TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/6 I421 2204498-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.09.2021
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Entscheidungsdatum

06.09.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs3
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I421 2204498-1/21E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Martin STEINLECHNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. KAMERUN, vertreten durch: RAe Dr. LECHENAUER & Dr. SWOZIL gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD Salzburg Außenstelle Salzburg (BFA-S-ASt Salzburg) vom 31.07.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.07.2021 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte am 20.03.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde dazu am 21.03.2017 einer Erstbefragung durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen. Begründend führte er aus, dass er von der Regierung verfolgt werde, weil er Teil der Bewegung gewesen sei, welche für die Abspaltung vom französischen Teil demonstriert habe, weil er für Homosexuelle gekämpft habe und weil er als Geschichtelehrer die Schüler politisch beeinflussen würde.

2.       Am 02.02.2018 wurde er vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA, belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen und gab befragt zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen an, dass er der anglophonen Bewegung (Ambazonien) angehöre und deshalb von den Frankophonen verfolgt worden sei und konkret am 20.02.2015 von acht Männer überfallen worden sei (AS 53 f).

3.       Am 16.02.2018 erging eine Stellungnahme im Rahmen des Parteiengehörs und wurde darin zusammengefasst ausgeführt, dass im Länderinformationsblatt Festnahmen und Gewaltanwendung gegen Oppositionelle als „vereinzelte Fälle“ dargestellt werden würden, jedoch würden zahlreiche Quellen das Gegenteil bestätigen, nämlich, dass eine systematische Verfolgung englischsprachiger Aktivisten über Jahre stattfinden würde. Bei einer Rückkehr nach Kamerun würde der BF offiziell registriert werden und wäre sein Aufenthalt den Sicherheitsbehörden bekannt.

4.       Mit Schreiben vom 28.05.2018 wurde dem BF die Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme zu einer aktuellen Kurzinformation der Staatendokumentation und zu der Anfragebeantwortung durch die Staatendokumentation zum Thema „Anglophone und frankophone Bevölkerung in Kamerun“ vom 18.10.2017 innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung eingeräumt. Am 09.06.2018 gab der BF seine Stellungnahme ab und führte zu seinen Umständen in Österreich aus, dass er gerade Deutsch A 2/2 an der Volkshochschule und der Universität XXXX lerne.

5.       Mit Schreiben vom 11.06.2018 wurde dem BF neuerlich die Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme zu einer aktuellen Kurzinformation der Staatendokumentation eingeräumt. Am 16.06.2018 legte der BF seine Stellungnahme vor.

6.       Mit Bescheid vom 31.07.2018, Zl. XXXX , wies die belangte Behörde den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Kamerun (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen den BF eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Kamerun zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

7.       Dagegen richtet sich das fristgerecht, durch die Rechtsvertretung des BF am 21.08.2018 eingebrachte, bei der belangten Behörde eingelangt am selbigen Tag, Rechtsmittel der Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und der Verletzung von Verfahrensvorschriften. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der BF individuell und persönlich von den Verfolgungshandlungen betroffen gewesen sei und es sich bei dem vom BF gesetzten Verhalten keinesfalls um eine illegale Vorgehensweise des BF handeln würde. Der BF sei psychisch und physisch misshandelt worden. Weiters wies der BF auf ein Video vom November 2017 hin, in welchem der Präsident der Minderheit der Anglophonen den Krieg erklären würde und gab an, dass sein Heimatort Ngolo-Bolo angegriffen und zerstört worden sei. Eine innerstaatliche Fluchtalternative stehe dem BF nicht zur Verfügung und sei eine Rückführung des BF nach Kamerun unzumutbar. Beantragt werde daher, die Rechtmittelbehörde möge den angefochtenen Bescheid der Erstbehörde dahingehend abändern, dass dem Antrag auf internationalen Schutz vom 20.03.2017 Folge gegeben und dem BF der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werde; in eventu den angefochtenen Bescheid beheben und zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die erste Instanz zurückverweisen; in eventu dem BF gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kamerun zuerkennen; in eventu dem BF gem. § 57 und 55 AsylG einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zuerkennen; sowie die gegen den BF ausgesprochene Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs 2 Z 2 FPG und den Ausspruch über die Zulässigkeit der Abschiebung nach Kamerun gem. § 46 FPG aufheben.

8.       Mit Schreiben vom 22.08.2018, beim Bundesverwaltungsgericht Außenstelle Innsbruck eingelangt am 31.08.2018, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Akt vor.

9.       Mit Schreiben vom 09.06.2021, eingelangt am 11.06.2021, wurde dem Bundesverwaltungsgericht mitgeteilt, dass der BF im Falle der Abschiebung mit einer Festnahme zu rechnen habe und drohe ihm unmenschliche Behandlung wegen den Zuständen in den Gefängnissen. Aufgrund seiner politischen Aktivitäten und seiner westlich-demokratischen Haltung sei der BF nicht sicher in Kamerun. Der BF habe kein soziales oder familiäres Auffangnetz in Kamerun und aufgrund seiner privaten, sozialen, persönlichen Entwurzelung und Entfremdung zu Kamerun habe er dort keinerlei Möglichkeit sich eine Existenz aufzubauen. Es bestehe eine besondere Schutzwürdigkeit des auf Österreich konzentrierten Privatlebens des BF vor aufenthaltsbeendenden Maßnahmen. Zudem wurden eine Teilnahmebestätigung Rotes Kreuz, eine Bestätigung Pflichtschulabschluss Durchgang 2020/21, ein ärztlicher Befundbericht und drei Empfehlungsschreiben vorgelegt.

10.      Am 16.07.2021 fand eine mündliche Beschwerdeverhandlung am Bundesverwaltungsgericht Außenstelle Innsbruck in Anwesenheit des BF, seines Rechtsvertreters und einer Dolmetscherin für die englische Sprache statt. Ein Vertreter der belangten Behörde blieb entschuldigt fern.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

1.1.    Zur Person des Beschwerdeführers:

Der BF ist Staatsangehöriger Kameruns, gehört der Volksgruppe Oroko an und bekennt sich zum christlichen Glauben. Seine Identität steht nicht fest. Seine Muttersprache ist Englisch. Der BF ist ledig und hat ein Kind in Kamerun.

Der BF hat bereits in Ungarn am 23.05.2016 einen Asylantrag gestellt, welcher negativ entschieden wurde. Der BF ist illegal ins Bundesgebiet eingereist und hält sich seit (mindestens) 20.03.2017 in Österreich auf. Der BF ist seit 08.05.2017 mit kurzer Unterbrechung durchgehend in Österreich mit Hauptwohnsitz gemeldet.

Der BF leidet an keiner lebensbedrohlichen Krankheit. Er leidet an einer arteriellen Hypertonie, weshalb er einmal täglich Ramipril einnehmen muss. Dieses Medikament bzw. dieser Wirkstoff ist in Kamerun verfügbar. Der BF fällt nicht unter die Risikogruppe gemäß der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz über die Definition der allgemeinen COVID-19-Risikogruppe (COVID-19- Risikogruppe-Verordnung), BGBl. II Nr. 203/2020.

