA HEMPEL Rechtsanwälte GmbH, gegen den Bescheid des Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer vom 02.02.2021, Zl. BÄL 719/2020-02, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 07.05.2021, BÄL 719/2020-02, auf Grund des Vorlageantrags zu Recht:
A)
I. Die Beschwerdevorentscheidung wird gemäß §§ 14 Abs. 1, 27, 28 Abs. 2 VwGVG wegen Unzuständigkeit der Behörde ersatzlos behoben.
II. Der Bescheid wird gemäß §§ 27, 28 Abs. 2 VwGVG, 68 Abs. 1 AVG wegen der Unzuständigkeit der Behörde zur Zurückweisung des Antrages wegen entschiedener Sache insoweit ersatzlos behoben, als die Behörde den Antrag nunmehr nicht abermals wegen entschiedener Sache zurückweisen darf.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitige und zulässige Beschwerde erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Am 05.09.2019 wurde von XXXX (in Folge: Beschwerdeführerin) ein an den Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer (in Folge: Behörde) gerichteter Antrag auf Eintragung eines weiteren Standortes einer bestehenden Gruppenpraxis an der Adresse XXXX gestellt. An diesem Standort würden künftig XXXX und XXXX ihrem Beruf – zusätzlich zum Hauptstandort – nachgehen.
1.2. Dieser Antrag wurde mit Bescheid der Behörde vom 03.03.2020, BÄL 519/2019, am 09.03.2020 zugestellt, abgewiesen. Gegen diesen Bescheid wurden Rechtsmittel nicht eingebracht.
1.3. Mit Schriftsatz vom 25.06.2020, am gleichen Tag bei der Behörde eingebracht, brachte die Beschwerdeführerin einen an die Behörde gerichteten Antrag auf Eintragung eines weiteren Standortes der bestehenden Gruppenpraxis an der Adresse XXXX ein. An diesem Standort würde künftig XXXX seinen Beruf – zusätzlich zum Hauptstandort – nachgehen.
1.4. Mit Bescheid der Behörde vom 02.02.2021, Zl. BÄL 719/2020-02, wurde dieser Antrag wegen entschiedener Sache zurückgewiesen; begründend führte die Behörde aus, dass der Antrag zwar auf eine andere Adresse ziele, aber aus denselben rechtlichen Gründen abzuweisen sei wie der Antrag vom 05.05.2019 und daher entschiedene Sache vorliege. Der Bescheid wurde der Beschwerdeführerin am 08.02.2021 zugestellt.
1.5. Mit am 08.03.2021 per E-Mail und am 09.03.2021 per Boten eingebrachtem Schriftsatz wurde gegen den Bescheid Beschwerde, soweit hier relevant, mit der Begründung, dass entschiedene Sache nicht vorliege, erhoben.
1.6. Mit Beschwerdevorentscheidung der Behörde vom 07.05.2021, BÄL 719/2020-02, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen, die Beschwerdevorentscheidung wurde der Beschwerdeführerin „vorab per E-Mail“ am 07.05.2021 sowie am 11.05.2021 zu eigenen Handen per Post zugestellt.
Die „vorab per E-Mail“ am 07.05.2021 zugestellte Ausfertigung wies keine elektronische Signatur auf.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus der unbedenklichen Aktenlage.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Das ÄrzteG kennt keine Senatszuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts, gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Bescheidbeschwerden – soweit hier relevant – die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde im dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu I. Aufhebung der Beschwerdevorentscheidung wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde
Gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG steht es der Behörde frei, im Verfahren über Bescheidbeschwerden den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen. Ergeht die Entscheidung daher nicht binnen zwei Monaten liegt Unzuständigkeit der Behörde vor (siehe zur gleichen Frage, wenn auch zur Säumnisbeschwerde: VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0421)
Die Beschwerde wurde am 08.03.2021 durch E-Mail eingebracht, gemäß § 13 Abs. 2 1. Satz AVG können schriftliche Anbringen der Behörde in jeder technisch möglichen Form übermittelt werden, mit E-Mail jedoch nur insoweit, als für den elektronischen Verkehr zwischen der Behörde und den Beteiligten nicht besondere Übermittlungsformen vorgesehen sind. Etwaige technische Voraussetzungen oder organisatorische Beschränkungen des elektronischen Verkehrs zwischen der Behörde und den Beteiligten sind im Internet bekanntzumachen. Solche Beschränkungen sind der Homepage der Österreichischen Ärztekammer nicht zu entnehmen, daher war die Einbringung der Beschwerde mit E-Mail zulässig und begann mit dieser die Frist gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG zu laufen (zur Zulässigkeit, eine Beschwerde mit E-Mail einzubringen: VwGH 28.06.2018, Ra 2018/02/0185).
