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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des H in G, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 3. August 1995, Zl. 4.344.167/9-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger und reiste am 6. Jänner 1994 in das Bundesgebiet ein. Am 17. Jänner 1994 beantragte er, ihm Asyl zu gewähren. Anläßlich seiner am 18. Februar 1994 vor dem Bundesasylamt erfolgten niederschriftlichen Befragung gab er zu seinen Fluchtgründen an, er sei aus seinem Heimatland geflüchtet, weil er ca. 10 Tage vor seiner Ausreise mit anderen Jugendlichen von ca. 60 Soldaten und Zivilpolizisten verhaftet und im Militärgefängnis von Höplek 5 Tage lang eingesperrt worden sei. Zwei Personen seien noch einige Tage länger festgehalten worden. Die Verhaftung sei durchgeführt worden, weil einige Tage vorher ein Ort von Mitgliedern der PKK überfallen worden sei, Häuser zerstört und Personen getötet worden seien. Er sei nicht dabei gewesen, sondern habe durch die Polizisten davon gehört. Er sei auch kein Mitglied der PKK und habe an keinen Aktionen dieser Organisation teilgenommen. Er sei mit den anderen elf Personen zweimal gemeinsam verhört worden. Er sei beim zweiten Verhör von einem Militärpolizisten auch geschlagen worden, er habe dabei mehrere Faustschläge und Fußtritte erhalten. Durch die Mißhandlung habe er jedoch keine sichtbaren Verletzungen davongetragen. Durch die Verhöre hätten die Militärpolizisten wissen wollen, ob sie (die verhafteten Jugendlichen) Mitglieder der PKK unterstützten bzw. im Besitz von Waffen seien. Nach fünftägiger Haft seien sie entlassen worden. Er habe beschlossen, aus seinem Heimatland zu flüchten. Diesen Entschluß habe er erst nach seiner Entlassung aus der Haft gefaßt. Drei oder vier Tage nach seiner Entlassung habe er zu Hause gewohnt. Nach dieser Zeit habe er sich mit einem Linienbus nach Istanbul begeben und habe sich dort drei oder vier Tage bei Verwandten aufgehalten. Seine Eltern und seine Schwestern lebten schon seit einiger Zeit in Österreich. Er aber habe vorerst in der Heimat bleiben wollen. Im Heimatland habe er als Kochgehilfe bis zu seiner Verhaftung gearbeitet. Er habe seit November 1991 als Folge von Folterungen epileptische Anfälle. Sichtbare Spuren von Folterungen habe er nicht. Er habe auch nicht versucht, in einem anderen Teil seines Heimatlandes zu leben, weil dies für ihn schwierig gewesen wäre, er besitze keine finanziellen Mittel. Er sei aus dem Heimatland geflüchtet, auch weil er zum Militärdienst hätte eingezogen werden können. Eine diesbezügliche Einberufung habe er jedoch noch nicht erhalten.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 21. Februar 1994 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers infolge Verneinung der Flüchtlingseigenschaft im Sinn des § 1 Z. 1 AsylG 1991 abgewiesen.
In der gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung machte der Beschwerdeführer lediglich unrichtige rechtliche Beurteilung, nicht jedoch Verfahrensmängel geltend.
Mit Bescheid vom 15. April 1994 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG (wegen Annahme des Vorliegens des Asylausschließungsgrundes des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 infolge des Aufenthalts des Beschwerdeführers vor Einreise in das Bundesgebiet in Rumänien und Bulgarien) ab.
Aufgrund der dagegen gerichteten Beschwerde hob der Verfassungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 29. November 1994, B 1167/94-7, den bekämpften Bescheid auf, sodaß das Berufungsverfahren wiederum bei der belangten Behörde anhängig wurde.
Am 6. Juli 1995 wurde der Beschwerdeführer im Rahmen eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens über Anordnung der belangten Behörde durch das Bundesasylamt zu den Fragen der "inländischen Fluchtalternative" und "Verfolgungssicherheit" einvernommen. Zur Frage der "inländischen Fluchtalternative" nahm er wie folgt Stellung:
"Ich habe erfahren, daß einige meiner Landsleute nach Istanbul gezogen sind und im Verlaufe der Unruhen erschossen worden sind."
Woher wissen Sie dies? "Ich habe vor ca. 4 Monaten in Österreich im Fernsehprogramm "Zeit im Bild" Berichte darüber gesehen beziehungsweise gehört."