In Nigeria hat der BF von 1980 bis 1992 die Volksschule und die Mittelschule und von 1992 bis 1994 die Sekundarschule besucht und dort seinen Abschluss absolviert. Nach der Sekundarschule hat der BF in der Volksschule unterrichtet. Von 1998 bis 2003 hat der BF an der XXXX Geschichte und Politikwissenschaft studiert. Von 2005 bis 2008 war er Lehrer für Geschichte an der Sekundarschule in XXXX und von 2009 bis 2012 hat er an der Sekundarschule in XXXX unterrichtet. Von 2012 bis 2014 hat der BF Schülern Privatunterricht gegeben und die Bewirtschaftung der geerbten Kakaoplantage seines Vaters übernommen.

In Kamerun verfügt der BF über Freunde. In Nigeria leben die Mutter und der Sohn des BF. Es konnte nicht festgestellt werden, in welchem Land sich die Geschwister des BF aufhalten.

In Österreich verfügt der BF über keine familiären Angehörigen oder Verwandten, jedoch über soziale Kontakte und Freunde. Der BF spricht gut Deutsch und ist in der Lage auf Deutsch gestellte Fragen zu verstehen und zu beantworten. Er besucht derzeit einen Deutschkurs auf dem Niveau B1 und hat die ÖSD Prüfung Deutsch Niveau A1 und A2 absolviert.

Der BF ist in Österreich keiner regelmäßigen Erwerbstätigkeit nachgegangen. Der BF hat vom 04.03.2019 bis zum 25.03.2019 im Rahmen des Projekts „Gemeinnützige Beschäftigung für Asylwerbende“ beim Magistrat Stadt XXXX gearbeitet. Der BF ist Mitglied der Kirche XXXX der Letzten Tage. Der BF hat an einem 16-stündigen Erste-Hilfe-Grundkurs vom Roten Kreuz teilgenommen. Der BF wurde von der Volkshochschule XXXX im Pflichtschulabschluss-Durchgang 2020/21 aufgenommen. Am 01.07.2021 hat der BF die Pflichtschulabschlussprüfung an der Mittelschule XXXX bestanden (Beilage ./A). Ansonsten haben sich jedoch keine maßgeblichen Anhaltspunkte für das Vorliegen einer tiefgreifenden Integration des BF in Österreich ergeben.

Der BF bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.

Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2.    Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Als Fluchtgrund hat der BF in der Erstbefragung angegeben, Kamerun verlassen zu haben, weil er von der Regierung verfolgt werde, weil er ein Teil der Bewegung gewesen sei, welche für den französischen Teil demonstriert habe, weil er für die Homosexuellen gekämpft habe und weil ihm vorgeworfen worden sei, als Geschichtelehrer seine Schüler politisch beeinflusst zu haben.

Anlässlich der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde erklärte der BF, dass er Kamerun verlassen habe, weil er der anglophonen Bewegung (Ambazonien) angehöre und deshalb von den Frankophonen verfolgt worden sei. Er und sein Team, eine Gruppe von Leuten, wollten die Anglophonen sensibilisieren und erklären, warum sie sich von den Frankophonen loslösen müssten. Dabei hätten sie gegen Mannschaften anderer ethnischer Gruppen Fußball gespielt und nach den Spielen versucht zu reden und auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen. In der Nacht am 20.02.2015 seien acht Männer, teils Zivilsten, teils vom Militär, in sein Haus gekommen und hätten gesagt, dass das, was er im Fach Geschichte lehre, gegen das sei, was die Regierung sage. Die Regierung sage, dass Kamerun ein Land und unteilbar sei, er würde aber seinen Schülern sagen, dass Kamerun aus zwei Ländern bestehe, die zusammengeführt worden seien. Sie hätten ihn geschlagen, gedroht zu töten und hätten ihn blutend zurückgelassen. Er sei dann erstversorgt worden, in sein Dorf gegangen, hätte dort seine Kakao-Produkte verkauft und sei dann nach Nigeria geflüchtet. Ein weiterer Grund sei gewesen, dass die Frankophonen behauptet hätten, dass er Homosexuelle unterstützen würde und selbst homosexuell sei, was aber nicht stimmen würde.

Vor dem erkennenden Richter gab er darüber hinaus noch an, dass er bei Meetings in der Stadthalle in XXXX Ansprachen über Homosexuelle und Lesben und deren Rechte gegeben habe und 2012 mit seinen Kollegen eine eigene Organisation „Anglophon Movement Oroko“ gegründet habe und Demonstrationen organisiert habe. Seit 2012 sei die Arbeit offiziell gewesen, Mitgliedsausweis hätte es keinen gegeben. Zum Überfall gab der BF noch, dass er deshalb zwei Wochen im Krankenhaus habe sein müssen und ihm während seines Spitalaufenthaltes von seinem Informanten zugetragen worden sei, dass die Soldaten erfahren hätten, dass er in seinem Dorf sei.

Der BF ist nicht homosexuell und wurde nicht persönlich verfolgt, weil er sich für die Rechte der Homosexuellen eingesetzt haben sollte.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF von der Regierung persönlich verfolgt wurde, weil er Teil der Bewegung war, die für die Abspaltung des französischen Teils demonstriert hatte.

Der BF hat seine Lehrtätigkeit in Schulen bereits 2012 beendet, hatte bis 2014 nur mehr privaten Unterricht gegeben und war im Kakaogeschäft tätig. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF am 20.02.2015 wegen seinem Geschichteunterricht von Zivilisten und Militär überfallen und verletzt worden ist und mit dem Tod bedroht worden ist.

Zusammengefasst konnte nicht festgestellt werden, dass der BF in Kamerun aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt wurde und hat er Kamerun insbesondere nicht aufgrund wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner politischen Aktivitäten verlassen.

In Bezug auf das Fluchtvorbringen des BF und aufgrund der allgemeinen Lage im Land wird festgestellt, dass der BF im Falle seiner Rückkehr nach Kamerun mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.

1.3.    Zur Situation im Falle einer Rückkehr nach Kamerun:

Freunde des BF leben in Kamerun. Der Aufenthalt seiner Geschwister ist ungewiss. Der Umstand, dass er gerade keinen Kontakt zu seiner Familie hat und ihren Aufenthalt nicht genau weiß, steht einer Abschiebung nicht entgegen, zumal es dem BF ob seines erwerbsfähigen Alters und seiner Schulausbildung, seinem Studium und seiner Berufserfahrung zumutbar ist, eine Arbeit zu finden und sich so seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Sein Gesundheitszustand steht seiner Rückkehr nach Kamerun nicht entgegen. Der BF wird im Falle seiner Rückkehr nach Kamerun mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein. Weder wird ihm seine Lebensgrundlage gänzlich entzogen, noch besteht für ihn in Kamerun die reale Gefahr einer ernsthaften Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes.

1.4.    Zu den Länderfeststellungen:

Basierend auf den Daten der WHO (Stand: 16.08.2021) ergeben sich 82.454 bestätigte COVID-19 Fälle mit 1.338 Verstorbenen. Bisher wurden insgesamt 395.212 Impfdosen verabreicht.

Cameroon: WHO Coronavirus Disease (COVID-19) Dashboard With Vaccination Data | WHO Coronavirus (COVID-19) Dashboard With Vaccination Data

Aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation mit Gesamtaktualisierung am 10.11.2020 wird anlassbezogen zur allgemeinen Lage in Kamerun auszugsweise festgestellt:

COVID-19

Derzeit sind die Grenzen Kameruns gemäß Weisung des Staatspräsidenten aufgrund der Covid- 19-Pandemie bis auf Weiteres geschlossen; zudem ist ein negativer COVID19-Test, der nicht älter als drei Tage bei Einreise sein darf, erforderlich (AA 17.8.2020; vgl. FD 12.4.2021), auch für Kleinkinder (FD 12.4.2021); danach muss eine 14-tägige Selbstquarantäne zu Hause absolviert werden (BMEIA 12.4.2021). Aktuell wird das Land von einer zweiten Welle getroffen (BAMF 12.4.2021).