Gemäß § 32 Abs. 2 2. Fall AVG enden nach Monaten bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.
Das bedeutet, dass die Frist für die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung im gegenständlichen Verfahren mit Ablauf des 08.05.2021 endete.
Die Behörde hat die Beschwerdevorentscheidung bereits am 07.05.2021 der Beschwerdeführerin zugestellt, allerdings nur mit E-Mail. Diese mit E-Mail übermittelte Bescheidausfertigung enthielt aber keine elektronische Signatur, sondern lediglich die Kopie einer Unterschrift des Genehmigers.
Enthalten die den Parteien zugestellten Ausfertigungen keine Bildmarke im Sinne des § 19
E-GovG liegt kein Ausdruck eines elektronischen Dokuments mit Amtssignatur vor. Diesfalls kommt das Privileg des § 18 Abs. 4 AVG nicht zur Anwendung, wonach Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke keine weitere Voraussetzung zu erfüllen haben, sondern es handelt sich um eine "sonstige Ausfertigung" im Sinne des § 18 Abs. 4 dritter Satz AVG, die dementsprechend zu unterschreiben oder zu beglaubigen ist (Hinweis Hengstschläger/Leeb, AVG I (2. Ausgabe 2014), § 18 AVG Rz 26). Fehlt es in einem solchen Fall an einer Unterschrift oder Beglaubigung, ist das Erkenntnis den Parteien gegenüber nicht wirksam geworden (VwGH 25.11.2015, Ra 2015/16/0102). Die Kopie der Unterschrift erfüllt die Voraussetzungen des § 18 Abs. 4 AVG nicht (VwGH 11.11.2013, 2012/22/0126), daher liegt am 07.05.2021 noch keine Zustellung einer Beschwerdevorentscheidung, sondern die Zustellung der Kopie der Beschwerdevorentscheidung vor, die keine Rechtswirkung zu entfalten vermag.
Die am 11.05.2021 zu eigenen Handen per Post zugestellte Beschwerdevorentscheidung wurde aber erst nach Ablauf des 08.05.2021 zugestellt, also erlassen und lag zum Zeitpunkt der Erlassung daher wegen des Ablaufs der Zwei-Monats-Frist des § 14 Abs. 1 VwGVG Unzuständigkeit der Behörde zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung vor. Diese ist schon aus diesem Grund zu beheben; daher ist die – dem Bundesverwaltungsgericht unter einem vorgelegte – Beschwerde noch offen und durch das Bundesverwaltungsgericht zu entscheiden.