Wären Sie in einem anderen Teil ihres Heimatlandes vor Verfolgung sicher gewesen? "Ich habe von Freunden im Heimatland, vor meiner Flucht gehört, daß man wegen der Aussprache zum Beispiel im ÄGÄISCHEN Teil meines Heimatlandes als Kurde erkannt und keine Arbeitsstelle erhalten würde."
Woher wissen Sie dies? "Meine Freunde waren in diesem Teil meines Heimatlandes und sind danach wieder in mein Heimatland zurückgekehrt, da sie keine Arbeitsstätte erhalten haben."
Haben Sie selbst versucht in einem anderen Teil des Heimatlandes zu wohnen und Verfolgungssicherheit zu erlangen? "Nein. Ich hatte in meinem Heimatland eine Arbeitsstelle und Angst davor, daß ich diese verlieren könnte. Wenn ich in einem anderen Teil des Heimatlandes keine Arbeitsstelle gefunden hätte, wäre ich dann ohne Arbeit gewesen. Wovon hätte ich dann leben sollen."
Der Annahme der Verfolgungssicherheit hielt der Beschwerdeführer im wesentlichen entgegen, zwei Freunde von ihm seien von Rumänien in das gemeinsame Heimatland abgeschoben worden.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG (neuerlich) ab, übernahm hinsichtlich der mangelnden Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers die Sachverhaltsfeststellung und rechtliche Beurteilung des bekämpften Bescheides des Bundesasylamtes und ergänzte, bei der fünftägigen Anhaltung des Beschwerdeführers und der in deren Zug erfolgten Mißhandlung handle es sich nicht um einen ernsthaften Nachteil von asylrechtlich relevanter Intensität. Im übrigen habe diese Verhaftung auch keinen pönalen Charakter gehabt, sondern es sei lediglich Zweck gewesen, vom Beschwerdeführer Informationen über die PKK zu erlangen. Es sei ihm darüber hinaus möglich gewesen, in einem anderen, befriedeten Teil der Türkei Schutz vor Übergriffen zu finden, wenn er dies nicht bereits während seines Aufenthaltes in Istanbul getan habe. Daran ändere auch nichts die von ihm ausgesprochene "Vermutung", in einem anderen Teil der Türkei auf Grund seiner Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe keinen Arbeitsplatz zu erhalten. Das Recht auf Arbeit, ohne daß durch deren Verweigerung die Lebensgrundlage entzogen werde, sei kein geschütztes Rechtsgut im Sinne des Asylgesetzes. Auch die rein hypothetische Möglichkeit, zum Militärdienst einberufen zu werden, stelle noch keine konkrete Verfolgung dar, abgesehen davon, daß auch eine Verfolgungsmotivation allein darin nicht erkannt werden könne. Darüber hinaus nahm die belangte Behörde Verfolgungssicherheit des Beschwerdeführers vor Einreise in das Bundesgebiet in Rumänien und Bulgarien an, da beide Staaten Mitgliedstaaten der Genfer Flüchtlingskonvention seien und es "durchaus legitim" sei, "prima facie davon auszugehen, daß in einem Staat, dessen Rechts- und Verfassungsordnung im großen und ganzen effektiv ist, wie das für Bulgarien und Rumänien ja gilt, auch größere Teilbereiche dieses Rechtsbestandes, wie eben das Nonrefoulementrecht ebenfalls effektiv in Geltung" stünden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die belangte Behörde hat die Abweisung der Berufung u.a. damit begründet, dem Beschwerdeführer fehle die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991, weil seinem Vorbringen nicht hätte entnommen werden können, daß sich die von ihm geschilderte Verfolgungssituation auf das gesamte Gebiet seines Heimatstaates bezogen hätte. Der Beschwerdeführer hat im wesentlichen zwei Vorfälle angegeben, die ihn zusammengenommen zur Flucht veranlaßt haben, nämlich eine Anhaltung und Mißhandlung durch Militärpolizisten im Jahre 1990, die bei ihm epileptische Anfälle ausgelöst haben und eine etwa 10 Tage vor seiner Ausreise erfolgte Anhaltung durch die Polizei über die Dauer von 5 Tagen, anläßlich derer er wiederum mit Faustschlägen und Fußtritten mißhandelt wurde. Zwar kann der Argumentation der belangten Behörde (durch Übernahme der rechtlichen Beurteilung des Bundesasylamtes), es fehle der zeitliche Zusammenhang bzw. die erforderliche Intensität des behaupteten Eingriffs angesichts der Dauerfolgen und der damit verbundenen möglicherweise gesteigerten Gesundheitsgefährdung nicht gefolgt werden. Die Einschätzung der Möglichkeit einer "inländischen Fluchtalternative" erscheint nicht unschlüssig, kann doch allein aus der Art der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Vorfälle nicht geschlossen werden, diese hätten sich jedenfalls in ähnlicher Form auch in einem anderen, befriedeteren Teil seines Heimatlandes wiederholt.