Kamerun hat seine Landesgrenzen geschlossen. Die Einreise per Flugzeug, Schiff oder Fahrzeug ist nur sehr eingeschränkt möglich. Ausnahmen bestehen für die Einfuhr von Versorgungsgütern (AA 12.4.2021; vgl. FD 12.4.2021). Die Einreise nach Kamerun ist derzeit nur kamerunischen Staatsangehörigen und Ausländern mit bestehendem Daueraufenthaltsrecht („Carte de Séjour“) gestattet (AA 12.4.2021; vgl. BMEIA 12.4.2021). Kamerun ist weiterhin als Risikogebiet eingestuft (AA 12.4.2021).

Da die Möglichkeiten der medizinischen Versorgung in Kamerun sehr begrenzt sind, ist es unerlässlich, die Präventivmassnahmen genauestens zu respektieren: Versammlungsorte sollten vermieden werden (FD 12.4.2021). Am 11.4.2021 erhielt Kamerun die erste Lieferung von 200.000 Impfstoffdosen, die landesweit verteilt werden (BAMF 12.4.2021).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (12.4.2021): Kamerun: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung und COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kamerun-node/kamerunsicherheit/208874, Zugriff 12.4.2021

- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (17.8.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun (Stand: Juli 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2037145/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Republik_Kamerun_ %28Stand_Juli_2020%29%2C_17.08.2020.pdf, Zugriff 5.11.2020

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (12.4.2021): Briefing Notes, Kamerun, COVID-19-Pandemie, Zugriff 16.4.2021

- BMEIA - Bundesministerium Europäosche und internationale Angelegenheiten (12.4.2021): Aktuelle Hinweise, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/kamerun/, Zugriff 12.4.2021

- FD - France Diplomatie (12.4.2021): Dernière minute, Infection pulmonaire – Coronavirus Covid-19 (01/02/2021), https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-parpays-destination/cameroun/, Zugriff 12.4.2021

Politische Lage

Kamerun ist eine Präsidialdemokratie. Das Land wird seit 1966 von der Partei „Rassemblement Démocratique du Peuple Camerounais“ (RDPC, bis 1985 „Union Nationale Camerounaise“) regiert. Staatspräsident Paul Biya (87 Jahre) regiert seit 1982 (AA 17.8.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). Er wurde bei den Präsidentschaftswahlen am 7.10.2018 erneut in seinem Amt bestätigt. Nach Einführung des Mehrparteiensystems fanden 1992 zum ersten Mal Parlaments und Präsidentenwahlen statt. Diese und nachfolgende Wahlen verliefen nicht völlig frei und fair. Die seit 1996 geltende Verfassung ist eine Präsidialverfassung nach französischem Vorbild. Der in der Verfassung vorgesehene Verfassungsrat (Conseil Constitutionel) wurde im Jänner 2018 eingerichtet. Das politische System Kameruns ist auf den Präsidenten ausgerichtet, der geschickt die verschiedenen politischen, ethnischen und regionalen Kräfte im Lande so an der Macht beteiligt, dass sie in einer austarierten Balance verharren. Bemühungen zur Dezentralisierung wurden von der kamerunischen Regierung bislang nur halbherzig durchgeführt, auch das am 24.12.2019 unterzeichnete neue Gesetz zur Dezentralisierung sieht zwar Regionalparlamente vor, die aber nicht durch direkte Wahlen besetzt werden (AA 17.8.2020).

Am 9.2.2020 fanden unter hohen Sicherheitsvorkehrungen Parlaments- und Kommunalwahlen statt (BAMF 10.2.2020; vgl. DW 9.2.2020; JA 9.2.2020). Die große landesweit aktive Oppositionspartei Mouvement pour la Renaissance du Cameroun (MRC) sowie die Separatisten in den beiden englischsprachigen Regionen Nordwest und Südwest hatten zu einem Wahlboykott aufgerufen (BAMF 10.2.2020; vgl. DW 9.2.2020). Die militante Separatistengruppe Ambazonia Defence Force (ADF) befahl der Bevölkerung eine Ausgangssperre für den Zeitraum 7. Bis 12.2.2020 und drohte zudem jeden als Feind anzusehen und so zu behandeln, der ihre Anordnung nicht befolge (BAMF 10.2.2020; vgl. TNH 6.2.2020). Die anhaltende Gewalt behinderte die Wahlen (DW 9.2.2020) und die Wahlbeteiligung blieb niedrig (JA 9.2.2020). Der Wahltag wurde durch schwere Unruhen in der SW-Region geprägt (GIZ 12.2020a).

Am 7.4.2020 gab der Verfassungsrat bekannt, dass die Regierungspartei Cameroon Peoples Democratic Movement (CDPM) bei den am 20.03.20 erfolgten Parlamentsnachwahlen in den beiden anglophonen Regionen Südwest und Nordwest alle noch zu vergebenden 13 Parlamentssitze gewonnen hat. Damit verfügt die CDPM in der Nationalversammlung über 152 von 180 Sitzen (BAMF 20.4.2020; vgl. AA 17.8.2020; GIZ 12.2020a).

Am 26.3.2020 wurden Senatswahlen turnusgemäß durchgeführt, die von der Regierungspartei RDPC mit überwältigender Mehrheit gewonnen wurden. 87 von 100 Senatoren werden von der RDPC gestellt, sieben von der größten Oppositionspartei, Front Social Démocrate (SDF) und die restlichen sechs von mehreren kleineren Parteien. Senatspräsident bleibt der 85-jährige Marcel Niat Njifendji, Ex-Vizepremierminister (AA 17.8.2020).

Die über 200 Parteien bieten kaum politische Alternativen zur RDPC. Die größte im Parlament vertretene Oppositionspartei ist der SDF. Wie in der Regierungspartei RDPC, sind die Parteigründer oft gleichzeitig ewige Vorsitzende (in einigen Fällen inzwischen deren Söhne) und führen ihre Partei im autokratischen Stil, gestützt auf eine regionale Hochburg (meist der Herkunftsort des Vorsitzenden). 13 ihrer 18 Parlamentssitze errang die SDF in der anglophonen Region North West, aus der Parteigründer und Vorsitzender John Fru Ndi (78 Jahre) stammt. Die bisher sichtbarste Oppositionspartei war der Mouvement pour la renaissance du Cameroun (MRC). Ihr Vorsitzender Maurice Kamto und rund 100 Aktivisten wurden Monatelang wegen der Teilnahme an nicht genehmigten Versammlungen inhaftiert und Verhandlungen wurden durch Militärtribunale vorgenommen. Im Rahmen einer Amnestie des Staatspräsidenten, wurden insgesamt mehr als 300 sogenannte „politische Gefangene“ von den Anschuldigungen freigesprochen (AA 17.8.2020).