Zu II. Aufhebung des den Antrag wegen entschiedener Sache zurückweisenden Bescheides:
"Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist – ungeachtet des durch § 27 VwGVG 2014 vorgegebenen Prüfumfangs – jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (VwGH 17.12.2014, Ra 2014/03/0049), wenn die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen hat, ist Sache des Beschwerdeverfahrens die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung (VwGH 23.06.2015, Ra 2015/22/0040; VwGH 31.05.2017, Ra 2016/22/0107).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 18.05.2021, Ro 2019/07/0004) gilt grundsätzlich, dass nur der Spruch des Bescheides, nicht aber dessen Entscheidungsgründe in Rechtskraft erwachsen kann, dieser Grundsatz gilt aber jedenfalls für verfahrensrechtliche Bescheide nicht uneingeschränkt. Auch wenn sich der Spruch eines Bescheides auf die Zurückweisung eines Rechtsmittels oder wie hier eines Antrages beschränkt, ohne den Grund dafür in den Spruch aufzunehmen, so kommt der unterschiedliche normative Gehalt einer Zurückweisung je nach Rechtsgrund in der insoweit bindenden Begründung zum Ausdruck (VwGH 09.08.2013, 2013/08/0137). Das bedeutet, dass gegenständlich das Bundesverwaltungsgericht nur zu überprüfen hat, ob die – laut Spruch des Bescheides – Zurückweisung wegen entschiedener Sache zulässig war oder nicht.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 03.07.2020, Ra 2020/14/0255) ist bei der Prüfung des Vorliegens der entschiedenen Sache auch vom Verwaltungsgericht von der rechtskräftigen Vorentscheidung auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit derselben nochmals zu überprüfen. Identität der Sache liegt dann vor, wenn sich gegenüber der früheren Entscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt. Erst nach Erlassung der rechtskräftigen Erstentscheidung hervorkommende Umstände, die eine Unrichtigkeit dieser Entscheidung dartun, stellen keine Änderung des Sachverhalts dar, sondern können lediglich einen Grund zur Wiederaufnahme eines Verfahrens darstellen. Dieser tragende Grundsatz soll in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage) verhindern; die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die entschiedene Sache, also durch die Identität der Rechtssache, über die bereits mit einer formell rechtskräftigen Entscheidung abgesprochen wurde, mit der nunmehr vorliegenden (etwa der in einem neuen Antrag intendierten) bestimmt (VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0029). Identität der Sache liegt dann vor, wenn sich gegenüber der früheren Entscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 28.4.2017, Ra 2017/03/0027; VwGH 05.03.2020, Ra 2019/15/0114).
Abermals ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 18.05.2021, Ro 2019/07/0004) nur der Spruch des (die Sache materiell entscheidenden Bescheides), nicht aber dessen Entscheidungsgründe in Rechtskraft erwachsen kann.
Der Spruch des Bescheides der Behörde vom 03.03.2020, BÄL 519/2019, lautet auf Abweisung des Antrages auf Eintragung eines weiteren Standortes einer bestehenden Gruppenpraxis der Beschwerdeführerin an der Adresse XXXX .
Der neue, nunmehr verfahrensgegenständliche Antrag lautet auf Eintragung eines weiteren Standortes der bestehenden Gruppenpraxis an der Adresse XXXX ein.
Relevant ist hier die Frage, an welcher Adresse der weitere Standort eingetragen werden soll; da die Adressen nicht ident sind, kann keine entschiedene Sache vorliegen; dass die Anträge nach Ansicht der Behörde mit der gleichen Begründung abzuweisen sind, ist Teil der nicht rechtskraftfähigen Begründung und kann daher keine res iudicata begründen.
Daher ist die Zurückweisung des Antrags wegen entschiedener Sache rechtswidrig, der Bescheid diesbezüglich ersatzlos zu beheben und auszusprechen, dass die Behörde im Folgeverfahren nicht mehr mit einer Zurückweisung wegen entschiedener Sache vorgehen darf.
Ob die Behörde für eine bescheidmäßige Absprache überhaupt zuständig ist, hat sie im Folgeverfahren zu entscheiden und muss im gegenständlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht geklärt werden.
Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 2. Fall VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist. Da dies hier der Fall war, konnte auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet werden.
Zu B) Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt.
Es war zur Frage, ob die Entscheidung über die beantragte Eintragung eines weiteren Standortes einer bestehenden Gruppenpraxis an einer Adresse für einen solchen Antrag an einer anderen Adresse res iudicata begründet, keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorzufinden, daher ist die Revision zulässig.
Schlagworte
Ärztekammer Ärzteliste Behebung der Entscheidung Bescheidbehebung Beschwerdevorentscheidung Fristablauf Rechtswidrigkeit res iudicata Revision zulässig Sache des Verfahrens UnzuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W170.2244137.1.00Im RIS seit
24.11.2021Zuletzt aktualisiert am
24.11.2021