Zum Vorhalt der "inländischen Fluchtalternative" im Rahmen des ergänzten Berufungsverfahrens gab der Beschwerdeführer anläßlich seiner niederschriftlichen Befragung am 6. Juli 1995 lediglich an, er habe erfahren, daß einige seiner Landsleute nach Istanbul gezogen und im Verlaufe von Unruhen erschossen worden seien. Dies habe er vor etwa vier Monaten (vor der Vernehmung) in Österreich im Fernsehprogramm "Zeit im Bild" gesehen bzw. gehört. Er habe von Freunden im Heimatland auch vor seiner Flucht bereits gehört, daß man wegen der Aussprache z. B. im ägäischen Teil seines Heimatlandes als Kurde erkannt und keine Arbeitsstelle erhalten würde. Er wisse dies, weil seine Freunde in diesem Teil des Landes gewesen seien und danach wieder "in mein Heimatland" (gemeint offenbar: die Gegend um Elbistan, also die nähere Heimatregion des Beschwerdeführers) zurückgekehrt seien, da sie keine Arbeitsstelle erhalten hätten. Er selbst habe in seinem Heimatort (Elbistan) eine Arbeitsstelle und Angst davor gehabt, daß er diese verlieren könne. Hätte er in einem anderen Teil des Heimatlandes keine Arbeitsstelle gefunden, wäre er also ohne Arbeit gewesen. Die belangte Behörde hat bereits dargelegt, daß mit diesen Argumenten ihrer Annahme, er hätte in anderen, nicht von den bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen betroffenen Teilen des Heimatstaates des Beschwerdeführers die Möglichkeit gehabt, Sicherheit vor Verfolgung zu finden, wenn auch unter Aufgabe seiner zuletzt ausgeübten Berufstätigkeit, nicht wirksam begegnet werden kann. Daß ihm die Möglichkeit zu jedwedem Broterwerb genommen worden wäre, ist seinen Angaben nicht zu entnehmen.
Angesichts der Schilderungen des Beschwerdeführers über die Situation in unmittelbarer Umgebung seines Heimatortes, die durch die bürgerkriegsähnlichen Kämpfe zwischen Militär nd PKK gekennzeichnet sind, womit auch die von ihm behaupteten Mißhandlungen in Zusammenhang stehen, wäre es Aufgabe des Beschwerdeführers gewesen, im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht darzulegen, warum die Annahme der örtlichen Begrenzung dieser Ausschreitungen unrichtig wäre. Dies hat er im Verwaltungsverfahren aber unterlassen.
Aus diesem Grunde vermag der Verwaltungsgerichtshof der von der belangten Behörde ins Treffen geführten Annahme der "inländischen Fluchtalternative" nichts entgegenzusetzen.
Der weitere vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte "Verfolgungs"-Grund des ihm angeblich bevorstehenden Militärdienstes bezöge sich zwar unzweifelhaft auf das gesamte Gebiet des Heimatlandes des Beschwerdeführers, doch konnte in der von ihm vage angedeuteten Möglichkeit, zum Militärdienst einberufen zu werden - eine Einberufung war tatsächlich noch nicht erfolgt und erschiene auch im Hinblick auf die gesundheitliche Schädigung des Beschwerdeführers nicht wahrscheinlich - eine asylrechtlich relevante Verfolgung im Sinne der im hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377, genannten Kriterien nicht erkannt werden.
Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf den weiteren von der belangten Behörde angezogenen Abweisungsgrund einer Verfolgungssicherheit, i.S.d. § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 und die sich darauf beziehenden Beschwerdeausführungen.
Die Beschwerde war aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995200577.X00Im RIS seit
20.11.2000