In den englischsprachigen Regionen North-West und South-West hatten sich nach der Unterdrückung friedlicher Proteste im Jahr 2016, die sich gegen die empfundene Benachteiligung durch die Regierung gerichtet hatten, Gruppen bewaffneter Separatisten gebildet (AI 16.4.2020), was eine schwere humanitäre Krise ausgelöst hat die weiter andauert (AA 12.2.2020a). Sowohl die Separatisten als auch die Sicherheitskräfte waren weiterhin für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich. Vom 30.9.2019 bis zum 4.10.2019 fand ein "umfassender nationaler Dialog" statt, bei dem die grundlegenden Ursachen der Krise thematisiert und Lösungen für Frieden und Versöhnung gefunden werden sollten (AI 16.4.2020). Der "Grand Dialogue National" in Yaoundé wurde eher als Monolog der Regierungsvertreter gesehen und die Wünsche der Separatisten nach Gesprächen außerhalb Kameruns und mit Beteiligung ausländischer Mediatoren wurden von der Regierung abgelehnt (GIZ 12.2020a). Der nationale Dialog und die Verabschiedung eines Gesetzes zur Dezentralisierung haben die Grundforderung der anglophonen Bevölkerung nach politischer Mitsprache und Wiederherstellung des Föderalstaats bisher jedoch nicht berücksichtigt (AA 12.2.2020a). Das führte zum Boykott des Treffens durch wichtige Rebellenvertreter. Es wurden zumindest einige Vorschläge formuliert und der Oppositionspolitiker Maurice Kamto sowie weitere MRC-Aktivisten amnestiert. Im Juli 2020 trafen kamerunische Regierungsvertreter zum ersten Mal zu Waffenstillstandsgesprächen mit einer der wichtigsten Rebellengruppen zusammen, währenddessen dreht sich die Gewaltspirale weiter (GIZ 12.2020a; vgl. BAMF 6.7.2020).

Eigentlich hätten die Wahlen schon 2018 angestanden, wurden aber aufgrund der Unruhen in den anglophonen Regionen zweimal verschoben, bis sie am 9.2.2020 stattfinden konnten. Die Wahlen 2020 standen unter keinem guten Stern. Schon im Vorfeld der Regionalwahlen im Feber hatten die anglophonen Separatisten Gewalt gegenüber all jenen angedroht, die sich an der Wahl beteiligen würden und folglich gab es schon vor dem eigentlichen Wahltag Einschüchterungen, Brandstiftung und Kidnapping gegenüber Menschen, die sich für die Durchführung der Wahlen positionierten (HRW 13.1.2021; vgl. GIZ 12.2020a). Daraufhin wurden die kamerunischen Streitkräfte in der SW und NW-Region deutlich erhöht. In der Nordregion Kameruns wurden die Wahlen durch verstärkte Aktivitäten von Boko Haram beeinträchtigt und auch die Oppositionspartei MRC (Bewegung für die Wiedergeburt Kameruns) von Maurice Kamto rief den Wahlboykott aus. Der Wahltag selbst wurde durch schwere Unruhen in der SW-Region geprägt. Das offizielle Wahlergebnis zeigt einen überragenden Sieg der Regierungspartei, mit dem Gewinn von letztendlich 153 Sitzen von 180, die Opposition versinkt damit in der Bedeutungslosigkeit (GIZ 12.2020a).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (17.8.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun (Stand: Juli 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2037145/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Republik_Kamerun_%28Stand_Juli_2020%29%2C_17.08.2020.pdf, Zugriff 5.11.2020

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (12.2.2020a): Kamerun – Politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kamerun-node/innenpolitik/208914, Zugriff 5.11.2020

- AI - Amnesty International (6.2.2020): Cameroon: Rise in killings in Anglophone regions ahead of parliamentary elections, https://www.ecoi.net/de/dokument/2024259.html, Zugriff 10.2.2020

- AI - Amnesty International (16.4.2020): Kamerun 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2038610.html, Zugriff 19.4.2021

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (6.7.2020): Briefing Notes, Kamerun, Anglophone Krise: Gespräche über Waffenstillstand zwischen Regierung und Separatisten, Zugriff 29.3.2021

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (20.4.2020): Briefing Notes, Kamerun, CDPM gewinnt Parlamentsnachwahlen in anglophonen Regionen, Zugriff 25.8.2020

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (10.2.2020): Briefing Notes, Zugriff 11.2.2020

- DW - Deutsche Welle (9.2.2020): Kamerun wählt neues Parlament, https://www.dw.com/de/kamerun-w%C3%A4hlt-neues-parlament/a-52309243, Zugriff 10.2.2020

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2020a): Kamerun -Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/kamerun/geschichte-staat/, Zugriff 29.3.2021

- HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 – Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043533.html, Zugriff 29.3.2021

- JA - Jeune Afrique (9.2.2020): Cameroun : journée d’élections législatives et municipales sans suspense mais sous tension, https://www.jeuneafrique.com/893838/politique/camerounjournee-delections-legislatives-et-municipales-sans-suspense-mais-sous-tension/, Zugriff 10.2.2020

- RW - ReliefWeb (30.1.2020): Cameroon: Key Message Update: Recrudescence des exactions de Boko Haram dans l’Extrême-Nord et persistance du conflit dans les régions Anglophones, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Cameroon%20-%20Key%20Message%20Update_%20 Thu%2C%202020-01-30.pd f, Zugriff 11.2.2020

- TNH - The New Humanitarian (ehemals: IRIN News) (6.2.2020): Briefing: Cameroon's intensifying conflict and what it means for civilians,

http://www.thenewhumanitarian.org/news/2020/02/06/Cameroon-elections-anglophoneseparatist-insurgency-Ambazonia, Zugriff 10.2.2020

- USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 20120 - Cameroon, https://www.ecoi.net/en/document/2048145.html, Zugriff 12.4.2021

Sicherheitslage

Die allgemeine Sicherheitslage ist durch zunehmende Gewaltkriminalität, vor allem in den Städten bzw. auf den Überlandstraßen, gekennzeichnet (GIZ 12.2020a).

Der Konflikt zwischen Sicherheitskräften auf der einen Seite und den Separatisten im anglophonen Nordwesten und Südwesten Kameruns auf der anderen Seite hat sich weiterhin verschärft, was zu zahlreichen Toten und Vertreibungen geführt hat (FH 3.4.2020).

Im ganzen Land besteht das Risiko von Anschlägen durch terroristische Gruppierungen. In den Regionen Nord und Extrême-Nord haben wiederholte Anschläge Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 29.3.2021).

In der Region Südwest wurde der Bürgermeister der Stadt Mamfe, Ashu Prisley Ojong am 10.5.2020, im Zuge eines Anschlages getötet. Laut Angaben des staatlichen Rundfunks (CRTV), wurde der Autokonvoi des Bürgermeisters von bewaffneten anglophonen Separatisten angegriffen. Reuters berichtete unter Berufung auf einen hohen Militär aus der Region, dass bei dem Anschlag auch zwei Soldaten getötet worden sein sollen. Ojong war am 25.2.2020 als Kandidat der Regierungspartei Rassemblement démocratique du Peuple Camerounais (RDPC) zum Bürgermeister von Mamfe gewählt worden. Er ist einer der ersten höherrangigen gewählten Vertreter des Staates, der im Rahmen des in den beiden englischsprachigen Regionen Nordwest und Südwest andauernden Konflikts zwischen der Armee und den bewaffneten Milizen der Separatisten getötet worden ist (BAMF 11.5.2020).

Die Sicherheitslage bleibt in der gesamten Sahelzone kritisch, einschließlich der Subregion des Tschadsees und im ganzen Land besteht das Risiko von Anschlägen durch terroristische Gruppierungen (EDA 29.3.2021). Im Jahr 2020, nahmen die Angriffe und Überfälle der islamistischen bewaffneten Gruppe Boko Haram in der Region Extrême-Nord zu, mit fast täglichen Tötungen, Entführungen, Diebstählen und Zerstörung von Eigentum (HRW 13.1.2021; vgl. EDA 29.3.2021; FCO 29.3.2021). Die Boko Haram Kämpfer sind auch weiterhin im Grenzgebiet zu Nigeria aktiv (EDA 29.3.2021; vgl. FCO 29.3.2021), vor allem in der Region Extrême-Nord, wie auch die Terrororganisation Islamic State West Africa (ISWA) (FCO 29.3.2021). In den Regionen Nord und Extrême-Nord haben wiederholte Anschläge Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 29.3.2021).

Im April 2020 kam es in der Region Extrême-Nord zu zwei Selbstmordanschlägen mit Todesopfern. Es wird bei beiden Anschlägen davon ausgegangen, dass die Täter der islamistischen Terrororganisation Boko Haram angehörten (BAMF 20.4.2020).

Am 10.6.2020 wurde nach Zusammenstößen zwischen Regierungssoldaten und Separatisten eine Granate in den Hof des Distriktkrankenhauses in Bali in der Nord-West-Region gefeuert, was zum Tod eines Herzpatienten führte. Mindestens vier weitere Personen wurden verletzt. Am 30.6.2020 beschädigten Sicherheitskräfte in der Nord-West-Region eine Gesundheitseinrichtung und verhafteten am 6.7.2020 willkürlich sieben Mitarbeiter des Gesundheitswesens in der Süd-WestRegion, wegen angeblicher Zusammenarbeit mit Separatisten (HRW 13.1.2021).

In der Nacht vom 1.8.2020 zum 2.8.2020 attackierten laut Angaben des Bezirksbürgermeisters im Norden Kameruns Bewaffnete das Lager für Binnenflüchtlinge beim Dorf Nguetchewe (Mayo Tsanaga Division, Region Extrême-Nord). Zwischen 15 und 18 Menschen wurden dabei getötet sowie mehrere verletzt. Für den Angriff wird die in der Gegend aktive dschihadistische Terrororganisation Islamic State West Africa Province (ISWA) verantwortlich gemacht (BAMF 3.8.2020).

Aufgrund der angespannten Sicherheitslage in die englischsprachigen Regionen Nordwest und Südwest (AA 29.3.2021; vgl. BMEIA 29.3.2021; EDA 29.3.2021), kommt es immer wieder zu politisch bedingten Unruhen, vor allem in Bamenda. Gewaltsame Zusammenstöße zwischen Demonstranten und den Sicherheitskräften sowie bewaffnete Überfälle auf Sicherheitskräfte dauern in beiden Regionen an und haben wiederholt Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 29.3.2021). Die Straße zwischen Bamenda und Bafoussam darf laut Anordnung der kamerunischen Sicherheitskräfte nur noch im Konvoi mit bewaffneter Eskorte zu festgelegten Zeiten befahren werden (AA 29.3.2021)

Die prekäre Sicherheitslage in der Zentralafrikanischen Republik wirkt sich auch auf das Grenzgebiet zu Kamerun aus. Es besteht ein hohes Risiko von Überfällen durch gewalttätige Straßenräuber sowie die Gefahr von Entführungen zwecks Lösegelderpressung (EDA 29.3.2021).

Zudem muss aufgrund der allgemein sehr schwierigen Lebensbedingungen der Bevölkerung mit Straßenprotesten gerechnet werden. Ausschreitungen und gewalttätige Zusammenstöße kommen vor. Zum Beispiel sind Ende Jänner 2019 bei politischen Protesten in Douala mehrere Personen durch Schüsse verletzt worden (EDA 29.3.2021).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt [Deuschland] (29.3.2021): Kamerun: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kamerun-node/ kamerunsicherheit/208874, Zugriff 29.3.2021

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (11.5.2020): Briefing Notes, Kamerun, Mamfe: Bürgermeister von Separatisten getötet, Zugriff 10.11.2020

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (20.4.2020): Briefing Notes, Kamerun, Boko Haram: Anschläge in Nordkamerun, Zugriff 10.11.2020 - BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (3.8.2020): Briefing Notes, Kamerun, ISWAP: Angriff auf Flüchtlingslager, Zugriff 10.11.2020

- BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres [Österreich] (29.3.2021): Reiseinformation Kamerun, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/kamerun/, Zugriff 29.3.2021

- EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (29.3.2021): Kamerun - Reisehinweise, .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 12 von 45 https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/kamerun/ reisehinweisekamerun.html, Zugriff 29.3.2021

- FCO - Foreign, Commonwealth & Development Office [Vereinigtes Königreich] (29.3.2021): Cameroon, Foreign travel advice, Safety and security, https://www.gov.uk/foreign-traveladvice/cameroon/safety-and-security, Zugriff 29.3.2021

- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom House: Freedom in the World 2020 - Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2030844.html, Zugriff 10.11.2020

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2020a): Kamerun - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/kamerun/geschichte-staat/, Zugriff 29.3.2021

- HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 – Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043533.html, Zugriff 29.3.2021

Folter und unmenschliche Behandlung

Das Gesetz vom 10.1.1997 hat den Straftatbestand Folter mit Todes- oder Gesundheitsfolgen in das Strafgesetzbuch eingeführt (Art. 132 ff.). Unmenschliche und erniedrigende Strafen sind weder im Strafgesetzbuch vorgesehen, noch werden sie verhängt bzw. vollstreckt (AA 17.8.2020).

In der Praxis kommen Misshandlungen (AA 17.8.2020) und Folter (USDOS 30.3.2021) vor. Dabei handelt es sich meist um Schikanen durch Gefängniswärter, Polizisten oder Angehörige der Geheimdienste und der Gendarmerie (AA 17.8.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). In schwer verifizierbaren Einzelfällen soll es zu Misshandlungen zwecks Erpressung von Geständnissen gekommen sein. Über ein derartiges systematisches Vorgehen der Sicherheitsbehörden oder des Gefängnispersonals liegen keine Erkenntnisse vor (AA 17.8.2020). Nach anderen Angaben sind die katastrophalen Zustände in den Gefängnissen berüchtigt, Folter und Misshandlung durch die Sicherheitskräfte sind üblich. In einem Bericht der kamerunischen Menschenrechtsorganisation ACAT (Action des Chrétiens pour l'abolition de la Torture) wird Folter und Misshandlung in Polizeigewahrsam als "Routine" bezeichnet (GIZ 12.2020a).

Es kommt zu willkürlicher und unverhältnismäßiger Gewaltanwendung durch die Sicherheitskräfte. Übergriffe der Sicherheitskräfte werden in der Regel weder angemessen untersucht noch verfolgt (USDOS 30.3.2021). Immer stärker geraten auch kamerunisches Militär und BIR in die Kritik von Menschenrechtsorganisationen. So wurde von Amnesty International über systematische Folter von mutmaßlichen Boko Haram-Anhängern berichtet (GIZ 12.2020a). Auch wenn die Regierung einige Schritte ergriffen hat, um Täter zu verfolgen und zu bestrafen, so agieren diese weiterhin meist ungestraft (USDOS 30.3.2021).

Die soziopolitische Krise, die Ende 2016 in den Regionen Nordwest und Südwest begann, entwickelte sich zu einem bewaffneten Konflikt zwischen Regierungstruppen und separatistischen Gruppen. Der Konflikt führte zu schweren Menschenrechtsverletzungen und Misshandlungen durch Regierungstruppen und anglophone Separatisten (USDOS 30.3.2021).

Bewaffnete Gruppen und Regierungskräfte begingen im Jahr 2020 in den anglophonen Regionen Kameruns weit verbreitete Menschenrechtsverletzungen, darunter außergerichtliche oder summarische Hinrichtungen und Massentötungen. Die Sicherheitskräfte reagierten mit harter Hand auf die Angriffe der Separatisten. Als Vergeltung für separatistische Angriffe auf Wahllokale zerstörten Sicherheitskräfte im Jänner 2020, im Zuge einer Militäroperation, in der Nord-West-Region über 50 Häuser und töteten mehrere Zivilisten, darunter zwei Männer mit geistiger Behinderung. Im Feber töteten Regierungstruppen und bewaffnete ethnische Fulani 21 Zivilisten, darunter 13 Kinder und eine schwangere Frau, in der Nord-West-Region. Gemäß Human Rights Watch habe der Angriff der Bestrafung von Zivilisten gedient, die verdächtigt wurden, separatistischen Kämpfern Unterschlupf zu gewähren. Die Regierung bestritt den Angriff zunächst, aber auf internationalen Druck hin, setzte Präsident Biya im März eine Untersuchungskommission ein. Im April 2020 bestätigte die Regierung, dass ihre Sicherheitskräfte eine gewisse Verantwortung für die Tötungen tragen und kündigte Verhaftungen an. Es kam auch zu Angriffen, Tötungen, Folter, Entführungen durch bewaffnete Separatisten. Im Vorfeld der Regionalwahlen im Feber 2020, nahmen bewaffnete Separatisten diejenigen ins Visier, die an den Wahlen teilnehmen wollten, sei es als Kandidaten, Wahlhelfer, Aktivisten oder Bürger, entführten über 100 Menschen und zerstörten Eigentum (HRW 13.1.2021).

Soldaten zwangen Zivilisten in Mozogo, im äußersten Norden, Nachtwache vor Ort zu halten, um das Gebiet vor Angriffen von Boko Haram zu schützen. Von Mitte März bis Ende April schlugen oder bedrohten die Soldaten jene, die sich weigerten (HRW 13.1.2021).

Auch im Rahmen des Kampfes gegen Boko Haram werden den kamerunischen Sicherheitskräften massive Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen (AA 17.8.2020; vgl. FH 4.3.2020).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (17.8.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun (Stand: Juli 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2037145/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt %2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl- _und_abschieberelevante_Lage_in_der_Republik_Kamerun_ %28Stand_Juli_2020%29%2C_17.08.2020.pdf, Zugriff 5.11.2020

- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2030844.html, Zugriff 5.8.2020

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (10.2020a): Kamerun - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/kamerun/geschichte-staat/, Zugriff 5.11.2020

- HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 – Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043533.html, Zugriff 29.3.2021

- USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Cameroon, https://www.ecoi.net/en/document/2048145.html, Zugriff 12.4.2021

Ombudsmann

Die Nationale Kommission für Menschenrechte und Freiheiten (CNDHL - Comité National des Droits de l'Homme et des Libertés) verfolgt Menschenrechtsverletzungen und prangert Haftbedingungen an. Im Rahmen ihres begrenzten Spielraums veröffentlicht sie einen jährlichen Bericht (AA 17.8.2020). Im Juni 2019 verabschiedete die Regierung ein Gesetz zur Einrichtung der Menschenrechtskommission Kameruns (CHRC) als Ersatz für die bestehende CNDHL. Die CHRC ist eine nominell unabhängige, aber von der Regierung finanzierte Institution. Mit dem Gesetz zur Einrichtung der CHRC wurde ihr Auftrag zum Schutz der Menschenrechte erweitert, indem die Bestimmungen der Artikel 2 und 3 des Fakultativprotokolls zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe aufgenommen wurden. Die Menschenrechtskommission nahm ihre Arbeit im Laufe des Jahres nicht auf, da der Präsident ihre Mitglieder noch nicht benannt hatte. Das CNDHL setzte seine Arbeit an seiner Stelle fort (USDOS 30.3.2021).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (17.8.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun (Stand: Juli 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2037145/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt %2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl- _und_abschieberelevante_Lage_in_der_Republik_Kamerun_ %28Stand_Juli_2020%29%2C_17.08.2020.pdf, Zugriff 5.11.2020

- USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Cameroon, https://www.ecoi.net/en/document/2048145.html, Zugriff 15.4.2021

Allgemeine Menschenrechtslage

Bewaffnete Gruppen und Regierungstruppen begingen im Jahr 2020 weit verbreitete Menschenrechtsverletzungen, darunter außergerichtliche oder summarische Hinrichtungen und Massentötungen in den anglophonen Regionen Kameruns (HRW 13.1.2021). Im Verlauf eines seit Ende 2016 andauernden regionalen Konfliktes zwischen Sicherheitskräften und bewaffneten separatistischen bzw. kriminellen Gruppierungen hat sich die Menschenrechtslage in den beiden anglophonen Regionen Kameruns South West und North West weiter verschlechtert. Die Situation in der Region Extrême Nord ist weiterhin geprägt durch häufige gewaltsame Übergriffe terroristischer Gruppen (Boko Haram, ISWAP) auf die Zivilbevölkerung. Der nationale Dialog (Grand Dialogue National) hat bisher keine konkreten Lösungsmöglichkeiten für die dem Konflikt zugrundeliegenden Probleme (historisch, ethnisch, sprachlich, gesellschaftspolitisch, wirtschaftlich) hervorgebracht. Die Regierung strebt weiterhin eine rein militärische Lösung an. Ein Hauptproblem des Landes ist ein korruptes, unterfinanziertes und ineffizientes Justizsystem (AA 17.8.2020).

Die Verfassung von 1996 garantiert die Grundrechte im Sinne der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (1948), der Charta der Vereinten Nationen (1945) und der Banjul Charta der .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 20 von 45 Menschenrechte und Rechte der Völker (1981). Kamerun ist den folgenden zentralen Menschenrechtskonventionen und Fakultativprotokollen der Vereinten Nationen beigetreten:

Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (1966, ratifiziert 1971);

Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (1966, ratifiziert 1984);

Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (1966, ratifiziert 1984);

Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (1979, ratifiziert 1994); und Fakultativprotokoll (ratifiziert 2005);

Übereinkommen über die Rechte des Kindes (1989, ratifiziert 1993);

Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung (1984, ratifiziert 1986); (AA 17.8.2020).

Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme im Land sind Folter und Misshandlungen durch die Sicherheitskräfte, vor allem von Häftlingen; Mangel an fairen und schnellen Gerichtsverfahren und lebensbedrohliche Haftbedingungen. Es kommt auch zu anderen bedeutenden Menschenrechtsverletzungen wie willkürliche Festnahmen, überlange Untersuchungshaft und Verstöße gegen die Privatsphäre. Die Regierung belästigt Journalisten und Separatisten und schränkt die Bewegungs-, Meinungs- und Pressefreiheit ein (USDOS 31.3.2021).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (17.8.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun (Stand: Juli 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2037145/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt %2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl- _und_abschieberelevante_Lage_in_der_Republik_Kamerun_ %28Stand_Juli_2020%29%2C_17.08.2020.pdf, Zugriff 5.11.2020

- HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 – Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043533.html, Zugriff 30.3.2021

- USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Cameroon, https://www.ecoi.net/en/document/2048145.html, Zugriff 15.4.2021

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

Die durch die Verfassung geschützte Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wird in der Praxis immer wieder eingeschränkt (USDOS 30.3.2021; vgl. AA 17.8.2020; FH 4.3.2020). Die Versammlungsfreiheit ist erheblichen Einschränkungen unterworfen (FH 4.3.2020). Versammlungen werden zum Teil nicht genehmigt bzw. gewaltsam aufgelöst (AA 17.8.2020).

Die Regierung nutzt ein Gesetz, welches Genehmigungen für Demonstrationen vorschreibt. Viele Organisationen der Zivilgesellschaft und der Politik berichteten von erhöhten Schwierigkeiten bei der Einholung der Genehmigung öffentlicher Versammlungen (USDOS 30.3.2021). Es kommt mitunter zu Verboten oppositionsnaher Veranstaltungen mit der Begründung, dass diese eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellten. In diesem Zusammenhang kommt es auch zu vorübergehenden Festnahmen (AA 17.8.2020).

Im Rahmen der anglophonen Krise kommt es zu massiven Einschränkungen der Versammlungsfreiheit (AA 17.8.2020; vgl. FH 4.3.2020). Ende Juli 2019 kam es zu Aufständen anglophoner Separatisten in den Gefängnissen von Buea und Yaoundé und im August 2019 wurden mehrere führende Separatisten zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt (GIZ 12.2020a).

Die Regierung geht auch hart gegen die von Maurice Kamto geleitete Oppositionspartei Cameroon Renaissance Movement (CMR) vor: 2019 wurden Veranstaltungen verboten und es kam landesweit zu gewaltsamen Auflösung von Kundgebungen (FH 4.3.2020).

Im Juni 2019 veranstaltete CRM landesweite Kundgebungen, um die Freilassung von Kamto und anderen Parteifunktionären zu fordern, die Ende Jänner 2019 verhaftet worden waren. Die Polizei reagierte mit Gewalt, setzte Tränengas und Gummigeschosse ein, um die Kundgebungen aufzulösen, wobei mindestens zwei Teilnehmer verletzt und über 350 weitere im ganzen Land verhaftet wurden. Im November verbot die Regierung Treffen in den Städten Yaoundé, Douala und Ebolowa. Die Polizei griff mindestens 10 Demonstranten an und verhaftete insgesamt 33 Personen, die sich dem Verbot in Yaoundé widersetzten (FH 4.3.2020).

Organisatoren von öffentlichen Versammlungen, Demonstrationen oder Prozessionen sind gesetzlich dazu verpflichtet, Behördenvertreter vorab darüber zu informieren. Gesetzlich ist eine vorherige Zustimmung der Regierung jedoch nicht vorgesehen. Amtsträger behaupten dennoch regelmäßig, dass das Gesetz implizit eine behördliche Bewilligung von öffentlichen Veranstaltungen erfordert. Folglich verweigert die Regierung häufig die Bewilligung von Veranstaltungen bzw. wendet Gewalt an, um nicht genehmigte Veranstaltungen zu unterbinden (USDOS 30.3.2021).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (17.8.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun (Stand: Juli 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2037145/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt %2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl- _und_abschieberelevante_Lage_in_der_Republik_Kamerun_ %28Stand_Juli_2020%29%2C_17.08.2020.pdf, Zugriff 5.11.2020

- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2030844.html, Zugriff 25.8.2020

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2020a): Kamerun - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/kamerun/geschichte-staat/, Zugriff 15.4.2021

- USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Cameroon, https://www.ecoi.net/en/document/2048145.html, Zugriff 15.4.2021 14.1.

Opposition / Anglophone

Trotz Mehrparteiensystems - Kamerun weist einen außerordentlichen Parteienreichtum auf - und mehr oder minder ordentlichen Wahlen, wird die kamerunische Politik durch den Präsidenten und 'seine' Partei, die RDPC/CPDM, die ehemalige Einheitspartei, dominiert (GIZ 12.2020a; vgl. FH 4.3.2020). Politische Auseinandersetzungen finden kaum im parlamentarischen Rahmen statt, da die Assemblée Nationale inzwischen weitgehend von der RDPC/CPDM beherrscht wird (GIZ 12.2020a). Systematische politische Verfolgung der Opposition findet nicht statt, jedoch können sich Oppositionsparteien nur schwer entfalten. In einigen Fällen kommt es zu Festnahmen oder Gewaltanwendung gegen Oppositionelle, in der Regel im Zusammenhang mit der Planung bzw. Durchführung von nicht genehmigten Demonstrationen gegen die Regierung (AA 17.8.2020)

Angesichts der Präsidentschaftswahlen am 7.10.2018 wurden Veranstaltungen regierungskritischer Organisatoren und politischer Parteien (Podiumsdiskussionen, Pressekonferenzen) in der Regel wegen des Vorwurfs der Gefährdung der öffentlichen Ordnung verboten und vereinzelt gewaltsam aufgelöst. Demonstrationen der Oppositionspartei MRC gegen die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen wurden untersagt, Teilnehmer an diesen verbotenen Demonstrationen festgenommen (AA 17.8.2020).

Der zweitplatzierte Präsidentschaftskandidat und Vorsitzenden des MRC befand sich nach den Wahlen, Ende Jänner 2019, gemeinsam mit einigen Anhängern, für acht Monate im Gefängnis (GIZ 12.2020a; vgl. AA 17.8.2020, USDOS 30.3.2021). In verschiedenen Städten wurde die Zahl der Inhaftierten, Mitglieder und Sympathisanten des MRC auf fast 600 geschätzt (USDOS 30.3.2021). Etwa 50 von ihnen wurden am 27.1.2019 wieder freigelassen (BAMF 4.2.2019). Am 2.4.2020 verurteilte ein erstinstanzliches Gericht in der Region Ouest mehrere Unterstützer der MRC zu zwei Monaten Haft. Sie wurden nach der Verhandlung jedoch freigelassen, da sie bereits zwei Monate inhaftiert waren. Ihnen wurde vorgeworfen, in Bangangte Flugzettel verteilt zu haben, in denen zu einem Boykott der für den 9.2.2020 angesetzten Parlaments- und Kommunalwahlen aufgerufen wurde (BAMF 6.4.2020). Im September 2020, kam es in mehreren Städten Kameruns zu Antiregierungsprotesten, die von Kamtos Partei mitinitiiert wurden (GIZ 12.2020a).

Seit Oktober 2016 kommt es in den beiden anglophonen Regionen Kameruns South West und North West immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und separatistischen bzw. kriminellen Gruppierungen, die zu über 2.000 Toten und zahlreichen Verletzten sowie zur Zerstörung von Infrastruktur (Straßen, Stromverbindungen, Schulen, sogar UNESCO-Welterbe) geführt haben. Auslöser waren Demonstrationen und Streiks von Juristen, Schülern und Studenten, die sich gegen eine jahrzehntelange Benachteiligung der anglophonen Regionen durch die frankophone Zentralregierung richteten und verstärkte politische Teilhabe der anglophonen Regionen fordern. Eine Minderheit setzt sich teilweise mit Gewalt für die Loslösung der beiden Regionen von Kamerun ein. Die beiden die Proteste ursprünglich tragenden Organisationen, die Cameroon Anglophone Civil Society (CACS) und die bereits 1994 gegründete separatistische „Southern Cameroons National Council“ (SCNC) wurden am 17.1.2017 für illegal erklärt und verboten. Der SCNC, der sich aus mehreren Splitterfraktionen zusammen setzt, die das Ziel eint, den anglophonen Teil Kameruns vom frankophonen Teil abzuspalten, hat durch den Konflikt einen politischen Aufschwung erhalten, nachdem er jahrelang nur noch ein Nischendasein geführt hatte. Im Verlauf der Auseinandersetzungen wurden Mitglieder von CACS, SCNC und andere Teilnehmer an den Protestaktionen festgenommen und strafrechtlich verfolgt (AA 17.8.2020; vgl. GIZ 12.2020a).

Mehr als 700.000 Menschen wurden im Verlauf dieses Konfliktes zu Binnenflüchtlingen (AI 7.4.2021; vgl. GIZ 12.2020a).

Es kommt zu Einsatz staatlicher Gewalt, sowie außer- und innerparlamentarischer Winkelzüge gegen Versammlungen oder Aktionen der englischsprachigen Separatistenbewegung (Southern Cameroons National Council – SCNC) und deren Sympathisanten (GIZ 12.2020a).

Der kamerunische Staat widmet den Aktivitäten der Exilorganisationen wenig Aufmerksamkeit. Im Gefolge der anglophonen Krise interessiert sich der kamerunische Staat jedoch zunehmend für exilpolitische Aktivitäten der anglophonen Opposition. Eine staatliche Verfolgung kamerunischer Staatsangehöriger wegen oppositioneller Tätigkeit im Ausland ist aus den letzten Jahren nicht bekannt (AA 17.8.2020).

Am 3.7.2020 gab Ayuk Tabe, der bekannteste Vertreter der anglophonen Separatisten, bekannt, dass erstmals seit dem Beginn des bewaffneten anglophonen Konflikts 2017 Gespräche zwischen Regierungsvertretern und den wichtigsten Vertretern der Separatisten stattgefunden haben. Es sei die Möglichkeit eines Waffenstillstandes diskutiert worden. Offizielle Vertreter der Regierung haben zu den Gesprächen, zu denen die Vereinten Nationen die Konfliktparteien aufgerufen hatten, bisher nicht Stellung genommen. Tabe und neun weitere Anführer der Separatisten wurden im August 2019 von einem Militärgericht in Kamerun zu lebenslangen Haftstrafen wegen Terrorismus, Rebellion und separatistischer Bestrebungen verurteilt. Tabe rief im Oktober 2017 die aus den beiden kamerunischen anglophonen Regionen Nordwest und Südwest bestehende Republik Ambazonia aus und ernannte sich selbst zu deren Präsident (BAMF 6.7.2020). Allerdings verneinte Regierungssprecher Rene Emmanuel Sadi am 6.7.2020, dass diese Gespräche am 2.7.2020 stattgefunden hätten (BAMF 13.7.2020).

Bereits 2018 richtete Präsident Biya ein Nationales Komitee zur Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration (NDDRC) für bewaffnete anglophone Separatistengruppen ein. Im Oktober 2019 führte Biya einen nationalen Dialog in dem Versuch, den Konflikt zu beenden, doch die Führer der Separatisten lehnten eine Teilnahme ab. Im Dezember gewährte das Parlament den anglophonen Regionen einen Sonderstatus, aber die Führer der Separatisten lehnten das Angebot ab und wiederholten ihre Forderungen nach Unabhängigkeit (FH 4.3.2020).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (17.8.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun (Stand: Juli 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2037145/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt %2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl- _und_abschieberelevante_Lage_in_der_Republik_Kamerun_ %28Stand_Juli_2020%29%2C_17.08.2020.pdf, Zugriff 5.11.2020

- AI - Amnesty International (7.4.2021): Cameroon 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048653.html, Zugriff 16.4.2021 - AI - Amnesty International (8.4.2020): Human Rights in Africa: Review of 2019 - Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2028266.html, Zugriff 31.8.2020

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (4.2.2019): Briefing Notes, Kamerun, Hauptoppositionsführer verhaftet, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003641/Deutschland___Bundesamt_f %C3%Bcr_Migration_und_Fl%C3%Bcchtlinge%2C_Briefing_Notes%2C_04.02.2019_ %28deutsch%29.pdf, Zugriff 17.4.2019

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (6.4.2020): Briefing Notes, Kamerun, MDC-Unterstützer freigelassen, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/ 2020/briefingnotes-kw15-2020.pdf?__blob=publicationFile&v=4, Zugriff 25.8.2020

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (6.7.2020): Briefing Notes, Kamerun, Anglophone Krise: Gespräche über Waffenstillstand zwischen Regierung und Separatisten, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/ BriefingNotes/2020/briefingnotes-kw28-2020.pdf?__blob=publicationFile&v=3, Zugriff 25.8.2020

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (13.7.2020): Briefing Notes, Kamerun, Anglophone Krise: Regierung verneint Gespräche über Waffenstillstand mit Separatisten, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/ BriefingNotes/2020/briefingnotes-kw29-2020.pdf?__blob=publicationFile&v=4, Zugriff 25.8.2020

- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2030844.html, Zugriff 5.11.2020

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2020a): Kamerun - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/kamerun/geschichte-staat/, Zugriff 15.4.2021

- USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Cameroon, https://www.ecoi.net/en/document/2048145.html, Zugriff 15.4.2021 15.

Haftbedingungen

Die Haftbedingungen in kamerunischen Gefängnissen sind sehr schlecht (AA 17.8.2020; vgl. USDOS 30.3.2021) und lebensbedrohlich (USDOS 30.3.2021) bzw. unhaltbar (GIZ 12.2020a), unterscheiden sich aber nach Einkommen bzw. Vermögen der Inhaftierten (AA 17.8.2020). Der Zugang zu Trinkwasser ist unzureichend, für die Versorgung der Gefangenen mit Nahrungsmitteln sind die Familienangehörigen verantwortlich. Die medizinische und hygienische Versorgung ist oft nicht ausreichend (AA 17.8.2020; vgl. USDOS 30.3.2021), wodurch es auch zu Todesfällen kommt (USDOS 30.3.2021). Die Gefängnisse sind zum Teil um ein Vielfaches ihrer eigentlichen Kapazität überbelegt (AA 17.8.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). Ca. 60% der Insassen sind Untersuchungshäftlinge (AA 17.8.2020).

Folter und Misshandlung durch die Sicherheitskräfte sind üblich. In einem Bericht der kamerunischen Menschenrechtsorganisation ACAT (Action des Chrétiens pour l'abolition de la Torture) wird Folter und Misshandlung in Polizeigewahrsam als "Routine" bezeichnet (GIZ 12.2020a). In den kleineren Gefängnissen sind Frauen und Jugendliche nicht von den übrigen Gefangenen getrennt untergebracht; dies kann auch in großen Gefängnissen vorkommen (AA 17.8.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). Misshandlungen und Vergewaltigungen von Häftlingen – in der Mehrzahl der Fälle durch Mithäftlinge, jedoch auch durch das Gefängnisperso

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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